Beschluss des BGH 4. Zivilsenat vom 23.10.2024, AZ IV ZR 436/22

BGH 4. Zivilsenat, Beschluss vom 23.10.2024, AZ IV ZR 436/22, ECLI:DE:BGH:2024:231024BIVZR436.22.0

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 18. September 2024, Az: IV ZR 436/22, Urteil
vorgehend BGH, 22. Mai 2024, Az: IV ZR 436/22, Beschluss

vorgehend BGH, 6. Februar 2024, Az: IV ZR 436/22, Beschluss

vorgehend OLG Stuttgart, 3. Februar 2022, Az: 2 U 117/20, Beschluss

vorgehend OLG Stuttgart, 3. Februar 2022, Az: 2 U 117/20, Urteil

vorgehend LG Stuttgart, 26. März 2020, Az: 11 O 214/18

Tenor

Der Streitwert wird in Abänderung der Wertfestsetzung in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart – 2. Zivilsenat – vom 3. Februar 2022 für die erste und für die zweite Instanz auf jeweils 205.000 € festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GKG).

Der Antrag des Klägers, gemäß § 12 Abs. 3 UWG anzuordnen, dass sich die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem seiner Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst, wird abgelehnt.

Gründe

1

    I. Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, hat die Ansicht vertreten, die Beklagte, eine deutsche Versicherungsgesellschaft, die den Abschluss von Lebens- und Rentenversicherungen anbietet, verstoße durch die von ihr praktizierte Überschussbeteiligung gegen die Vorgaben von § 6 Abs. 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV), indem sie Versicherungsnehmern in dem von ihr angebotenen Tarif „P      R      P                “ eine höhere Überschussbeteiligung zuteile als jenen, die zwischen Juli 1994 und Dezember 2016 in anderen Tarifen Versicherungsverträge mit einem höheren Rechnungszins abgeschlossen hätten. Des Weiteren hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit von insgesamt neunzehn Teilklauseln in den „Versicherungsbedingungen: Teil A – Baustein Altersvorsorge – Zukunftsrente P                 E     “ der Beklagten sowie insgesamt sieben Angaben in den zugehörigen Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen gewandt. Der Senat hat den Streitwert für das Revisions- und Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 6. Februar 2024 (IV ZR 436/22, juris) auf 205.000 € festgesetzt, wovon 187.500 € auf die Rechtsmittel des Klägers und 17.500 € auf die Rechtsmittel der Beklagten entfallen. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevisionen beider Parteien sind erfolglos geblieben, während die Revision der Beklagten teilweise erfolgreich war (Senatsurteil vom 18. September 2024 – IV ZR 436/22, juris).

2

    In der Revisionsinstanz hat der Kläger beantragt, gemäß § 12 Abs. 3 UWG anzuordnen, dass sich seine Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem seiner Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst, den er in den Vorinstanzen mit 50.000 € bewertet hat.

3

    II. Der Antrag des Klägers auf Herabsetzung des Streitwerts ist unbegründet.

4

    Nach § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 3 und 4 UWG kann das Gericht auf Antrag einer Partei anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst.

5

    1. Voraussetzung für die Herabsetzung des Streitwerts ist, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert die wirtschaftliche Lage der Partei erheblich gefährden würde. Eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage, an die strenge Maßstäbe anzulegen sind, da auch bei einer Herabsetzung des Streitwerts der Partei ein gewisses Kostenrisiko verbleiben soll, kann etwa vorliegen, wenn der Partei durch die Kostenbelastung die Insolvenz droht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 – X ZR 98/14, juris Rn. 5; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 42. Aufl. § 12 Rn. 4.21; jeweils m.w.N.). Tritt als Kläger ein Verbraucherverband auf, ist die Frage, ob die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert nicht tragbar erscheint, nach weniger strengen Maßstäben zu beurteilen als bei Klagen von Wettbewerbsverbänden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2016 – I ZR 24/16, GRUR 2017, 212 Rn. 11 – Finanzsanierungen; vom 28. Juni 2016 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 – I ZR 205/17, VersR 2020, 47 Rn. 38 – Prozessfinanzierer II; jeweils m.w.N.). Die im öffentlichen Interesse tätigen Verbraucherverbände sind im Wesentlichen auf eine finanzielle Ausstattung aus öffentlichen Mitteln angewiesen. Angesichts dessen ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verbraucherverbands anzustellen, insbesondere ist der dem Verband bewilligte Etat für Prozesskosten zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 aaO; Köhler/Feddersen aaO Rn. 4.23; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – I ZR 213/15, juris Rn. 7 m.w.N. – Energieverbrauchskennzeichnung).

6

    2. Nach diesen Maßstäben ist eine Anordnung, dass sich die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Gerichtskosten nach einem geringeren Streitwert von 50.000 € bemisst, nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat eine erhebliche Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage nicht dargetan.

7

    a) Er hat vorgetragen, die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage ergebe sich bereits aus der Relation zwischen dem Prozesskostenrisiko bei ungemindertem Streitwert in diesem Verfahren und der Höhe der institutionellen Förderung, die sich im Jahr 2021 auf 973.244 € belaufen habe. Angesichts von im Jahr 2021 circa 49 eingeleiteten Verfahren seien die Auswirkungen auf weitere Aktivitäten im kollektiven Rechtsschutz zu bedenken und es sei zu Beginn dieser Verfahren nicht absehbar, wie viele von ihnen in das gerichtliche Verfahren übergingen und wie dann die Erfolgsaussichten seien. Streitwerte im sechsstelligen Bereich verursachten so hohe Kosten, dass dadurch die ohnehin bereits überschaubare Aktivität im kollektiven Rechtsschutz erheblich reduziert, wenn nicht vollständig zum Erliegen kommen würde.

8

    b) Bei diesen Gegebenheiten ist nicht anzunehmen, dass eine Belastung des Klägers mit Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Seinem Vorbringen ist bereits nicht zu entnehmen, inwieweit der Prozesskostenetat durch laufende Verfahren ausgeschöpft wurde und der Umfang dieser Ausschöpfung im Zusammenwirken mit der Kostenbelastung aus dem Streitfall auf der Grundlage des festgesetzten Streitwerts zu einer erheblichen Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage führt. Allein die zahlenmäßige Angabe weiterer Verfahren vermittelt keine Informationen darüber, in welchem Umfang der Kläger Kosten auszugleichen hatte oder, umgekehrt, inwieweit ihm Kosten erstattet wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016- X ZR 98/14, juris Rn. 9). Darüber hinaus ist nicht dargetan, ob und in welchem Umfang der Kläger, falls der Prozesskostenetat überschritten sein sollte, insgesamt einer wirtschaftlichen Gefährdung unterliegt und ob er in einem solchen Fall gegebenenfalls aus anderen Einnahmequellen zu einem Ausgleich des Prozesskostenetats gelangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2016 aaO).

9

    c) Überdies hat der Kläger selbst – im Rahmen seines Antrags – eine Wertfestsetzung von 2.500 € je angegriffener Teilklausel angeregt, welcher der Senat bereits bei der Festsetzung des Streitwerts für den Rechtsstreit insgesamt Rechnung getragen hat.

Prof. Dr. Karczewski          Dr. Brockmöller            Dr. Bußmann

                            Dr. Götz                        Piontek

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