BPatG München 6. Senat, Urteil vom 16.10.2024, AZ 6 Ni 24/23 (EP), ECLI:DE:BPatG:2024:161024U6Ni24.23EP.0
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent EP 3 913 410
(DE 60 2016 072 642)
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2024 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schnurr sowie die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Forkel, Dipl.- Ing. Univ. Hoffmann, Dr. Söchtig und Dr.-Ing. Harth
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 3 913 410 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 14. November 2016 in der Verfahrenssprache Englisch angemeldeten und am 1. Juni 2022 veröffentlichten europäischen Patents 3 913 410 (im Folgenden: Streitpatent) mit der Bezeichnung „Arrays Of Individually Oriented Micro Mirrors For Use In Imaging Security Devices For Currency And Brand Authentication“, („Arrays von individuell orientierten Mikrospiegeln für die Verwendung in bildgebundenen Sicherheitsgeräten zur Währungs- und Markenauthentifizierung“).
2
Das Streitpatent geht nach einer Teilung zurück auf eine europäische Stammanmeldung mit dem Aktenzeichen 16871264.4 (veröffentlicht als EP 3 362 827 A1), welche aus einer internationalen Anmeldung mit der Anmeldenummer PCT/US2016/061845 sowie Offenlegungsschrift WO 2017/095616 A1 (Anlage NK6) hervorgegangen ist. Es nimmt die Prioritäten der am 3. Dezember 2015 eingereichten Anmeldung US 2015/62 262 767 P sowie der Anmeldung US 2016/15 162 113 vom 23. Mai 2016 in Anspruch. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter dem Aktenzeichen DE 60 2016 072 642 geführt.
3
Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung insgesamt zwei Patentansprüche mit einem unabhängigen Vorrichtungsanspruch 1 und dem auf diesen unmittelbar rückbezogenen Unteranspruch 2.
4
Die Klägerin begehrt die vollumfängliche Nichtigerklärung des Streitpatents, wobei sie sich auf die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung sowie der fehlenden Patentfähigkeit in Form mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit stützt (vgl. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a, c EPÜ i. V. m. Art. 54, 56, 83 EPÜ).
5
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit den Hilfsanträgen 0 bis 3 vom 14. März 2024 bzw. vom 16. Oktober 2024.
6
Der unabhängige Patentanspruch 1 lautet in der maßgeblichen englischen Sprachfassung und in deutscher Übersetzung wie folgt:
7
1. A visual display assembly useful as a security element (100) on paper and coin currency, product labels, and other objects, comprising:
8
a substrate (110, 210); and
9
on a surface of the substrate (112, 212), an array of micro mirrors (120, 224, 324) operatively receiving ambient light (130) and, in response, displaying an image (242) in a plane (240) spaced a distance apart from the surface of the substrate, wherein the image comprises a plurality of pixels (243) and wherein the array of micro mirrors includes for each of the pixels a different set of pixel-providing micro mirrors, each of the micro mirrors (224, 324) in the same set of pixel-providing micro mirrors (224, 324) having a reflective surface (124, 222) oriented to reflect the ambient light toward a point on the plane (240) corresponding to one of the pixels, wherein the micro mirrors for each set of pixel-providing micro mirrors are selected from a set of available micro mirrors located within an area on the surface of the substrate of the security element surface that corresponds with a base of a cone with an apex coinciding with the pixel being created by those micro mirrors, the micro mirrors (324) in the set of pixel-providing micro mirrors are arranged in a random pattern such that the mirrors (324) do not provide an obvious, regular pattern.
10
1. Eine Sichtanzeigebaugruppe, die als ein Sicherheitselement (100) auf Papier- und Münzgeld, Produktetiketten und anderen Objekten nützlich ist, beinhaltend:
11
ein Substrat (110, 210); und
12
auf einer Oberfläche des Substrats (112, 212), eine Anordnung von Mikrospiegeln (120, 224, 324), die Umgebungslicht (130) betriebsfähig aufnehmen und als Reaktion ein Bild (242) in einer von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten Ebene (240) anzeigen, wobei das Bild eine Vielzahl von Pixeln (243) beinhaltet und wobei die Anordnung von Mikrospiegeln für jedes der Pixel einen unterschiedlichen Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel umfasst, wobei jeder der Mikrospiegel (224, 324) in demselben Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel (224, 324) eine reflektierende Oberfläche (124, 222) aufweist, die ausgerichtet ist, um das Umgebungslicht zu einem Punkt in der Ebene (240), der einem der Pixel entspricht, zu reflektieren, wobei die Mikrospiegel für jeden Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel aus einem Satz verfügbarer Mikrospiegel ausgewählt sind, die sich innerhalb eines Bereichs auf der Oberfläche des Substrats der Sicherheitselementoberfläche befinden, der einer Basis eines Kegels mit einer Spitze entspricht, die mit dem von diesen Mikrospiegeln erzeugten Pixel zusammenfällt, wobei die Mikrospiegel (324) in dem Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel in einem willkürlichen Muster eingerichtet sind, sodass die Spiegel (324) kein offensichtliches, regelmäßiges Muster bereitstellen.
13
Zum Wortlaut des Unteranspruchs 2 wird auf die Streitpatentschrift EP 3 913 410 B1 verwiesen.
14
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der Ursprungsoffenbarung insbesondere mit Blick auf das Merkmal 1.9 unzulässig erweitert sei. Eine Vorrichtung, in der die Mikrospiegel in dem Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel in einem Zufallsmuster angeordnet seien, sei den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen.
15
Bezüglich ihres Vorbringens zur fehlenden Patentfähigkeit des Streitpatents stützt sich die Klägerin insbesondere auf die folgenden Dokumente:
16
D1 DE 10 2015 005 969 A1
17
D2 WO 98 / 08 131 A1
18
D3 DE 10 2010 049 617 A1
19
E-D1 DE 10 2010 048 262 A1
20
E-D2 US 2014 / 0 268 327 A1
21
NK12 eidesstattliche Versicherung von Herrn X …
22
Die Klägerin führt dazu aus, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei durch eine offenkundige Vorbenutzung der Sicherheitsfäden der Produktlinie „RollingStar“ihrerseits und seitens der Papierfabrik Y … GmbH in einer kasachischen 1000 Tenge-Banknote neuheitsschädlich vorweggenommen. Weiterhin erweise sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht neu gegenüber den Entgegenhaltungen D1, D2 sowie E-D1. Darüber hinaus beruhe dieser auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von einer Kombination der Druckschrift E-D1 mit der Entgegenhaltung D3. Schließlich nehme das Streitpatent auch die von ihm beanspruchten Prioritäten nicht wirksam in Anspruch.
23
Die Klägerin beantragt,
24
das europäische Patent 3 913 410 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
25
Die Beklagte beantragt,
26
die Klage abzuweisen,
27
sowie hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge 0 bis 3 vom 14. März 2024 sowie vom 16. Oktober 2024 – in dieser Reihenfolge – richtet.
28
Der Patentanspruch 1 und der Patentanspruch 2 gemäß
Hilfsantrag 0 unterscheiden sich von ihrer erteilten Fassung durch Hinzufügen des Ausdrucks „viewable by the viewer without using a screen“. Innerhalb des Patentanspruchs 1 entsteht so folgende Fassung (Änderung durch Fettdruck kenntlich gemacht):
29
„(…) and, in response, displaying an image in a plane spaced a distance apart from the surface of the substrate,
viewable by the viewer without using a screen, (…)”.
30
Der Patentanspruch 1 und der Patentanspruch 2 in der Fassung des
Hilfsantrags 1 unterscheiden sich von der erteilten Fassung durch Hinzufügen der Ausdrücke „floating“ und „viewable by the viewer with his eyes“. Innerhalb des Patentanspruchs 1 entsteht so folgende Fassung (Änderungen durch Fettdruck bzw. Streichung kenntlich gemacht):
31
„(…) and, in response, displaying a
nfloating image in a plane spaced a distance apart from the surface of the substrate
viewable by the viewer with his eyes,
32
wherein the
floating image comprises a plurality of pixels (…)”.
33
Der abhängige Patentanspruch 2 ist gegenüber der erteilten Fassung in gleicher Weise abgeändert wie der Patentanspruch 1.
34
Der einzige Patentanspruch 1 gemäß
Hilfsantrag 2 unterscheidet sich ausgehend von der Fassung des Hilfsantrags 1 durch folgende, aus dem erteilten Patentanspruch 2 stammende Ergänzungen (fett hervorgehoben):
35
„1. A visual display assembly (…) and, in response, displaying a
nfloating image (242) in a plane (240) spaced a distance apart from the surface of the substrate
viewable by the viewer with his eyes,
36
wherein the
floating image comprises a plurality of pixels (243) and wherein the array of micro mirrors includes (…)
37
wherein the micro mirrors for each set of pixel-providing micro mirrors are selected (…) regular pattern
.,
38
2. The assembly of claim 1, wherein, further in response to the receiving of the ambient light, the array of micro mirrors displays,
viewable by the viewer with his eyes, a second
floating image in a second plane spaced a distance apart from the plane displaying the
floating image,
39
wherein the second
floating image comprises a plurality of pixels and wherein the array of micro mirrors includes, for each of the pixels of the second
floating image, a set of the micro mirrors each having a reflective surface oriented to reflect the ambient light toward a point on the second plane corresponding to one of the pixels of the second
floating image,
40
optionally wherein the
floating image has a first viewing angle and the second
floating image has a second viewing angle offset from the first viewing angle by at least 10 degrees.“
41
Patentanspruch 1 gemäß
Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags 2 dadurch, dass am Ende des Absatzes „wherein the array of micro mirrors includes for each of the pixels (…) toward a point on the plane (240) corresponding to one of the pixels,“ die Ergänzung
42
“
wherein the reflected ambient light of the set of pixel-providing micro mirrors intersect at the point on the plane,”
43
sowie am Ende des Absatzes „wherein the second floating image comprises (…) toward a point on the second plane corresponding to one of the pixels of the second floating image,“ die Ergänzung
44
“
wherein the reflected ambient light of the set of pixel-providing micro mirrorsfor the second imageintersect at the point on the second plane,”.
45
hinzugefügt ist.
46
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen als rechtsbeständig.
47
Die Klägerin erachtet die Hilfsanträge als unzulässig, darüber hinaus sei das Streitpatent in diesen Fassungen aber auch nicht patentfähig.
48
Der Senat hat den Parteien am 23. Januar 2024 einen qualifizierten Hinweis (§ 83 PatG) und im Termin am 16. Oktober 2024 einen weiteren rechtlichen Hinweis erteilt.
49
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2024 und auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
50
Die zulässige Klage ist begründet. Das Streitpatent hat weder in seiner erteilten Fassung noch in einer der Fassungen der Hilfsanträge Bestand, weil ihren jeweiligen Gegenständen der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegensteht.
I.
51
1. Das Streitpatent betrifft fälschungssichere Anordnungen, um Geld und Markenartikel zu authentifizieren (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0001]). Als fälschungssichere Elemente seien Moiré-Muster mit Arrays von Linsen (vgl. Abs. [0003]) sowie in anderen Fällen Hologramme und Linsenanordnungen genutzt worden (vgl. Abs. [0005]). Moiré-Muster könnten nachgearbeitet („reverse engineer“) und aufgrund fortschreitender Drucktechnik zunehmend leichter verwirklicht werden (vgl. Abs. [0004]). Hologramme könnten infolge des technischen Fortschritts leichter hergestellt werden und einfache Hologramme könnten viele Effekte von aufwändig ausgearbeiteten Hologrammen simulieren (vgl. Abs. [0005]).
52
Es gebe einen Bedarf für eine neue Technologie gegen Fälschungen, die idealerweise Eigenschaften aufweisen solle, welche mit Holographie oder Mikro-Linsen nicht möglich seien (vgl. Abs. [0005]). Darüber hinaus seien zunehmend fälschungssichere Anordnungen mit überraschendem Effekt nachgefragt, indem sie beispielsweise Bilder zeigten, die über oder unter einer Brennebene („focal plane“) zu schweben scheinen (vgl. Abs. [0006]).
53
2. Der Streitpatentschrift ist keine konkrete Aufgabe entnehmbar. Angesichts der zum Stand der Technik aufgezeigten Nachteile ist als
Aufgabe des Streitpatents anzusehen, neue Technologien für die Bekämpfung von Geld- und Produktfälschungen bereitzustellen, die es erschweren, solche Gegenstände zu fälschen, und außerdem überraschende Effekte ermöglichen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0005]).
54
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Sichtanzeigebaugruppe mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst, die als Sicherheitselement geeignet ist („visual display assembly useful as a security element“). Die Merkmale dieses Anspruchs können wie folgt gegliedert werden:
55
- 1.1
- A visual display assembly useful as a security element on paper and coin currency, product labels, and other objects, comprising:
- Eine Sichtanzeigebaugruppe, die als ein Sicherheitselement auf Papier- und Münzgeld, Produktetiketten und anderen Objekten nützlich ist, beinhaltend:
- 1.2
- a substrate; and
- ein Substrat; und
- 1.3
- on a surface of the substrate, an array of micro mirrors operatively receiving ambient light
- auf einer Oberfläche des Substrats, eine Anordnung von Mikrospiegeln, die im Betrieb Umgebungslicht
betriebsfähigaufnehmen empfangen - 1.4
- and, in response, displaying an image in a plane spaced a distance apart from the surface of the substrate,
- und als Reaktion ein Bild in einer von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten Ebene anzeigen,
- 1.5
- wherein the image comprises a plurality of pixels
- wobei das Bild eine Vielzahl von Pixeln beinhaltet
- 1.6
- and wherein the array of micro mirrors includes for each of the pixels a different set of pixel-providing micro mirrors,
- und wobei die Anordnung von Mikrospiegeln für jedes der Pixel einen unterschiedlichen Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel umfasst,
- 1.7
- each of the micro mirrors in the same set of pixel-providing micro mirrors having a reflective surface oriented to reflect the ambient light toward a point on the plane corresponding to one of the pixels,
- wobei jeder der Mikrospiegel in demselben Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel eine reflektierende Oberfläche aufweist, die ausgerichtet ist, um das Umgebungslicht zu einem Punkt in der Ebene, der einem der Pixel entspricht, zu reflektieren,
- 1.8
- wherein the micro mirrors for each set of pixel-providing micro mirrors are selected from a set of available micro mirrors located within an area on the surface of the substrate of the security element surface that corresponds with a base of a cone with an apex coinciding with the pixel being created by those micro mirrors,
- wobei die Mikrospiegel für jeden Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel aus einem Satz verfügbarer Mikrospiegel ausgewählt sind, die sich innerhalb eines Bereichs auf der Oberfläche des Substrats der Sicherheitselementoberfläche befinden, der einer Basis eines Kegels mit einer Spitze entspricht, die mit dem von diesen Mikrospiegeln erzeugten Pixel zusammenfällt,
- 1.9
- the micro mirrors in the set of pixel-providing micro mirrors are arranged in a random pattern such that the mirrors do not provide an obvious, regular pattern.
- wobei die Mikrospiegel in dem Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel in einem willkürlichen Muster eingerichtet sind, sodass die Spiegel kein offensichtliches, regelmäßiges Muster bereitstellen.
56
3. Als zuständigen
Fachmann, der mit der Lösung der oben angegebenen Aufgabe betraut wird, sieht der Senat einen Physiker oder Ingenieur mit abgeschlossener Hochschulausbildung unter Spezialisierung auf das Gebiet der Optik an, welcher über eine mehrjährige Berufserfahrung und einschlägige Kenntnisse auf dem Gebiet der Entwicklung und der Herstellung von optischen Sicherheitselementen, insbesondere auf werthaltigen Objekten wie Banknoten, verfügt.
57
4. Dieser Fachmann legt den Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung folgendes Verständnis zugrunde:
58
4.1 Patentanspruch 1 betrifft eine Sichtanzeigebaugruppe („visual display assembly“), die als ein Sicherheitselement („security element“) auf Papier- und Münzgeld, Produktetiketten und anderen Objekten nützlich ist (Merkmal
1.1). Eine Sichtanzeigebaugruppe kann beispielsweise beim Betrachten aus einer bestimmten Richtung ein Bild zeigen und bei geänderter Blickrichtung zu einem anderen Bild „umschalten“ (vgl. in der Beschreibung Abs. [0012]). Ein auf Geldscheinen, Ausweisdokumenten oder Produkten angebrachtes Sicherheitselement kann es durch eine solche schwer zu fälschende Eigenschaft erlauben zu überprüfen, ob das vorliegende Objekt echt ist.
59
4.2 Die patentgemäße Sichtanzeigebaugruppe beinhaltet nach dem Merkmal
1.2 ein Substrat. Dabei kann es sich um einen Geldschein, eine Münze oder ein Produkt handeln (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0012]).
60
4.3 Weiterhin soll die Sichtanzeigebaugruppe gemäß dem Merkmal
1.3 auf einer Oberfläche des Substrats eine Anordnung von Mikrospiegeln beinhalten, die im Betrieb Umgebungslicht empfangen. Exemplarisch zeigen Figur 2 und 3 eine Anordnung von Mikrospiegeln 224. Die Größe eines Mikrospiegels kann laut Absatz [0013] der Beschreibung zwischen 35 und 100 Mikrometer betragen.
61
Der Begriff „Umgebungslicht“ („ambient light“) wird im Streitpatent nicht näher erläutert. Dem mit dem Merkmal 1.7 beanspruchten Wirkprinzip, wonach das Umgebungslicht durch Mikrospiegel
reflektiert werden soll, entnimmt der Fachmann keine das zu verwendende Licht betreffenden, besonderen Anforderungen. Insbesondere sind aus dem Begriff „Umgebungslicht“ keine Vorgaben dazu ableitbar, welche Form die einzusetzende Lichtquelle haben soll und/oder wie das Licht spektral beschaffen sein soll.
62
4.4 Als Reaktion auf das empfangene Licht soll die Anordnung von Mikrospiegeln ein Bild in einer von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten Ebene anzeigen (Merkmal
1.4). Dabei kann das erzeugte Bild als ein über dem Substrat „schwebendes“ Bild wahrgenommen werden (vgl. Absatz [0013] der Beschreibung: „create a floating image“). Der Fachmann erkennt in dieser – in der Beschreibung nicht näher erläuterten – Angabe das Funktionsprinzip, dass die Mikrospiegel einen auf dem räumlichen Sehen beruhenden optischen Eindruck bewirken sollen.
63
Indessen wird gemäß dem Wortlaut des Merkmals 1.4 ein „schwebendes“ Bild nicht verlangt. Auf die Frage, ob das Merkmal 1.4 Hilfsmittel, mit denen das Bild betrachtet werden kann, ausschließt, kommt es nicht entscheidungserheblich an.
64
4.5 Auf welche Weise die Anordnung von Mikrospiegeln ein (schwebendes) Bild anzeigen soll, erläutert der Patentanspruch 1 in den Merkmalen
1.5 bis
1.8:
65
Ein Bild soll gemäß dem Merkmal
1.5 eine Vielzahl von Pixeln beinhalten. Bei einem frei im Raum befindlichen Bild kann es per se keine räumlich-körperlich abgegrenzten Pixel wie beispielsweise bei einem Digitaldisplay geben. Insofern definiert ein anspruchsgemäßes Pixel einen Ort innerhalb des Bildes, auf den im Rahmen der nachfolgenden Merkmale 1.6 bis 1.8 Bezug genommen wird. Im Einklang damit unterteilt Figur 2 die Bilder 242 und 262 in mehrere Pixel 243 bzw. 263, anhand derer in der Beschreibung Strahlengänge erläutert werden.
66
Patentanspruch 1 gibt für die Anordnung von Mikrospiegeln in Merkmal
1.6 vor, diese solle für jedes der Pixel einen unterschiedlichen
Satzpixelbereitstellender Mikrospiegel umfassen. Dabei soll jeder der Mikrospiegel in demselben Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel gemäß der Anweisung des Merkmals
1.7 eine reflektierende Oberfläche aufweisen, die ausgerichtet ist, um das
Umgebungslichtzu einem Punkt in der Ebene, der einem der Pixel entspricht, zu
reflektieren.
67
Für den Fachmann ruft ein Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel demnach in seiner Gesamtheit die Wirkung eines Hohlspiegels hervor. Denn auch ein Hohlspiegel reflektiert einfallendes Licht zu einem einzigen Punkt, nämlich seinem Brennpunkt. Ein Pixel liegt somit im Brennpunkt eines Satzes pixelbereitstellender Mikrospiegel.
68
Die Streitpatentschrift deutet dieses Prinzip – ohne je einen Hohlspiegel explizit zu erwähnen – beispielsweise in Figur 4 i. V. m. Absatz [0026] an: dort sind mehrere Gruppen reflektierter Strahlen 423 und 433 abgebildet, wobei jede Gruppe zu einem jeweils eigenen Brennpunkt in einer Ebene 420 bzw. 430 reflektiert wird; diese Brennpunkte sind als Pixel 422 bzw. 432 gekennzeichnet.
69
Auch die in der Beschreibung des Streitpatents im Absatz [0006] zitierte Druckschrift E-D1 lehrt ausdrücklich (vgl. Abs. [0056] i. V. m. Fig. 2), dass drei Bildpunkte eines dreidimensionalen Motivs durch drei jeweils zugeordnete Hohlspiegel 24 erzeugt werden können. Weiterhin offenbart die E-D1 im Absatz [0083] die Lehre, dass große Hohlspiegel durch eine Mehrzahl von kleineren Mikrospiegeln ersetzt werden können, die zusammen im Wesentlichen dieselbe optische Wirkung wie das ursprüngliche optische Element haben.
70
Pixelbereitstellende Mikrospiegel sollen nach der Vorgabe des Merkmals
1.8 aus einem Satz verfügbarer Mikrospiegel ausgewählt werden, die sich innerhalb eines Bereichs auf der Oberfläche des Substrats der Sicherheitselementoberfläche befinden. Dieser Bereich entspricht der Basis eines Kegels mit einer Spitze, die mit dem von diesen Mikrospiegeln erzeugten Pixel zusammenfällt.
71
Der Anspruchswortlaut schließt nicht aus, dass sämtliche Mikrospiegel, die sich auf der Oberfläche des Substrats befinden, als Gesamtheit einen Satz verfügbarer Mikrospiegel bilden, aus dem ausgewählt werden kann.
72
Indem das Merkmal 1.8 für die pixelbereitstellenden Mikrospiegel einen Ort innerhalb einer Basis eines Kegels auf der Oberfläche des Substrats vorgibt, wird genauer bestimmt, dass sich die pixelbereitstellenden Mikrospiegel auf einer ebenen Fläche befinden.
73
Die maßgeblichen englischen Begriffe für „Kegel“ und „Spitze“, nämlich „cone“ bzw. „apex“, gehören zu einem mathematischen Kegel. Dieser muss kein Kreiskegel sein. Vielmehr kann ein mathematischer „cone“ auch eine Basis mit einer anderen Form als einem Kreis aufweisen, also beispielsweise ein beliebiges Vieleck. In der Beschreibung ist zwar in den Absätzen [0014] und [0024] von kreisförmigen Basisflächen die Rede. Doch der übrigen Streitpatentschrift ist nicht zu entnehmen, dass diese Einschränkung in den Patentanspruch 1 aufgenommen wurde und durch das Merkmal 1.8 ausschließlich Kreiskegel erfasst sein sollen.
74
Durch die Vorgabe des Merkmals 1.8, wonach die Kegelspitze mit dem von den Mikrospiegeln erzeugten Pixel zusammenfallen soll, umschreibt das Merkmal 1.8 mit den Worten der Geometrie, dass sich die Mikrospiegel an einem Ort befinden sollen, von dem aus es strahlenoptisch möglich ist, das Licht zu einem gemeinsamen Brennpunkt zu reflektieren, wie dies in dem Merkmal 1.7 zum Ausdruck kommt.
75
Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass zu unterschiedlichen Pixeln gehörige Basisflächen einander überlappen. Im Einklang damit zeigen die Figuren 4 und 5 jeweils Bündel reflektierter Strahlen, die einander in unterschiedlichen Pixeln schneiden, jedoch überlappenden Bereichen des Sicherheitselements 410 bzw. 510 entstammen.
76
4.6 Die pixelbereitstellenden Mikrospiegel der Sichtanzeigebaugruppe sollen gemäß dem Merkmal
1.9 in einem willkürlichen Muster („arranged in a random pattern“) eingerichtet sein, sodass die Spiegel kein offensichtliches, regelmäßiges Muster bereitstellen („such that the mirrors do not provide an obvious, regular pattern“).
77
In Figur 3 i. V. m. Absatz [0024] sind die schraffiert dargestellten Mikrospiegel 324 in einem unregelmäßigen und somit willkürlich anmutenden Muster angeordnet. Die Beschreibung erläutert im Zusammenhang mit dem in der Figur 7 gezeigten Entwurfsverfahren (vgl. Abs. [0047]), dass das Entwurfsprogramm jeweils einen Mikrospiegel aus den verfügbaren zufällig auswählt, um eine gleichförmige Ausleuchtung über die Pixel zu erzielen. Diese Zielsetzung deutet der Fachmann als einen Vorteil der zufälligen Auswahl.
78
Indessen wird durch das Merkmal 1.9 nicht ausgeschlossen, dass sämtliche verfügbare Mikrospiegel – anders als in Figur 3 – von Anbeginn in einem unregelmäßigen („willkürlichen“) Muster eingerichtet sind und die daraus je Pixel gebildeten Sätze von Mikrospiegeln ihrerseits kein offensichtliches, regelmäßiges Muster aufweisen.
79
Dass die verfügbaren Mikrospiegel gemäß Merkmal 1.8 regelmäßig angeordnet sein müssen und sich das zufällige Muster gemäß Merkmal 1.9 erst durch die Auswahl der pixelbereitstellenden Mikrospiegel aus den verfügbaren Mikrospiegeln ergibt, lässt sich aus dem Anspruchswortlaut nicht ableiten. Denn die Vorgabe des Merkmals 1.8, wonach sich verfügbare Mikrospiegel innerhalb einer Kegelbasis befinden sollen, betrifft nicht die relative Lage der verfügbaren Mikrospiegel zueinander.
II.
80
Das Streitpatent ist in der erteilten Fassung nicht rechtsbeständig, weil der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patentfähig ist.
81
1. Dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 fehlt es ausgehend von der Druckschrift
E-D1 im Lichte der Druckschrift
D3 an der erfinderischen Tätigkeit.
82
1.1 Die Druckschrift E-D1 offenbart die Merkmale
1.1 bis
1.8.
83
a) Die Druckschrift E-D1 befasst sich mit Darstellungselementen, die mittels einer Mehrzahl reflektiver, d. h. reflektierender optischer Elemente bei Beleuchtung ein Bild aus einer Mehrzahl von Lichtflecken erzeugen, welche für einen Betrachter oberhalb oder unterhalb eines Flächenbereichs schwebend erscheinen (vgl. Patentanspruch 1). Das Darstellungselement weist ein Substrat auf (vgl. Patentanspruch 1) und kann gemäß Anspruch 23 als Sicherheitselement für Sicherheitspapiere, Wertdokumente etc. eingesetzt werden –
Merkmale1.1und1.2.
84
b) Die optischen Elemente können durch ebene Mikrospiegel gebildet sein (vgl. Patentanspruch 14) und das Umgebungslicht, beispielsweise Sonnenlicht (vgl. Abs. [0054]) oder das Licht eines Laserstrahls (vgl. Abs. [0124]), empfangen. Als Reaktion erzeugen die Mikrospiegel ein Bild aus Lichtflecken (vgl. Patentanspruch 1). Dieses erscheint für einen Betrachter als oberhalb oder unterhalb eines Flächenbereichs des Substrats schwebend (Anspruch 1). Beispielsweise können zweidimensional wirkende Partien eines Bildes (vgl. Abs. [0026]) nahe der Ebene des Darstellungselements zu sehen sein und somit in einer von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten Ebene angezeigt werden –
Merkmale1.3und1.4.
85
c) Das Bild besteht (Anspruch 1) aus einer Mehrzahl von Lichtflecken, mithin Pixeln –
Merkmal1.5.
86
d) Ein Pixel, d. h. ein Bildpunkt 32, kann gemäß Absatz [0056] i. V. m. Figur 2 der E-D1 durch einen zugeordneten Hohlspiegel 24 erzeugt werden, der einfallendes Licht zu diesem Pixel reflektiert. Anstatt eines großen Hohlspiegels lehrt die
E-D1 in Absatz [0083] i. V. m. Figur 9, den jeweiligen Hohlspiegel durch eine Mehrzahl von kleineren Mikrospiegeln zu ersetzen, die zusammen im Wesentlichen dieselbe optische Wirkung wie das ursprüngliche optische Element haben.
87
Derartige Gruppen von Mikrospiegeln je Pixel kommen jeweils einem unterschiedlichen Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel gleich (
Merkmal1.6), deren reflektierende Oberflächen jeweils ausgerichtet sind, um das Umgebungslicht zu ein und demselben Pixel zu reflektieren (
Merkmal1.7).
88
e) Da jeder Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel einen großen Hohlspiegel nachbildet und gemäß Figur 9 in einer Ebene angeordnet ist, befinden sich die Mikrospiegel innerhalb einer Basis eines Kegels, dessen Spitze mit dem von diesen Mikrospiegeln im Brennpunkt des „simulierten“ Hohlspiegels erzeugten Pixel zusammenfällt –
Merkmal1.8.
89
1.2 Der Druckschrift E-D1 ist das Merkmal
1.9 hingegen nicht entnehmbar, wonach die Mikrospiegel in einem willkürlichen Muster eingerichtet sind, sodass die Mikrospiegel kein offensichtliches, regelmäßiges Muster bereitstellen.
90
Die Sätze pixelbereitstellender Mikrospiegel können laut Absatz [0019] der E-D1 ineinander verschachtelt angeordnet sein. Hierfür schlägt Absatz [0094] i. V. m. Figur 8 regelmäßige Muster vor. Entsprechend der Absätze [0129] bis [0131] können Mikrospiegel in eine hierarchische Ordnung aus Grobfeldern und Feinfeldern verteilt werden. Abhängig von einem angestrebten Helligkeitswert (Absatz [0128]) können dabei maximale Belegungen berücksichtigt und gegebenenfalls Feinfelder in angrenzende Grobfelder verschoben werden (Absatz [0130]).
91
Diese Vorgehensweise mag bisweilen zu Abweichungen von der an sich regelmäßigen Anordnung der Mikrospiegel führen. Doch ein willkürlich anmutendes Muster im Sinne des Merkmals 1.9 ergibt sich daraus nicht.
92
1.3 Ausgehend von der
E-D1 ist das Merkmal
1.9 durch die Druckschrift
D3 jedoch nahegelegt.
93
a) D3 beschreibt ein Sicherheitselement mit einer Mehrzahl von kleinen, strahlenoptisch wirkenden Facetten, die einfallendes Licht achromatisch (d. h. unabhängig von dessen Farbe/Wellenlänge und Kohärenzeigenschaften) reflektieren und anders als ein Beugungsgitter ohne Farbaufspaltung oder störende Beugungsreflexe wirken (Abs. [0008]). Die Facetten sollen gemäß Anspruch 1 Abmessungen von kleiner als 30 µm aufweisen, mithin Mikrospiegel darstellen.
94
Die Mikrospiegel sollen in einem Flächenbereich auf dem Substrat des Sicherheitselements aperiodisch angeordnet sein (Anspruch 1, Abs. [0008]). Beispielsweise zeigen die Figuren 3 (c) und 4 der D3 aperiodische Anordnungen dreier Sätze von Mikrospiegeln – zu erkennen an den unterschiedlichen Richtungspfeilen – in einem willkürlichen Muster, sodass die Spiegel kein offensichtliches, regelmäßiges Muster bereitstellen.
95
Wie in den Absätzen [0041] bis [0048] i. V. m. Figur 3(a) bis 3(c) ausgeführt, wirken exemplarisch jeweilige Sätze von Mikrospiegeln 54-1 bis 54-3 zusammen, um drei korrespondierende Bildpunkte 62-1, 62-2 bzw. 62-3 zu erzeugen.
96
b) Vor diesem Hintergrund erläutert die D3 zwei unterschiedliche beugungsbedingte Effekte, die es bei Anordnungen aus einer Mehrzahl von Mikrospiegeln zu beachten gilt. Der erste Beugungseffekt betrifft einen Mikrospiegel an sich; den zweiten Beugungseffekt rufen zusammenwirkende Mikrospiegel hervor.
97
Als Abmessungen eines einzelnen Mikrospiegels seien nach Absatz [0049] der D3 keine Werte unterhalb von 2 µm zu wählen, weil andernfalls ein an dem Mikrospiegel reflektierter Lichtstrahl beugungsbedingt aufgeweitet werde (erster Beugungseffekt). Eine Halbierung der Mikrospiegelgröße bewirke eine Verdopplung des Aufweitungswinkels, sodass die Auflösung des erzeugten Bildes um einen Faktor 2 schlechter werde. Sehr kleine Mikrospiegel erzeugten daher nur lichtschwache, unscharfe Bildpunkte.
98
Das Zusammenwirken mehrerer Mikrospiegel bei dem zweiten Beugungseffekt thematisiert Absatz [0035] der D3. Demnach reflektierten die Mikrospiegel [als solche] das einfallende Licht zwar achromatisch und anderes als ein Beugungsgitter ohne Farbaufspaltung. Jedoch sei bei einer periodischen Anordnung entsprechender Mikrospiegel, beispielsweise auf einem quadratischen Raster mit einer Periode von 10 µm, die Projektion von einem entsprechenden Gitter-Beugungsbild mit sehr scharfen Reflexen überlagert (zweiter Beugungseffekt). Diese Gitterreflexe könnten in der Projektion (d. h. Bilderzeugung) so stark dominieren, dass die eigentlich gewünschte Darstellung kaum noch erkennbar sei.
99
Um derartigen Gitterreflexen zu begegnen, lehrt die D3 in dem Absatz [0038] eine aperiodische Anordnung der Mikrospiegel im Flächenbereich. Dadurch sei trotz der kleinen Abmessungen der Mikrospiegel dennoch sichergestellt, dass der Darstellung des Sicherheitselements kein Beugungsmuster durch eine regelmäßige Rasteranordnung kleiner Mikrospiegel überlagert ist. Vielmehr gebe es gemäß dem Absatz [0039] der D3 bei einer aperiodischen Anordnung keinen einfachen, regelmäßigen Zusammenhang zwischen den Positionen benachbarter Mikrospiegel. Dadurch werde eine konstruktive Interferenz des an benachbarten Mikrospiegeln reflektierten Lichts und damit das Entstehen eines überlagerten Beugungsmusters zuverlässig verhindert.
100
Alles in allem geht Merkmal
1.9 aus der Druckschrift D3 hervor.
101
c) Ausgehend von der E-D1 bestand Anlass, eine aperiodische Anordnung von Mikrospiegeln, wie diese in D3 offenbart ist, als Ersatz für die in E-D1 eingesetzte regelmäßige Anordnung der Mikrospiegel in Betracht zu ziehen.
102
In der E-D1 ist zwar in dem Absatz [0060] beschrieben, dass die Abmessung eines gemäß der Lehre der E-D1 eingesetzten Mikrospiegels deutlich oberhalb der Lichtwellenlänge liege, weshalb Beugungs- und Interferenzeffekte vernachlässigt werden könnten. Als vorteilhaft nennt die E-D1 eine Abmessung der Mikrospiegel oberhalb von 2 µm.
103
Entscheidend ist jedoch, dass der Fachmann aus der pauschalen Angabe einer „deutlich oberhalb der Lichtwellenlänge“ zu wählenden Strukturgröße lediglich auf einen nach der Lehre der E-D1 als ausreichend angenommenen Sicherheitsabstand bis zum Einsetzen störender Beugungs- und Interferenzeffekte schließen kann.
104
Auf welchen konkreten Überlegungen zu etwaigen noch tolerierbaren Störungen die in E-D1 genannte exemplarische Untergrenze von 2 µm beruht, erfährt der Fachmann allerdings nicht. Ebenso wenig beschreibt die E-D1 mögliche Auswirkungen auf das zu erzeugende Bild für den Fall, dass man sich immer kleineren Strukturgrößen nähert. Dabei ist im Zuge einer solchen Annäherung aus physikalischen Gründen mit einem allmählich anwachsenden Umfang der Auswirkungen von Beugung und Interferenz im Verhältnis zu der eigentlich erwünschten, rein strahlenoptischen Reflektion durch die Mikrospiegel zu rechnen.
105
Dies gab Veranlassung, im Stand der Technik nach weiteren Informationen und Handreichungen zu suchen, die den Fachmann in die Lage versetzen, bei der Entwicklung eine konkret zu entwerfende Anordnung daraufhin zu überprüfen, ob der angestrebte optische Effekt durch Beugungs- und Interferenzeffekte tatsächlich nicht beeinträchtigt wird, letztere also, wie in E-D1 angedeutet, vernachlässigbar sind.
106
Ein solches Vorgehen ist vor allem dann vom Fachmann zu erwarten, wenn er erwägt oder gehalten ist, ein möglichst dünnes optisches Element zu realisieren, wozu er in Absatz [0033] der E-D1 ausdrücklich angeleitet wird. Denn je dünner das optische Element ist, d. h. je geringer dessen Strukturhöhe ist, desto kleiner müssen zwangsläufig die Mikrospiegel sein. Dadurch rückt jedoch die Abmessung der Mikrospiegel immer näher an die Größenordnung der Lichtwellenlänge heran. Das hat wiederum zur Folge, dass Beugungs- und Interferenzeffekte zunehmend bedeutsam werden und somit Beachtung verdienen.
107
Aus der Druckschrift D3 ergaben sich nicht nur weitere Erläuterungen zur Beugung an einem einzelnen Mikrospiegel (d. h. dem ersten Beugungseffekt nach Abschnitt II.1.3 b)), den auch E-D1 a. a. O. thematisiert. Vielmehr erfuhr der Fachmann aus D3 zudem von störenden und somit nachteiligen Gitterreflexen (d. h. dem zweiten Beugungseffekt nach Abschnitt II.1.3 b)), die E-D1 gänzlich unerwähnt lässt.
108
Die in D3 vorgeschlagene aperiodische Anordnung von Mikrospiegeln zeigt ein Lösungsmittel zur Vermeidung störender Gitterreflexe auf. Mit diesen musste der Fachmann bei einer regelmäßigen Anordnung von Mikrospiegeln nach der Lehre der E-D1 in Kenntnis der D3 zwar rechnen. Eine praktikable Gegenmaßnahme in Reaktion hierauf lässt sich der E-D1 jedoch nicht entnehmen. Dieser Umstand spricht dafür, in einem Sicherheitselement gemäß E-D1 anstelle einer regelmäßigen Anordnung von Mikrospiegeln alternativ eine aperiodische Anordnung von Mikrospiegeln gemäß D3 einzusetzen.
109
d) Besondere Schwierigkeiten, die der Ersetzung der in E-D1 beschriebenen regelmäßigen Anordnung von Mikrospiegeln durch die in D3 beschriebene aperiodische Anordnung entgegenstehen könnten, gehen aus den genannten Entgegenhaltungen nicht hervor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch das Streitpatent zeigt insoweit nichts auf.
110
Beide Druckschriften zeigen achromatisch reflektierende Mikrospiegel (vgl. E-D1, Abs. [0013]: „rein reflektiv“; D3, Abs. [0008]). Besondere Anforderungen an das einfallende Licht sind weder in der E-D1 (vgl. Abs. [0054]: „Sonnenlicht oder eine Deckenlampe“; Abs. [0124]: „Laserstrahl“) noch in der D3 (vgl. Abs. [0059]: „roten Laser … blauen Laser“; Abs. [0060]: „die Projektion kann mit weißem Licht vorgenommen werden“) genannt. Auch verlangt keine der genannten Druckschriften kohärentes Licht.
111
Die Mikrospiegel sind jeweils eben (vgl. E-D1, Abs. [0022]; D3, Anspruch 2) und von ähnlicher Größe (vgl. E-D1, Abs. [0060]: „Abmessungen von einigen 100 µm … vorteilhaft oberhalb von 2 µm“; D3, Anspruch 8: „zwischen 2 µm und 30 µm“).
112
Nach der jeweiligen Lehre beider Druckschriften erzeugt je ein Satz von Mikrospiegeln einen Bildpunkt (vgl. E-D1, Abs. [0083] i. V. m. Figur 9; D3, Abs. [0044]: „Bei senkrechter Beleuchtung 70 trägt dann jede Facette 54-1 zur Erzeugung des Bildpunkts 62-1 auf der Mattscheibe 60 bei“). Dabei ist es – anders als die Beklagte meint – unerheblich, ob die D3 fokussierende Mikrospiegel offenbart oder nicht.
113
Um Neigungswinkel und Azimutwinkel der Mikrospiegel geeignet zu wählen (vgl. D3, Abs. [0044], [0045]), kann der Fachmann entsprechende Formeln in der E-D1 den Absätzen [0095] bis [0100] entnehmen. Diese Formeln enthalten – trotz gegenteiliger Ansicht der Beklagten – keinerlei Bezug zu regelmäßigen Mustern. Sie sind somit gleichermaßen für zufällig angeordnete Mikrospiegel geeignet.
114
Ein gemäß der E-D1 gestaltetes Sicherheitselement kann sowohl offene als auch versteckte Bildinformation aufweisen (vgl. E-D1, Abs. [0121]: „offen sichtbaren Bildinformation … versteckte Bildinformation (Hidden Image)“). Gleiches gilt für die D3 (vgl. dort Abs. [0015]: „In einer vorteilhaften Ausgestaltung erzeugt das optisch variable Flächenmuster eine versteckte Bildinformation“; eine versteckte Bildinformation zu erzeugen wird im Unteranspruch 11 gefordert, während der zugrundeliegende Anspruch 1 eine Bilderzeugung im Allgemeinen offenbart).
115
Zur Darstellung der Bilder offenbart die E-D1, dass diese ohne Hilfsmittel „schwebend erscheinen“ (Anspruch 1), durch eine Mattscheibe aufgefangen (Abs. [0123]), oder auf einen geeignet platzierten Schirm projiziert (Abs. [0124]) werden können. In ähnlicher Weise gibt die Beschreibung der D3 in dem Absatz [0063] an: „Während die Erfindung vorwiegend am Beispiel von Projektions-Sicherheitselementen beschrieben wurde, ist die Erfindung nicht auf solche Gestaltungen beschränkt“.
116
Aus der Vielfalt der in den genannten Entgegenhaltungen übereinstimmenden Gestaltungsmöglichkeiten ergibt sich, dass in beiden Fällen keine in sich geschlossenen Lösungen aus untrennbar verbundenen Merkmalen offenbart sind. Die aus der D3 bekannte aperiodische Anordnung von Mikrospiegeln bietet sich dem Fachmann somit als eigenständiges Merkmal ohne Abhängigkeiten von anderen in D3 angesprochenen Merkmalen an und fügt sich zugleich nahtlos in ein gemäß der E-D1 konzipiertes Sicherheitselement ein.
117
Dass die Herstellkosten bei aperiodischer Verteilung der Mikrospiegel erheblich höher ausfallen könnten als bei periodischer Verteilung, erschließt sich nicht zwingend. Denn in beiden Fällen muss letztlich jeder Mikrospiegel individuell gefertigt werden. Auch der Entwurf eines Sicherheitselements mit periodisch verteilten Mikrospiegeln birgt angesichts der in E-D1 in den Absätzen [0125] bis [0131] beschriebenen Aufteilung in Grobfelder und Feinfelder eine inhärente Komplexität in sich, woraus entsprechende Kosten für die Entwicklung resultieren. Unabhängig davon stellt die Wahl der Anordnung der Mikrospiegel auf dem Sicherheitselement (d. h. entweder regelmäßig wie in der E-D1 oder unregelmäßig wie in der D3) unter dem Abwägen von an sich bekannten Vor- und Nachteilen (höherer Kostenaufwand vs. reduzierte Gitterreflexe) eine typisch fachmännische Maßnahme dar, mit der allein das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden kann (BGH, Urteil vom 3. Mai 2006, X ZR 24/03, Rn. 34 –
Mikrotom, juris und GRUR 2006, 930).
118
1.4 Sonach ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 dem Fachmann ausgehend von der Lehre der Druckschrift E-D1 unter Berücksichtigung des aus der Druckschrift D3 bekannten Standes der Technik nahegelegt.
119
2. Der erteilte Patentanspruch 1 des Streitpatents hat daher keinen Bestand. In seiner erteilten Fassung ist das Streitpatent, dessen einzigen Unteranspruch 2 die Beklagte nicht gesondert verteidigt hat, insgesamt für nichtig zu erklären.
III.
120
Auch in den Fassungen der Hilfsanträge 0, 1, 2 und 3 vermag die Beklagte das Streitpatent nicht erfolgreich zu verteidigen, denn der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit besteht in diesen Fassungen unverändert fort.
121
1. Der im Termin am 16. Oktober 2024 von der Beklagten überreichte
Hilfsantrag 0 ist zulässig und war nicht i. S. d. § 83 Abs. 4 Nr. 1 PatG als verspätet zurückzuweisen.
122
Eine Präklusion verspäteten Vorbringens scheidet immer dann aus, wenn das neue Vorbringen noch ohne weiteres sinnvoll in die mündliche Verhandlung miteinbezogen werden kann (BPatG Urteil vom 15.11.2011, Az.: 3 Ni 27/10) und der Gegenseite eine angemessene Reaktion möglich ist, z. B. weil es sich nur um ganz geringfügige Änderungen der verteidigten Ansprüche handelt (vgl. Benkard, 12. Auflage 2023, § 83, Rdnr. 18).
123
So liegt der Fall auch hier: Die Klägerseite hat nach zuvor erhobener Verspätungsrüge nachfolgend explizit zu Protokoll erklärt, sich zu diesem neuen Hilfsantrag im Termin in der Sache einlassen zu können. Auch dem Senat war dies möglich.
124
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des
Hilfsantrags 0 ist dem Fachmann ausgehend von der Druckschrift E-D1 im Lichte der Druckschrift D3 nahegelegt:
125
1.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 0 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass das anzuzeigende Bild für einen Betrachter ohne Zuhilfenahme eines Schirms („screen”) sichtbar sein soll. Das hierzu neu gefasste Merkmal
1.4a lautet:
126
- 1.4a
- and, in response, displaying an image in a plane spaced a distance apart from the surface of the substrate,
viewable by the viewer without using a screen,
127
1.2 Das in dem Merkmal
1.4a ergänzte Teilmerkmal „viewable by the viewer without using a screen“ vermag eine Patentfähigkeit nicht zu begründen, da es aus jeder der Druckschriften
E-D1 und
D3 bekannt ist.
128
Wie zur erteilten Fassung erläutert (vgl. Abschnitt II.1.3 d)), offenbart die E-D1 in Anspruch 1, dass ein Lichtfleckenbild erzeugt wird, welches für einen Betrachter oberhalb oder unterhalb der mit Mikrospiegeln bestückten Fläche „schwebend erscheinen“ soll und somit für den Betrachter ohne Hilfsmittel, insbesondere ohne einen Schirm zum Anzeigen des Bildes, sichtbar ist.
129
Darüber hinaus ist auch der D3 in dem Absatz [0063] entnehmbar, dass ein erfindungsgemäßes Sicherheitselement nicht notwendigerweise ein Projektions-Sicherheitselement sein muss, wie es in den Ausführungsbeispielen beschrieben ist. Demnach kann ein Betrachter ein von einem Sicherheitselement nach der Lehre des Anspruchs 1 der D3 angezeigtes Bild selbst dann wahrnehmen, wenn das Bild weder auf eine Mattscheibe 60 gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Figur 3 (a – c), noch auf einen Schirm 126, wie ihn das Ausführungsbeispiel nach Figur 7(b) zeigt, projiziert wird. Vielmehr ist eine Projektion gemäß der Offenbarung der D3 lediglich ein möglicher, jedoch nicht unabdingbarer Bestandteil der Bildgebung. Folglich bedarf es auch gemäß der D3 keines Schirms, um ein Bild für einen Betrachter sichtbar zu machen.
130
Somit sind die Vorgaben des Merkmals 1.4a sowohl in der Lehre der E-D1 als auch der D3 ebenfalls jeweils erfüllt. Auf die Ausführungen zur erteilten Fassung wird Bezug genommen.
131
1.3 Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 0 somit nicht patentfähig ist und die Beklagte den abhängigen Patentanspruch 2 dieser Fassung nicht gesondert verteidigt, hat das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags 0 insgesamt keinen Bestand.
132
2. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des
Hilfsantrags 1 ist dem Fachmann ausgehend von der Druckschrift E-D1 im Lichte der Druckschrift D3 nahegelegt:
133
2.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 geht von dem erteilten Patentanspruch 1 aus und fügt den Merkmalen 1.4 und 1.5 die Ausdrücke „floating“ bzw. „viewable by the viewer with his eyes“ hinzu, wodurch abgeänderte Merkmale
1.4b bzw.
1.5a gebildet werden. Diese lauten (Änderungen durch Fettdruck bzw. Streichung kenntlich gemacht):
134
- 1.4b
- and, in response, displaying a
nfloating image in a plane spaced a distance apart from the surface of the substrate
viewable by the viewer with his eyes, - 1.5a
- wherein the
floating image comprises a plurality of pixels
135
2.2 Das in den Merkmalen 1.4b und 1.5a jeweils ergänzte Wort „floating“ schreibt vor, dass ein „schwebendes“ Bild angezeigt werden soll.
136
Die dem Merkmal 1.4b am Ende hinzugefügte Angabe „viewable by the viewer with his eyes“ bedeutet, dass ein Objekt für den Betrachter mit seinen Augen sichtbar sein soll. Es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob sich diese Angabe zwingend auf das zuvor genannte schwebende Bild bezieht, oder ob – was grammatikalisch ebenfalls möglich ist – die Oberfläche des Substrats („surface of the substrate“) oder das Substrat an sich sichtbar sein sollen.
137
Ebenso kann dahinstehen, ob die Vorgabe eines schwebenden Bildes eine Mattscheibe als Hilfsmittel beim Betrachten definitiv ausschließt, und ob die Ergänzung „viewable by the viewer with his eyes“ unmissverständlich festlegt, dass der mit den Augen des Betrachters wahrgenommene Sinneseindruck auf direktem Wege zustande kommt.
138
2.3 Die vorgenommenen Änderungen können selbst dann eine Patentfähigkeit der beanspruchten Lehre nicht begründen, wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, dass durch die Merkmale 1.4b und 1.5a ausschließlich eine direkte Wahrnehmung des Bildes ohne jegliches Hilfsmittel, insbesondere ohne eine Mattscheibe, unter Schutz gestellt wird. Denn die ergänzten Teilmerkmale eines „schwebenden“ Bildes sind ebenfalls aus jeder der Druckschriften E-D1 und D3 bekannt. Gleiches gilt für die Anforderung, dass ein Bild für den Betrachter mit seinen Augen auf direktem Wege sichtbar sein soll. Zur Begründung wird auf die diesbezüglich sinngemäß geltenden Ausführungen zu dem Hilfsantrag 0 in dem Abschnitt III.1.2 verwiesen.
139
2.4 Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 somit nicht patentfähig ist und die Beklagte den abhängigen Patentanspruch 2 dieser Fassung ebenfalls nicht gesondert verteidigt, hat das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags 1 insgesamt keinen Bestand.
140
3. Hilfsantrag 2 ist nicht anders zu beurteilen.
141
3.1 Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 geht von dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 aus und fügt am Ende nach dem Merkmal 1.9 die Merkmale 1.10 und 1.11 gemäß dem erteilten Patentanspruch 2 mit Ergänzungen (fett hervorgehoben) entsprechend dem Hilfsantrag 1 hinzu. Dadurch werden folgende abgeänderte Merkmale
1.9a,
1.10a bzw.
1.11a gebildet:
142
- 1.9a
- the micro mirrors in the set of pixel-providing micro mirrors are arranged in a random pattern such that the mirrors do not provide an obvious, regular pattern
., - 1.10a
- wherein, further in response to the receiving of the ambient light, the array of micro mirrors displays
, viewable by the viewer with his eyes, a second
floating image in a second plane spaced a distance apart from the plane displaying the
floating image, - 1.11a
- wherein the second
floating image comprises a plurality of pixels and wherein the array of micro mirrors includes, for each of the pixels of the second
floating image, a set of the micro mirrors each having a reflective surface oriented to reflect the ambient light toward a point on the second plane corresponding to one of the pixels of the second
floating image, - 1.11a(optio-naler Teil)
- optionally wherein the
floating image has a first viewing angle and the second
floating image has a second viewing angle offset from the first viewing angle by at least 10 degrees.
143
3.2 Patentanspruch 1 dieser Fassung enthält in Ergänzung der Fassung des Hilfsantrags 1 Anweisungen, wonach die Sichtanzeigebaugruppe zusätzlich zu dem ersten schwebenden Bild in der ersten Ebene ein zweites schwebendes Bild in einer zweiten Ebene derart anzeigen soll, dass es für einen Betrachter mit seinen Augen sichtbar sein soll (Merkmal 1.10a), wobei die Funktionsweise derjenigen bei der ersten Ebene entsprechen soll (Merkmal 1.11a). Einer weiteren, lediglich optionalen Angabe des Merkmals 1.11a zufolge sollen die jeweiligen Betrachtungswinkel beider schwebenden Bilder um mindestens 10 Grad versetzt zueinander sein.
144
3.3 Die ergänzten Merkmale
1.10a und
1.11a (soweit nicht optional) vermögen eine Patentfähigkeit der nunmehr beanspruchten Lehre selbst dann nicht zu begründen, wenn sie in sinngemäß derselben Weise zugunsten der Beklagten ausgelegt werden, wie dies bereits im Rahmen des Hilfsantrags 1 für die jeweils korrespondierenden Merkmale 1.4b bzw. 1.5a vorgenommen wurde (vgl. Abschnitt III.2.3). Denn der Druckschrift
E-D1 sind die Erzeugung und Anzeige eines zweiten schwebenden Bildes in einer zweiten Ebene gemäß den ergänzten Merkmalen 1.11a und 1.10a ebenfalls zu entnehmen.
145
Die Druckschrift E-D1 offenbart in dem Absatz [0117] die Lehre, ein zweidimensionales Vordergrund-Motiv mit einem dreidimensionalen Hintergrund-Motiv zu kombinieren.
146
a) Indem der Fachmann dieser Vorgabe folgend als zweidimensionales Vordergrund-Motiv ein Kulissenmotiv gemäß Absatz [0068] der E-D1 verwirklicht, erhält er eine Sichtanzeigebaugruppe, die ein schwebendes Bild in einer von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten ersten Ebene anzeigt –
Merkmal1.4b (vgl. E-D1 Absatz [0068]: „Auf diese Weise entstehe ein Kulissenmotiv, das in einer bestimmten Höhe oberhalb oder unterhalb der Substratoberfläche schwebt“).
147
Dabei besteht das schwebende Bild der ersten Ebene gemäß Anspruch 1 der E-D1 aus einer Mehrzahl von Lichtflecken –
Merkmal1.5a.
148
b) Als beispielhaftes, dreidimensionales Motiv, das der Fachmann, wie in dem Absatz [0117] vorgeschlagen, mit dem zweidimensionalen Vordergrund-Motiv kombiniert, zeigt die E-D1 in Figur 4 eine Pyramide aus Lichtflecken 52-1 bis 52-6. Die Beschreibung erläutert hierzu im Absatz [0063], dass die Lichtflecken 52-2 und 52-3 der Pyramidenkanten in einer Höhe f = +1,2 mm bzw. f = +0,4 mm schweben. Dabei bezeichnet f gemäß dem Absatz [0063] die Brennweite des erzeugenden Spiegels und wird bei Hohlspiegeln positiv angegeben, was einer Schwebehöhe über der Substratoberfläche entspricht.
149
Die vier Lichtflecken 52-2 der Pyramide schweben gemäß Absatz [0063] in einem Abstand von 1,2 mm über dem Substrat und liegen somit in einer von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten Ebene. Analog dazu befinden sich die vier Lichtflecken 52-3 in einer weiteren Ebene, deren Abstand zum Substrat 0,4 mm beträgt.
150
Die beiden Teilbilder der Pyramide, welche aus den jeweiligen vier Lichtflecken 52-2 bzw. 52-3 bestehen, sind daher jeweils als zweites schwebendes Bild in einer zweiten, von der Oberfläche des Substrats mit Abstand angeordneten Ebene anzusehen, wie dies in dem Merkmal 1.10a verlangt wird. Nachdem zumindest eine der beiden Ebenen, in denen die Teilbilder liegen, zwangsläufig von der ersten Ebene des zweidimensionalen Vordergrund-Motivs verschieden sein muss, ist das
Merkmal1.10aerfüllt.
151
Die Lichtflecken der zweiten schwebenden Teilbilder werden nach der Lehre der E-D1 (vgl. Abschnitt II.1.1 d)) durch jeweilige Sätze von Mikrospiegeln erzeugt, die das einfallende Licht auf die jeweils zugehörigen Lichtflecken, d. h. Pixel, reflektieren.
Damit ist das Merkmal1.11averwirklicht.
152
c) Demzufolge sind die Merkmale
1.4b,
1.5a,
1.10a und
1.11a aus der E-D1 vorbekannt. Der optionale Teil des Merkmals
1.11a stellt ein rein fakultatives Merkmal dar und ist demnach bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
153
d) Davon jeweils unberührt ist der Fachmann, wie im Abschnitt II.1.3 zur erteilten Fassung erläutert, durch die Lehre der E-D1 im Lichte der D3 veranlasst, die aus der D3 bekannte willkürliche Anordnung von Mikrospiegeln ohne erfinderisches Zutun aufzugreifen. Auf diese Weise gelangt der Fachmann zu dem Merkmal
1.9a.
154
Sonach ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 dem Fachmann durch den Stand der Technik, wie er aus der Druckschrift E-D1 in Kombination mit der Druckschrift D3 hervorgeht, nahegelegt.
155
3.4 Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur erteilten Fassung sowie zum Hilfsantrag 1 ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 somit ebenfalls nicht patentfähig.
156
4. Aus den zum Hilfsantrag 2 ausgeführten Gründen erweist sich das Streitpatent auch in der Fassung des
Hilfsantrags 3 nicht als rechtsbeständig.
157
4.1 In den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wird ausgehend von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 zwischen den Merkmalen 1.7 und 1.8 bzw. in das Merkmal 1.11a vor dessen optionalem Teil ein jeweils neu gebildetes Merkmal
1.12 bzw.
1.13 eingefügt. Diese beiden Merkmale lauten:
158
- 1.12
- wherein the reflected ambient light of the set of pixel-providing micro mirrors intersect at the point on the plane,
- 1.13
- wherein the reflected ambient light of the set of pixel-providing micro mirrors for the second image intersect at the point on the second plane,
159
Die Merkmale 1.12 und 1.13 besagen, dass sich das reflektierte Umgebungslicht des Satzes pixelbereitstellender Mikrospiegel für das erste bzw. zweite Bild in dem – dem jeweiligen Pixel entsprechenden – Punkt auf der ersten Ebene bzw. auf der zweiten Ebene schneiden sollen.
160
4.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 stimmt nach seinem technischen Sinngehalt mit dem im Rahmen des Hilfsantrags 2 verteidigten Anspruchsgegenstand überein.
161
So drückt das Merkmal 1.12 einen Sachverhalt aus, der von den Anweisungen des Merkmals 1.7 bereits umfasst wird. Denn das Merkmal 1.7 verlangt von jedem der Mikrospiegel in demselben Satz pixelbereitstellender Mikrospiegel, dass dessen jeweilige reflektierende Oberfläche derart ausgerichtet sein soll, dass diese das Umgebungslicht zu einem Punkt auf der Ebene reflektieren soll. Nachdem somit alle Mikrospiegel eines Satzes das Licht zu ein und demselben Punkt reflektieren sollen, muss sich das reflektierte Umgebungslicht zwangsläufig in ebendiesem Punkt schneiden.
162
Nichts Anderes besagt jedoch das Merkmal 1.12. Demzufolge ist der mit den Worten des Merkmals 1.12 ausgedrückte technische Sachverhalt bereits durch die Vorgaben des Merkmals 1.7 bestimmt.
163
Sinngemäß dasselbe Ergebnis ergibt der Vergleich der Merkmale 1.13 und 1.11a, weil diese jeweils den Merkmalen 1.12 bzw. 1.7 entsprechend abgefasst sind.
164
4.3 Da sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 von demjenigen der Fassung des Hilfsantrags 2 nicht unterscheidet, wird auf die Ausführungen zu Hilfsantrag 2 Bezug genommen. Demnach beruht die Lehre des Patentanspruchs 1 auch in der Fassung des Hilfsantrags 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV.
165
Soweit die Beklagte im Termin um einen weiteren Hinweis zu der Frage gebeten hat, warum die in den Hilfsanträgen genannten Merkmale des „floating image“, der „Sichtbarkeit für den Betrachter“ und der „Sichtbarkeit für den Betrachter ohne Hilfsmittel (Mattscheine)“ nicht ausreichten, um den Gegenstand der Hilfsanträge 0 – 3 vom Gegenstand der Offenbarung der D3 abzugrenzen, war ein solcher Hinweis nicht geboten.
166
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Parteien darauf hingewiesen, dass er an seinen Ausführungen zur erteilten Fassung des Streitpatents im qualifizierten Hinweis vom 23. Januar 2024 auch unter Berücksichtigung der seither ausgetauschten Argumente der Parteien und der weiter zur Akte gereichten Dokumente vorläufig weiter festhält. Auch in den Fassungen der Hilfsanträge könnte sich das Streitpatent im Ergebnis nicht als rechtsbeständig erweisen. Aus der Fassung des Hilfsantrags 3 könnte sich kein anderer Gegenstand als aus der Fassung des Hilfsantrags 2 ergeben. Darüber hinaus hat der Senat den Parteien dargelegt, welche Aspekte des Rechtsstreits für die von ihm zu treffende Entscheidung von besonderem Interesse und von Bedeutung sein werden.
167
Zu diesen und auch zu weiteren von ihnen für erörterungsbedürftig erachteten Gesichtspunkten haben die Parteien ausführlich vorgetragen. Vor Schluss der mündlichen Verhandlung haben die Parteien schließlich auf Nachfrage explizit und übereinstimmend erklärt, dass kein weiterer Sachvortrag erfolgen und keine weiteren Anträge gestellt werden sollen.
168
Das Gericht ist lediglich verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen. Es darf ferner keine Erkenntnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht muss den Parteien hingegen nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird (vgl. BGH GRUR 2013, 318 Sorbitol m. w. N.). Auch aus dem Gebot rechtlichen Gehörs ergibt sich keine allgemeine Pflicht zu Hinweisen an die Parteien (BGH GRUR 2012, 1442 – Steckverbindung; Benkard, a.a.O., § 100, Rdnr. 32 m. w. N.).
169
Hinzu kommt, dass der Senat gegenüber beiden Parteien zur Neutralität und Objektivität verpflichtet ist, was mit der Erteilung einseitiger Hinweise zu Gunsten von nur einer Prozesspartei nicht zu vereinbaren ist.
V.
170
Nachdem sich der Patentanspruch 1 weder in der erteilten Fassung noch in einer der Fassungen der Hilfsanträge als rechtsbeständig erweist und die etwaigen abhängigen Pateeisen an die Parteien (BGH GRUR 2012, 1442 – Steckverbindung; Benkard, a.a.O., § 100, Rdnr. 32 m. w. N.).
169
Hinzu kommt, dass der Senat gegenüber beiden Parteien zur Neutralität und Objektivität verpflichtet ist, was mit der Erteilung einseitiger Hinweise zu Gunsten von nur einer Prozesspartei nicht zu vereinbaren ist.
V.
<div class="out-rnusreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX; GRUR 2017, 914 Rn. 58 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2015, 1114 Rn. 23 – Springender Pudel; GRUR 2015, 1004 Rn. 22 – IPS/ISP; GRUR 2014, 382 Rn. 25 – REAL-Chips). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 34 – KNEIPP; GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 258 m. w. N.). Die relevanten Verkehrskreise nehmen die Zeichen in der Regel nicht nebeneinander wahr, sondern vergleichen sie in ihrer Erinnerung. Dabei fallen Übereinstimmungen grundsätzlich stärker ins Gewicht als Abweichungen (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 272).