BVerwG 8. Senat, Beschluss vom 24.09.2024, AZ 8 B 12/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:240924B8B12.24.0
Verfahrensgang
vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 15. November 2023, Az: 4 KO 25/17, Urteil
vorgehend VG Weimar, 19. Oktober 2016, Az: 3 K 1428/14 We
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 15. November 2023 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 47 700 € festgesetzt.
Gründe
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Die Kläger sind Eigentümer eines seit Anfang der 1990er Jahre bebauten Wohngrundstücks. Die Abwasserentsorgung erfolgt über eine auf dem Grundstück gelegene Mehrkammerausfaulgrube mit einem nicht genehmigten Überlaufkanal zu einem Bach. Der in der Grube verbleibende Fäkalschlamm wird von der Beklagten regelmäßig gebührenpflichtig beseitigt. Nachdem im Jahr 2010 in einer angrenzenden Straße ein Schmutzwasserkanal erstellt worden war, verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2014 gegenüber den Klägern den Anschluss ihres Grundstücks an die gemeindliche Abwasseranlage.
2
Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat das Verwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid und zugleich auf Befreiung vom Anschlusszwang gerichteten Klage stattgegeben, da der Anschluss des Grundstücks der Kläger an das Abwassernetz angesichts der hierfür anfallenden Kosten unzumutbar sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert des anzuschließenden Grundstücks, den Kosten des Anschlusses an den Abwasserkanal und den Kosten der Umrüstung der Mehrkammerausfaulgrube in eine vollbiologische Kleinkläranlage abgewiesen. Die gegenüber den Klägern verfügte Verpflichtung, ihr Grundstück an die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten anzuschließen, sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sei § 8 Abs. 1 Satz 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten (im Folgenden: EWS). Diese habe ihr Planungsermessen, die Grundstücke im betroffenen Ortsteil einschließlich des Grundstücks der Kläger an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, fehlerfrei ausgeübt. Der Anschlusspflicht stehe auch keine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit entgegen. Der Anschluss sei den Klägern im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsprinzips zumutbar. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
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Die hiergegen gerichtete und auf die Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger bleibt erfolglos.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 – 8 B 37.18 – ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
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Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen,
unter welchen Voraussetzungen die Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 57 WHG (vorliegend i. V. m. § 47 Abs. 11 ThürWG) ausnahmsweise auf denjenigen übertragen werden kann, bei dem das Abwasser anfällt – insbesondere ab welcher absoluten (starren) bzw. relativen (dynamischen) (Wert-) bzw. Kostengrenze die öffentliche Abwasserbeseitigung als mit einem unvertretbar hohen Aufwand verbunden anzusehen ist und sich nicht mehr als zumutbar erweist, sodass eine Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang in Betracht kommt
und
ob im Rahmen der Zumutbarkeitserwägungen insoweit die absolute Höhe der Anschlusskosten in Relation zum gegenwärtigen Grundstückswert zu setzen sind – und für diesen Fall, welche quotale Höhe der Anschlusskosten im Verhältnis zum Grundstückswert eine enteignende Wirkung hätte – oder ob es – abhängig vom jeweiligen Grundstückstyp – auf eine pauschalierende Wertgrenze ankommt,
wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
6
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass Ermächtigungsgrundlage für die Verpflichtung der Kläger zum Anschluss ihres Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsanlage § 8 Abs. 1 Satz 1 EWS i. V. m. § 47 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürWG ist. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Kläger auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang entnimmt das Berufungsgericht dem § 9 Abs. 1 EWS. Damit betreffen die von den Klägern aufgeworfenen Fragen die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts, das nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sein kann (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Auch die Bezugnahme auf die revisible Vorschrift des § 57 WHG führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einschließlich der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Anschlusspflicht nicht aus § 57 WHG, sondern aus den genannten landesrechtlichen Vorgaben und Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitet.
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Aus den Bezügen zum (Bundes-)Verfassungsrecht ergibt sich ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Eine Revisionszulassung käme insoweit nur in Betracht, wenn dargetan würde, dass der bundesverfassungsrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (BVerwG, Beschluss vom 21. August 2023 – 8 B 20.23 – juris Rn. 7). Das wird in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Sie beschränkt sich vielmehr im Wesentlichen darauf, nach Art einer Berufungsbegründung die (angebliche) Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung zu rügen.
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2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Vermeintliche Fehler in der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2021 – 8 B 9.21 – juris Rn. 17 m. w. N.). Solches legen die Kläger nicht dar.
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Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit den atypischen Umständen des Einzelfalls, insbesondere den erheblich wertmindernden topographischen Besonderheiten ihres Grundstücks, nicht hinreichend auseinandergesetzt, ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Besonderheiten des klägerischen Grundstücks auf der Grundlage eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens eingehend gewürdigt (vgl. UA S. 22). Dass es dabei entgegenstehende, gleichwertige Beweismittel oder sonstigen entscheidungserheblichen Akteninhalt außer acht gelassen hätte, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung ebenso wenig wie gegen Denkgesetze verstoßende oder von objektiver Willkür geprägte Schlussfolgerungen.
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Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat das aus seiner Sicht rechtlich erhebliche Klägervorbringen, insbesondere zur Hanglage, Bebaubarkeit und Kostenfrage sowie zu Alternativen berücksichtigt. Dass es den Grundstückswert, dem eingeholten Sachverständigengutachten folgend, anders ansetzt als die Kläger, verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
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Hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO fehlt es an der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Darlegung. Die in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Kläger haben nicht aufgezeigt, welche weiteren Ermittlungen sich dem Oberverwaltungsgericht auch ohne entsprechenden Beweisantrag hätten aufdrängen müssen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.