Beschluss des BPatG München 28. Senat vom 04.03.2025, AZ 28 W (pat) 39/22

BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 04.03.2025, AZ 28 W (pat) 39/22, ECLI:DE:BPatG:2025:040325B28Wpat39.22.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2019 109 114

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Lachenmayr-Nikolaou und den Richter Dr. Poeppel beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. März 2022 aufgehoben, soweit auf den Widerspruch aus der IR-Marke 488 118 die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke DE 30 2019 109 114 für die Waren der
Klasse 04: Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke

angeordnet worden ist. In diesem Umfang wird der Widerspruch zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Antrag der Beschwerdegegnerin, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 15. Juli 2019 angemeldete Wort-/Bildmarke

2

ist am 18. September 2019 unter der Nummer 30 2019 109 114 für die nachfolgend genannten Waren in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:

3

Klasse 4: Technische Öle und Fette, Schmiermittel; Staubbindemittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe [einschließlich Motorentreibstoff]; Brennstoffe und Leuchtstoffe; Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke.

4

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 18. Oktober 2019.

5

Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdegegnerin aus dem deutschen Anteil ihrer am 28. Mai 1984 international registrierten Marke IR 488 118

6

am 17. Januar 2020 Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsmarke genießt in der Bundesrepublik Deutschland Schutz für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen:

7

Klasse 01: Additifs chimiques pour carburants, composés d’éléments d’étanchéité, adhésifs pour l’industrie, préparations antigel, fluides pour freins hydrauliques (n’étant pas des huiles), additifs détergents pour l’essence;

8

Klasse 04: Produits du pétrole tels qu’essences, carburants solides, liquides et gazeux pour moteurs, gasoil, huiles combustibles, y compris celles pour le chauffage et la cuisine, gaz de pétrole liquéfiés à usage industriel, pour la traction automobile, le chauffage et la cuisine, huiles et graisses lubrifiantes, huiles de lavage et huiles de chauffage;

9

Klasse 35: Services de conseils et d’assistance dans le domaine commercial, administratif et légal;

10

Klasse 42: Services de conseils et d’assistance dans le domaine technique.

11

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2020 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

12

Die Widersprechende hat daraufhin zum Nachweis der Benutzung diverse Unterlagen vorgelegt, u. a. eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden E… und ihres Justiziars
G… vom 10. September 2020 einschließlich Anlagen.

13

Mit Beschluss vom 3. März 2022 hat die Markenstelle für Klasse 4 des DPMA die angegriffene Marke auf den Widerspruch aus der Marke IR 488 118 vollständig gelöscht. Hinsichtlich eines weiteren Widerspruchs einer anderen Widersprechenden hat sie das Verfahren ausgesetzt.

14

Zur Begründung hat die Markenstelle für Klasse 4 ausgeführt, dass zwischen den Vergleichszeichen Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widersprechende habe auf die zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede hin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zumindest für die Waren der Klasse 4 „carburants liquides pour moteurs“ (flüssige Kraftstoffe für Motoren) belegt. Insbesondere sei auch der Umfang der Benutzung im maßgeblichen Zeitraum hinreichend glaubhaft gemacht worden und die Anbringung eines Zeichens auf Tankstellengebäuden in Bezug auf flüssige Motorenkraftstoffe stelle eine funktionsgerechte markenmäßige Verwendung dar. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Darlegungen der Widersprechenden auch eine über die vorgenannten Waren hinausgehende rechtserhaltende Benutzung der älteren Marke belegen würden, könne dahinstehen, da bereits unter Berücksichtigung nur dieser Waren Verwechslungsgefahr zu bejahen sei. Die Waren „flüssige Kraftstoffe für Motoren“ der Widerspruchsmarke seien mit den Waren der angegriffenen Marke teilweise identisch, teilweise bestehe eine hochgradige und im Übrigen eine zumindest (moderat) unterdurchschnittliche Ähnlichkeit, sodass die angegriffene Marke in Anbetracht einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der durchschnittlichen Aufmerksamkeit der Verkehrskreise den gebotenen Zeichenabstand nicht einhalte. Zwar würden sich die Vergleichszeichen in ihrer Gesamtheit und in (schrift-)bildlicher Hinsicht aufgrund der voneinander abweichenden grafischen Gestaltungen ausreichend unterscheiden. Jedoch sei in klanglicher Hinsicht allein auf die Wortelemente „Tomoil“ und „Tamoil“ abzustellen, die klanglich hochgradig ähnlich seien, so dass auch in Ansehung der nur unterdurchschnittlich ähnlichen Waren der jüngeren Marke eine unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben sei. Für eine Kostenauferlegung bestehe kein Anlass.

15

Hiergegen wendet sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit ihrer Beschwerde.

16

Sie hält die Einrede der Nichtbenutzung ausdrücklich aufrecht und ist der Ansicht, dass die Widersprechende eine Benutzung im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor Anmeldung der angegriffenen Marke nicht ausreichend belegt habe. Die vorgelegte eidesstattliche Versicherung beziehe sich teilweise, nämlich in den Ausführungen unter Punkt A., auf den Zeitraum ab 1996 und nicht konkret auf den relevanten Fünfjahreszeitraum, teilweise sei zwar der zutreffende Benutzungszeitraum genannt, die behaupteten Umsatzzahlen würden sich aber auch auf Waren wie beispielsweise Kleidungsstücke oder in Tankstellenshops angebotene Waren wie Getränke beziehen, die hier nicht von Relevanz seien. Hinsichtlich der Waren „Kraftstoffe“ und „Schmiermittel“ habe die Widersprechende zwar Umsatzzahlen genannt, jedoch das Angebot und den Vertrieb der Waren unter der Widerspruchsmarke „Tamoil“ nicht ausreichend belegt. Die vorgelegten Fotos von Tankstellen seien zumeist gar nicht datiert und ein Foto mit dem Aufnahmedatum 30. Juni 2005 zeige eine Tankstelle, die bereits vor dem maßgeblichen Benutzungszeitraum geschlossen worden sein. Zudem habe die Widersprechende ihr Tankstellennetz in Deutschland von der Marke Tamoil auf die Marke „Hem“ umgestellt, wie sich aus der von der Widersprechenden vorgelegten Anlage „Production 15“ ergebe. Demnach seien in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 400 Tankstellen unter der Marke „Hem“ und lediglich 14 Tankstellen unter der Marke „Tamoil“ betrieben worden. Folglich seien die in der eidesstattlichen Versicherung angegebenen Umsätze die Gesamtumsätze aller Tankstellen, sodass sich für die „Tamoil“-Tankstellen ein um den Faktor 30 geringerer Umsatz ergebe, der wiederum nicht mehr als ernsthafte Benutzung zu werten sei. Aus der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Anlage KRP 1 ergebe sich, dass die Tankstellen der Beschwerdeführerin teilweise bereits vor Beginn des Benutzungszeitraums geschlossen bzw. in größerer Anzahl im Benutzungszeitraum auf die Marke „Hem“ umgestellt worden seien. Auf den als Anlage KRP 2 vorgelegten aktuellen Fotos sei lediglich in drei Fällen eine Benutzung des geschützten Logos der Bildmarke erkennbar. Zudem lägen die Tankstellen nicht an stark frequentierten Autobahnstrecken, so dass sie nur regional sehr begrenzt wahrgenommen würden. Soweit die Widersprechende zum Nachweis der Benutzung der Wort-/Bildmarke „Tamoil“ für die Waren „flüssige Treibstoffe für Motoren“ Lichtbilder von Tankstellen vorgelegt habe, sei die Widerspruchsmarke überwiegend nicht in der eingetragenen Form verwendet worden sei. Bei der Widerspruchsmarke handele es sich um eine Wort-/Bildmarke, bei der der Schriftzug „TAMOIL“ in roter Schrift mittig in einem ovalen Schild stehe, das oberhalb und unterhalb des Schriftzugs blau ausgefüllt sei. Die charakteristischen Bildelemente der Widerspruchsmarke in Form eines Emblems seien auf etwa der Hälfte der vorgelegten Fotos nicht zu erkennen. Stattdessen seien die Tankstellen teilweise nur mit dem Wortelement „Tamoil“ zusammen mit anderen graphischen Elementen wie zwei parallelen Streifen oder langgestreckten Rechtecken und Quadraten versehen. In der benutzten Fassung würden wesentliche Elemente der eingetragenen Marke fehlen, so dass insoweit keine rechtserhaltende Benutzung vorliege. Soweit bei ca. der Hälfte der Tankstellen ein Logo verwendet werde, das demjenigen der Widerspruchsmarke ähnele, sei dieses nur auf Schildern mit Preisangaben und nicht auf dem Gebäude selbst angebracht. Außerdem könne den Unterlagen nicht entnommen werden, welcher Anteil der angegebenen Umsätze auf die wenigen Tankstellen entfalle, bei denen ein der Widerspruchsmarke ähnelndes Logo verwendet worden sei. Auch für die Ware „Schmierstoffe“ sei keine hinreichende Benutzung dargelegt, insbesondere sei mit der eidesstattlichen Versicherung kein einziges Foto eines Ölkanisters vorgelegt worden. Die Ausdrucke von Google-Trefferliste mit Bildern von Kanistern (Anlage KRP 3) seien nicht relevant, da sie aus dem Jahr 2022 stammen würden und daher nicht den Benutzungszeitraum beträfen und zudem keine Aussagekraft über im Inland erzielte Umsätze zuließen. Da Motorenöle in Kanistern oder Flaschen angeboten würden, sei eine Benutzung der Marke auf der Verpackung zu fordern, der bloße Vertrieb in einer mit „TAMOIL“ gekennzeichneten Tankstelle oder die Verwendung von entsprechenden Preisschildern sei nicht ausreichend.

17

Des Weiteren seien sich die gegenüberstehenden Waren teilweise unähnlich. Insbesondere sei keine Ähnlichkeit zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der Klasse 4 „Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke“ und den Waren „flüssige Kraftstoffe für Motoren“ der Widerspruchsmarke gegeben, da diese hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften, ihrer Verwendungsart, ihrer Herstellungsprozesse und ihrer Vertriebswege keinerlei Gemeinsamkeiten aufwiesen. Kraftstoffe für Motoren würden in Raffinerien hergestellt und ausschließlich über Tankstellen an den Endverbraucher vertrieben, Kerzen demgegenüber in Kerzenfabriken hergestellt und über Drogerien, als Geschenkartikel in anderen Geschäften oder über das Internet vertrieben. Die von der Markenstelle angeführte Begründung, wonach eine funktionelle Ergänzung zwischen den beiden Waren gegeben sei, sei unklar und nicht nachvollziehbar. Auch seien sich die Waren „flüssige Kraftstoffe für Motoren“ der Widerspruchsmarke und „Schmierstoffe“ der angegriffenen Marke nicht ähnlich. Zwar würden Schmierstoffe auch in Tankstellen-Shops vertrieben, dort würden aber ganz unterschiedliche Waren wie Getränke, Zeitschriften oder Sandwiches verkauft. Bekannte Marken für Motorenöle seien beispielsweise Liqui Moly, Mobil 1 oder Castrol sowie Marken von Automobilherstellern. Die angesprochenen Verkehrskreise seien daran gewöhnt, dass Motorentreibstoffe einerseits und Schmierstoffe für Motoren andererseits von verschiedenen Anbietern und unter unterschiedlichen Marken angeboten würden.

18

Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

19

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. März 2022 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke IR 488 118 zurückzuweisen.

20

Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin beantragt,

21

die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

22

Sie führt aus, dass sich aus der eidesstattlichen Versicherung eindeutig ergebe, dass die Waren „flüssige Kraftstoffe für Motoren“ und „Schmierstoffe“ im relevanten Zeitraum unter der Marke „Tamoil“ vertrieben worden seien. Die unter dieser Marke erzielten Umsätze seien in der Anlage „Production 1“ zur eidesstattlichen Versicherung für „TAMOIL“-Kraftstoffe („fuel“) einerseits und „TAMOIL“-Öl („lubricant“) andererseits getrennt ausgewiesen. Die weiteren Anlagen zur eidesstattlichen Versicherung würden zeigen, dass die Widersprechende im relevanten Zeitraum Tankstellen unter der Widerspruchsmarke „TAMOIL“ geführt habe, in welchen die zugunsten der Widerspruchsmarke geschützten Waren und Dienstleistungen angeboten worden seien. Bei den im Vergleich zur eingetragenen Fassung an der verwendeten Marke vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der bildlichen Elemente handele es sich lediglich um Modernisierungen und Anpassungen. Daher sei der Gesamteindruck und der kennzeichnende Charakter der Marke nicht verändert worden. Aus der im Beschwerdeverfahren eingereichten Anlage KRP 1 ergäben sich der jeweilige Betriebsbeginn und eventuelle Schließungen und Markenumstellungen der „TAMOIL“-Tankstellen sowie die – getrennt ausgewiesenen – erzielten Umsätze für Kraftstoff und Öl für den Zeitraum 18. Oktober 2018 bis Juni 2020. Die weitere Anlage KRP 2 zeige aktuelle Fotos von „TAMOIL“-Tankstellen. Die Nutzung der Marke „TAMOIL“ für Motoröle könne anhand einer einfachen Google-Recherche verifiziert werden (Anlage KRP 3). Insgesamt sei daher belegt, dass die Widerspruchsmarke vor, während und auch nach dem Zeitraum 2014 bis 2019 in Form von Tankstellenschildern und Prospekten rechtserhaltend benutzt worden sei, insbesondere für die Waren der Klasse 4 „Produits du pétrole tels qu’essences, carburants … liquides et gazeux pour moteurs, gasoil, huiles combustibles, y compris celles pour le chauffage et la cuisine, gaz de pétrole liquéfiés à usage industriel, pour la traction automobile, le chauffage et la cuisine, huiles et graisses lubrifiantes, huiles de lavage et huiles de chauffage“. Die einander gegenüberstehenden Waren seien teilweise identisch und teilweise ähnlich. Dies gelte auch für die Waren „Leuchtstoffe, Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke“, die den zugunsten der Widerspruchsmarke geschützten Waren wie Chemikalien, die in der Erdölindustrie verwendet werden, Erdölprodukten und Flüssiggas deutlich ähnlich seien. Diese Waren der jüngeren Marke würden als Hilfsmittel zur Beleuchtung mittels ölhaltiger Substanzen aufgefasst. Es gehe vorliegend nicht um Kerzen und Dochte zur Verwendung im Dekorbereich. Vielmehr würden Paraffinöle als technische Beleuchtungsmittel im Outdoor- oder Baustellenbereich genutzt und derartige Waren seien historisch seit langem in Tankstellen verkauft worden, auch wenn sie heute vor allem in Baumärkten erhältlich seien. Vor dem Hintergrund, dass Kerzen üblicherweise auf Paraffin basieren, das wie beispielsweise Schmieröl oder Dieselöl bei der Destillation von Erdöl gewonnen werde, seien die Waren hinsichtlich ihrer Beschaffenheit, ihrer betrieblichen Herkunft, ihrem Verwendungszweck etc. ähnlich. Ebenso handele es sich bei Staubbindemitteln um Ölprodukte, die zum Beispiel in Fensterreinigungsmitteln oder Cockpitspray verwendet würden. Dünnflüssige Öle mit schmierender Wirkung kenne der Endverbraucher auch in Form von Tüchern, die zur Reinigung der Armaturenbretter oder als Scheibenreiniger verwendet würden. Die Widerspruchsmarke habe erhöhte Kennzeichnungskraft durch Benutzung erlangt. In Anbetracht einer geringen Aufmerksamkeit der Verkehrskreise für die in Rede stehenden Waren, der identischen bis durchschnittlich ähnlichen Waren und einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke den erforderlichen weiten Zeichenabstand nicht ein. Die Vergleichszeichen seien sich schriftbildlich und klanglich hochgradig ähnlich, sodass eine unmittelbare sowie auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr vorliege. Die Kosten seien der Inhaberin der jüngeren Marke aufzuerlegen, da diese ohne rechtfertigenden Grund ein der älteren Marke fast identisches Zeichen für identische Waren angemeldet und ein nach der Entscheidung des DPMA aussichtsloses Beschwerdeverfahren angestrengt habe.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

24

Die zulässige, insbesondere nach § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat nur in geringem Umfang Erfolg. Hinsichtlich der im Tenor genannten Waren „Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke“ liegt keine Verwechslungsgefahr gem. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 107 Abs. 1 MarkenG vor, so dass der angegriffene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen war gem. § 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG. Hinsichtlich der übrigen Waren der angegriffenen Marke besteht demgegenüber Verwechslungsgefahr, so dass die die angegriffene Marke in diesem Umfang aufgrund des Widerspruchs aus dem deutschen Schutzrechtsanteil der Marke IR 488 118 gem. § 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG zu Recht gelöscht wurde und die Beschwerde daher insoweit zurückzuweisen war. Für eine Kostenauferlegung bestand keine Veranlassung.

25

I. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z.B. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER/HABM; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH, GRUR 2020, 1202 Rn. 19 – YOOFOOD/YO; a. a. O. Rn. 25 – INJEKT/INJEX; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2019, 173 Rn. 17 – combit/Commit; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2017, 914 Rn. 13 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; a. a. O. Rn. 7, BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; Hacker in: Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 14. Aufl. 2024, § 9 Rn. 44 ff. m. w. N.).

26

II. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend hinsichtlich der Waren „Technische Öle und Fette, Schmiermittel; Staubbindemittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe [einschließlich Motorentreibstoff]; Brennstoffe und Leuchtstoffe“ der jüngeren Marke eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht zwischen den Vergleichsmarken anzunehmen.

27

1. Auf die zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede hat die Beschwerdegegnerin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für „Treibstoffe“ glaubhaft gemacht, so dass diese dem Warenvergleich auf Seiten der Widerspruchsmarke zugrunde zu legen sind.

28

a) Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2020 die Einrede der Nichtbenutzung gem. § 43 Abs. 1 MarkenG erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Widerspruchsmarke IR 488 118 nicht mehr in der Benutzungsschonfrist gem. §§ 43 Abs. 1 S. 1, 116 Abs. 1, 115 Abs. 2 MarkenG, so dass die Erhebung der Einrede zulässig war. Da sowohl die Anmeldung der angegriffenen Marke am 15. Juli 2019 als auch der Widerspruch vom 17. Januar 2020 zeitlich nach dem 14. Januar 2019 liegen, finden die Übergangsregelungen gem. § 158 Abs. 3 bis Abs. 5 MarkenG keine Anwendung und sind die Vorschriften der §§ 26, 42, 43 Abs. 1 MarkenG jeweils in ihrer aktuellen Fassung anwendbar.

29

Im Hinblick auf die zulässige Einrede der Nichtbenutzung hat die Beschwerdegegnerin die rechterhaltende Benutzung für den gem. § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor Anmeldung der angegriffenen Marke am 15. Juli 2019 nachzuweisen.

30

b) Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – verwendet wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL/OMEL]; GRUR 2006, 582 Rn. 70 – The Sunrider Corp./HABM [VITAFRUIT]; BGH GRUR 2008, 719 Rn. 27 – idw Informationsdienst Wissenschaft). Hiervon ist auszugehen, wenn die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ (vgl. EuGH a. a. O. – [ONELOMEL]; GRUR 2008, 343 Rn. 74 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM). Es ist Sache der Widersprechenden, diese Umstände konkret vorzutragen und auch nachzuweisen. Die in § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. vorgesehene Glaubhaftmachung der Benutzung im Sinne von § 294 ZPO ist nach der Markenrechtsreform grundsätzlich nicht mehr ausreichend, vielmehr fordert § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung den Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung. Die Benutzung muss somit zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 43 Rn. 57 f.). Jedoch enthält § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG eine Beweiserleichterung dahingehend, dass der Nachweis auch durch eine eidesstattliche Versicherung erbracht werden kann. Der Nachweis einer bestrittenen Benutzung hat sich auf alle maßgeblichen Umstände einer Markenbenutzung nach § 26 MarkenG zu erstrecken. Insbesondere ist darzulegen und nachzuweisen, wer die Marke wo und wann in welchem Umfang in welcher Art und Weise wofür benutzt hat (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 80).

31

c) Nach diesen Grundsätzen hat die Beschwerdegegnerin die rechtserhaltende Benutzung für „Treibstoffe“ im maßgeblichen Zeitraum in Deutschland dargelegt und nachgewiesen.

32

Gem. § 26 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG muss eine Marke von ihrem Inhaber oder durch einen Dritten mit Zustimmung des Inhabers für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden sein.

33

Die Beschwerdegegnerin hat zum Nachweis der Benutzung u. a. eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers
E… und ihres Justiziars G… vom 10. September
2020 einschließlich der Anlagen „Production 1 – 15“ vorgelegt.

34

Die eidesstattliche Versicherung als zulässiges Mittel des Nachweises rechtserhaltender Benutzung nennt ausdrücklich die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren „Benzin, Diesel und Schmiermittel“ sowie die mit diesen Waren von der Beschwerdegegnerin in „Tamoil“-Tankstellen erzielten Umsätze. Letztere ergeben sich aus der als Anlage „Production 1“ vorgelegten Tabelle, auf die in der eidesstattlichen Versicherung Bezug genommen wird.

35

aa) Hinsichtlich der in der eidesstattlichen Versicherung genannten Waren Benzin und Diesel weist die Tabelle „Production 1“ in den Jahren 2016 bis 2018, die vollständig in den maßgeblichen Benutzungszeitraum von fünf Jahren vor dem Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke am 15. Juli 2019 fallen, jeweils Umsätze in …stelliger Höhe aus („Fuels Sales Turnover“ zwischen …. und über … Euro). Diese Umsätze erreichen – unabhängig von der Frage, welchen Anteil die Beschwerdegegnerin damit an den Gesamtumsätzen des Treibstoffvertriebs durch Tankstellen in Deutschland erzielt, – in jedem Fall für die Annahme der Ernsthaftigkeit der Benutzung aus. Diese Voraussetzung dient in erster Linie der Abgrenzung von der Scheinbenutzung. Eine solche steht im Hinblick auf die Höhe der erzielten Umsätze nicht im Raume.

36

Da bereits für die Jahre 2016 bis 2018 Umsätze in der vorgenannten Höhe nachgewiesen sind, kann auch offenbleiben, in welchem Umfang die für das Jahr 2019 genannten Umsätze mit Benzin und Diesel in Höhe von knapp … Euro
auf den maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 15. Juli 2019 entfallen. Eine ernsthafte Benutzung im maßgeblichen Benutzungszeitraum setzt im Übrigen nicht voraus, dass diese kontinuierlich im gesamten Zeitraum erfolgte

37

Soweit die Beschwerdeführerin die Behauptung aufstellt, dass die in der Anlage „Production 1“ zur eidesstattlichen Versicherung genannten Umsätze nicht an „Tamoil“-Tankstellen, sondern zumindest teilweise an „Hem“-Tankstellen erzielt worden seien, so ist die Beschwerdegegnerin dieser Behauptung schriftsätzlich ausdrücklich entgegengetreten. Die eidesstattliche Versicherung führt hierzu aus, dass die Marke Tamoil für den Vertrieb und Verkauf von Benzin und Diesel verwendet worden sei (Ziff. A.) und dass hiermit der dargelegte Umsatz erzielt worden sei (Ziff. B). Weiter trägt die Anlage „Production 1“, auf die in der eidesstattlichen Versicherung insoweit ausdrücklich Bezug genommen wird und deren Bestandteil sie ist, ausdrücklich die Überschrift „
Tamoil Service Stations Turnover“. Damit ist die Erzielung der genannten Umsätze an Tamoil-Tankstellen ausreichend nachgewiesen. Die bloße Behauptung der Beschwerdeführerin, dass die Umsätze von der Beschwerdegegnerin zum Großteil nicht mit „Tamoil“-Tankstellen, sondern mit „Hem“-Tankstellen erzielt worden seien, vermag die eidesstattliche Versicherung nicht ausreichend zu erschüttern.

38

bb) Diese Umsätze wurden von der Beschwerdegegnerin selbst als Inhaberin der Widerspruchsmarke erzielt. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt.

39

cc) Eine rechtserhaltende Benutzung setzt weiter voraus, dass die Marke funktionsgemäß benutzt wird. Dies bedeutet zum einen, dass es sich nicht beispielsweise um einen firmenmäßigen oder beschreibenden Gebrauch handeln darf, zum anderen muss hinsichtlich der Beziehung zwischen der Marke und der Ware bzw. Dienstleistung der Art nach eine branchenübliche Verwendung vorliegen (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 26 Rn. 27 ff. + 50 ff.). Bei Warenmarken wird eine Marke regelmäßig auf der Ware selbst oder ihrer Verpackung angebracht, die branchenübliche Verwendung kann hiervon jedoch auch abweichen.

40

Hinsichtlich der Waren Benzin und Diesel kommt eine Anbringung der Marke auf der Ware selbst bereits aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht in Betracht, auch werden diese regelmäßig nicht in Verpackungen vertrieben. Vielmehr erfolgen Angebot und Vertrieb von Benzin und Diesel für Kraftfahrzeuge fast ausschließlich über Tankstellen. Die branchenübliche Verwendung einer Marke für diese Waren liegt insoweit in der Anbringung der Marke auf den Tankstellengebäuden, den Preistafeln, Zapfsäulen oder Ähnlichem.

41

Vorliegend verweist die eidesstattliche Versicherung hinsichtlich der Art und Weise der Benutzung auf die Anlage „Production 6“, welche die tatsächliche Verwendung der Marke „Tamoil“ während des Benutzungszeitraums erkennen lasse. Sämtliche vorgelegten Lichtbilder zeigen die Verwendung des Schriftzugs
Abbildung seitlich auf dem Tankstellendach, teilweise auf blauem, teilweise auf weißem Hintergrund sowie mit daneben waagerecht verlaufenden breiten blauen oder zweifarbigen (roten und blauen) Streifen bzw. Gestaltungen, wie beispielsweise auf dem folgenden Lichtbild erkennbar:
Abbildung

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 Hierüber hinaus ist auf einem Großteil der Tankstellen zusätzlich die hiesige Widerspruchsmarke
Abbildung in der eingetragenen Form auf Preistafeln, Zapfsäulen, dem Gebäude selbst oder auf Fahnen zu sehen. Dies betrifft 14 von insgesamt 22 der in der Anlage abgebildeten Tankstellen, nämlich die Tankstellen Alt-Friedrichsfelde, Neutorplatz, Im Auel, Friedensplatz, Nauener Straße, Freiburger Straße, Kalkberger Straße, Kirchweg, Gewerbegebiet Ost, Keplerstr. 2, Werner-von-Siemens-Str., Straße vor Schönholz, Bremer Str. 48 und Studerstr. (vgl. Lichtbilder Anlage „Production 6“ zur eidesstattlichen Versicherung). Da die Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form somit auf einem Großteil der abgebildeten Tankstellen deutlich erkennbar ist, kann die Frage, ob die abweichende Form auf den Tankstellendächern den kennzeichnenden Charakter der Marke verändert i. S. v. § 26 Abs. 3 MarkenG bzw. ob die angesprochenen Verkehrskreise in der aus der Anlage „Production 6“ ersichtlichen Verwendung des Tamoil-Schriftzugs auf den Tankstellendächern, also ohne „emblemartige“ Einbettung in ein blaues Oval, noch „dieselbe Marke“ sehen und dies somit ebenfalls eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke darstellt, letztlich offenbleiben (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 26 Rn. 241 zur rechtserhaltenden Benutzung von Wort-/Bildmarken bei verändertem Bildbestandteil). Angesichts der …stelligen Höhe der jährlichen Gesamtumsätze erscheint die Möglichkeit, dass auf den vorgenannten Anteil von ca. 60 % der Tankstellen, auf denen die Widerspruchsmarke auf den Lichtbildern gerade in der eingetragenen Form erkennbar ist, ein so geringer Umsatz entfallen könnte, dass dieser für die Annahme einer ernsthaften Benutzung nicht ausreichen sollte, höchst fernliegend und nur mehr theoretisch. Daher hat der Senat auch bei Zugrundelegung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke lediglich bei den vorstehend im Einzelnen benannten Tankstellen keine vernünftigen Zweifel an einer ihrem Umfang nach ernsthaften rechtserhaltenden Benutzung.

43

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Tankstellen teilweise umfirmiert oder geschlossen worden seien. Auf diesen Einwand hat die Beschwerdegegnerin die Anlage KRP 1 (Bl. 36 d. A.) vorgelegt, aus der sich ergibt, dass lediglich eine einzige der abgebildeten Tankstelle, nämlich die Tankstelle Studerstr., im relevanten Benutzungszeitraum bereits geschlossen war, während alle anderen entweder im gesamten relevanten Zeitraum in Betrieb waren, oder in Einzelfällen – dies betrifft vier Tankstellen – im Oktober 2017 in „Hem“-Tankstellen umgewandelt („reflagged“) wurden. Da die Beschwerdeführerin diesem konkretisierenden Vortrag nicht entgegengetreten ist und die eidesstattliche Versicherung die Erklärung beinhaltet, dass die Widerspruchsmarke für den Vertrieb und Verkauf von Benzin und Diesel verwendet wurde und dass die o. g. Umsätze in Tamoil-Tankstellen erzielt wurden (vgl. Anlage Production 1 „
Tamoil Service Stations – Turnover“), wurde ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass die genannten Umsätze in den abgebildeten Tankstellen erzielt wurden, und zwar während ihrer Kennzeichnung als „Tamoil“-Tankstellen. Soweit vier Tankstellen während des Benutzungszeitraums im Oktober 2017 „reflagged“ wurden, ist nach der eidesstattlichen Versicherung demnach davon auszugehen, dass die in diesen Tankstellen generierten Umsätze nur in dem Umfang in die in der Anlage Production 1 genannten Umsätze eingeflossen sind, als sie vor diesem Zeitpunkt erzielt wurden.

44

dd) Aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergibt sich schließlich die ausreichende Verwendung der Widerspruchsmarke im Inland. Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, dass die abgebildeten Tankstellen nicht an stark frequentierten Autobahnstrecken lägen und daher nur regional sehr begrenzt wahrgenommen würden, so ist dies nicht von Bedeutung. Die Voraussetzung der rechtserhaltenden Benutzung „im Inland“ gem. § 26 Abs. 1 MarkenG dient nur der Abgrenzung gegenüber unerheblichen Verwendungshandlungen im Ausland und erfordert keine Benutzung einer Marke im gesamten Bundesgebiet (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 26, Rn. 284). Sofern eine Marke nur regional verwendet wird, ist dies vielmehr bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände zu berücksichtigen. Vorliegend bestehen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung, insbesondere steht eine sogenannte Scheinbenutzung angesichts der erzielten Umsätze, wie ausgeführt, nicht im Raume. Im Übrigen liegen die oben aufgeführten Tankstellen in verschiedenen Städten und auch Bundesländern (vgl. Anlage KRP 1, Bl. 36 d. A.).

45

ee) Damit hat die Beschwerdegegnerin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke hinsichtlich der Waren Benzin und Diesel dargelegt und nachgewiesen. Diese Waren sind unter die zugunsten der Widerspruchsmarke geschützten Waren „Produits du pétrole tels qu’essences, …, liquides … pour moteurs, gasoil“ („Erdölprodukte wie Benzin, …, Flüssigkeiten … für Motoren, Diesel“) der Klasse 4 zu subsumieren. Unter Zugrundelegung der sog. erweiterten Minimallösung ist vorliegend im Rahmen der Integration nicht auf den weiten Oberbegriff der „Erdölprodukte“, sondern auf den engeren Oberbegriff der „Treibstoffe“ abzustellen (vgl. zu der Problematik und den Begrifflichkeiten Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 26 Rn. 323 ff.).

46

d) Demgegenüber fehlt es an der Darlegung und dem Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke hinsichtlich der weiteren eingetragenen Waren und Dienstleistungen, insbesondere hinsichtlich der Schmiermittel bzw. der unter den Oberbegriff „huiles et graisses lubrifiantes“ („Öle und Schmierstoffe“) fallenden Motoröle.

47

In Bezug auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 sowie die (weiteren) Waren der Klassen 1 und 4 wurde eine Benutzung bereits nicht dargelegt, während die Ausführungen zu den „Ladenverkäufen“ und insbesondere zu Bekleidungsstücken etc. vorliegend nicht relevant sind, weil diese Waren nicht in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke fallen.

48

Hinsichtlich der Schmiermittel enthält die von der Beschwerdegegnerin eingereichte eidesstattliche Versicherung vom 10. September 2020 zwar ebenfalls Ausführungen, insbesondere werden in dieser bzw. in der in Bezug genommenen Anlage „Production 1“ die mit Schmiermitteln erzielten Umsätze ausdrücklich genannt („Lubricants Sales Turnover“). Allerdings fehlt es insoweit an einem Nachweis der Art und Weise der Benutzung. Auch wenn es sich bei Schmiermitteln wie beispielsweise Motoröl ebenfalls um flüssige Produkte handelt, so werden diese – anders als Benzin und Diesel – regelmäßig in einer Verpackung, nämlich in einer Art Kanister bzw. Kunststoffflasche, vertrieben. Weiter ist es branchenüblich, auf dieser Verpackung die jeweilige Marke anzubringen. Die Beschwerdegegnerin hat vorliegend nicht ausreichend nachgewiesen, dass eine ernsthafte rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für Schmiermittel bzw. speziell für Motoröle in dieser branchenüblichen Art und Weise erfolgt ist. Auch wenn sie Abbildungen vorgelegt hat, auf denen die Anbringung der Widerspruchsmarke auf Ölkanistern erkennbar ist (z. B. Vorlage des Ausdrucks einer Google-Bildersuche zu „Tamoil Öl“ mit Schriftsatz vom 28. April 2021 oder Ausdruck einer aktuellen Google-Trefferliste als Anlage KRP 3, Bl. 76 ff. d. A.), so hat sie doch nicht den erforderlichen Nachweis geführt, dass die hinsichtlich der „Lubricants“ im maßgeblichen Zeitraum erzielten Umsätze mit derart gekennzeichneter Ware erzielt worden sind. Die eidesstattliche Versicherung geht hinsichtlich der Schmiermittel nicht konkret auf die Art und Weise der Benutzung ein und verweist zur Illustration der Verwendung auf die beigefügten Anlagen. Diese enthalten allerdings keine Lichtbilder von Ölkanistern, sondern von Tankstellen sowie Kleidungsstücken etc. Entgegen der im Verfahren vor dem Amt von der Beschwerdegegnerin geäußerten Auffassung kann gerade nicht angenommen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen, dass es sich bei den in einer „TAMOIL“- Tankstelle angebotenen Brenn-, Schmier- und Betriebsmitteln stets um „TAMOIL“-Produkte handelt. Vielmehr ist, wie ausgeführt, nach der Branchenüblichkeit der Markennutzung in Bezug auf die jeweilige Ware zu differenzieren. Die Kennzeichnung der Tankstelle stellt hinsichtlich der üblicherweise in Kanistern vertriebenen Schmiermittel ihrer Art nach keine markenmäßige Benutzung dar. Hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2025 hingewiesen.

49

2. Im Rahmen des Waren- und Dienstleistungsvergleichs ist somit auf Seiten der Widerspruchsmarke die Ware „Treibstoffe“ zu berücksichtigen. Diesen sind die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren der Klasse 4
Technische Öle und Fette, Schmiermittel; Staubbindemittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe [einschließlich Motorentreibstoff]; Brennstoffe und Leuchtstoffe“ teilweise identisch und im Übrigen ähnlich.

50

a) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüber-stehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblichen Faktoren wie insbesondere ihrer Art und Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unter-nehmen (vgl. EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2021, 724 Rn. 36 – PEARL/PURE PEARL; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – ZOOM). Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu, während der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht zugemessen wird. (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 9 Rn. 85 ff.).

51

b) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend teilweise von Warenidentität, im Übrigen von Warenähnlichkeit auszugehen.

52

aa) Zwischen den Treibstoffen einerseits und den Waren „Brennstoffe [einschließlich Motorentreibstoff]“ der jüngeren Marke andererseits besteht Warenidentität. Ebenso ist Identität, zumindest aber eine enge Ähnlichkeit im Verhältnis zu der – in Form eines einheitlichen Oberbegriffs in das Register eingetragenen – Ware „Brennstoffe und Leuchtstoffe“ der jüngeren Marke gegeben.

53

bb) Weiter ist zwischen den Waren „Technische Öle und Fette, Schmiermittel“ auf Seiten der angegriffenen Marke und den Treibstoffen eine mindestens durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen. Die Vergleichsprodukte basieren nicht nur auf demselben Rohstoff, was angesichts der weiten Verbreitung von „Erdölprodukten“ für die Begründung der Warenähnlichkeit alleine nicht ausreichen würde, es handelt sich zudem jeweils um flüssige Stoffe, die im selben Herstellungsprozess bei der Destillation von Erdöl entstehen. Darüber hinaus werden sowohl technische Öle und Schmiermittel, beispielsweise in Form von – unter diese Oberbegriffe zu subsumierendem – Motoröl, als auch Treibstoffe für den Betrieb von Fahrzeugen benötig. Schließlich vertreiben Tankstellen regelmäßig neben Treibstoffen auch Motoröl, dies noch dazu oftmals unter ihrer Eigenmarke bzw. Dachmarke, so dass nicht nur die Vertriebswege teilweise identisch sind, sondern zudem regelmäßig dieselbe betriebliche Herkunft gegeben ist. Zwar weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, dass es namhafte Hersteller von Motoröl gibt, die ihren Ausführungen nach nicht auch Treibstoffe herstellen und vertreiben. Allerdings vertreiben umgekehrt viele große Treibstoffhersteller und Tankstellenbetreiber in ihren Tankstellen Motoröl unter derselben Marke, beispielsweise unter den Marken Aral, JET, Shell, total, Avia etc. (vgl. Anlagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung). Vor diesem Hintergrund besteht zwischen den Waren „Technische Öle und Fette, Schmiermittel“ auf Seiten der angegriffenen Marke und den Treibstoffen auf Seiten der Widerspruchsmarke eine überdurchschnittliche, mindestens jedoch eine durchschnittliche Warenähnlichkeit.

54

cc) Schließlich ist eine geringe Ähnlichkeit zwischen Treibstoffen und den Waren der Klasse 4 „Staubbindemittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel“ anzunehmen. Bei Staubbindemitteln handelt es sich, wie der Name schon sagt, um Substanzen, die dazu dienen, Staubpartikel zu binden. Diese gibt es für unterschiedliche Einsatzbereiche und in verschiedener Form (vgl. TMClass: Unter dem Stichwort „Staubbindemittel“ werden in Klasse 4 beispielsweise Warenbezeichnungen wie „Staubbindemittel zum Kehren“, „Staubbindemittel auf Erdölbasis“, „Chemische Staubbindemittel für Getreide“ oder „Staubbindemittel in Form von Ölen“ genannt). Unter die zugunsten der jüngeren Marke geschützten Oberbegriffe „
Staubbindemittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel“ fallen somit auch Staubbindemittel in Ölform / auf Erdölbasis. Auch wenn diese andere Verwendungszwecke haben als Treibstoffe, so können die Vergleichsprodukte doch aus demselben Herstellungsprozess stammen, nämlich der Destillation von Erdöl (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 06.09.2017, 28 W (pat) 514/17 – Konrad/Conrad: aufgrund chemischer Verwandtschaft sind „Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel“ einerseits und „technische Öle und Fette“ andererseits noch in geringem Umfang ähnlich). Vor allem aber haben teilweise auch Treibstoffhersteller Staubbindemittel in Form von Ölen in ihrem Produktportfolio (vgl. Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung: Shell hat Prozessöle im Angebot, diese werden auch als Staubbindemittel eingesetzt). Vor diesem Hintergrund ist eine geringe Ähnlichkeit zwischen Staubbindemitteln und Treibstoffen anzunehmen.

55

Demgegenüber kann für den Warenvergleich nicht auf die von der Beschwerdegegnerin genannten Reinigungsmittel wie Fensterreiniger oder Cockpitsprays abgestellt werden, da diese zwar in gewisser Form Staub beseitigen oder binden aber nicht unter den Begriff „Staubbindemittel“ in Klasse 4, sondern unter die in Klasse 3 eingruppierten Reinigungsmittel fallen.

56

3. Angesprochene Verkehrskreise der in Rede stehenden Waren der Klasse 4 sind zum einen Fachkreise. Technische Öle und Fette, Schmiermittel, Brennstoffe oder Staubbindemittel können dabei in ganz unterschiedlichen Branchen zum Einsatz kommen, beispielsweise in der Kfz-Reparaturbranche, der Baubranche etc. Zum anderen wenden sich die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren – mit Ausnahme der Staubbindemittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel – auch an die allgemeinen Verkehrskreise, insbesondere den Endverbraucher, der beispielsweise Treibstoff tankt oder Schmierstoffe wie Motoröl für sein Fahrzeug erwirbt. Das angesprochene Publikum begegnet diesen Waren der Klasse 4 mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit.

57

4. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang (vgl. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 55 – Culinaria/ Villa Culinaria zu den Graden der Kennzeichnungskraft).

58

a) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 41 – INJEKT/INJEX; GRUR 2015, 1127 Rn. 10 – ISET / ISETsolar). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen (vgl. BGH GRUR 2017, 75 Rn. 19 – Wunderbaum II). Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an beschreibende Angaben angelehnt sind, verfügen nur über eine geringe Kennzeichnungskraft (BGH GRUR 2017, 914 Rn. 19 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke m. w. N.). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 41 – INJEKT/INJEX; a. a. O. Rn. 10 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE).

59

Vorliegend kommt der zweiten Silbe „oil“ der Widerspruchsmarke „Tamoil“ zwar eine beschreibende Bedeutung als Hinweis auf die geschützten (Erd-) Ölprodukte zu. Demgegenüber lässt sich der ersten Silbe „Tam“ ein beschreibender Gehalt nicht entnehmen. Bei der Widerspruchsmarke „Tamoil“ in ihrer Gesamtheit handelt es sich daher um ein Phantasiewort, dem eine originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzumessen ist.

60

b) Für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft wurden ausreichende Anhaltspunkte nicht vorgetragen.

61

Die Annahme einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft setzt voraus, dass die Benutzungslage durch präsente, glaubhafte Mittel zweifelsfrei belegt wird oder amtsbekannt ist (vgl. BGH GRUR 2006, 859 Rn. 33 – Malteserkreuz; BPatG, Beschluss vom 11.8.2015, 24 W (pat) 540/12 – Senkrechte Balken).

62

Die Beschwerdegegnerin hat eine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch Benutzung zwar geltend gemacht, diese aber nicht ausreichend dargelegt. Auch ihr Vortrag zur rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke und die in diesem Zusammenhang eingereichten Unterlagen und vorgetragenen Umstände lassen nicht auf eine Steigerung der Kennzeichnungskraft schließen. Insbesondere sind hierfür die Angaben zu den betriebenen Tankstellen und die vorgetragenen Umsatzzahlen nicht ausreichend, da es an jeglichen Ausführungen zum Marktumfeld, dem Marktanteil etc. fehlt.

63

5. Zwischen den Vergleichszeichen besteht eine weit überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht.

64

a) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – Aceites del Sur-Coosur [La Espagnola/Carbonelle]; BGH GRUR 2021, 482 Rn. 28 – RETROLYMPICS; GRUR 2020, 870 Rn. 58 – INJEKT/INJEX). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (BGH a. a. O. Rn. 58 – INJEKT/INJEX; GRUR 2017, 1104 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke).

65

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; GRUR 2007, 700 Rn. 35 – HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH a. a. O. Rn. 28 – RETROLYMPICS; a. a. O. Rn. 58 – INJEKT/INJEX). Beschreibende Bestandteile sind dabei nicht von vornherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen, da auch beschreibende Elemente den Gesamteindruck eines Zeichens mitbestimmen können (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 49 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2020, 1202 Rn. 26 – YOOFOOD/YO).

66

Dies schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. EuGH GRUR 2007, 700 Rn. 41 – HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; GRUR 2005, 1042 Rn. 29 – THOMSON LIFE; BGH GRUR a. a. O. Rn. 26 – YOOFOOD/YO; GRUR 2012, 64 Rn. 14 – Maalox/Melox-GRY). Weiter ist es möglich, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (BGH a. a. O. Rn. 34 – KNEIPP; a. a. O. Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria).

67

b) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend unter rechtlichen Gesichtspunkten von einer sehr hohen klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen.

68

Es stehen sich die Wort-/Bildmarken
Abbildung und
Abbildung gegenüber.

69

Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil – sofern er kennzeichnungskräftig ist – den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH, GRUR 2014, 378 Rn. 39 – OTTO CAP).

70

Die angesprochenen Verkehrskreise, sowohl Fachkreise als auch allgemeine Verkehrskreise, werden die Widerspruchsmarke dementsprechend mit ihrem kennzeichnungskräftigen Wortbestandteil „TAMOIL“ wiedergeben. Weiter werden sie die jüngere Marke mit „TOMOIL“ benennen, da sie den schwarzen Tropfen zwischen den Buchstaben „M“ und „I“ unschwer als den Buchstaben „O“ lesen werden und auch dieser Wortbestandteil kennzeichnungskräftig ist. Demgegenüber gibt es keinerlei Anhaltspunkte, weshalb das Publikum ausnahmsweise auch den Bildbestandteil der jüngeren Marke mitbenennen sollte, zumal keine naheliegende Benennung dieser radähnlichen dreifarbigen Gestaltung ersichtlich ist.

71

Somit stehen sich in klanglicher Hinsicht die Worte

72

TOMOIL

73

und

74

TAMOIL

75

gegenüber. Diese stimmen mit Ausnahme des Buchstabens „O“ bzw. „A“ an zweiter Stelle vollständig überein, also in der Silbenanzahl, im Sprechrhythmus, in der zweiten Silbe „-oil“ und sowohl im Anfangs- als auch im Endbuchstaben der ersten Silbe („T“ bzw. „M“). Weiter handelt es sich bei den Vokalen „O“ und „A“ jeweils um dunkle und damit ähnliche Vokale.

76

Vor diesem Hintergrund besteht zwischen den Vergleichszeichen eine sehr hohe klangliche Ähnlichkeit. Die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht kann vorliegend offenbleiben.

77

6
. In der Gesamtabwägung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren hält die jüngere Marke in Anbetracht der sehr hohen klanglichen Ähnlichkeit der Wortelemente „TAMOIL“ und „TOMOIL“ der Vergleichszeichen und unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise den hinsichtlich der unterdurchschnittlich ähnlichen bis identischen Vergleichswaren erforderlichen Abstand nicht ein, so dass eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr gegeben ist und die Markenstelle die Eintragung der angegriffenen Marke nach § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu Recht gelöscht hat.

78

III. Demgegenüber hat die Beschwerde hinsichtlich der Waren „Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke“ der jüngeren Marke Erfolg, da es an einer Warenähnlichkeit zwischen diesen und den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Treibstoffen fehlt.

79

Von einer absoluten Waren- bzw. Dienstleistungsunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2014, 488 Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rn 17 – ZOOM).

80

Dies ist hinsichtlich der Waren „Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke“ einerseits und den Treibstoffen andererseits der Fall. Die Vergleichswaren dienen unterschiedlichen Zwecken, weisen unterschiedliche Vertriebswege auf und stammen regelmäßig nicht von denselben Herstellern. So handelt es sich bei Kerzen um hochverarbeitete Produkte, die der Dekoration und festlichen Beleuchtung von Wohnräumen dienen. Dochte sind Zwischenprodukte in Fadenform, die in Kerzen oder auch in Lampen einen flüssigen Brennstoff der Verbrennungszone zuführen. Diese Waren werden nach gänzlich anderen Kriterien erworben als Treibstoffe. Unerheblich ist insoweit, dass Dochte möglicherweise in einem funktionellen Ergänzungsverhältnis zu Öllampen bzw. Paraffinöl stehen, da es nicht um einen Vergleich mit der Ware „Paraffinöl“ geht, sondern sich die Waren „Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke“ einerseits und „Treibstoffe“ andererseits gegenüberstehen. Schließlich ergibt sich eine Warenähnlichkeit nicht aus der Tatsache, dass Kerzen aus Paraffin bestehen können, das – ebenso wie Treibstoff – aus Erdöl hergestellt wird. Dies ist für die Annahme einer Warenähnlichkeit nicht ausreichend, da es eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Produkte auf Erdölbasis gibt wie Kunststoffe, Kosmetika u. v. m.

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IV. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind. Insbesondere überzeugen insoweit die Ausführungen der Beschwerdegegnerin nicht, dass die Beschwerdeführerin „ohne rechtfertigen Grund“ ein der älteren Marke fast identisches Zeichen für identische Waren angemeldet und ein nach der Entscheidung des DPMA „aussichtsloses Beschwerdeverfahren“ angestrengt habe. Dass Verwechslungsgefahr – weitestgehend – bejaht wurde aufgrund der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen und die Beschwerdeführerin insoweit im Beschwerdeverfahren unterlegen ist, führt zum Obsiegen der Beschwerdegegnerin in der Sache, stellt für sich genommen aber gerade keinen Billigkeitsgrund für eine Kostenauferlegung dar.
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