Beschluss des BPatG München 28. Senat vom 18.10.2024, AZ 28 W (pat) 44/18

BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 18.10.2024, AZ 28 W (pat) 44/18, ECLI:DE:BPatG:2024:181024B28Wpat44.18.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 037 983

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Oktober 2024 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Kriener und Berner

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2018 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 9 „Busse [Leitungssysteme zum Austausch von Daten zwischen mehr als zwei Teilnehmern] soweit in Klasse 9 enthalten; elektronische Chips zur Motorsteuerung; elektronische Steuergeräte; Programme für die Datenverarbeitung zur Steuerung von Fahrzeugtechnik“ angeordnet worden ist. Insoweit wird der Widerspruch aus der Marke 394 06 386 zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

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GTA

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ist am 7. Mai 2015 angemeldet und am 24. Juni 2015 unter der Nummer 30 2015 037 983 als Wortmarke für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:

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Klasse 9:

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Busse [Leitungssysteme zum Austausch von Daten zwischen mehr als zwei Teilnehmern] soweit in Klasse 9 enthalten; elektronische Chips zur Motorsteuerung; elektronische Steuergeräte; Programme für die Datenverarbeitung zur Steuerung von Fahrzeugtechnik;

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Klasse 12:

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Fahrzeuge; Teile und Zubehör für Fahrzeuge;

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Klasse 37:
Installations-, Reinigungs-, Reparatur- und Wartungsarbeiten in Bezug auf Fahrzeuge; Tuning von Fahrzeugen.

9

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 24. Juni 2015 veröffentlicht wurde, hat unter anderem die Inhaberin der am 1. Januar 1995 angemeldeten und am 27. September 1995 für die Waren

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Klasse 12:

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Kraftfahrzeuge und deren Teile; Kraftfahrzeug-Motoren

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unter der Nummer 394 06 386 eingetragenen Wortmarke

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GTI

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am 23. Oktober 2015 Widerspruch erhoben.

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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 6. Juni 2016 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat daraufhin vor der Markenstelle zur Glaubhaftmachung der Benutzung eine eidesstattliche Versicherung der Frau X …, und später im Beschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versicherung des Herrn Y … sowie weitere Unterlagen, u.a. Kopien des Internetmagazins „Volkswagen Classic“ zur Modellgeschichte des Golf II, Auszüge von der Homepage der Widersprechenden, Kopien einer Autozeitung, von Pressemitteilungen sowie von Statistiken zu Autozulassungen und Screenshots von Automodellen vorgelegt.

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Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 24. April 2018 auf diesen Widerspruch hin die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, und zwar für die Waren „
Busse [Leitungssysteme zum Austausch von Daten zwischen mehr als zwei Teilnehmern] soweit in Klasse 9 enthalten; elektronische Chips zur Motorsteuerung; elektronische Steuergeräte; Programme für die Datenverarbeitung zur Steuerung von Fahrzeugtechnik“ der Klasse 9 sowie „
Fahrzeuge; Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ der Klasse 12, weil insoweit zwischen den Vergleichszeichen Verwechslungsgefahr bestehe. Im Übrigen hat sie den Widerspruch der Widersprechenden – wie auch die weiteren von Dritten gegen die angegriffene Marke erhobenen Widersprüche – zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dass zwischen der Marke
GTA und der Widerspruchsmarke
GTI eine Verwechslungsgefahr bestehe, soweit seitens der angegriffenen Marke die Waren der Klassen 9 und 12 betroffen seien. Die Widerspruchsmarke sei zweifelsfrei für „Kraftfahrzeuge“ benutzt. Dazu habe die Widersprechende in ausreichendem Umfang vorgetragen, zudem sei die Benutzung „als solche amtsbekannt“ (Wortlaut des Beschlusses). Im Hinblick auf die Widerspruchswaren „Teile von Kraftfahrzeugen“ und „Kraftfahrzeug-Motoren“ hingegen sei eine markenmäßige Anbringung der Buchstabenfolge GTI nicht nachgewiesen worden.

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Die Widerspruchsmarke verfüge über eine allenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Eintragung der Buchstabenfolge GTI als Marke sei nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass zum Eintragungszeitpunkt noch keine Internetrecherche möglich gewesen ist. Denn auch schon lange vor dem Jahr 1994 sei bekannt gewesen, dass die Buchstabenfolge „GT“ als Abkürzung für „Gran Turismo“ oder „Grand Tourisme“ stehe und der Buchstabe „I“ für „Injection“. Der Widerspruchsmarke komme aber angesichts der Bekanntheit sowie des Kultstatus, die den GTI-Modellen der Widersprechenden zum Eintragungszeitraum

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zugekommen seien, eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Hiervon sei insbesondere angesichts der von der Widersprechenden umfangreich eingereichten Belege und nach einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände auszugehen.

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Im Bereich der sich gegenüberstehenden Waren „Kraftfahrzeuge“ bzw. “Fahrzeuge“ der Klasse 12 bestehe Warenidentität. In Bezug auf die Waren „Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ der jüngeren Marke GTA sei zu den Widerspruchswaren von einer hohen Warenähnlichkeit auszugehen. Die Waren der Klasse 9 der jüngeren Marke könnten sachlich ebenfalls „Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ sein, insoweit handele es sich bei der Einordnung in die Klasse 9 um eine solche aus klassifikationstechnischer Sicht. Eine Ähnlichkeit zwischen den Marken GTA – gesprochen „Ge-Te-A“ – und GTI – gesprochen „Ge-Te-I“ – sei eher gering, aber noch gegeben. Zwar seien die jeweiligen Schlussvokale, „A“ bei der angegriffenen Marke und „I“ bei der Widerspruchsmarke, an sich deutlich unterschiedlich, doch seien die Vergleichsmarken in den beiden ersten Buchstaben bzw. Silben und damit in einem Drittel der Marken identisch. Angesichts einer hohen Warenähnlichkeit bei noch durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und immerhin vorhandener Markenähnlichkeit sei von einer Verwechslungsgefahr der Marken auszugehen.

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Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 37 sei von einer allenfalls geringen Ähnlichkeit zwischen diesen Dienstleistungen und den „Kraftfahrzeugen“ der Widerspruchsmarke auszugehen, da die „Installations-, Reinigungs-, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen“ von den Pkw-Herstellern üblicherweise an die Vertragshändler abgegeben würden. Insoweit sei der Widerspruch zurückzuweisen.

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Die Voraussetzungen des Sonderschutzes einer bekannten Marke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG seien vorliegend nicht gegeben. Denn zunächst sei von einer geringen originären Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, die auch nicht durch sehr hohe Umsatzzahlen der Widersprechenden ausgeglichen werde. Ein etwaiger Kultstatus der Widerspruchsmarke sei zudem im Laufe der Jahrzehnte eher zurückgegangen.

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Hiergegen richtet sich die am 29. Mai 2018 eingelegte Beschwerde des Markeninhabers. Er begründet die Beschwerde zunächst damit, dass der Beschluss der Markenstelle angesichts der fehlerhaften Bewertung der Benutzungslage bereits teilweise aufzuheben sei. Die Markenstelle habe festgestellt, die Benutzung der Widerspruchsmarke „als solche“ sei amtsbekannt. Daraus ergebe sich aber nicht, was konkret amtsbekannt sei. Soweit die Widersprechende im Beschwerdeverfahren neue Unterlagen zur Benutzung der Widerspruchsmarke seit dem Jahr 2016 vorlege, seien diese nicht relevant, da es sich um einen Nachweis der Benutzung der Widerspruchsmarke nach dem Anmeldetag handele. Die Widerspruchsmarke sei vor dem Anmeldetag nicht rechtserhaltend benutzt worden, damit sei erst Recht auch nicht von einer erhöhten Kennzeichnungskraft aufgrund umfangreicher Benutzung der Widerspruchsmarke auszugehen. Zudem belegten die Unterlagen der Widersprechenden, dass die Widerspruchsmarke GTI nicht in der eingetragenen Form benutzt worden sei, nachdem sie jeweils in Kombination mit anderen Bestandteilen, etwa als Golf GTI, Polo GTI, Golf GTI Performance oder Golf GTI TCR, nicht aber in Alleinstellung verwendet werde. Hinzu komme, dass es sich bei dem Kürzel GTI um eine Buchstabenfolge handele, die als weithin gebräuchliche Abkürzung für „Gran Turismo Injection“ eine allgemeine Bezeichnung für Automobile mit sportlichem Charakter darstelle und sich auf Fahrzeuge der Kategorie „GT“ mit Benzineinspritzung „I“ (= Injection) beziehe. Dieses Kürzel sei nach einem Wikipedia-Eintrag erstmals im Jahr 1962 beim
Maserati 3500 G.T.I verwendet worden und werde weiter für zahlreiche Modelle von anderen Kfz-Herstellern eingesetzt, so beispielsweise u. a. von den Herstellern Peugeot, Suzuki und Mitsubishi. Insoweit könne die Widersprechende kein Monopol an der Bezeichnung innehaben oder auch nachweisen. Zudem sei dem Vorbringen der Widersprechenden, wonach die angesprochenen Verkehrskreise heute die Buchstabenfolge GTI nicht mehr im Sinne von „Gran Turismo Injection“ verstehen würden, zu widersprechen. Das Europäische Gericht habe gerade in seinem Urteil vom 25. November 2015 (RS T-520/14) Gegenteiliges festgestellt. Danach werde die Abkürzung GT im Automobilsektor allgemein als Hinweis auf die Begriffe „Grand Tour“ oder „Gran Turismo“ verstanden, die sich auf Fahrzeuge mit hoher Leistungsfähigkeit bezögen. Mehrere Autohersteller benutzten diese Abkürzung dementsprechend als Hinweis auf „Gran Turismo“, „Gran Tour“ oder das Kürzel „GTI“ für „Gran Turismo Injection“, um damit stark motorisierte Fahrzeugmodelle zu bezeichnen. Daher sei davon auszugehen, dass Fachleute des Automobilsektors und Autoliebhaber die Bedeutung der Abkürzung GT kennen. Dementsprechend habe das DPMA die Eintragung der Anmeldung „GT24“ (AZ: 30 2008 033 689.7) der Widersprechenden im Jahr 2012 zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

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Ebenso fehle es im vorliegenden Fall an der Zeichenähnlichkeit zwischen GTA und GTI. Der Verkehr sei angesichts einer jahrzehntelangen und weithin verbreiteten Verwendung der Buchstabenfolge GT für „Gran Turismo“ im Automobilsektor an die Bezeichnung gewöhnt, so dass der Widerspruchsbezeichnung GTI aufgrund des klar beschreibenden Charakters lediglich ein enger Schutzbereich zukomme und keine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen bestehe. Insoweit verweist der Inhaber der jüngeren Marke und Beschwerdeführer auch auf eine Entscheidung des EuG zur fehlenden Zeichenähnlichkeit zwischen GTI und SWIFT GTi (EuG GRUR-RR 2012, 458 – SWIFT GTi). Erst Recht sei keine Verwechslungsgefahr zwischen den vorliegenden Vergleichsmarken GTI und GTA gegeben.

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Der Markeninhaber und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2018 aufzuheben, soweit darin die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren „Busse [Leitungssysteme zum Austausch von Daten zwischen mehr als zwei Teilnehmern] soweit in Klasse 9 enthalten; elektronische Chips zur Motorsteuerung; elektronische Steuergeräte; Programme für die Datenverarbeitung zur Steuerung von Fahrzeugtechnik“ der Klasse 9 sowie „Fahrzeuge; Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ der Klasse 12 angeordnet worden ist und den Widerspruch aus der Marke 394 06 386 auch insoweit zurückzuweisen.

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Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke zurückzuweisen,

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Aus ihrer Sicht ist die Entscheidung der Markenstelle, wonach die angegriffene Marke für die Waren der Klassen 9 und 12 zu löschen sei, nicht zu beanstanden. Die Widerspruchsmarke werde von der Widersprechenden bereits seit fünfundvierzig Jahren intensiv und äußerst erfolgreich im Automobilbereich benutzt. Insoweit verweist die Widersprechende auf die bereits eingereichten Unterlagen und ergänzt diese durch neue Belege (Anlagen W 35 bis W 50), aus denen auch für die Jahre 2017, 2018 und 2019 hervorgehe, dass sie die Bezeichnung weiterhin intensiv für ihre Modellvarianten der Fahrzeuge wie beispielsweise Golf GTI Performance; Polo GTI, up! GTI, Golf GTI TCR verwende. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers werde das Zeichen auch in Alleinstellung verwendet, was sich aus den Fotografien der Frontansicht (Kühlergrill) und des Fahrzeughecks eines Autos und der jeweils dort angebrachten Buchstabenfolge GTI ergebe (vgl. Bl. 85 d. A). In der Automobilbranche sei die Kennzeichnung von Produkten durch mehrere Marken, beispielsweise in der Form einer Hauptmarke und weiterer verschiedener Spezialmarken, üblich. So würden Autos regelmäßig durch den Herstellernamen, z.B. VW, die Modellmarke z.B. Golf, sowie die Marke für eine bestimmte Modell- oder Ausstattungsvariante, z.B. GTI, gekennzeichnet. Der Verkehr sei daran gewöhnt, in der Kombination dieser Zeichen auch die Verwendung eigenständiger Produktkennzeichen zu erkennen. Entsprechendes sei der eidesstattlichen Versicherung der Leiterin „Patente Komponente, Marken & Designs“ vom 6. Februar 2017 (vgl. Anlage W 9 zum Schriftsatz vom 6. Februar 2017) zu entnehmen, soweit darin von GTI, GTE und GTD als Ausstattungsvarianten des Fahrzeugmodells Golf die Rede sei. GTI, GTE und GTD bezeichneten Modellvarianten mit besonderen Ausstattungselementen und Eigenschaften diverser Automodelle. Die Widerspruchsmarke GTI werde zweifellos für „Kraftfahrzeuge“ rechtserhaltend benutzt. Es sei auch, entgegen der Auffassung der Markenstelle, von einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Denn der Entscheidung der Markenstelle sei nicht zu entnehmen, weshalb die deutschen Verkehrskreise die Buchstabenfolge GTI im Sinne von „Gran Turismo Injection“ verstehen sollten. Selbst wenn man davon ausgehe, sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen, äußerst erfolgreichen und intensiven Benutzung der Widersprechenden gesteigert worden. Daher sei von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, auch wenn – zu Unrecht – zunächst eine originär geringe Kennzeichnungskraft unterstellt werde. Die Widersprechende benutze die Widerspruchsmarke seit 45 Jahren intensiv, bringe kontinuierlich weitere Fahrzeug-GTI-Modelle auf den Markt und etabliere diese dort (vgl. dazu die Neuzulassungen für das Fahrzeug Golf in der Modellvariante GTI). Das Kürzel GTI werde von der Widersprechenden zudem im Motorsport verwendet und im Rahmen hochwertiger Werbekampagnen intensiv beworben, so dass sich um „den GTI“ eine große und jahrzehntelange Fankultur herausgebildet habe. Der GTI habe seit langem Kultstatus erreicht, was sich unter anderem auch den mit Schriftsatz vom 29. April 2019 eingereichten Unterlagen mit Berichterstattungen beispielsweise zu entsprechenden GTI Fan Treffen entnehmen ließe (u.a. Anlagen W 51 bis W 53). Insoweit sei die Behauptung der Markenstelle, wonach der Kultstatus des GTI in den letzten Jahren zurückgegangen sei, nicht nachvollziehbar. Was die Markenähnlichkeit angehe, sei insbesondere in klanglicher Hinsicht eine hochgradige Zeichenähnlichkeit gegeben, nachdem die aus drei Silben bestehenden Zeichen in den ersten beiden Silben, den Konsonanten bzw. Buchstaben „Ge-Te“ identisch übereinstimmten. Überdies sei eine Verwechslungsgefahr im Sinne eines gedanklichen Inverbindungbringens gegeben, da die Widersprechende mit der Zeichenserie GTI, GTE und GTD (= Dieselvarianten ihrer Fahrzeuge) seit vielen Jahren sehr erfolgreich am Markt präsent sei und sich die jüngere Marke GTA in diese Serie nahtlos einfüge (vgl. Anlagen W 54 bis W 58).

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Schließlich verweist die Widersprechende auf den Sonderschutz einer bekannten Marke.

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Der Senat hat mit Hinweis vom 22. Juni 2023 den Beteiligten seine vorläufige Rechtsauffassung dargelegt, nach der die Beschwerde des Markeninhabers nur in Bezug auf die Waren der Klasse 9 Erfolg haben dürfte, weil den angesprochenen Fach- und Endverbraucherkreisen bewusst sei, dass die Waren der Klasse 9 zwar in Fahrzeuge eingebaut und darin Verwendung finden würden, in der Regel aber nicht von den Automobilherstellern selbst, sondern von Zulieferfirmen gefertigt würden, so dass jedenfalls zum Kollisionszeitpunkt der erforderliche Grad der Ähnlichkeit der Vergleichswaren nicht vorgelegen habe. Im Übrigen sei die Beschwerde zurückzuweisen.

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Daraufhin hat die Widersprechende ausgeführt, eine ausreichende Warenähnlichkeit habe zum Kollisionszeitpunkt bestanden, da bereits im Jahr 2015 die Elektronik in Fahrzeugen und auch die „Car-IT“ am Markt sehr präsent gewesen sei und dem Verkehr der enge Zusammenhang zwischen der Computertechnik und Fahrzeugen bewusst gewesen sei. Die Waren der Klasse 9 der angegriffenen Marke wiesen überdies bereits nach ihrem Wortlaut etwa bei den elektronischen Chips zur Motorsteuerung, den Programmen für die Datenverarbeitung zur Steuerung von Fahrzeugtechnik eine große Nähe zu Fahrzeugen auf. Darüber hinaus sei den Themen der Digitalisierung, Software und der Car-IT auch schon zum Kollisionszeitpunkt eine gesteigerte Bedeutung zugekommen. So habe etwa bei dem sogenannten „Chiptuning“ eine nachträgliche Steigerung der Leistungsfähigkeit von Kfz-(Verbrennungs-)Motoren durch gezielte Änderung der werksseitig festgelegten Steuerparameter der elektronischen Motorsteuerung stattgefunden. Damit war eine Steigerung der Motorleistung und des Drehmoments möglich, ohne dass mechanisch in das Fahrzeug eingegriffen oder Bauteile ausgetauscht werden mussten. Gleichermaßen seien die Fahrzeuge zunehmend bereits zum Kollisionszeitpunkt mit umfangreicher Elektronik, Computertechnik und entsprechender Steuertechnik ausgestattet gewesen, und es seien Fahrerinformationssysteme mit entsprechender Software eingesetzt worden, wenn auch nicht in einem mit dem heutigen Zeitpunkt vergleichbaren Ausmaß. Diese Verbindungen seien den angesprochenen Verkehrskreisen auch bereits bewusst gewesen, zumal die Waren in einer Weise präsentiert worden seien, dass die angesprochenen Verkehrskreise deren Ursprung beim Fahrzeughersteller oder zumindest eine enge Verbindung zu diesem vermutet hätten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die gemäß § 66 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat teilweise Erfolg, da zwischen den Vergleichszeichen hinsichtlich der Waren der Klasse 9 der angegriffenen Marke weder Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, noch Bekanntheitsschutz gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG greift. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, insoweit hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren „Fahrzeuge; Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ der Klasse 12 angeordnet, da Verwechslungsgefahr besteht.

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A. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke am 7. Mai 2015 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch nach § 158 Abs. 3 MarkenG weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden. In Bezug auf die erhobene Nichtbenutzungseinrede sind gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG die Vorschriften der §§ 26, 43 Abs. 1 MarkenG in ihrer bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.

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B. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. auch EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/ HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX).

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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren „Fahrzeuge; Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ der Klasse 12 eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu bejahen, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hingegen keine Verwechslungsgefahr gegeben.

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1. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Amtsverfahren mit Schriftsatz vom 6. Juni 2016 in zulässiger Weise die Einrede der Nichtbenutzung erhoben und sie auch nach Vorlage von Unterlagen durch die Widersprechende im weiteren Verfahren weiter aufrechterhalten. Auf Seiten der Widerspruchsmarke sind deshalb grundsätzlich nur die Waren zu berücksichtigen, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 MarkenG, § 26 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung, abgekürzt: a.F.).

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a. Die seitens des Inhabers der angegriffenen Marke undifferenziert erhobene Einrede der mangelnden Benutzung bezieht sich auf beide nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG (a.F.) relevanten Benutzungszeiträume.Denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 24. Juli 2015 war die Widerspruchsmarke bereits über fünf Jahre im Register eingetragen (Eintragung: 27. September 1995). Damit oblag es der Widersprechenden, die wesentlichen Umstände der Benutzung der Marke nach § 26 MarkenG, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang für den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG (a.F.) relevanten Zeitraum Juli 2010 bis Juli 2015 und für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (a.F.) maßgeblichen Zeitraum der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, somit für die Zeit von Oktober 2019 bis Oktober 2024, darzutun und glaubhaft zu machen.

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Entbehrlich ist ein solcher Nachweis entsprechend § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 291 ZPO nur in Fällen einer amts- oder gerichtsbekannten Benutzung (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 43 Rn. 67).

41

b. Die Widersprechende hat mit den mit Schriftsätzen vom 6. Februar 2017 sowie vom 29. April 2019 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau X …

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vom 6. Februar 2017 (Anlage W 9) und des Herrn Y … vom 30. Dezember 2021 (Anlage W 45) sowie den weiteren Unterlagen jedenfalls glaubhaft gemacht, dass sie in den vorliegend relevanten Benutzungszeiträumen Modelle von Fahrzeugen hergestellt und vertrieben hat, die mit „GTI“ als Ausstattungsvariante gekennzeichnet waren. Dem Senat ist zudem bekannt im Sinne des § 291 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 MarkenG, dass die Widersprechende seit der Nachkriegszeit zu einem der weltweit bekanntesten Herstellern von Kraftfahrzeugen gehört und das Zeichen GTI für ihre Fahrzeuge benutzt.

43

c. Soweit der Beschwerdeführer hierzu geltend macht, die Widersprechende benutze die Widerspruchsmarke nicht in der eingetragenen Form in Alleinstellung, sondern regelmäßig zusammen mit weiteren Bestandteilen und sei darüber hinaus nicht der einzige Fahrzeughersteller, der die aus seiner Sicht beschreibende Bezeichnung für seine Modelle verwende, führt dies nicht zu einer mangelnden Benutzung der Marke.

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aa. Zum einen kann die rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 MarkenG nicht deshalb verneint werden, weil die Buchstabenfolge GTI für Fahrzeuge auch beschreibend verwendet werde. Aus dem Umstand, dass das EuG in einer Entscheidung (EuG, Urt. v. 21. März 2012 – T-63/09 = GRUR-RR 2012, 458 Rn. 53, 54 – Swift GTI) den Begriff „GTI” jedenfalls für Fachleute der Automobilbranche als beschreibend für „gran turismo“ oder „grand tourisme“ bzw. „gran turismo iniezione“ oder „grand tourisme injection“ angesehen hat, ergibt sich nicht, dass die Widersprechende die Buchstabenfolge „GTI” im Zusammenhang mit den Kraftfahrzeugen lediglich beschreibend verwendet.

45

Das Kürzel GTI steht zwar für „Gran Turismo Injektion“ und dient in der Automobilbranche zur Bezeichnung von Fahrzeugen mit sportlichem Charakter. Es handelt sich bei der Buchstabenfolge GT um die Abkürzung für „Gran TurismoGran Turismo“ (italienisch), englisch „Grand Touring“, französisch „Grand Tourisme“, Gran Turismo“ (italienisch), englisch „Grand Touring“, französisch „Grand Tourisme“, frei übersetzt „große Rundfahrt“ (vgl. Grand Tour), die relativ komfortable und gut motorisierte Sportwagen, die für Langstreckenrennen geeignet sind, bezeichnet und durch das hinzugefügte „I“, das ursprünglich für „Internationale“ bei den italienischen Tourenwagen stand, durch die Entwicklung der Einspritzmodelle für die zusätzliche Benzineinspritzung für „Injektion“ – englisch/französisch „injection“, italienisch „iniezone“ – steht.Aus dem beschreibenden Charakter der Marke kann nicht generell auf eine nur beschreibende und nicht herkunftshinweisende Verwendung geschlossen werden (vgl. auch BGH GRUR 2009, 60 –; LOTTOCARD). Relevant sind vielmehr die besonderen Umstände der konkreten Verwendung der Marke und die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Zu diesen zählen vorliegend neben den Fachkreisen der Automobilbranche jedenfalls auch die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher und zumindest potentiellen Käufer von Pkw, zu denen auch die Senatsmitglieder gehören (BGH GRUR 2006, 937 Rn. 27 – Ichthyol II).

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bb. Für die Beurteilung, ob die angesprochenen Verkehrskreise eine Bezeichnung als Herkunftshinweis verstehen, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 22 – Damen Hose MO; GRUR 2019, 522 Rn. 41 ff. – SAM; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 26 Rn. 27, 203). Hierbei ist das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ausschlaggebend, das durch die entsprechenden Kennzeichnungsgewohnheiten in der Produktbranche und durch die konkrete Aufmachung bestimmt wird (EuGH GRUR 2008, 698 Rn. 64 – O2/Hutchison; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 19 – pjur/pure; GRUR 2003, 963, 964 – Anti-Vir/AntiVirus; GRUR 2002, 812, 813 – FRÜHSTÜCKS-DRINK II). Dabeispricht ein blickfangmäßiges Herausstellen oder die Verwendung eines Zeichens im Rahmen der Produktkennzeichnung für eine markenmäßige Verwendung (vgl. BGH GRUR 2019, 522 Rn. 42 – SAM; GRUR 2017, 520 Rn. 26 – MICRO COTTON; GRUR 2012, 1040 Rn. 19 – pjur/pure). Es ist ausreichend, wenn die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit besteht, dass der angesprochene Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (EuGH GRUR 2003, 55 –; Arsenal Football Club; GRUR 2002, 692 Rn. 17 – Hölterhoff).

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cc. Der Umstand auf den der Beschwerdeführer hinweist, wonach die Widerspruchsmarke jedenfalls zum Teil zusammen mit weiteren Bezeichnungen wie „Golf“ oder „Polo“ und nicht in Alleinstellung Verwendung findet, steht einer rechtserhaltenden Benutzung vorliegend auch nicht entgegen. Insbesondere folgt allein daraus nicht ein bloßes Verständnis als beschreibende Angabe. Denn in der Regel sieht der Verkehr darin zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen, sofern nicht eine Zweitmarke durch die konkrete Anbringung, etwa in unterschiedlicher Größe, in unauffälliger Weise oder an versteckter Stelle, völlig zurücktritt. Für eine rechtserhaltende Benutzung einer Marke reicht auch deren Verwendung als Zweitmarke aus (vgl. BGH GRUR 2017, 1043 –; Dorzo; GRUR 2000, 510 –; Contura; GRUR 1993,972 [974] – Sana/Schosana), denn die Verwendung mehrerer Marken zur Kennzeichnung einer Ware stellt eine weit verbreitete, wirtschaftlich sinnvolle Praxis dar. Insbesondere ist es üblich, neben einem auf das Unternehmen hinweisenden Hauptzeichen weitere Marken zur Identifizierung der speziellen einzelnen Artikel einzusetzen. In solchen Fällen können sowohl die Haupt- als auch die Zweitmarke auf die betriebliche Herkunft hinweisen mit der Folge, dass beide für sich genommen rechtserhaltend benutzt werden (vgl. BGH GRUR 2015, 587 Rn. 15 PINAR; GRUR 2014, 662 Rn. 23 – PROBIOTIK; GRUR 2011, 623 Rn. 20; 28-30 – Peek & Cloppenburg II; GRUR 2007, 592 Rn. 15 – bodo Blue night).

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Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die der Käufer an das komplexe Produkt eines Fahrzeuges stellt, sind die Verbraucher an die Mehrfachkennzeichnungen der Automobilhersteller gewöhnt (vgl. hierzu auch LG München I GRUR-RS 2021, 5752 Rn. 62 – M-Logo). Dabei orientieren sich diese zunächst und in erster Linie an der Herstellermarke als das naheliegendste Unterscheidungsmittel, danach an der üblichen Modellbezeichnung und sodann an den üblichen weiteren Angaben zu den jeweiligen besonderen Eigenschaften und der besonderen Ausstattung des Modells eines bestimmten Herstellers, wie etwa das Vorhandensein eines bestimmten Antriebs, die Verwendung einer bestimmten Technologie oder eine im Vergleich zum Serienmodell besonders leistungsfähige, sportliche Variante. Gerade diese sportlichen, leistungsstarken Modellvarianten, die sich oftmals an den professionellen Rennfahrzeugen der Hersteller ausrichten, werden mit einer speziellen Kennzeichnung versehen. Wie das Landgericht München I bereits zutreffend festgestellt hat, gehen die angesprochenen Verkehrskreise in diesem Zusammenhang davon aus, dass bei Anbringung einer solchen Bezeichnung an einem Auto, ein Fahrzeug mit einer speziellen Beschaffenheit eines bestimmten Herstellers gekennzeichnet wird und nicht lediglich allein diejenige Eigenschaft, welche hinter dem betreffenden Zeichen steht. Derartige Drittkennzeichnungen wirken ebenso wie Modellbezeichnungen nach dem insoweit maßgeblichen Verkehrsverständnis herkunftshinweisend. Insoweit reicht es im Übrigen aus, wenn der Verkehr eine Verwendung annimmt, die auch der Herkunftsfunktion der Marke entspricht (vgl. BGH GRUR 2009, 60 Rn. 24 – LOTTOCARD).

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Vor dem Hintergrund der von Seiten der Widersprechenden eingereichten Unterlagen zeigt sich, dass die Widersprechende seit dem Jahr 1975 mit jeder neuen Reihe ihres Fahrzeuges der Kategorie Golf sowie später auch den Fahrzeugausgaben der Reihe Polo und Up! jeweils eine Automobilversion GTI produziert hat und noch produziert. Dabei wird die Bezeichnung GTI regelmäßig jeweils als Zweit- bzw. Drittkennzeichen neben den Bezeichnungen VW oder Golf verwendet, um auf den besonderen sportlichen Charakter des konkreten Fahrzeug-Modells hinzuweisen. Die mit den Anlagen eingereichten Unterlagen (z.B. Anlagen W 34, W 57, W 61) zeigen, dass neben der Verwendung zusammen mit weiteren Kennzeichen der Widersprechenden als VW Golf GTI das Zeichen GTI ebenso regelmäßig isoliert an der Front sowie teilweise auch an der Seite des Automobils blickfangmäßig angebracht ist. Den eingereichten Unterlagen ist weiter zu entnehmen, dass die GTI-Reihe der Fahrzeuge der Widersprechenden durch ihre Nähe zu den Sport- und Rennwägen bei einem Teil der Verbraucher nahezu Kultstatus zukommt. Deswegen und angesichts der jahrzehntelangen und sehr umfangreichen Verwendung des Kurzwortes GTI für die Fahrzeuge der Widersprechenden ist aus Sicht des Senats vorliegend von einer jedenfalls auch herkunftshinweisenden Verwendung der Bezeichnung GTI durch die Widersprechende auszugehen.

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Es kommt hinzu, dass einem entscheidungserheblichen Teil der angesprochenen Endverbraucherkreise aufgrund der langjährigen entsprechenden Verwendung als Marke für Fahrzeuge der Widersprechenden nicht bewusst und auch gar nicht geläufig ist, dass es sich bei dem Kurzwort GTI um eine beschreibende Bezeichnung handelt bzw. einmal gehandelt haben mag. Das Kurzwort GTI wird der inländische Verkehr aufgrund der seit Jahrzehnten bestehenden und sehr starken Marktpräsenz in erster Linie mit einer bestimmten Produktreihe für Fahrzeuge u. a. auch der Widersprechenden verbinden.

51

Daher ist von einer jedenfalls auch herkunftshinweisenden Verwendung und rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke durch die Widersprechende für die Waren „Fahrzeuge“ auszugehen.

52

d. Für die weiteren Widerspruchswaren „Kraftfahrzeugteile; Kraftfahrzeug-Motoren“ hingegen fehlt es an einem ausreichenden Vortrag zu der Benutzung, ebenso wenig ist diesbezüglich von einer gerichtsbekannten Benutzung von GTI für diese Waren auszugehen.

53

Die Widerspruchsmarke wird somit rechtserhaltend für die Ware „Kraftfahrzeuge“ und damit gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG für eine Ware benutzt, für die sie eingetragen ist.

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2. Der Widerspruchsmarke kommt in Bezug auf die benutzte Ware „Kraftfahrzeuge“ durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.

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Die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke wird bestimmt durch ihre Eignung, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 –; 12 – Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2015, 1127 Rn. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rn. 29 – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. BGH GRUR 2016, 283 Rn. 10 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2012, 64 Rn. 12 – Maalox/Melox-GRY).

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Dem Buchstabenkürzel GTI kann für Fahrzeuge ein beschreibender Charakter zukommen, weil es sich um den Hinweis auf ein Fahrzeug mit Einspritzmotor und dessen besonders leistungsfähige, sportliche Ausstattung handeln kann. Somit kommt der Bezeichnung GTI von Haus aus eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu (vgl. auch EuG, a.a.O. Rn. 59, 86 – Swift GTI). Allerdings kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Widersprechende GTI zum Anmeldetag der jüngeren Marke und noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch über einen sehr langen Zeitraum und kontinuierlich für ein bestimmtes Fahrzeugmodell verwendet hat und noch verwendet.

57

Die Widersprechende hat mit den im Verfahren eingereichten Unterlagen zahlreiche Nachweise dafür vorgelegt, dass sie ihre Fahrzeuge nicht nur mit der Gesamtbezeichnung „Golf GTI“, sondern in beachtlichem Maße auch mit der Bezeichnung GTI in Alleinstellung verwendet. An die unterschiedliche und alternierende Verwendung, einmal als Mehrfachkennzeichnung VW Golf GTI, VW GTI, Golf GTI sowie gleichermaßen als GTI („der GTI“) und konkrete Einzelbezeichnung für das Modell, sind die Verkehrskreise im Bereich des Automobilsektors gewöhnt, so dass keine Bedenken dahingehend bestehen, die von Seiten der Widersprechenden eingereichten Unterlagen allen für das Produkt verwendeten Marken tatsächlich zuzurechnen. Insoweit ist von einer langjährigen, intensiven Verwendung und Präsenz über mehrere Jahrzehnte hinweg (bis zum heute aktuellen VW Golf 8) der Widerspruchsmarke durch die Widersprechende auszugehen. Durch die intensive Benutzung für Kraftfahrzeuge ist die zunächst unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in Deutschland gestärkt, so dass von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen ist.

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3. Zwischen den Waren der angegriffenen Marke „Fahrzeuge; Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ und der Widerspruchsware „Kraftfahrzeuge“ besteht eine Identität bzw. eine hochgradige Ähnlichkeit. Anders ist dies im Verhältnis der Widerspruchsware zu den Waren der Klasse 9. Insoweit ist von einer unterdurchschnittlichen Warenähnlichkeit auszugehen.

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a. Eine Ähnlichkeit von Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggfls. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie – was zu unterstellen ist – mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 f., Nr. 22 – 29 – Canon; EuGH GRUR 2006, 582, Nr. 85 – VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 941, Nr. 13–- TOSCA BLU; GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS; GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN).

60

b. Die Ware der jüngeren Marke „Fahrzeuge“ und die maßgebliche benutzte Widerspruchsware „Kraftfahrzeuge“ der Klasse 12 sind identisch.

61

Die weiteren Waren „Teile und Zubehör für Fahrzeuge“ sind als ergänzende Waren hochgradig ähnlich zu der benutzten Widerspruchsware der „Fahrzeuge“ (vgl. auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 20. Aufl., Seite 104 3. Spalte unten).

62

c. Anders beurteilt der Senat die Ähnlichkeit der Waren der Klasse 9 der jüngeren Marke zu den „Fahrzeugen“ der Klasse 12 der Widerspruchsmarke. Denn diesbezüglich ist, entgegen der Auffassung der Markenstelle, allenfalls von einer geringen Warenähnlichkeit auszugehen.

63

Naturgemäß handelt es sich bei einem „Fahrzeug“ um eine aus einer Vielzahl von Einzelteilen bestehende Gesamtheit. Die Waren der jüngeren Marke sind, teilweise schon nach ihrem Wortlaut, solche, die für den Einbau in Fahrzeugmotoren und Fahrzeugen (etwa DV-Programme zur Steuerung von Fahrzeugtechnik) bestimmt sind. Diese jeweils der Elektronik und der sogenannten Car-IT zuzuordnenden Produkte für Kraftfahrzeuge werden von speziellen Zulieferfirmen und nicht von den Automobilherstellern selbst gefertigt. Insoweit sind die Herstellerfirmen und die betriebliche Herkunft dieser Vergleichsprodukte unterschiedlich, was den angesprochenen Verkehrskreisen der Durchschnittsverbraucher als Endabnehmer der Fahrzeuge auch bewusst und bekannt ist.

64

Es bestehen auch keine Berührungspunkte in Bezug auf die erforderlichen Grundstoffe und Materialien, die jeweiligen Vertriebswege sowie die jeweils von den Waren angesprochenen Verkehrskreise. Denn die Fahrzeuge richten sich in der Regel an die Endverbraucherkreise, während die speziellen Waren der Klasse 9 überwiegend von den Fachkreisen in Anspruch genommen werden. Ein gemeinsamer Berührungspunkt der Waren besteht darin, dass die angegriffenen Waren der Klasse 9 in einem gemeinsamen Betrieb, dem Kfz-Herstellerbetrieb, in das komplexe Produkt „Fahrzeug“ eingebaut werden und entsprechend funktional aufeinander abgestimmt sind. Allein der Umstand einer in funktionaler Hinsicht aufeinander bezogenen Abstimmung reicht zur Feststellung einer Ähnlichkeit noch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein enger Zusammenhang in dem Sinne, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Annahme gemeinsamer oder doch miteinander verbundener Ursprungstätten nahegelegt ist.

65

Gerade auf das von der Widersprechenden erwähnte Chiptuning trifft das nicht zu. Es handelt sich dabei um eine Methode zur nachträglichen Steigerung der Leistungsfähigkeit von Kfz-(Verbrennungs-)-Motoren durch gezielte Änderung der werksseitig festgelegten Steuerparameter der elektronischen Motorsteuerung. Nicht die Kfz-Firmen selbst – wie die Widersprechende – lesen die Daten des Steuergeräts aus, sondern unter anderem kleine Firmen wie RaceChip, die durch das Auslesen mittels Chiptuning die Steuergeräte individuell optimieren. Sie versprechen dem Fahrer eines VW, BMW oder Audi vorhandene Leistungsreserven intelligent auszunutzen und die für die Haltbarkeit des Motors wichtigen Toleranzen dennoch einzuhalten. Die vorhandenen Motorschutzsysteme sollen dabei erhalten und zugleich eine Leistungssteigerung von bis zu 30% erreichen. Im Prinzip handelt es sich dabei um den Einsatz von Software durch Zusatzgeräte, die die von den Kfz-Herstellern programmierte Software verändern.

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Durch den gleichwohl zwischen den Waren bestehenden gewissen funktionellen Zusammenhang werden die angesprochenen Verkehrskreise zu der Annahme veranlasst, dass die Zulieferprodukte zumindest auch als aus dem Verantwortungsbereich der Automobilhersteller stammend, wahrgenommen werden. Somit ist jedenfalls nicht von einer Unähnlichkeit dieser Waren, sondern vorliegend für den relevanten Kollisionszeitpunkt am 7. Mai 2015 von einer jedenfalls noch bestehenden Warenähnlichkeit auszugehen (vgl. dazu auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 53, 82 relevanter Zeitpunkt).

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Der Senat verkennt nicht, dass die Entwicklungen im Automobilbereich angesichts der zunehmenden Digitalisierung und der Entwicklung hin zu softwaredefinierten Fahrzeugen und E-Autos möglicherweise bezogen auf einen späteren (Kollisions)Zeitpunkt eine veränderte Beurteilung der Ähnlichkeit der genannten Vergleichswaren erfordert, weil ein engeres Zusammenspiel und verändertes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Vergleichswaren entstanden ist.

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4. Die Vergleichszeichen GTA und GTI weisen eine zumindest durchschnittliche klangliche Zeichenähnlichkeit auf.

69

Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX; GRUR 2017, 914 Rn. 58 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2015, 1114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1004 Rn. 22 – IPS/ISP; GRUR 2014, 382 Rn. 25 – REAL-Chips). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 34 – KNEIPP; GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 258 m. w. N.). Die relevanten Verkehrskreise nehmen die Zeichen in der Regel nicht nebeneinander wahr, sondern vergleichen sie in ihrer Erinnerung. Dabei fallen Übereinstimmungen grundsätzlich stärker ins Gewicht als Abweichungen (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 272).

70

Die sich gegenüberstehenden Zeichen sind in den jeweiligen Wortanfangslauten „Ge-Te“ und damit in zwei Drittel der Marken identisch. Die einzige Abweichung der Zeichen findet sich in dem Schlusslaut mit den Vokalen „A“ bei der angegriffenen Marke und „I“ bei der Widerspruchsmarke. Zwar werden sogenannte Kurzzeichen, zu denen auch die Buchstabenzeichen gehören, durch einzelne Abweichungen stärker beeinflusst als längere Markenwörter, so dass mitunter Abweichungen in nur einem Laut Verwechslungen ausschließen können. Das führt aber nicht dazu, dass bei Kurzmarken grundsätzlich geringere Anforderungen an die Unterscheidbarkeit zu stellen sind (vgl. u.a. BGH GRUR 2016, 283 Rn. 22 BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2015, 1004 Rn. 44 – IPS/ISP; BPatG 28 W (pat) 66/20 SFAG/FAG; 28 W (pat) 9/20 – MCMV/MCM; 29 W (pat) 3/12 – BWR Media/BRW). Vorliegend ist zudem maßgeblich zu berücksichtigen, dass Übereinstimmungen in den Wortanfängen stärkere Beachtung erfahren als Abweichungen am Wortende, die vor allem bei schneller und undeutlicher Aussprache eher überhört werden (vgl. so auch BGH GRUR 2002, 1067 Ziffer 4.a) – DKV/OKV). Daher ist von einer jedenfalls im mittleren Bereich liegenden Zeichenähnlichkeit auszugehen.

71

Auch wenn beim Erwerb eines Fahrzeugs von einer gewissen erhöhten Aufmerksamkeit der Verbraucher auszugehen ist, reicht vor dem Hintergrund einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei einer identischen oder hochgradigen Warenlage und einer zumindest durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit der Abstand der Zeichen nicht aus, um ein verwechslungsfreies Nebeneinanderbestehen zu gewährleisten.

72

Etwas Anderes gilt in Bezug auf diejenigen Waren der jüngeren Marke hinsichtlich derer ein geringer Ähnlichkeitsgrad besteht, also die Waren der Klasse 9. Eine entferntere Warenähnlichkeit reicht in der Gesamtabwägung bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie zumindest durchschnittlicher Markenähnlichkeit nicht aus, eine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu begründen.

73

Auch soweit die Widersprechende eine Verwechslungsgefahr durch ein gedankliches Inverbindungbringen vorbringt, weil sich die jüngere Marke mit GTA nahtlos in eine von der Widersprechenden seit vielen Jahren benutzte Zeichenserie mit GTI, GTE und GTD einfüge, kann auch dies schon deshalb nicht zu einem Erfolg des Widerspruchs in Bezug auf die Waren der Klasse 9 der jüngeren Marke führen, weil es sich bei der als übereinstimmender Stammbestandteil in Betracht kommenden Buchstabenkombination „GT“ als Abkürzung für „Gran Turismo“ um eine beschreibende Angabe für „Kraftfahrzeuge“ handelt. Der erforderliche Hinweischarakter ist dieser Buchstabenfolge abzusprechen, so dass sie sich nicht als gemeinsamer Stammbestandteil einer Zeichenserie eignet (vgl. u.a. auch EuG a.a.O. Rn. 117 – Swift GTi sowie Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O. § 9 Rn. 545 m.w.N.).

74

C. Soweit sich die Widersprechende auf den Löschungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG beruft, kommt eine Löschung der angegriffenen Marke für die im Tenor genannten Waren auch danach nicht in Betracht. Denn bei der Bezeichnung GTI der Widersprechenden handelt es sich nicht um eine bekannte Marke.

75

Eine Marke ist bekannt im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (vgl. EuGH GRUR 2009, 1158 Rn. 24 – Pago/Tirolmilch). Bei der Prüfung, ob eine Marke bekannt ist, sind alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen, zu denen neben der Bekanntheit im demoskopischen Sinne der Marktanteil der Marke, die Intensität ihrer Benutzung (Umsatzstärke), die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat, wie z. B. Werbeaufwendungen, zählen (vgl. EuGH GRUR 2009, 1158 Rn. 25 – PAGO/Tirolmilch; BGH GRUR 2017, 75 Rn. 37 – WUNDERBAUM II; GRUR 2015, 1214 Rn. 20 – Goldbären; GRUR 2015, 1114 Rn. 10 – Springender Pudel).

76

Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig im Sinne des § 291 ZPO sein. Dazu rechnet auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl. BGH GRUR 2011, 1043 Rn. 49 – TÜV II; GRUR 2014, 378 Rn. 27 – OTTO Cap; BGH GRUR 2015, 114 Rn. 10 – Springender Pudel).

77

Mit Blick auf die Widerspruchsmarke GTI ist vor allem zu berücksichtigen, dass das Kurzwort mit der Bedeutung für „Gran Turismo Injection“ auch von zahlreichen Wettbewerbern der Widersprechenden zur Bezeichnung ihrer Modelle mit sportlichem Charakter Verwendung findet (vgl. insoweit auch die Feststellungen des EuG, a.a.O. Rn. 53 f – Swift GTi). Insoweit bedürfte es aussagekräftiger und vor allem demoskopisch ausgerichteter Nachweise, die zeigen, dass einem bedeutenden Teil der angesprochenen Fach- und Endverbraucherkreise die Marke für die Widersprechende bekannt ist im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Solche Unterlagen zu den Marktanteilen sind im Verfahren nicht hinreichend vorgelegt worden. Ein Nachweis dafür, dass der Bezeichnung für die Widersprechende ein Bekanntheitscharakter zukommt, fehlt daher.

78

Insoweit war auf die Beschwerde des Markeninhabers der angefochtene Beschluss der Markenstelle im tenorierten Umfang aufzuheben.

79

D. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

80

E. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem eine solche von keinem der Beteiligten beantragt war, § 69 Nr. 1 MarkenG und der Senat diese auch nicht für sachdienlich erachtet hat, § 69 Nr. 3 MarkenG.

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