Beschluss des BVerwG 1. Wehrdienstsenat vom 05.09.2024, AZ 1 WB 25/24

BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 05.09.2024, AZ 1 WB 25/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:050924B1WB25.24.0

Tenor

Soweit der Antragsteller sich gegen den ihm erteilten Befehl wendet, die am 18. Januar 2022 an ihm vorgenommene COVID-Schutzimpfung zu dulden, wird der Rechtsstreit zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 1 WB 45.24 weitergeführt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Tatbestand

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Das Verfahren betrifft die Verpflichtung zur Duldung einer COVID-19-Impfung.

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Der … geborene Antragsteller trat … in die Bundeswehr ein und ist seit 1999 Berufssoldat. Er wurde zuletzt im Jahre … zum Oberstabsfeldwebel befördert und wird derzeit auf einen Dienstposten bei der Abteilung … des Kommandos … in … verwendet. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich am 30. März 2026 enden.

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Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 „Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen – Fachlicher Teil“ in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den COVID-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 erfordern die COVID-19-Impfstoffe eine oder zwei Teilimpfungen sowie Auffrischimpfungen gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für alle Kräfte (Einheiten und Einzelpersonen), die für Hilfs- und Unterstützungsleistungen im Inland eingesetzt werden – die sogenannten „Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland“ – die Basisimmunisierung erforderlich. Nr. 210 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 „Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen“ sieht vor, dass alle Soldaten die angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen und Impfungen der „Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland“ zu dulden haben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind damit alle aktiven Soldaten duldungspflichtig zu impfen, sofern in der Person des Soldaten keine individuelle medizinische Kontraindikation vorliegt.

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Gegen die Änderungen der AR A1-840/8-4000 hat der Antragsteller, der sich am 18. Januar 2022 einer COVID-19-Schutzimpfung unterzogen hatte, unter dem 10. Februar 2022 Beschwerde erhoben. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und am 10. März 2022 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt.

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Mit Schreiben vom 5. Juni 2024 teilte das Bundesministerium der Verteidigung mit, dass der Wehrmedizinische Beirat unter dem 22. Mai 2024 für eine Herabstufung der bisherigen Duldungspflicht für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hin zu einer bloßen Empfehlung einer Impfung gegen COVID-19 votiert habe. Daraufhin habe das Kommando des Sanitätsdienstes der Bundeswehr eine Neubewertung vorgenommen und im Anschluss an das Votum des Wehrmedizinischen Beirats vorgeschlagen, die AR A1-840/8-4000 entsprechend zu ändern. Diesem Vorschlag ist der Bundesminister der Verteidigung am 28. Mai 2024 gefolgt und habe dessen Umsetzung eingeleitet. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller zugesichert, ihm bis zu der beabsichtigten Änderung der AR A1-840/8-4000 nicht mehr durch Befehl einer Duldung der Impfung gegen COVID-19 auszusetzen, um eine Basisimmunisierung herzustellen.

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Der Antragsteller trägt zur Begründung seines Antrages auf gerichtliche Entscheidung vor, er sei noch beschwert und habe deshalb auch noch ein Rechtsschutzinteresse. An dem Antrag auf Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Aufnahme der COVID-19-Impfung als Basisimpfung nach der AR A1-840/8-4000 und der damit einhergehenden Erstimpfverpflichtung am 18. Januar 2022, halte er fest. Die aktuell erklärte Zusicherung, keinen Duldungsbefehl zur weiteren Impfung des Antragstellers auszusprechen, lasse das Rechtsschutzbedürfnis nicht in Gänze entfallen. Denn er sei bis heute gerade nicht von der bisherigen Rechtmäßigkeit der duldungspflichtigen COVID-19-Schutzimpfung überzeugt. Er sehe sich nach wie vor in der Besorgnis weiterer Nachteile, wenn er die Basisimmunisierung der bestehenden Form nicht in Gänze herstelle. Außerdem leitet er aus der Zusicherung des Bundesministeriums der Verteidigung ab, dass sich eine Duldungspflicht ebenso kurzfristig wie die Änderung der Risikoabschätzung durch den Wehrmedizinischen Beirat wiedereinführen lasse. Die avisierte Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 könne er aktuell jedenfalls noch nicht prüfen. Auch wenn die Zusicherung gewichtig sei, so entfalle das verbleibende Rechtsschutzbedürfnis erst mit dem Tag des Inkrafttretens der Vorschriftenänderung. Allein den seinerzeitigen „Anwurf gegenüber der Bundesministerin“ nehme er zurück, da dieser sicherlich als verfristet einzuordnen sei.

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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Das Verfahren war auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 1. Juni 2022 (1 WB 15.22) zum Ruhen gebracht und auf Antrag des Bundesministeriums der Verteidigung vom 5. Juni 2024 fortgeführt worden. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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1. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Mit seinem nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO in Verbindung mit § 86 Abs. 3 VwGO unter Berücksichtigung seines Sachvortrages auszulegenden Rechtsschutzbegehren wendet er sich nicht nur gegen die mit der Änderung der AR A1-840/8-4000 erfolgten Aufnahme der COVID-19-Schutzimpfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr. Er begehrt zudem der Sache nach die Feststellung, dass der ihm zur Duldung der am 18. Januar 2022 bei ihm vorgenommenen COVID-19-Schutzimpfung erteilte Befehl rechtswidrig gewesen ist. Soweit der Antragsteller seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einem „Anwurf“ gegenüber der seinerzeit für den hier angefochtenen Erlass zuständigen Bundesministerin der Verteidigung verbindet, hat es in der Sache eine Teilrücknahme erklärt.

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2. In Bezug auf den ihm erteilten Befehl, die am 18. Januar 2022 an ihm vorgenommene COVID-Schutzimpfung zu dulden, wird der Rechtsstreit – wie tenoriert – abgetrennt und als gesondertes Verfahren weitergeführt. Diese Entscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 93 Satz 2 VwGO. Sie war zu treffen, weil noch nicht geklärt ist, wer den angefochtenen Befehl erteilt hat. Damit steht auch noch nicht fest, ob das Bundesverwaltungsgericht für dieses Verfahren zuständig oder verpflichtet ist, diesen Rechtsstreit an das zuständige Truppendienstgericht zu verweisen.

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3. Der gegen die Aufnahme der COVID-19-Schutzimpfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr gerichtete Antrag ist unzulässig.

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a) Er hat sich erledigt, nachdem der Antragsteller infolge der ihm durch das Bundesministerium der Verteidigung erteilten Zusicherung nicht mehr der Duldungspflicht unterliegt. Damit ist für ihn die mit dem Anfechtungsantrag bekämpfte beschwerende Regelung weggefallen unabhängig davon, dass die angefochtene Änderung der AR A1-840/8-4000 noch besteht. Denn der Antragsteller hat im vollen Umfang erreicht, was er mit seinem Klagebegehren erstrebt hat (vgl. zum Erledigungseintritt im Zusammenhang mit einer Zusicherung BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2007 – 1 C 1.06 – juris Rn. 12), weil er eine COVID-Schutzimpfung nicht mehr dulden muss. Dass eine Duldungspflicht hypothetisch wiedereingeführt werden könnte, ändert an diesem Befund nichts.

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Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist auch für die Vergangenheit eingetreten. Die durch die Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen bewirkte Duldungspflicht gleicht als Daueranordnung einem Dauerverwaltungsakt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 1 WB 2.22 – BVerwGE 176, 138 Rn. 29, 77), der sich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt; das ist auch hier anzunehmen, weil die Duldungspflicht nicht mehr rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann und damit durch Zeitablauf gegenstandslos wird (vgl. zu einer als Dauerverwaltungsakt beurteilten glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 – BVerwGE 146, 303 Rn. 18).

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b) Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Bestimmung verlangt zwar von dem jeweiligen Antragsteller nicht mehr die förmliche Stellung eines Feststellungsantrages. Dieser muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 – 1 WB 42.09 – NZWehrr 2010, 161 <161 f.> m. w. N.). Daran fehlt es hier.

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Der Senat hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. Juni 2024 Gelegenheit gegeben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob er mit Blick auf die vom Bundesministerium der Verteidigung gegebene Zusicherung eine verfahrensbeendende Erklärung abgeben wolle. Der anwaltlich vertretene Antragsteller ließ dazu mitteilen, dass er das Verfahren noch nicht als erledigt betrachte. In Konsequenz dieser Auffassung hat er keine Umstände dargelegt, aus denen sich hier ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO ergeben könnte. Ein derartiges Interesse ist auch sonst nicht ersichtlich. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich eines möglichen Feststellungsinteresses obliegt dem Senat nicht (s. dazu BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 – 1 WB 42.09 – NZWehrr 2010, 161 <162> m. w. N.).

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