BPatG München 6. Senat, Urteil vom 15.01.2025, AZ 6 Ni 28/23 (EP), ECLI:DE:BPatG:2025:150125U6Ni28.23EP.0
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent EP 2 069 099
(DE 50 2007 007 735)
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schnurr, die Richter Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck, Dr.-Ing. Flaschke, Dr. Söchtig sowie die Richterin Dipl.-Phys. Dr. Schenkl
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 069 099 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche die nachfolgende Fassung erhalten:
1. Verfahren zum Vorbereiten einer Vorrichtung (1) zur Materialbearbeitung durch Erzeugung optischer Durchbrüche in oder an einem Objekt (18), die eine variable, dreidimensional wirkende Fokusverstelleinrichtung (6, 11) zur Fokussierung gepulster Bearbeitungslaserstrahlung (4) auf verschiedene Orte im oder auf dem Objekt (18) aufweist,
wobei
– an der Vorrichtung ein für die Bearbeitungslaserstrahlung (4) transparentes auf das Objekt (18) aufzusetzendes Kontaktelement (19) befestigt wird, das auf seiner auf das Objekt (2) aufzusetzenden Seite eine Kontakt-Fläche (20) und eine dieser gegenüberliegende Eintritts-Fläche für die Bearbeitungslaserstrahlung aufweist, die jeweils vorbekannte Form haben,
– vor der Bearbeitung des Objektes (18) die Lage der Kontakt-Fläche (20) bezüglich der Fokusverstelleinrichtung (6, 11) mittels Einstrahlung von Laserstrahlung (4) auf die Fläche bestimmt wird, indem Meßlaserstrahlung (4) mittels der variablen Fokusverstelleinrichtung (6, 11) nahe der oder auf die Fläche (20) fokussiert wird, wobei die Energiedichte der fokussierten Meßlaserstrahlung (3) zur Erzeugung eines optischen Durchbruches zu gering ist, und der Fokus der Meßlaserstrahlung (4) in einer Meßfläche (23) verstellt wird, die die erwartete Lage der Fläche (20) schneidet,
dadurch gekennzeichnet, daß
a) aus dem Fokus der Meßlaserstrahlung (4) rückgestreute oder
-reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird, die durch einen Brechzahlsprung zwischen der Fläche (20) und dem an das Kontaktelement (19) angrenzenden Medium auftritt,
b) aus der konfokal detektierten Strahlung und der zugeordneten Einstellung der variablen Fokusverstelleinrichtung (6, 11) die Lage von Schnittpunkten (26) zwischen Meßfläche (23) und Fläche (20) ermittelt wird, wobei nötigenfalls der Schritt a) mit einer geänderten, insbesondere verschobenen, Meßfläche (23) mehrmals wiederholt wird, bis eine bestimmte Anzahl, vorzugsweise fünf, Schnittpunkte (26) detektiert wurde,
c) aus der Lage der Schnittpunkte (26) und der vorbekannten Form der Fläche (20) deren Lage bestimmt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß die Fläche (20) nichtsphärisch ist und daß die Lage auch hinsichtlich einer Verkippung der Fläche (20) zur optischen Achse bestimmt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß die Fokuslage entlang einer Bahnkurve (28) verstellt wird, die in der Meßfläche (23) liegt:
4. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Meßfläche (23) zylindersymmetrisch zur optischen Hauptachse (22) des Bearbeitungslaserstrahls (4) ist, vorzugsweise die Form einer Zylindermantelfläche oder einer Kreisscheibe aufweist.
5. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Meßlaserstrahlung (4) gepulst mit einer Pulsenergie EPULS ≤300 nJ ist.
6. Verfahren nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet, daß eine in der Meßfläche (23) liegende Bahnkurve (28) verwendet wird, die eine maximale Ausdehnung D hat und für deren Pulsfrequenz f gilt:
f < 20Hz * ((D / EPULS) * (1µJ / 1mm))
4
7. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß eine in der Meßfläche (23) liegende Bahnkurve (28) verwendet wird, die eine maximale Ausdehnung D hat, welche zwischen 1 µm und 15 mm liegt.
8. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Meßlaserstrahlung (4) aus einer auch für die Erzeugung der Bearbeitungslaserstrahlung vorgesehenen, gepulsten Laser-Strahlungsquelle (3) bereitgestellt wird, indem die Strahlquelle: (3) in einen Betrieb mit verminderter Pulsenergie gesteuert wird oder ein Energieminderer im Strahlengang der Bearbeitungslaserstrahlung (4) aktiviert bzw. eingesetzt wird.
9. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Schritte a) – c) des Anspruchs 1 ausgeführt werden, nachdem das Kontaktelement (19) gegenüber der Fokusverstelleinrichtung fixiert wurde, aber bevor das Kontaktelement (19) auf das Objekt (18) gesetzt wird.
10. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß während der Einstrahlung der Meßlaserstrahlung (4) die Kontaktfläche (20) abgedeckt wird, vorzugsweise nicht-kontaktierend.
11. Verfahren nach einem der obigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß bei einer gekrümmten Fläche (20) die Lage eines Scheitelpunkts (21) der Fläche (20) ermittelt und als Bezugspunkt für die spätere Materialbearbeitung bereitgehalten wird.
12. Verfahren nach Anspruch 11,
dadurch gekennzeichnet, daß die Form der Fläche (20) dahingehend vorbekannt ist, daß eine Gruppe mehrerer unterschiedlicher, jeweils in ihrer exakten Geometrie bekannter Formen festliegt, aus der die Form der Fläche (20) stammt, daß die Lage des Flächen-Randes (27) ermittelt wird und aus der Relativlage von Rand und Scheitelpunkt (21) diejenige Form der Gruppe ermittelt wird, die die Fläche (20) hat.
13. Materialbearbeitungs-Vorrichtung mit
– einem Bearbeitungslaser (3), der gepulste Bearbeitungslaserstrahlung (4) bereitstellt,
– einer Optikeinrichtung (5, 10) zum Fokussieren der Bearbeitungslaserstrahlung (4) in oder auf ein zu bearbeitendes Objekt (18) derart, daß im Fokus optische Durchbrüche entstehen,
– einer Fokusverstelleinrichtung (6, 11) zum variablen Verstellen der Fokuslage im oder auf dem Objekt (18),
– einem an der Vorrichtung (1) befestigbares Kontaktelement (19) zum Aufsetzen auf das Objekt (18), das eine auf das Objekt (18) aufzusetzende Kontakt-Fläche (20) und eine dieser gegenüberliegende Eintritts-Fläche für die Bearbeitungslaserstrahlung aufweist, die jeweils vorbekannte Form haben, und
– einer Steuereinrichtung (17) zur Bestimmung der Lage der Kontakt-Fläche (20) nach der Befestigung des Kontaktelementes (19) und vor der Bearbeitung des Objektes (18), die den Bearbeitungslaser (3) und die Fokusverstelleinrichtung (6, 11) ansteuert, wobei
– eine ebenfalls von der Steuereinrichtung (17) angesteuerte Meßlaserstrahlungsquelle (3) zur Abgabe von Meßlaserstrahlung (4) vorgesehen ist, deren Meßlaserstrahlung (4) die Fokusverstelleinrichtung (6, 11) und die Optikeinrichtung (5, 10) durchläuft und im Fokus keine optischen Durchbrüche bewirkt, wobei die Steuereinrichtung (17) zur Bestimmung der Lage der Fläche (20) den Fokus der Meßlaserstrahlung (4) in einer Meßfläche (23) verstellt, welche die zu erwartende Lage der Fläche (20) schneidet,
dadurch gekennzeichnet, daß
– eine konfokale Detektoreinrichtung (12) vorgesehen ist, die aus dem Fokus der Meßlaserstrahlung (4) rückgestreute oder -reflektierte Strahlung konfokal detektiert, die durch einen Brechzahlsprung zwischen der Fläche (20) und dem an das Kontaktelement (19) angrenzenden Medium auftritt, und Meßsignale an die Steuereinrichtung (17) liefert, und
– die Steuereinrichtung (17) so ausgebildet ist, dass sie aus den Meßsignalen die Lage von Schnittpunkten (26) zwischen Meßfläche (23) und Fläche (20) ermittelt, wobei die Steuereinrichtung (17) nötigenfalls die Meßfläche variiert, insbesondere verschiebt, falls keine oder zu wenige Schnittpunkte auftreten, und sie aus der Lage der Schnittpunkte (26) und der vorbekannten Form der Fläche (20) deren Lage (19) bestimmt.
14. Vorrichtung nach Anspruch 13,
dadurch gekennzeichnet, daß die Steuereinrichtung (17) die Vorrichtung (1) zur Ausführung eines der Verfahren gemäß einem oder mehreren der obigen Verfahrensansprüche steuert.
15. Vorrichtung nach einem der obigen Vorrichtungsansprüche,
gekennzeichnet durch einen das Kontaktelement (19) an der Kontaktfläche (20) abdeckenden Abdeckmechanismus zur Absorption transmittierter Meßlaserstrahlung (4).
16. Vorrichtung nach einem der obigen Vorrichtungsansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Meßlaserstrahlung (4) gepulst ist und die Pulsenergie zwischen 2 nJ und 300 nJ liegt.
17. Vorrichtung nach einem der obigen Vorrichtungsansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Meßlaserstrahlungsquelle durch die in einen Betriebsmodus zur Abgabe niederenergetischer Laserstrahlungspulse gesteuerte Bearbeitungslaserstrahlungsquelle (3) realisiert ist.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
IV. Das Urteil ist im Kostenausspruch jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist Inhaberin des u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in deutscher Sprache erteilten europäischen Patents 2 069 099 (im Folgenden: Streitpatent). Das am 11. September 2007 angemeldete Streitpatent, dessen Erteilung am 20. Juli 2011 veröffentlicht worden ist, trägt die Bezeichnung „VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUR MATERIALVERARBEITUNG UNTER VERWENDUNG EINES TRANSPARENTEN KONTAKTELEMENTS“. Es nimmt die Priorität der deutschen Anmeldung DE 10 2006 046 370 vom 29. September 2006 in Anspruch und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2007 007 735 geführt.
2
Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung insgesamt 17 Patentansprüche mit dem unabhängigen Verfahrensanspruch 1 und dem nebengeordneten Vorrichtungsanspruch 13 sowie den auf diese jeweils unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 12 sowie 14 bis 17.
3
Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang. Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei, wobei sie sich auf mangelnde Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit beruft (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ).
4
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit insgesamt acht Hilfsanträgen vom 6. Dezember 2024.
5
Der erteilte unabhängige
Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:
6
Verfahren zum Vorbereiten einer Vorrichtung (1) zur Materialbearbeitung durch Erzeugung optischer Durchbrüche in oder an einem Objekt (18), die eine variable, dreidimensional wirkende Fokusverstelleinrichtung (6, 11) zur Fokussierung gepulster Bearbeitungslaserstrahlung (4) auf verschiedene Orte im oder auf dem Objekt (18) aufweist, wobei
– an der Vorrichtung ein für die Bearbeitungslaserstrahlung (4) transparentes auf das Objekt (18) aufzusetzendes Kontaktelement (19) befestigt wird, das auf seiner auf das Objekt (2) aufzusetzenden Seite eine Kontakt-Fläche (20) und eine dieser gegenüberliegende Eintritts-Fläche für die Bearbeitungslaserstrahlung aufweist, die jeweils vorbekannte Form haben,
– vor der Bearbeitung des Objektes (18) die Lage der Eintritts- oder Kontakt-Fläche (20, 30) bezüglich der Fokusverstelleinrichtung (6, 11) mittels Einstrahlung von Laserstrahlung (4) auf die Fläche bestimmt wird, indem Meßlaserstrahlung (4) mittels der variablen Fokusverstelleinrichtung (6,11) nahe der oder auf die Fläche (20, 30) fokussiert wird, wobei die Energiedichte der fokussierten Meßlaserstrahlung (3) zur Erzeugung eines optischen Durchbruches zu gering ist, und der Fokus der Meßlaserstrahlung (4) in einer Meßfläche (23) verstellt wird, die die erwartete Lage der Fläche (20, 30) schneidet,
7
dadurch gekennzeichnet, daß
8
a) aus dem Fokus der Meßlaserstrahlung (4) rückgestreute oder -reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird.
9
b) aus der konfokal detektierten Strahlung und der zugeordneten Einstellung der variablen Fokusverstelleinrichtung (6, 11) die Lage von Schnittpunkten (26) zwischen Meßfläche (23) und Fläche (20, 30) ermittelt wird,
10
wobei nötigenfalls der Schritt a) mit einer geänderten, insbesondere verschobenen. Meßfläche (23) mehrmals wiederholt wird, bis eine bestimmte Anzahl, vorzugsweise fünf, Schnittpunkte (26) detektiert wurde,
11
c) aus der Lage der Schnittpunkte (26) und der vorbekannten Form der Fläche (20, 30) deren Lage bestimmt wird.
12
Der nebengeordnete
Patentanspruch 13 lautet in der erteilten Fassung wie folgt:
13
Materialbearbeitungs-Vorrichtung mit
– einem Bearbeitungslaser (3), der gepulste Bearbeitungslaserstrahlung (4) bereitstellt,
– einer Optikeinrichtung (5, 10) zum Fokussieren der Bearbeitungslaserstrahlung (4) in oder auf ein zu bearbeitendes Objekt (18) derart, daß im Fokus optische Durchbrüche entstehen,
– einer Fokusverstelleinrichtung (6, 11) zum variablen Verstellender Fokuslage im oder auf dem Objekt (18),
– einem an der Vorrichtung (1) befestigbares Kontaktelement (19) zum Aufsetzen auf das Objekt (18), das eine auf das Objekt (18) aufzusetzende Kontakt-Fläche (20) und eine dieser gegenüberliegende Eintritts-Fläche für die Bearbeitungslaserstrahlung aufweist, die jeweils vorbekannte Form haben, und
– einer Steuereinrichtung (17) zur Bestimmung der Lage der Eintritts- oder Kontakt-Fläche (20, 30) nach der Befestigung des Kontaktelementes (19) und vor der Bearbeitung des Objektes (18), die den Bearbeitungslaser (3) und die Fokusverstelleinrichtung (6, 11) ansteuert, wobei
– eine ebenfalls von der Steuereinrichtung (17) angesteuerte Meßlaserstrahlungsquelle (3) zur Abgabe von Meßlaserstrahlung (4) vorgesehen ist, deren Meßlaserstrahlung (4) die Fokusverstelleinrichtung (6, 11) und die Optikeinrichtung (5, 10) durchläuft und im Fokus keine optischen Durchbrüche bewirkt, wobei die Steuereinrichtung (17) zur Bestimmung der Lage der Fläche (20, 30) den Fokus der Meßlaserstrahlung (4) in einer Meßfläche (23) verstellt, welche die zu erwartende Lage der Fläche (20, 30) schneidet,
14
dadurch gekennzeichnet, daß
15
– eine konfokale Detektoreinrichtung (12) vorgesehen ist, die aus dem Fokus der Meßlaserstrahlung (4) rückgestreute oder -reflektierte Strahlung konfokal detektiert und Meßsignale an die Steuereinrichtung (17) liefert, und
– die Steuereinrichtung (17) so ausgebildet ist, dass sie aus den Meßsignalen die Lage von Schnittpunkten (26) zwischen Meßfläche (23) und Fläche (20, 30) ermittelt, wobei die Steuereinrichtung (17) nötigenfalls die Meßfläche variiert, insbesondere verschiebt, falls keine oder zu wenige Schnittpunkte auftreten, und die aus der Lage der Schnittpunkte (26) und der vorbekannten Form der Fläche (20, 30) deren Lage (19) bestimmt.
16
Zum Wortlaut der auf die unabhängigen Patentansprüche 1 und 13 jeweils unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 12 sowie 14 bis 17 wird auf die Streitpatentschrift EP 2 069 099 B1 verwiesen.
17
Hinsichtlich der behaupteten fehlenden Patentfähigkeit stützt sich die Klägerin auf die nachfolgenden Dokumente:
18
D1: WO 2005/039462 A1, veröffentlicht am 06.05.2005 (Anlage K3);
19
D2: WO 2004/032810 A2, veröffentlicht am 22.04.2004 (Anlage K4);
20
D3: US 4 881 808, veröffentlicht am 21.11.1989 (Anlage K5);
21
D4: JP 2002 321 080 A, veröffentlicht am 05.11.2002 (Anlage K6);
22
D4a: Maschinenübersetzung der D4 (Anlage K6a);
23
D5: WO 96/39921 A1, veröffentlicht am 19.12.1996 (Anlage K7);
24
D6: DE 84 18 069 U1, veröffentlicht am 26.03.1992 (Anlage K8) und
25
D7: US 5 286 964 A, veröffentlicht am 15.02.1994 (Anlage K9).
26
Die Klägerin ist der Auffassung, der Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 13 sei jeweils nicht neu gegenüber der Druckschrift D1 und darüber hinaus nicht erfinderisch ausgehend von der Druckschrift D1 in Verbindung mit dem Fachwissen. Nämliches gelte für eine Kombination der Druckschrift D1 mit der Entgegenhaltung D3, einer Zusammenschau der Druckschrift D2 mit Fachwissen sowie einer Kombination der Druckschrift D2 mit der Entgegenhaltung D1. Entsprechend verhalte es sich ausgehend von einer Kombination der Druckschrift D2 mit der Entgegenhaltung D3, einer Kombination der Druckschrift D2 in Verbindung mit der Entgegenhaltung D4/D4a, ausgehend von der Druckschrift D2 in Kombination mit der Entgegenhaltung D5, ausgehend von der Druckschrift D2 kombiniert mit der Entgegenhaltung D6 sowie ausgehend von einer Kombination der Druckschrift D2 mit der Entgegenhaltung D7.
27
Auch die Unteransprüche enthielten nichts Patentfähiges.
28
Die Klägerin beantragt,
29
das europäische Patent 2 069 099 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
30
Die Beklagte beantragt,
31
die Klage abzuweisen, sowie
32
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 8 vom 6. Dezember 2024 – in dieser Reihenfolge – richtet.
33
Der Hilfsantrag 1 entspricht der tenorierten Fassung. Hinsichtlich des Wortlauts der Hilfsanträge 2 bis 8 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 6. Dezember 2024 und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2025 verwiesen.
34
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent zumindest in einer der Fassungen der Hilfsanträge für patentfähig.
35
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich das Streitpatent auch in den Fassungen der Hilfsanträge nicht als rechtsbeständig erweise, wobei die Hilfsanträge zudem als verspätet zurückzuweisen seien.
36
Der Senat hat den Parteien am 31. Oktober 2023 einen qualifizierten Hinweis und im Termin am 15. Januar 2025 einen weiteren Hinweis erteilt.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
38
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. In seiner erteilten Fassung erweist sich das Streitpatent nicht als rechtbeständig, da dem Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 die Druckschrift D1 neuheitsschädlich entgegensteht. In der Fassung des zulässigen Hilfsantrags 1 hat das Streitpatent jedoch Bestand, da dessen Gegenstand sowohl neu ist als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ). Die weitergehende Klage war mithin abzuweisen. Auf die Hilfsanträge 2 bis 8 kam es daher nicht weiter an.
I.
39
1. Das Patent betrifft gemäß Beschreibungseinleitung (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0001] und [0002]) ein Verfahren zum Vorbereiten einer Vorrichtung zur Materialbearbeitung durch Erzeugung optischer Durchbrüche sowie eine Materialbearbeitungsvorrichtung mit einem Bearbeitungslaser, der gepulste Bearbeitungslaserstrahlung bereitstellt.
40
Bei der Materialbearbeitung werde oft eine Laserbearbeitungsvorrichtung zum Abrastern der zu bearbeitenden Gebiete des Objektes mit einem Bearbeitungslaserstrahl eingesetzt. Die Genauigkeit der Positionierung des Laserstrahls bestimme in der Regel die bei der Bearbeitung erzielte Präzision. Werde der Laserstrahl in ein Bearbeitungsvolumen fokussiert, bedürfe es einer exakten dreidimensionalen Positionierung. Für eine hochgenaue Bearbeitung sei es deshalb in der Regel unerlässlich, das Objekt in exakt definierter Lage zur Laserbearbeitungsvorrichtung zu halten. Für solche Anwendungen diene ein Kontaktelement, da mit ihm das zu bearbeitende Objekt fixiert werden könne, wodurch definierte Verhältnisse bis zum Bearbeitungsvolumen erreichbar seien. Das Kontaktelement werde damit Teil des Strahlenganges der Bearbeitungslaserstrahlung (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0003]).
41
Dies sei insbesondere bei der Mikrobearbeitung von Materialien notwendig, die nur eine geringe lineare optische Absorption im Spektralbereich der bearbeitenden Laserstrahlung aufwiesen. Bei solchen Materialien würden üblicherweise nichtlineare Wechselwirkungen zwischen Laserstrahlung und Material ausgenutzt, meist in Form eines optischen Durchbruches, der im Fokus hochenergetischer Laserstrahlung erzeugt werde. Da die bearbeitende Wirkung dann nur im Laserstrahlfokus stattfinde, sei es unerlässlich, die Lage des Fokus exakt dreidimensional auszurichten. Zusätzlich zu einer zweidimensionalen Ablenkung des Laserstrahls sei somit eine exakte Tiefeneinstellung der Fokuslage erforderlich.
42
Das Kontaktelement diene dazu, konstante und auch mit einer gewissen Genauigkeit bekannte optische Verhältnisse im Strahlengang zum Objekt sicherzustellen, indem es Objekt und Laserbearbeitungsvorrichtung mechanisch koppele und zudem der Objektoberfläche eine Form mit bekannter optischer Wirkung verleihe (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0004]). Eine typische Anwendung für ein solches Kontaktglas sei das als Femtosekunden-LASIK bekannte augenoptische Operationsverfahren, bei dem die als Therapiegerät ausgebildete Laserbearbeitungsvorrichtung einen Laserstrahl in die Hornhaut auf einen Fokus in der Größenordnung eines Mikrometers fokussiere. Im Fokus entstehe dann ein Plasma, das eine lokale Trennung des Hornhautgewebes bewirke. Durch geeignete Aneinanderreihung der auf diese Weise erzeugten lokalen Trennungszonen würden mikroskopische Schnitte realisiert, z. B. ein bestimmtes Hornhautteilvolumen isoliert (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0005]).
43
Die Lage des Kontaktelementes sei für dieses Verfahren genauigkeitsbestimmend und deshalb in der Literatur vielfältig hinsichtlich der Lagebestimmung behandelt. So sei aus der US 6 373 571 eine mit Referenzmarken versehene Kontaktlinse bekannt. Diese Kontaktlinse werde mittels einer separaten Messvorrichtung einjustiert, wodurch ein relativ aufwendiger Aufbau bedingt sei. Ein weiteres Beispiel für ein Kontaktelement werde in der EP 1 159 986 A2 beschrieben. Es ähnele der Kontaktlinse der US 6 373 571, weise aber zusätzlich einen Rand in Form einer Halterung mit Strichmarken auf, die dem Chirurgen eine visuelle Ausrichtung ermögliche. Diese sei jedoch in der Regel zu unpräzise (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0006] bis [0012]).
44
2. Ausgehend vom bekannten Stand der Technik liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung der eingangs genannten Art hinsichtlich der Bestimmung der Lage des Kontaktglases zu verbessern (vgl. Abs. [0013]).
45
Als zuständiger Fachmann ist ein Physiker oder Ingenieur mit Kenntnissen in der Optik/Lasertechnik anzusehen, der Erfahrung im Bereich der Entwicklung von augenchirurgischen Behandlungssystemen im Zusammenhang mit laserbasierter Materialbearbeitung aufweist und in medizinischen Fragen mit einem Arzt zusammenarbeitet.
46
3. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung lassen sich wie folgt gliedern:
47
1 Verfahren zum Vorbereiten einer Vorrichtung (1) zur Materialbearbeitung durch Erzeugung optischer Durchbrüche in oder an einem Objekt (18),
48
2 die eine variable, dreidimensional wirkende Fokusverstelleinrichtung (6, 11) zur Fokussierung gepulster Bearbeitungslaserstrahlung (4) auf verschiedene Orte im oder auf dem Objekt (18) aufweist, wobei
49
3 – an der Vorrichtung ein für die Bearbeitungslaserstrahlung (4) transparentes auf das Objekt (18) aufzusetzendes Kontaktelement (19) befestigt wird, das auf seiner auf das Objekt (2) aufzusetzenden Seite eine Kontakt-Fläche (20) und eine dieser gegenüberliegende Eintritts-Fläche für die Bearbeitungslaserstrahlung aufweist, die jeweils vorbekannte Form haben,
50
4 – vor der Bearbeitung des Objektes (18) die Lage der Eintritts- oder Kontakt-Fläche (20, 30) bezüglich der Fokusverstelleinrichtung (6, 11) mittels Einstrahlung von Laserstrahlung (4) auf die Fläche bestimmt wird,
51
4.1 indem Meßlaserstrahlung (4) mittels der variablen Fokusverstelleinrichtung (6,11) nahe der oder auf die Fläche (20, 30) fokussiert wird,
52
4.1.1 wobei die Energiedichte der fokussierten Meßlaserstrahlung (3) zur Erzeugung eines optischen Durchbruches zu gering ist,
53
4.1.2 und der Fokus der Meßlaserstrahlung (4) in einer Meßfläche (23) verstellt wird, die die erwartete Lage der Fläche (20, 30) schneidet,
54
dadurch gekennzeichnet, daß
55
4.1.3 a) aus dem Fokus der Meßlaserstrahlung (4) rückgestreute oder -reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird.
56
4.1.4 b) aus der konfokal detektierten Strahlung und der zugeordneten Einstellung der variablen Fokusverstelleinrichtung (6, 11) die Lage von Schnittpunkten (26) zwischen Meßfläche (23) und Fläche (20, 30) ermittelt wird,
57
4.1.5 wobei nötigenfalls der Schritt a) mit einer geänderten, insbesondere verschobenen Meßfläche (23) mehrmals wiederholt wird, bis eine bestimmte Anzahl, vorzugsweise fünf, Schnittpunkte (26) detektiert wurde,
58
4.1.6 c) aus der Lage der Schnittpunkte (26) und der vorbekannten Form der Fläche (20, 30) deren Lage bestimmt wird.
59
4. Der Fachmann legt den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 folgendes Verständnis zugrunde (Auslegung):
60
Patentanspruch 1 betrifft gemäß
Merkmal 1 ein Verfahren zum Vorbereiten einer Vorrichtung (1) zur Materialbearbeitung durch Erzeugung optischer Durchbrüche in oder an einem Objekt (18). Unter einem optischen Durchbruch versteht der Fachmann eine Materialveränderung, beispielsweise im Gewebe eines Auges bzw. der Hornhaut, welche durch die Fokussierung eines Laserstrahls mit hoher Intensität im Material im Zusammenhang mit einer nichtlinearen Wechselwirkung und der Bildung von Plasma/Plasmablasen entsteht (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002], [0004], [0010] und [0035]). Durch diese sogenannte
Photodisruption wird die im Fokus liegende Gewebestruktur getrennt bzw. zerstört.
61
Nach
Merkmal 2 wird bei dem Verfahren eine variable, dreidimensional wirkende Fokusverstelleinrichtung (6, 11) eingesetzt, die zur Fokussierung gepulster Bearbeitungslaserstrahlung (4) auf verschiedene Orte im oder auf dem Objekt (18) dient (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 1 bis 3 sowie Abs. [0035] bis [0045]).
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62
Merkmal 3 gibt an, dass an der Vorrichtung ein für die Bearbeitungslaserstrahlung (4) transparentes und auf das Objekt (18) aufzusetzendes Kontaktelement (19) befestigt wird, welches auf seiner auf das Objekt (2) aufzusetzenden Seite eine Kontakt-Fläche (20) und eine der Kontakt-Fläche gegenüberliegende Eintritts-Fläche (30) für die Bearbeitungslaserstrahlung aufweist, wobei beide Flächen jeweils eine vorbekannte Form haben (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 2 und 3 sowie Abs. [0042] und [0043]).
63
In den
Merkmalen 4 und
4.1 ist angegeben, dass vor der Bearbeitung des Objektes (18) die Lage der Eintritts- oder Kontakt-Fläche (20, 30) bezüglich der Fokusverstelleinrichtung (6, 11) mittels Einstrahlung von Laserstrahlung (4) auf die Fläche bestimmt wird, indem Messlaserstrahlung (4) mittels der variablen Fokusverstelleinrichtung (6,11) nahe der Fläche (20, 30) oder auf diese Fläche fokussiert wird (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 1 und 3). Die Energiedichte der fokussierten Messlaserstrahlung (4) ist dabei so gering, dass noch kein optischer Durchbruch erzeugt wird (
Merkmal 4.1.1) und keine Gewebeänderung durch Photodisruption stattfindet.
64
Nach
Merkmal 4.1.2 wird der Fokus der Messlaserstrahlung (4) in einer Messfläche (23) verstellt, welche die erwartete Lage der Fläche (20, 30) schneidet (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 1 i. V. m. Fig. 3 und Fig. 4 sowie zugehörigen Text). Der Schnitt bzw. Schnittpunkte mit der Eintritts- oder Kontaktfläche des Kontaktglases werden zur Bestimmung der Lage einer solchen Fläche herangezogen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0001] und [0024]). Gemäß der Patentschrift kann die Messfläche (23) beispielsweise die Form einer Kreisscheibe aufweisen oder eine Zylindermantelfläche darstellen, bei der sich der Messstrahl entlang einer spiralförmigen Bahnkurve bewegt (vgl. Fig. 5 und Abs. [0025] und [0050] sowie auch den erteilten Unteranspruch 4). Nach diesen Beispielen stellt die in
Merkmal 4.1.2 genannte Messfläche, in der die Bewegung der Messlaserstrahlung stattfindet, nicht zwingend eine flache Ebene dar.
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65
In
Merkmal 4.1.3 (Schritt a) des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 ist angegeben, dass aus dem Fokus der Messlaserstrahlung (4) rückgestreute oder reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird. Dies bedeutet für den Fachmann, dass nur aus dem Fokus rückgestreute oder reflektierte Strahlung zum Detektor (vgl.
konfokalen Detektor12 in Fig. 1) durchgelassen wird, während andere – nicht aus dem Fokus rückgestreute oder reflektierte – Strahlung durch eine Lochblende (vgl.
Pinholeoptik14 in Fig. 1) blockiert wird (vgl. a. a. O. und Abs. [0039] bis [0041]). Nach
Merkmal 4.1.4 (Schritt b) wird aus der konfokal detektierten Strahlung und der zugeordneten Einstellung der variablen Fokusverstelleinrichtung (6, 11) die Lage von Schnittpunkten (26) zwischen Messfläche (23) und Fläche (20, 30) ermittelt. Nötigenfalls wird der Schritt gemäß
Merkmal 4.1.3 (Schritt a) mit einer geänderten, insbesondere verschobenen Messfläche (23) mehrmals wiederholt, bis eine bestimmte Anzahl (vorzugsweise fünf) Schnittpunkte (26) detektiert wurden (
Merkmal 4.1.5).
Merkmal 4.1.6 (Schritt c) gibt an, dass aus der Lage der Schnittpunkte (26) und der vorbekannten Form der Fläche (20, 30) schließlich die Lage der Fläche bestimmt wird.
66
Die Vorrichtung zur Materialbearbeitung gemäß dem nebengeordneten
Anspruch 13 dient zur Durchführung eines Verfahrens, wie es in Anspruch 1 aufgeführt ist, wobei auf die vorstehenden Ausführungen zum Verfahrensanspruch 1 verwiesen wird, die hier in gleicher Weise gelten; vgl. Figur 1 und den zugehörigen Text der Patentschrift bezüglich der einzelnen Vorrichtungsteile wie etwa den Bearbeitungslaser (3) zur Erzeugung gepulster Bearbeitungslaserstrahlung (4), die Fokusverstelleinrichtung (6,11), die von einer Steuereinrichtung (17) angesteuerte Messlaserstrahlungsquelle (3) sowie auch die Kontaktfläche (20) eines Kontaktglases (19) gemäß Figur 2.
II.
67
In der erteilten Fassung vermag die Beklagte das Streitpatent nicht erfolgreich zu verteidigen, da dieser Fassung der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52 bis 57 EPÜ) entgegensteht.
68
1. Das Streitpatent in seiner erteilten Fassung erweist sich als nicht patentfähig, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift
D1 als nicht neu gilt (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Nr. 1, Art. 52, 54 EPÜ).
69
Die Druckschrift
D1 (WO 2005/039462 A1) beschreibt ein Verfahren zur Vorbereitung einer Materialbearbeitungsvorrichtung (
Laserbearbeitungsvorrichtung), mit der entsprechend
Merkmal 1 durch eine Fokussierung von gepulster Laserstrahlung (
gepulste Laser-Strahlung /
Pulsdauer […] im Femtosekundenbereich) optische Durchbrüche (
nicht-lineare Wechselwirkungen […] in Form eines optischen Durchbruchs) in einem Objekt (
Auge 2 /
Hornhaut 17) erzeugt werden (vgl. S. 1, erster und letzter Abs. sowie S. 2, Z. 5-7, Fig. 1 und S. 10, Z. 21-33). Die Vorrichtung weist dazu eine variable, dreidimensional wirkende Fokusverstelleinrichtung in Form einer verstellbaren Optik und Scaneinrichtung auf (
verstellbare Projektionsoptik 9 i. V. m.
Scaneinrichtung 6), die einer Fokussierung der gepulsten Bearbeitungslaserstrahlung (
Behandlungsstrahl 4 /
Fokus 13) auf verschiedene Orte im Objekt (
Auge 2 /
Hornhaut 17) dient (vgl. Fig. 1 und S. 10, Z. 27-32 /
Merkmal 2).
70
An der Vorrichtung wird ein für die Bearbeitungslaserstrahlung (
Behandlungsstrahl 4) transparentes und auf das Objekt (
Auge 2 /
Hornhaut 17) aufzusetzendes Kontaktelement (
Kontaktglas 12) befestigt. Das Kontaktglas weist auf der auf das Objekt (
Auge 2 /
Hornhaut 17) aufzusetzenden Seite eine gekrümmte Kontakt-Fläche (
Unterseite 22 von
Glaskörper 20) und eine dieser gegenüberliegende Eintritts-Fläche (
Oberseite 21) für die Bearbeitungslaserstrahlung auf, wobei die Lagen dieser Flächen des Kontaktelements bekannt sind und folglich auch jeweils eine vorbekannte Form haben (vgl. hierzu auch nachfolgende Ausführungen zu Merkmal
4.1.2, Fig. 3 und 4 sowie S. 6, Z. 4-7, S. 11, Z. 35, bis S. 12, Z. 5 /
Merkmal 3).
71
Vor der Bearbeitung des Objektes (
Auge 2 /
Hornhaut 17) wird die Lage der Eintritts- oder der gekrümmten Kontakt-Fläche (Ober
seite 21 bzw
. Unterseite 22 von
Kontaktglas 12 /
Glaskörper 20) bezüglich der Fokusverstelleinrichtung (
verstellbare Projektionsoptik 9 i. V. m.
Scaneinrichtung 6) mittels einer Steuereinrichtung (
Steuergerät 14) und einer Einstrahlung von Laserstrahlung als Messlaserstrahlung auf die Fläche bestimmt, indem Messlaserstrahlung (
Strahl 4 mit stark verringerter Strahlungsintensität) mittels der variablen Fokusverstelleinrichtung (
verstellbare Projektionsoptik 9 i. V. m.
Scaneinrichtung 6) auf eine reflektierende Zone (
Reflektorzone 25) nahe der Fläche des Kontaktglases (
Kontaktglas 12) fokussiert wird (vgl.
D1 a. a. O. sowie S. 11, Z. 4-7, und S. 13, Z. 17-28 /
Merkmale 4 und
4.1).
72
Die Energiedichte der fokussierten Messlaserstrahlung (
Strahl 4 mit stark verringerter Strahlungsintensität) ist so gering, dass es noch nicht zur Erzeugung eines optischen Durchbruchs kommt (vgl. S. 13, Z. 17-20 /
Merkmal 4.1.1). Aus dem Fokus der Messlaserstrahlung (
Strahl 4) rückgestreute oder reflektierte Strahlung (
Rückreflexion, Streuung, […]) wird dabei konfokal detektiert (
konfokale Abbildung im
Detektor 15), wobei Messsignale an die Steuereinrichtung (
Steuergerät 14) geliefert werden (vgl.
D1 a. a. O. sowie S. 4, Z. 20-22, S. 6, Z. 15-22, und S. 11, Z. 10-13:
(konfokale) Detektion der Reflektorzone /
Merkmal 4.1.3). Der Fachmann entnimmt der Druckschrift
D1, dass der Fokus der Messlaserstrahlung in einer Messfläche verstellt wird, welche die erwartete Lage der vorgenannten Fläche schneidet. Die in der Druckschrift
D1 genannten
Reflektorzonen 25 einer ringförmigen
Referenzstruktur 24 liegen dann in der Messfläche und reflektieren die auf sie fokussierte Messlaserstrahlung (vgl. Fig. 6). Diesbezüglich wird in der Druckschrift
D1 – wie vorstehend ausgeführt – darauf hingewiesen, dass die
Referenzstruktur 24 mit mehreren
Reflektorzonen 25 nicht nur im Volumen des kegelstumpfförmigen
Glaskörpers 20 /
Kontaktglases 12 als Kontaktelement aufgebracht werden kann, sondern auch
auf der Oberseite 21 oder der Unterseite 12 des Kontaktglases 12 und damit auf der
Eintrittsfläche oder der
Austrittsfläche, wobei letztere Fläche die Kontakt-Fläche zu einem Objekt (
Auge 2 /
Hornhaut 17) darstellt (vgl. Fig. 4 und 5 sowie S. 12, Z. 20-23 und Z. 25-28 /
Merkmal 4.1.2).
73
Dass Schnittpunkte der Messfläche mit der Fläche (Ober
seite 21 bzw
. Unterseite 22) am
Kontaktglas 12 /
Glaskörper 20 ermittelt werden, wird nicht explizit in der Druckschrift
D1 beschrieben. Es wird jedoch ausdrücklich auf eine
konfokale Detektion der
Reflektorzone 25 im Zusammenhang mit einer Bewegung des
Fokus 13 durch das
Suchgebietvermöge derScaneinrichtung 6 und der
Projektionsoptik 9 hingewiesen (vgl. S. 6, Z. 15-22 und a. a. O.). Wie im Rahmen der Merkmalsauslegung dargelegt, muss die Messfläche nicht zwingend durch eine Ebene gebildet werden (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 5 als ein Ausführungsbeispiel). Die Druckschrift D1 offenbart dazu eine Bahnkurve (
Bahn 27) der Messlaserstrahlung, die von einem Punkt A über die
Reflexionszone 25 auf der zuvor genannten Kontakt-Fläche zu einem Punkt D führt, wobei die Bahnkurve offensichtlich in einer – nicht weiter bestimmten – Messfläche/Mannigfaltigkeit im insgesamt dreidimensionalen Raum liegt (vgl. Fig. 6 und S. 14, Z. 16 ff.).
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74
Der Fachmann liest hier mit, dass der
Fokus 13 der Messlaserstrahlung – entsprechend
Merkmal 4.1.2 – durch die Scaneinrichtung 6 (in x-y-Richtung /
quer zur optischen Achse A1) in einer Messfläche im dreidimensionalen Raum verstellt wird, welche die erwartete Lage der Fläche / Kontaktfläche (Ober
seite 21 bzw
. Unterseite 22) am
Kontaktglas 12 bei den
Reflexionszonen 25 schneidet (vgl. a. a. O. und S. 11, Z. 4-8).
75
Der Fachmann kann der Druckschrift
D1 auch ohne Weiteres entnehmen, dass aus dem Fokus der Messlaserstrahlung im Rahmen
elastischer Lichtstreuung rückgestreute oder reflektierte Strahlung
konfokal detektiert wird (vgl. S. 11, Z. 10-13, und S. 12, Z. 28-29, sowie vorstehende Ausführungen / Merkmale
4.1.3), wobei aus der mit dem
Detektor 15 konfokal detektierten Strahlung und der zugeordneten Einstellung der variablen Fokusverstelleinrichtung (
Steuergerät 14 / Scaneinrichtung 6 /
Projektionsoptik 9) die Lage von Schnittpunkten zwischen Messfläche und Kontakt-Fläche (
Unterseite 22 am
Kontaktglas 12) bei den
Reflexionszonen 25 ermittelt wird (vgl. S. 13, Z. 30-37
/ Merkmal 4.1.4).
76
Der Fachmann entnimmt der Druckschrift
D1 zudem, dass der vorgenannte Schritt mit einer geänderten Messfläche nötigenfalls mehrmals wiederholt wird, bis eine ausreichende Anzahl von
drei Reflektorzonen 25 und dementsprechend eine Anzahl von (
drei) damit verbundenen Schnittpunkten detektiert wurde (vgl. vorstehende Ausführungen und S. 13, Z. 32-34:
Nach Abtasten von mindestens drei Reflektorzonen 25 ist damit eine vollständige Bestimmung der tatsächlichen Ist-Lage des Kontaktglases 12 und damit der Augenhornhaut 17 erreicht. Diese Ist-Lage verwendet das Steuergerät 14, um in der nachfolgenden Behandlung mit dem Behandlungsstrahl 4 den Fokus 13 an gewünschten vorgegebenen Stellen in der Augenhornhaut 17 zu platzieren /
Merkmal4.1.5).
77
Aus der Lage der mit den detektierten
Reflektorzonen 25 assoziierten Schnittpunkte und der vorbekannten Form der Fläche (
Unterseite 22 am
Kontaktglas 12) wird deren Lage (
Ist-Lage) und damit auch die exakte Lage des Kontaktelements (
Kontaktglas 12) bestimmt (vgl. S. 13, Z. 32-34:
[…] vollständige Bestimmung der tatsächlichen Ist-Lage des Kontaktglases 12 /
Merkmal4.1.6).
78
Aus der Druckschrift
D1 ist damit ein Verfahren zum Vorbereiten einer Vorrichtung zur Materialbearbeitung bekannt, welches sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung aufweist.
79
Die weiteren Patentansprüche des Streitpatents bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie die Ansprüche des Streitpatents jeweils als geschlossene Anspruchs-sätze versteht, diese jeweils als Ganzes verteidigt (vgl. BGH – Urteil vom 13. September 2016 – X ZR 64/14, GRUR 2017, 57 – Datengenerator), und der Senat die Fassung des Hilfsantrags 1 bereits anstelle der als geschlossener Anspruchssatz verteidigten erteilten Fassung des Streitpatents prüfen solle, sofern sich auch nur einer der nebengeordneten Ansprüche des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht als rechtsbeständig erweisen sollte. Ebenso solle mit den Hilfsanträgen verfahren werden.
III.
80
In der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung des zulässigen
Hilfsantrags 1 vom 6. Dezember 2024 erweist sich das Streitpatent als rechtsbeständig.
81
1. Der Hilfsantrag 1 ist zulässig und nicht als verspätet zurückzuweisen.
82
Die Regelung in § 83 PatG sieht grundsätzlich die Möglichkeit vor, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen und bei der Entscheidung unberücksichtigt zulassen. Voraussetzung hierfür ist nach § 83 Abs. 4 PatG, dass das Vorbringen unter Versäumung der nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist erfolgt, die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfordert hätte (vgl. hierzu BPatG, 27. Dezember 2021 – 6 Ni 37/18 (EP) – Steuerung alternativer Kommunikationspfadnutzung in einer mobilen Kommunikationsvorrichtung; Benkard, PatG, 12. Auflage, 2023, § 83, Rdnr. 16 ff.).
83
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Berücksichtigung des Hilfsantrags 1 vom 6. Dezember 2024 eine Vertagung der über einen Monat später stattgefundenen mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätte. Die Beklagte hat sich vielmehr in ihrem Schriftsatz vom 10. Januar 2025 inhaltlich zum Gegenstand des Hilfsantrags 1 eingelassen. Auch in der mündlichen Verhandlung hat sie streitig hierzu verhandelt.
84
Der Hilfsantrag 1 ist zulässig.
85
Der Gegenstand des Hilfsantrags 1 ist sowohl in der Patentschrift als auch in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart. Dieser Anspruch wird gegenüber der erteilten Fassung wie folgt beschränkt verteidigt:
86
Patentanspruch 1 nach
Hilfsantrag 1 weist die
Merkmale 1 bis
3,
4.1 bis
4.1.2 und
4.1.4 bis
4.1.6 des erteilten Anspruchs 1 auf, sowie folgende inhaltliche Änderungen in den Merkmalen
4 und
4.1.3, wonach (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben):
87
4H1 – vor der Bearbeitung des Objektes (18) die Lage der
Eintritts- oder Kontakt-Fläche (20
, 30) bezüglich der Fokusverstelleinrichtung (6, 11) mittels Einstrahlung von Laserstrahlung (4) auf die Fläche bestimmt wird,
88
4.1.3H1a) aus dem Fokus der Meßlaserstrahlung (4) rückgestreute oder -reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird,
die durch einen Brechzahlsprung zwischen der Fläche (20) und dem an das Kontaktelement (19) angrenzenden Medium auftritt.
89
Die
Merkmale 1 bis
3,
4.1 bis
4.1.2 und
4.1.4 bis
4.1.6 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 stimmen mit dem erteilten Anspruch 1 überein.
Merkmal4H1 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem Merkmal 4 des Anspruchs nach Hauptantrag dahingehend eingeschränkt, dass nur noch die Lage der Kontaktfläche (20) in Bezug genommen wird, jedoch nicht die als Merkmalsalternative im erteilten Anspruch 1 genannte Eintrittsfläche 30 (im
Merkmal 4.1.4 ist dementsprechend das Bezugszeichen 30 gestrichen). Des Weiteren ist der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 mit
Merkmal4.1.3H1 dahingehend eingeschränkt worden, dass Strahlung konfokal detektiert wird, welche durch einen Brechzahlsprung zwischen der Fläche (20) und dem an das Kontaktelement (19) angrenzenden Medium auftritt (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0021]). Die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 sind im ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung offenbart (vgl. Offenlegungsschrift WO 2008/040436 A1, S. 6, letzter Abs.).
90
Dies gilt ebenso in Bezug auf den nebengeordneten Anspruch 13 nach Hilfsantrag 1, der in gleicher Weise wie Anspruch 1 in zulässiger Weise eingeschränkt ist. Die Merkmale der Unteransprüche 2 bis 12 und 14 bis 17 basieren in zulässiger Weise auf den erteilten wie den ursprünglich eingereichten Unteransprüchen.
91
2. Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 betrifft die Bestimmung der Lage der Kontaktfläche (Merkmal 4H1). Im Merkmal 4.1.3H1 (Schritt a) kommt gegenüber dem erteilten Anspruch 1 zusätzlich zum Ausdruck, dass aus dem Fokus der Messlaserstrahlung die rückgestreute oder -reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird, welche durch einen Brechzahlsprung zwischen der Fläche (20) und dem an das Kontaktelement (19) angrenzenden Medium auftritt (vgl. nachfolgenden Ausschnitt aus den Figuren 1 und 2 der Streitpatentschrift).
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92
Es geht hier also nicht mehr um einen Brechzahlsprung an der Eintrittsfläche (Fläche 30 in Fig. 2). Zudem ist nicht ein beliebiger Brechzahlsprung an der Kontaktfläche gemeint, sondern es geht um einen Brechzahlsprung an der im
Merkmal 4.1.3H1 i. V. m.
Merkmal4H1 genannten
Kontaktfläche (20)
und dem an das Kontaktelement (19)
angrenzenden Medium. Bei dem angrenzenden Medium handelt es sich gemäß Absatz [0021] der Beschreibung um die Hornhaut eines Auges (2) oder Luft, sofern das Kontaktelement noch nicht auf die Augenhornhaut aufgesetzt ist. Gemäß Absatz [0021] der Beschreibung ist die Bestimmung der Lage der Kontaktfläche dabei bevorzugt durchzuführen, bevor das Kontaktelement auf das zu bearbeitende Objekt, z. B. die Augenhornhaut, aufgesetzt wird.
93
In Bezug auf die weiteren Merkmale des Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wird auf vorstehende Ausführungen zur Auslegung des erteilten Anspruch 1 verwiesen, die hier in gleicher Weise gelten. Die Auslegung gilt ebenso für den auf eine Materialverarbeitungsvorrichtung gerichteten nebengeordneten Anspruch 13 nach Hilfsantrag 1, dessen Merkmale ansonsten inhaltlich den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 entsprechen.
94
Wie zuvor im Hinblick auf den Anspruch 1 in der erteilten Fassung ausgeführt, beschreibt Druckschrift
D1 ein Verfahren mit den
Merkmalen1 bis
3,
4.1 bis
4.1.2, 4.1.3 und
4.1.4 bis
4.1.6.
95
Druckschrift
D1 ist jedoch nicht das im Verfahrensschritt (a) im Zusammenhang mit den vorstehend abgehandelten Merkmalen genannte Merkmal
4.1.3aH1 zu entnehmen, wonach aus dem Fokus der Messlaserstrahlung rückgestreute bzw. reflektierte Strahlung konfokal detektiert wird, die durch einen Brechzahlsprung zwischen der Fläche des Kontaktelementes und dem angrenzenden Medium auftritt, wobei diese reflektierte Strahlung dann für den weiteren Verfahrensschritt (b) bzw.
Merkmal 4.1.4 genutzt wird (vgl.
D1, Fig. 3 und 5 sowie S. 11, letzter Abs., bis S. 12, vorletzter Abs.).
96
Die in Druckschrift
D1 genannte
Referenzstruktur 24 mit mehreren
Reflektorzonen 25 stellt dagegen einen Bestandteil des Kontaktelements dar (vgl.
Kontaktglas 12 in Fig. 3 und 5). Es handelt sich also bei den in Druckschrift
D1 beschriebenen
Reflektorzonen 25, die Bestandteil des Kontaktelements sind, gerade nicht um ein an das Kontaktelement angrenzendes Medium, wie es im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 im Zusammenhang mit einem Brechzahlsprung gefordert ist (
Merkmal4.1.3H1 fehlt).
97
Das Merkmal
4.1.3H1 im Zusammenhang mit den weiteren Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist der Druckschrift
D1 folglich nicht zu entnehmen; der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gilt damit als neu gegenüber der Lehre der Druckschrift
D1.
98
3. Ausgehend von der Lehre der Druckschrift
D1 und der dort genannten
Referenzstruktur 24 mit mehreren
Reflektorzonen 25 zur Lagebestimmung hatte der Fachmann keine Veranlassung, darüber hinaus noch weitere, nicht von den
Reflektorzonen 25 reflektierte Strahlung konfokal zu detektieren, die aus einem Brechzahlsprung zwischen der Fläche des Kontaktelementes und einem angrenzenden Medium (z. B. eine Augenhornhaut oder Luft in dem Fall, dass das Kontaktelement noch nicht auf eine Augenhornhaut aufgesetzt ist) resultiert. Strahlung, die nicht durch die
Reflektorzonen 25 rückgestreut oder reflektiert wird – also von Grenzflächen des Kontaktelements reflektierte Strahlung – würde dabei nach fachmännischem Verständnis auch nur zu im Vergleich zu Signalen infolge der
Reflektorzonen 25 schwachen Signalen führen, die im Rahmen der aus der Druckschrift
D1 bekannten Detektion nicht besonders aufgelöst würden (vgl. Signalverlauf in Fig. 6 sowie S. 14, dritter und vorletzter Abs.).
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
99
Bei dem aus der Druckschrift
D1 bekannten Verfahren basiert die Bestimmung der Lage der Fläche des Kontaktelements somit auf den in einer Ebene liegenden
Reflektorzonen 25 des Kontaktelements und einem damit verbundenen, für sich gesehen schon sicheren Signalverlauf, wie er in Figur 6 dargestellt ist. Der Fachmann hatte von daher auch unter Zuhilfenahme seines Fachwissens keinen Grund, die auf den
Reflektorzonen 25 des Kontaktelements und den damit verbundenen Signalverlauf basierende Detektion durch die im
Merkmal4.1.3H1 aufgeführte Maßnahme zu ersetzen.
100
4. Die Druckschrift
D2 (WO 2004/032810 A2) befasst sich nicht mit einer aus dem Fokus der Messlaserstrahlung rückgestreuten oder -reflektierten Strahlung, die konfokal detektiert wird (vgl.
Merkmal 4.1.3H1, welches hier fehlt)
. Der Druckschrift
D2 kann dabei lediglich eine Messung von Strahlung entnommen werden, die von einem disruptiven Plasma erzeugt wird. Der Fachmann geht bei der Druckschrift
D2 folglich davon aus, dass die Energiedichte der Mess-Strahlung im Rahmen der Plasmaerzeugung – entgegen
Merkmal 4.1.1 – zur Erzeugung eines optischen Durchbruches führt, was jedoch von dem Gegenstand des Streitpatents wegführt.
101
Eine Zusammenschau der Druckschrift
D1 mit der Druckschrift
D2, die eine – auf disruptivem Plasma, ohne Konfokalmessung basierende – andere Messmethode lehrt, sowie die Anwendung von Fachwissen führt damit nicht in naheliegender Weise zu dem Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1.
102
Dies gilt ebenso im Hinblick auf die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften. Eine Zusammenschau der Druckschrift
D1 oder
D2 mit den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften oder eine Kombination dieser Druckschriften untereinander führt ebenfalls nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Dergleichen ist von der Klägerin auch nicht vorgebracht worden.
103
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 beruht damit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
104
5. Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleicher Weise in Bezug auf den nebengeordneten Anspruch 13 nach Hilfsantrag 1, der in gleicher Weise wie Anspruch 1 eingeschränkt ist.
105
6. Die auf die Patentansprüche 1 und 13 rückbezogenen Unteransprüche in der Fassung des Hilfsantrags 1 erfüllen ebenfalls die an sie hinsichtlich der Schutzfähigkeit zu stellenden Anforderungen.
106
7. Da sich das Streitpatent in der zulässig verteidigten Fassung nach Hilfsantrag 1 somit als rechtsbeständig erweist, nämlich als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit basierend, war die Klage insoweit abzuweisen.
IV.
107
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
108
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.