BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 02.10.2024, AZ VIa ZR 750/22, ECLI:DE:BGH:2024:021024UVIAZR750.22.0
Verfahrensgang
vorgehend BGH, 31. Juli 2023, Az: VIa ZR 750/22, Beschluss
vorgehend OLG Karlsruhe, 27. April 2022, Az: 6 U 33/21
vorgehend LG Karlsruhe, 13. Januar 2021, Az: 5 O 158/20
Tenor
Auf die Revision der Klägerin
wird das Urteil des 6. Zivilsenats desOberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. April 2022 im Kostenpunkt und insoweitaufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der Berufungsanträge zu 1a, 1b und 2 zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 25.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin erwarb
am 8. September 2018 von einer Händlerin einen vonder Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz GLA 220 CDI Coupé,der mit einem Motor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstetist.
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Die Klägerin hat zuletzt – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigungnebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs(Berufungsantrag zu 1a), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten(Berufungsantrag zu 1b) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 2) begehrt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin istohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge zu 1a, 1b und 2 weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die Klägerin habe die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagtenwegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGBauch mit Blick auf die von der Klägerin ins Blaue hinein behauptete Unzulänglichkeit des On-Board-Diagnosesystems nicht dargelegt. Dabei könne unterstelltwerden, dass es sich bei dem Thermofenster und der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR) um unzulässige Abschalteinrichtungen handele. Der geltend gemachteSchadensersatzanspruch lasse sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV herleiten, weil diese Vorschriften nichtden Schutz des geltend gemachten Interesses der Klägerin bezweckten.
II.
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Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.
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1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat, weil es tatsächliche Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht festgestellt hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
12
Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es der Klägerin Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer Götz Rensen
Liepin Katzenstein