BAG 4. Senat, Urteil vom 16.10.2024, AZ 4 AZR 254/23, ECLI:DE:BAG:2024:161024.U.4AZR254.23.0
§ 233 S 1 ZPO, § 236 Abs 2 S 1 ZPO, § 85 Abs 2 ZPO, § 46g S 1 ArbGG, § 46g S 3 ArbGG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Köln, 11. Mai 2022, Az: 2 Ca 7179/21, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 12. September 2023, Az: 4 Sa 363/23, Urteil
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. September 2023 – 4 Sa 363/23 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
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Die Klägerin, die ein Studium als Diplom-Biologin abgeschlossen hat, ist seit 2011 bei der beklagten Stadt im Amt für Umwelt und Verbraucherschutz als Freilandartenschützerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) Anwendung. Die Beklagte vergütet die Klägerin nach Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TVöD/VKA.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 Stufe 4 TVöD/VKA. Für ihre Tätigkeit seien die in ihrem Universitätsstudium erworbenen Kenntnisse erforderlich.
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Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt
- 1.
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 die Entgeltdifferenzen im Hinblick auf das Tarifentgelt zzgl. aller Nebenleistungen, wie Anwartschaften für die betriebliche Altersversorgung, die leistungsbezogenen Entgelte sowie sämtliche Sonderzahlungen inklusive der Jahressonderzahlung abzurechnen und auszuzahlen, die sich jeweils daraus ergeben, dass die Klägerin statt nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 4 (tatsächliche Abrechnung und Zahlung) nach der Entgeltgruppe 13 nach der Entgeltordnung des TVöD/VKA mit der Stufenlaufzeitgruppe 4 unter Berücksichtigung der bisher zurückgelegten Stufenlaufzeit (geschuldete Abrechnung und Zahlung) zu bezahlen war;
- 2.
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeweils 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus den monatlichen Entgeltdifferenzen gemäß dem Antrag zu 1. jeweils beginnend mit dem Monatsersten des Folgemonats abzurechnen und auszuzahlen;
- 3.
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für 2017 die Entgeltdifferenz nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2018 abzurechnen und auszuzahlen, die sich daraus ergibt, dass das leistungsbezogene Entgelt für 2017 ebenfalls pflichtwidrig anhand der Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TVöD/VKA iVm. Entgeltordnung TVöD/VKA berechnet und gezahlt wurde, statt der geschuldeten Entgeltgruppe 13 Stufe 4.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. Mai 2022 zugestellt worden. Diese hat am 17. Juni 2022 über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist nach Ablauf der antragsgemäß bis zum 17. August 2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 18. August 2022 beim Landesarbeitsgericht über das beA eingegangen.
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Mit Schriftsatz vom 23. August 2022 hat die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin „die Anerkennung de[r] am 18.08.2022 13:09 Uhr übersandten Berufungsbegründung als rechtzeitige Ersatzeinreichung und hilfsweise: die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist“ beantragt. Hierzu hat sie ausgeführt, die Berufungsbegründung in einem Parallelverfahren habe sie am 17. August 2022 um 21:56 Uhr mittels beA einreichen können. Nach Fertigstellung der Berufungsbegründung im vorliegenden Verfahren um 23:26 Uhr habe sie vergeblich versucht, diese als elektronisches Dokument über das beA an das Landesarbeitsgericht zu übermitteln. Zunächst sei die direkte Versendung aus der „Worddatei“ an den Postausgang „beA“ mit entsprechender automatischer Umwandlung durch das Anwaltsprogramm gescheitert. Nachdem sie die Datei selbst in eine PDF-Datei umgewandelt und an den Postausgang „beA“ gesandt habe, sei ihre in das mit dem Computer verbundene Lesegerät eingeführte beA-Karte nicht erkannt worden. Auch ein Wechsel des Lesegeräts und die Verwendung einer neuen, bereits von der Bundesrechtsanwaltskammer übersandten Karte hätten nicht zum Erfolg geführt. Im Laufe der 30 Minuten zwischen dem ersten Versuch und Mitternacht sei die Berufungsbegründung nach Beseitigung eines Papierstaus am Drucker ausgedruckt worden. Demnach habe eine Verbindung zum Netzwerk der Kanzlei bestanden. Im weiteren Verlauf habe sie die Anwaltssoftware zweimal neu gestartet, zuletzt gegen 23:51 Uhr. Eine Übersendung per Fax sei angesichts des Umfangs des Schriftsatzes bis zum Fristablauf nicht möglich gewesen. Insoweit wäre aber auch – ebenso wie bei einer persönlichen Verbringung des unterschriebenen Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten – die aktive Nutzungspflicht des beA nicht gewährleistet gewesen. Im Übrigen habe sie in der gesamten Zeit versucht, etwaige Hindernisse etwa durch Neustart des Anwaltsprogramms zu beseitigen, um die Berufungsbegründung noch fristgemäß einzureichen. Am Folgetag habe sie mit beiden beA-Karten weitere Übersendungsversuche unternommen; um 13:00 Uhr sei die Übermittlung mit ihrer alten beA-Karte geglückt. Am späten Nachmittag seien bei einem Übersendungsversuch einer Kollegin dieselben Probleme aufgetreten. Der beauftragte Techniker vermute eine Fehlfunktion der beA-Software an der Schnittstelle zum Lesegerät. Ein Bedienungsfehler ihrerseits habe nicht vorgelegen.
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Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der sie einen Zahlungsantrag als Hauptantrag und die erstinstanzlich gestellten Feststellungsanträge als Hilfsanträge angekündigt hat, unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision und verfolgt in der Sache ihr Klagebegehren aus der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.
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I. Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt.
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1. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 ArbGG beträgt die Frist zur Begründung der Berufung zwei Monate, beginnend mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Die Frist kann unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden.
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2. Die Klägerin hätte ihre Berufung gegen das ihr am 17. Mai 2022 zugestellte Urteil innerhalb der antragsgemäß bis zum 17. August 2022 verlängerten Frist begründen müssen. Dem steht – anders als die Klägerin geltend gemacht hat – nicht entgegen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung im arbeitsgerichtlichen Urteil sich nicht zu der Berufungsbegründungsfrist verhält. § 9 Abs. 5 ArbGG ist auf die Berufungsbegründungsfrist nicht anwendbar
(BAG 3. November 2004 – 4 AZR 531/03 – zu B V 2 der Gründe; 5. Februar 2004 – 8 AZR 112/03 – zu II 1 c der Gründe, BAGE 109, 265). Die Berufungsbegründung ist erst am 18. August 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
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II. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist unbegründet. Sie hat nicht dargelegt, ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung der Berufungsbegründung verhindert gewesen zu sein.
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1. Nach § 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist muss nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats beantragt werden. Der Antrag muss nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Angabe und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht
(BAG 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 – Rn. 11, BAGE 167, 221; BGH 3. Juli 2024 – XII ZB 538/23 – Rn. 6). Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden
(BAG 7. August 2019 – 5 AZB 16/19 – aaO; BGH 14. September 2017 – IX ZB 81/16 – Rn. 12). Besteht nach den von der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit, dass die Fristversäumung von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht
(BAG 7. Juli 2011 – 2 AZR 38/10 – Rn. 15; BGH 3. Juli 2024 – XII ZB 538/23 – Rn. 6).
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2. Eine Partei ist ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer der in § 233 ZPO genannten Fristen verhindert, wenn sie die Sorgfalt aufgewendet hat, die für eine gewissenhafte und ihre Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmende Prozessführende geboten ist und die ihr nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten ist. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei dabei zuzurechnen
(§ 85 Abs. 2 ZPO).
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dazu dient, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes
(Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 GG) den Gerichten, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Insbesondere dürfen die Anforderungen daran, was die Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden
(BAG 23. Mai 2024 – 6 AZR 155/23 (A) – Rn. 18; BVerfG 25. August 2015 – 1 BvR 1528/14 – Rn. 10 f.). Aus Fehlern des Gerichts dürfen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten abgeleitet werden
(BVerfG 26. Februar 2008 – 1 BvR 2327/07 – zu III 2 a der Gründe).
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3. Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, die von der Klägerin dargelegten Gründe seien nicht geeignet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen. Dabei kann dahinstehen, ob nach ihrem Vorbringen von der Möglichkeit eines Bedienungsfehlers ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten auszugehen ist. Unterstellt man zu ihren Gunsten, die Übermittlung sei nicht aufgrund eines Bedienungsfehlers, sondern infolge eines technischen Defekts gescheitert, ist es nicht ausgeschlossen, dass ihre damalige Prozessbevollmächtigte die Fristversäumung durch Verkennung der Möglichkeit einer Ersatzeinreichung nach § 46g Satz 3 ArbGG verschuldet hat.
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a) Gemäß § 46g Satz 1 ArbGG sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch eine Rechtsanwältin eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig
(§ 46g Satz 3 ArbGG). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen
(§ 46g Satz 4 ArbGG). Die Möglichkeit, bei einer technischen Störung ein Dokument nach den allgemeinen Vorschriften zu übermitteln, besteht unabhängig davon, ob der Grund in der Sphäre des Gerichts oder der Einreichenden liegt
(BGH 1. März 2023 – XII ZB 228/22 – Rn. 19; vgl. auch Thomas/Putzo/Seiler ZPO 45. Aufl. § 130d Rn. 3).
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b) Die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ausgeführt, eine persönliche Verbringung des unterschriebenen Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts hätte der Pflicht zur aktiven Nutzung des beA nicht genügt. Danach ist sie rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, trotz der vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen der aktiven Nutzungspflicht zu unterliegen. Durch diesen Rechtsirrtum hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt.
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aa) Der Rechtsirrtum einer Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig nicht unverschuldet. Eine Rechtsanwältin muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich anzuwenden sind. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn die Prozessbevollmächtigte die volle, von einer Rechtsanwältin zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Partei, die einer Rechtsanwältin die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass diese den Anforderungen gewachsen ist. Ist die Rechtslage zweifelhaft, muss die bevollmächtigte Rechtsanwältin den sicheren Weg wählen. Von einer Rechtsanwältin ist zu verlangen, dass sie sich anhand einschlägiger Fachliteratur über die aktuelle Rechtslage und den Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor Kurzem erfolgte Gesetzesänderung handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt, oder die Rechtslage offen ist, weil sie noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Ein Rechtsirrtum ist jedoch ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war
(BAG 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 – Rn. 24, BAGE 172, 186).
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bb) Vorliegend ist der Rechtsirrtum der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen. Diese hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wissen müssen, dass die Übermittlung von Schriftsätzen gemäß § 46g Satz 3 ArbGG nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist, wenn sie aus technischen Gründen vorübergehend nicht per beA möglich ist. Die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 46g ArbGG ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Von der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin war insoweit ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit zu erwarten.
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c) Die Ursächlichkeit der Sorgfaltspflichtverletzung für die Fristversäumung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Ersatzeinreichung unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre.
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aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, den Darlegungen lasse sich nicht entnehmen, dass es der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin unmöglich gewesen wäre, die Berufungsbegründung fristgerecht in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts einzuwerfen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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(1) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass die umfangreiche Berufungsbegründung zunächst hätte ausgedruckt werden müssen, trifft nicht zu. Ihre damalige Prozessbevollmächtigte hat vorgetragen, die Berufungsbegründung sei – nach Beseitigung des Papierstaus – ausgedruckt gewesen, bevor sie im weiteren Verlauf die Anwaltssoftware zweimal neu gestartet habe, zuletzt gegen 23:51 Uhr. Der Zeitpunkt des Abschlusses des Ausdrucks ist nicht angegeben. Nach diesen Darlegungen ist es nicht ausgeschlossen, dass die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin den ausgedruckten Schriftsatz noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist unterschrieben in den Nachtbriefkasten des drei Kilometer von ihrem Kanzleisitz entfernten Landesarbeitsgerichts bringen konnte.
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(2) Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, eine Ersatzeinreichung sei ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten aufgrund ihrer Pflicht, erkennbar gewordene Übermittlungsfehler zu beheben oder zumindest weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, unmöglich gewesen.
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(a) Nach der vor Inkrafttreten der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Versenderin bei einer Übermittlung per Telefax mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das ihrerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn sie so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss vor 00:00 Uhr zu rechnen gewesen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine Übermittlungszeit von 30 Sekunden pro Seite angesetzt wird und der sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf die Möglichkeit einer anderweitigen Belegung des Empfangsgeräts sowie schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten um einen Sicherheitszuschlag von etwa 20 Minuten erhöht wird. Hat die Versenderin diese Vorgaben eingehalten, trifft sie kein Verschulden, wenn die Übermittlung wegen technischer Störungen am Empfangsgerät oder auf dem Übermittlungsweg einen längeren Zeitraum beansprucht. Allerdings darf die Versenderin angezeigte Störungen nicht vorschnell zum Anlass nehmen, von weiteren Sendeversuchen abzusehen. Vielmehr ist sie gehalten, ihr erkennbar gewordene Übermittlungsfehler bis zum Fristablauf zu beheben und zumindest weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, um auszuschließen, dass die Übermittlungsschwierigkeiten in ihrem Bereich liegen
(vgl. BGH 28. April 2020 – X ZR 60/19 – Rn. 8 f.; BVerwG 25. September 2023 – 1 C 10.23 – Rn. 16 ff.). Vergleichbare Sorgfaltspflichten gelten auch bei der elektronischen Übersendung mittels beA. Denn auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden
(BVerwG 25. September 2023 – 1 C 10.23 – Rn. 18).
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(b) Dies bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass eine Rechtsanwältin dadurch aus rechtlichen Gründen an einer Ersatzeinreichung gehindert ist, weil sie weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen hat. Eine Wiedereinsetzung ist ausgeschlossen, wenn die Versenderin nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten
(BGH 11. Juli 2024 – IX ZB 31/23 – Rn. 10). Dazu gehört nach der gesetzlichen Regelung des § 46g Satz 3 ArbGG die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften, wenn eine Übermittlung per beA aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Daher ist zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags auch darzulegen, weshalb nicht von der in § 46g Satz 3 ArbGG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, den fristgebundenen Schriftsatz nach den allgemeinen Vorschriften – etwa durch Einwurf in den (Nacht-)Briefkasten des Gerichts – einzureichen
(vgl. zu § 130d Satz 2 ZPO BGH 1. März 2023 – XII ZB 228/22 – Rn. 19). Stellt die Versenderin fest, dass eine Übermittlung über das beA aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist, und ist ihr eine Ersatzeinreichung möglich und zumutbar, kann sie sich nicht darauf beschränken, bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen. Sie hat vielmehr sicherzustellen, dass der Schriftsatz fristgerecht nach den allgemeinen Vorschriften beim Gericht eingeht.
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat mit seiner Annahme, die Einreichung der Berufungsbegründung durch Einwurf in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts sei der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zumutbar gewesen, die Anforderungen nicht überspannt.
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(1) Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs von einer Rechtsanwältin, die sich und ihre organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Fax zu übermitteln, beim Scheitern der gewählten Übermittlungen infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass sie – unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen – innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart durch weitere Maßnahmen sicherstellt
(BVerfG 21. Juni 2001 – 1 BvR 436/01 – zu II 1 a der Gründe; BGH 27. Juni 2017 – II ZB 22/16 – Rn. 12 mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass die aus den technischen Gegebenheiten des durch ein Gericht eröffneten Übermittlungswegs herrührenden besonderen Risiken nicht auf die Nutzerin dieses Mediums abgewälzt werden dürfen. Das gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht
(vgl. BGH 11. Juli 2024 – IX ZB 31/23 – Rn. 12).
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(2) Der Gesetzgeber hat jedoch mit der Regelung des § 46g Satz 3 ArbGG die Wertung zum Ausdruck gebracht, dass der Wechsel von der Übermittlung des Schriftsatzes per beA zur Ersatzeinreichung als solcher nicht unzumutbar ist. Für die Annahme, die Ersatzeinreichung sei unzumutbar, bedarf es daher besonderer Umstände. Davon kann auszugehen sein, wenn mit der Ersatzeinreichung ein erheblicher Aufwand verbunden ist
(vgl. zur Zumutbarkeit des Wechsels des Übermittlungswegs allgemein BGH 17. Dezember 2020 – III ZB 31/20 – Rn. 26).
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(3) Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Ersatzeinreichung sei der damaligen Prozessbevollmächtigen der Klägerin nicht unzumutbar gewesen, nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Rechtsanwältin, die eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen
(BGH 11. Juli 2024 – IX ZB 31/23 – Rn. 10 mwN). Jedenfalls unter Berücksichtigung der erhöhten Sorgfaltsanforderungen durfte es den mit der Ersatzeinreichung durch persönlichen Einwurf in den Nachtbriefkasten des nur drei Kilometer von dem Kanzleisitz der damaligen Prozessbevollmächtigten entfernten Landesarbeitsgerichts verbundenen Aufwand als zumutbar ansehen. Entgegenstehende Gesichtspunkte sind nicht vorgetragen.
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III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen
(§ 97 Abs. 1 ZPO).
- Treber
- Betz
- M. Rennpferdt
- P. Hoffmann
- Vesper