Urteil des BGH 3. Zivilsenat vom 15.08.2024, AZ III ZR 73/23

BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 15.08.2024, AZ III ZR 73/23, ECLI:DE:BGH:2024:150824UIIIZR73.23.0

Verfahrensgang

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 23. März 2023, Az: 6 U 61/22
vorgehend LG Hamburg, 19. Mai 2022, Az: 316 O 398/20

Tenor

Auf die Revision der Nebenintervenientin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts – 6. Zivilsenat – vom 23. März 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

    Die Klägerin nimmt den bei der Nebenintervenientin haftpflichtversicherten Beklagten als Anlageberater beziehungsweise -vermittler auf Schadensersatz in Anspruch.

2

    Von 2015 bis 2018 zeichnete die Klägerin nach Gesprächen mit dem Beklagten drei Schiffscontainerinvestments bei zur P & R Gruppe gehörenden Gesellschaften mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 171.350 €. Konkret schloss die Klägerin im November 2015 mit der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und im Dezember 2017 sowie im Januar 2018 mit der P & R Transport-Container GmbH mehrere Kauf- und Verwaltungs- beziehungsweise Vermietungsverträge über diverse Schiffscontainer. Vor dem Investment 2015 erhielt sie eine Informationsbroschüre und im Dezember 2017 den in diesem Jahr erstmals erstellten Verkaufsprospekt.

3

    Im Januar 2015 veröffentlichte die P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH ihren Jahresabschluss für 2013, den der Wirtschaftsprüfer mit dem eingeschränkten Bestätigungsvermerk versah, dass entgegen § 285 Nrn. 3, 3a und 9a HGB keine Angaben zu nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften (Art, Zweck, Risiken, Vorteile) beziehungsweise zum Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen gemacht und die Gesamtbezüge der Geschäftsführer nicht angegeben worden seien. Auch die früheren Jahresabschlüsse dieser Gesellschaft ab 2006 wurden – vom Berufungsgericht als offenkundig im Sinne des § 291 ZPO behandelt – jeweils mit einem in gleicher Weise eingeschränkten Testat im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Jahresabschlüsse der P & R Transport-Container GmbH wurden ohne Einschränkungen testiert. 2018 wurde über das Vermögen beider Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet.

4

    Bereits 2004 hatte die Klägerin über den damals noch für die Postbank Finanzierungsberatung AG tätigen Beklagten eine – vorliegend nicht in Streit befindliche – Anlage bei der P & R-Gruppe getätigt.

5

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

6

    Das Oberlandesgericht hat auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin nach deren Parteivernehmung das erstinstanzliche Urteil abgeändert. Es hat – nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen der Klägerin und des Beklagten wegen Insolvenzausschüttungen in Höhe von 11.307,19 € und unter Klageabweisung und Zurückweisung der Berufung im Übrigen – den Beklagten zur Zahlung von 154.833,21 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus den streitgegenständlichen Beteiligungen verurteilt und seine Verpflichtung festgestellt, die Klägerin wegen vereinnahmter Mieten in Höhe von insgesamt 5.209,60 € von Rückzahlungsforderungen des Insolvenzverwalters Zug-um-Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Insolvenzmasse freizuhalten. Außerdem hat es festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Abtretungen in Verzug befinde und der Klägerin eine Teilerstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen.

7

    Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Neben-intervenientin weiter die vollumfängliche Abweisung der Klage erreichen. Im Revisionsrechtszug hat die Klägerin den Rechtsstreit bezüglich des Freihaltungsbegehrens einseitig in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

8

    Die Revision hat Erfolg.

I.

9

    Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin als zulässig angesehen.

10

    Es hat weiter angenommen, der Beklagte habe bezüglich des 2015 gezeichneten Investments schuldhaft seine Pflichten aus einem mit der Klägerin jedenfalls zustande gekommenen Auskunftsvertrag verletzt, indem er nicht auf die eingeschränkten Bestätigungsvermerke bei der P & R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH hingewiesen habe.

11

    Zur Begründung hat die Vorinstanz darauf abgestellt, dass der Beklagte sich hinsichtlich der Bonität der jeweiligen P & R Gesellschaft, die wegen übernommener Garantien in den Kauf- und Verwaltungsverträgen für Anlageinteressenten von besonderer Bedeutung gewesen sei, „vorab selbst überhaupt nicht informiert“ habe. Dass er sie geprüft oder sich die Jahresabschlüsse angesehen habe, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte ergeben hätten, die an der Bonität und der Seriosität der Anlage und der Firma zweifeln ließen, werde nicht behauptet. Die Tatsache, dass zu außerbilanziellen Geschäften und finanziellen Verpflichtungen keine Angaben gemacht worden seien, zeige, dass die Gesellschaft nicht vollständig transparent habe sein wollen, worauf der Beklagte, da dies eine wichtige Information gewesen sei, auch ohne rechtliche Prüfung hätte hinweisen können und müssen. Der von anderen Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung, dass das Abrufen und Lesen der Jahresabschlüsse samt Prüfvermerken ohne zusätzliche Anhaltspunkte nicht zum Pflichtenprogramm eines Anlagevermittlers im Rahmen der Plausibilitätsprüfung gehöre, weil eine derartige „anlasslose Verpflichtung“ nicht seiner Rechtsstellung entspreche, sei nicht zu folgen. Vielmehr dürfe die Verpflichtung des Vermittlers, sich Kenntnis von den – auf der Homepage des Bundesanzeigers einfach abrufbaren – Jahresabschlüssen und den eingeschränkten Bestätigungsvermerken zu verschaffen, wegen der Bedeutung der Bonität und Transparenz des Kapitalsuchenden und des damit verbundenen zumutbaren Aufwandes nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen Anhaltspunkte wie das Bekanntwerden von Ausfällen oder negative Berichterstattung in der Wirtschaftspresse vorlägen. Jedenfalls hätte die Nichteinholung entsprechender Informationen offenbart werden müssen.

12

    Diese Pflichtverletzung sei für die Anlageentscheidungen der Klägerin kausal gewesen. Der Beklagte habe weder die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens entkräftet noch den Beweis geführt, dass die Anlage auch ohne die Pflichtverletzung getätigt worden wäre. Auch wenn man nur eine tatsächliche Vermutung annehme, habe der Beklagte diese nicht überzeugend im Sinne des § 286 ZPO entkräftet. Bei ihrer Vernehmung habe die Klägerin die zu beweisende Behauptung nicht bestätigt, sondern vielmehr erläutert, dass sie bei Kenntnis der eingeschränkten Testate nicht investiert hätte.

13

    Die Klägerin habe ferner einen Anspruch auf Rückzahlung der Investitionssumme für die beiden späteren Investments 2017 und 2018. Zwar hätten die Jahresabschlüsse der P & R Transport-Container GmbH keine eingeschränkten Bestätigungsvermerke aufgewiesen. Jedoch sei auch für diese Zeichnung die Verletzung der Hinweispflichten des Beklagten bei dem Investment 2015 ursächlich gewesen, da es sich um das gleiche, einheitlich konstruierte Anlagekonzept gehandelt und die Klägerin deshalb nicht zwischen den einzelnen P & R Gesellschaften unterschieden habe.

II.

14

    Die Revision ist unbeschränkt zulässig.

15

    Hat das Berufungsgericht – wie hier – eine im Tenor seines Urteils unbeschränkte Revisionszulassung damit begründet, dass eine bestimmte Rechtsfrage revisionsgerichtlich zu klären sei, kann dies (nur) dann als wirksame Zulassungsbeschränkung auszulegen sein, wenn sich diese Rechtsfrage lediglich für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Gesamtstreitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann (vgl. nur Senat, Urteile vom 13. August 2020 – III ZR 148/19, NJOZ 2021, 366 Rn. 13 f; vom 16. Mai 2019 – III ZR 176/18, BeckRS 2019, 11447 Rn. 7 und vom 18. Oktober 2018 – III ZR 497/16, NZG 2019, 229 Rn. 11). Dies trifft auf die von der Vorinstanz als Anlass für die Zulassung der Revision angesehene Frage der Reichweite der Erkundigungspflicht im Rahmen des Auskunftsvertrags nicht zu. Denn sie ist für das Vorliegen einer konkreten schadensursächlichen Pflichtverletzung des Beklagten entscheidend und betrifft damit sämtliche aufgrund des Schadensersatzbegehrens zugesprochenen Klageanträge dem Grunde nach.

III.

16

    Die Revision ist auch begründet.

17

1.    Zu Unrecht allerdings macht die Revision geltend, das Oberlandesgericht hätte die Berufung der Klägerin als unzulässig verwerfen müssen. Hierbei handelt es sich um eine Verfahrensrüge (vgl. zB BGH, Urteile vom 7. November 2022 – VIa ZR 737/21, juris Rn. 14 und vom 27. Februar 2018 – XI ZR 452/16, NJW 2018, 1689 Rn. 14), die der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet hat. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

18

2.    Soweit das Berufungsgericht gemäß § 291 ZPO davon ausgegangen ist, dass auch die Jahresabschlüsse der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH für 2006 bis 2012 jeweils Wirtschaftsprüfertestate mit einer gleichartigen Einschränkung wie für 2013 enthielten, erhebt die Revision keine Rüge.

19

3.    Jedoch hält die Würdigung der Vorinstanz, es liege eine für die dem Verfahren zugrundeliegenden Anlageentscheidungen der Klägerin kausale Auskunftspflichtverletzung des Beklagten vor, der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

20

    a) Ohne erkennbare Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht dargelegt, dass der Beklagte als Anlagevermittler tätig geworden ist.

21

    b) Im Ansatz ebenfalls zutreffend ist es weiter davon ausgegangen, dass der Anlagevermittler aus dem mit dem Anlageinteressenten bestehenden Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen regelmäßig (nur) zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet ist, die für dessen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteile vom 17. Februar 2011 – III ZR 144/10, NJW-RR 2011, 910 Rn. 9; vom 5. März 2009 – III ZR 17/08, NZG 2009, 471 Rn. 11; vom 12. Mai 2005 – III ZR 413/04, NJW-RR 2005, 1120, 1121 und vom 12. Februar 2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 116). Dagegen ist der Vermittler, anders als der Anlageberater, nicht zu einer fachkundigen Bewertung und Beurteilung der für die Anlageentscheidung wesentlichen Tatsachen verpflichtet (vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Mai 1993 – III ZR 25/92, NJW-RR 1993, 1114 f). Damit der Vermittler sachgerechte Auskünfte erteilen kann, muss er sich – jedenfalls grundsätzlich – vorab selbst über die Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und die Bonität des Kapitalsuchenden informieren. Dabei hat er das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft geben soll, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere auf wirtschaftliche Tragfähigkeit zu prüfen. Liegen dazu keine objektiven Daten vor oder verfügt er mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, muss er dies dem anderen Teil offenlegen (vgl. Senat, Urteil vom 13. Januar 2000 – III ZR 62/99, NJW-RR 2000, 998).

22

    aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Plausibilitätsprüfung in gewissem Umfang Ermittlungspflichten einschließen kann, wenn es um Umstände geht, die nach den vorauszusetzenden Kenntnissen des Vermittlers Zweifel an der inneren Schlüssigkeit einer mitgeteilten Tatsache zu begründen vermögen. Dabei dürfen allerdings keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden; der mit der notwendigen Überprüfung verbundene Aufwand muss dem Vermittler zumutbar sein (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2009 – III ZR 17/08, aaO Rn. 15 und Beschluss vom 21. Mai 2008 – III ZR 230/07, BeckRS 2008, 10802 Rn. 5). Er ist der (weiteren) Plausibilitätsprüfung und sich gegebenenfalls daran anschließender Ermittlungen enthoben, wenn er bei pflichtgemäßer Prüfung der ihm vorliegenden Informationen davon ausgehen durfte, bereits auf dieser Grundlage zuverlässig Auskunft zur Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der in Rede stehenden Kapitalanlage geben zu können (vgl. Senat, Urteil vom 13. Januar 2000, aaO S. 998 f).

23

    bb) Wo die Grenzen der Informations- und einer gegebenenfalls im Rahmen des Zumutbaren bestehenden Ermittlungspflicht des Anlagevermittlers im einzelnen Fall zu ziehen sind, hängt von den jeweiligen Umständen ab (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 1993, aaO S. 1114; BGH, Urteil vom 27. September 1988 – XI ZR 4/88, NJW-RR 1989, 150; Edelmann in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 6. Aufl., § 3 Rn. 34; ebenso für Anlageberater: Senat, Urteile vom 19. April 2007 – III ZR 75/06, NJW-RR 2007, 1271 Rn. 11 und vom 4. April 2002 – III ZR 237/01, NJW 2002, 1868). Von Bedeutung ist dabei etwa die Situation, wie sie sich bei der betreffenden Anlageentscheidung insgesamt darstellt, die Geschäftserfahrung und der konkrete Kenntnisstand des Anlageinteressenten, von diesem möglicherweise abgefragte Informationen sowie die Frage, in welchem Maße der Vermittler Vertrauen und besondere Kenntnisse für sich in Anspruch nimmt – beispielsweise, indem er die Erwartung weckt, er verfüge nicht bloß über die bei einem Anlagevermittler regelmäßig vorauszusetzenden allgemeinen wirtschaftlichen Kenntnisse, sondern über darüber hinausgehendes Wissen beispielsweise auf technischem Gebiet (vgl. Senat, Urteile vom 5. März 2009 – III ZR 17/08, aaO Rn. 15 f [für einen Vermittler speziell von „Beteiligungen an Windparks“] und vom 13. Mai 1993, aaO S. 1115; Beschluss vom 21. Mai 2009, aaO Rn. 5).

24

    c) Mit diesen Grundsätzen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, den Anlagevermittler treffe ungeachtet der jeweiligen Umstände des Einzelfalls auch „ohne zusätzliche Anhaltspunkte“ eine „anlasslose Verpflichtung“ zum Abrufen und Lesen der im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten früheren Jahresabschlüsse der kapitalsuchenden Unternehmen und zur Weitervermittlung ihres Inhalts an den Anlageinteressenten, nicht zu vereinbaren. Dies hat der Bundesgerichtshof im Ergebnis bereits ausgesprochen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1989 – XI ZR 173/88, NJW 1990, 506, 507), woran festzuhalten ist. Dementsprechend wird die Auffassung des Berufungsgerichts deshalb auch von anderen Oberlandesgerichten ausdrücklich nicht geteilt (vgl. OLG München, Beschluss vom 1. März 2022 – 8 U 2845/21, juris Rn. 26 ff [Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Senatsbeschluss vom 24. November 2022 – III ZR 46/22]; OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 17. Februar 2022, S. 3 f und vom 23. Dezember 2021, S. 17 f – 19 U 208/21 [Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Senatsbeschluss vom 6. Juli 2023 – III ZR 57/22]; OLG Oldenburg, Beschluss vom 14. Mai 2020 – 8 U 259/19, BeckRS 2020, 23154 Rn. 7), was es selbst einräumt (vgl. S. 10 des Berufungsurteils mwN).

25

    aa) Das Berufungsgericht blendet aus, dass der konkrete Pflichtenumfang eines Anlagevermittlers nur anhand der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls und nicht abstrakt bestimmt werden kann. Außerdem überdehnt es dessen Pflichten in einer Weise, die auch ansonsten der Rechtsstellung eines Anlagevermittlers nicht entspricht.

26

    (1) Ergeben die dem Vermittler bereits vorliegenden Informationen ein hinreichendes, objektiv zutreffend erscheinendes und in sich schlüssiges Gesamtbild der Anlage, reicht es aus, wenn er die Plausibilität des Anlagekonzepts anhand dieser Informationen beurteilt. Weitere Nachforschungen beziehungsweise Ermittlungen zur Gewinnung neuer, ihm bislang unbekannter Erkenntnisse in Bezug auf das Beteiligungsobjekt muss der Vermittler nur anstellen, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte Anlass zu Zweifeln am Funktionieren des Anlagemodells geben (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2010 – III ZR 14/10, NJW-RR 2011, 329 Rn. 19 [für Anlageberater]). Solche Anhaltspunkte liegen etwa vor, wenn schon die Höhe der im Prospekt oder in sonstigen Vertriebsunterlagen angegebenen Rendite das Anlagemodell fragwürdig erscheinen lässt (vgl. Senat, Urteile vom 13. Januar 2000, aaO S. 999 und vom 12. Mai 2005, aaO S. 1122), die dem Vermittler zufallende Provision den prospektierten Gesamtvertriebskostenanteil übersteigt (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Mai 2008, aaO Rn. 6) oder in der Wirtschaftspresse, soweit sie der Vermittler verfolgen und auswerten muss, zeitnah und gehäuft negative Berichte über die Anlage erscheinen (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2009 – III ZR 302/07, NJW-RR 2009, 687 Rn. 14 f; BGH, Urteile vom 7. Oktober 2008 – XI ZR 89/07, NJW 2008, 3700 Rn. 23 ff und vom 6. Juli 1993 – XI ZR 12/93, NJW 1993, 2433, 2434 [jeweils für Anlageberater]). Derartige Anhaltspunkte, insbesondere ein zeitnahes und gehäuftes Erscheinen negativer Berichte in den maßgeblichen, vom Beklagten zu verfolgenden Publikationsorganen der Wirtschaftspresse, hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht festgestellt. Vielmehr ist in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass „es sich bei den P & R – Investments um sehr lange erfolgreich verlaufende Investments handelte und die Klägerin auch schon selbst erfolgreich investiert hatte, obwohl auch dort bereits eingeschränkte Vermerke existierten“ (S. 11).

27

    (2) Davon abgesehen, ist der Vermittler auch bei Vorliegen solcher Anhaltspunkte nicht zwingend zum Abrufen und Lesen früherer Jahresabschlüsse des kapitalsuchenden Unternehmens angehalten. Denn er kann selbst entscheiden, auf welche Weise er – wenn überhaupt – Nachforschungen zur Plausibilität eines Investments anstellt, solange die von ihm genutzten Informationsquellen nur ausreichend sind (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2009 – III ZR 302/07, aaO Rn. 15 und BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008, aaO Rn. 26). Ob er einen veröffentlichten – aus einer Vermögensbilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr bestehenden (§ 242 Abs. 3 HGB) und durch einen Lagebericht, einen erläuternden Anhang sowie gegebenenfalls weitere Unterlagen erweiterten (§ 264 Abs. 1 HGB) – Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft auswertet, was in der Regel besondere Fachkenntnisse voraussetzt oder nur unter Heranziehung eines Wirtschaftsprüfers sinnvoll ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1989, aaO), oder sich auf andere Informationsquellen wie etwa Berichte von Finanzanalysten stützt, ist daher grundsätzlich ihm überlassen. Eine Pflicht speziell zur Auswertung von im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüssen mit Testaten im Rahmen einer vom Vermittler durchgeführten Plausibilitätsprüfung könnte allenfalls in Betracht zu ziehen sein, wenn andere hinreichende Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung stehen, Plausibilitätszweifel spezifisch Punkte betreffen, die vorrangig durch Einsichtnahme in die Jahresabschlüsse zu klären sind, oder der Anlagevermittler – etwa, weil er selbst Wirtschaftsprüfer ist oder mit entsprechenden Kenntnissen geworben hat – beim Anleger diesbezüglich Erwartungen geweckt hat. Dafür spricht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nichts.

28

    bb) Auch die von der Revisionserwiderung vorgebrachte Einschätzung, dass die Erteilung eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer nach § 322 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB unabhängig von Inhalt und Begründung der Einschränkung stets als „rote Flagge“ in Bezug auf die Solvenz und die Seriosität eines Unternehmens anzusehen sei, rechtfertigt keine von den Umständen des Einzelfalls losgelöste, anlasslose Pflicht des Vermittlers zur Kenntnisnahme (zumindest) der erteilten Testate.

29

    (1) Die Kontrolle des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer nach den §§ 316 ff HGB ist keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitskontrolle, sondern nur eine Rechnungslegungsprüfung. Sie hat zum Ziel, Unrichtigkeiten und Rechtsverstöße, die sich auf die Darstellung des Bilds der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung zu erkennen (vgl. Senat, Urteile vom 5. Mai 2022 – III ZR 131/20, BGHZ 233, 279 Rn. 30 und vom 15. Dezember 2005 – III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611 Rn. 26). Nur unter diesem Blickwinkel betrifft die Prüfung auch die im Lagebericht enthaltene Beurteilung der wirtschaftlichen Lage durch die Unternehmensführung, zu der nach § 321 Abs. 1 Satz 2 HGB im Prüfungsbericht vorweg Stellung zu nehmen ist, wobei – soweit auf der Basis der geprüften Unterlagen möglich – auf die Beurteilung des Fortbestands und der künftigen Entwicklung der Gesellschaft einzugehen ist. Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers stellt damit zwar in Verbindung mit dem – fachkundiger Interpretation bedürfenden – Jahresabschluss und dem Lagebericht des Unternehmens durchaus eine wichtige Informationsquelle für den Markt und insbesondere für Kapitalanlageinteressenten dar, auch wenn er wegen seiner Bezogenheit auf einen bestimmten Stichtag vertrauensbegründende Aussagen über die zukünftige wirtschaftliche Unternehmensentwicklung nicht enthalten kann (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 2005, aaO). Als solcher begründet ein uneingeschränkter Vermerk aber nur das Vertrauen, dass die Anlage in dem bestätigten Umfang zu dem maßgeblichen Zeitpunkt keine – gegebenenfalls noch fortwirkenden – Mängel aufwies, die zur Verweigerung oder Einschränkung des Testats hätten führen müssen (vgl. Senat, Urteile vom 21. Februar 2013 – III ZR 94/12 und 139/12, BeckRS 2013, 4612 Rn. 16 und NJW 2013, 1877 Rn. 17). Dagegen ist er keine unmittelbare Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und der Geschäftsführung des geprüften Unternehmens als solcher und kein von der Rechnungslegung losgelöstes „Gesundheitstestat“ oder „Gütesiegel“ (vgl. Justenhoven/Küster/Bernhardt in BeckBilKo, 14. Aufl., § 322 HGB Rn. 11; Hopt/Merkt, HGB, 42. Aufl., § 322 Rn. 1). Hat die Unternehmensführung eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung oder konkret bestandsgefährdende Risiken zutreffend dargestellt, ist für eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks kein Raum. In einem solchen Fall muss das – uneingeschränkte – Testat des Abschlussprüfers nach § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB auf bestandsgefährdende Risiken lediglich gesondert eingehen (vgl. Justenhoven/Küster/Bernhardt, aaO; Prüfungsstandard des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer zur Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung – IDW PS 270 n.F. [Stand Oktober 2021] Rn. 30 f).

30

    (2) Danach ist auch umgekehrt ein – aus unterschiedlichen Gründen gebotener (vgl. Prüfungsstandard des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer zu Modifizierungen des Prüfungsurteils im Bestätigungsvermerk – IDW PS 405 n.F. [Stand Oktober 2021] Rn. 4 ff) – eingeschränkter Bestätigungsvermerk für sich genommen nicht stets als „rote Flagge“ in Bezug auf die wirtschaftliche Situation und Bonität des Unternehmens vor beziehungsweise nach dem Stichtag anzusehen. Ebenso wie der uneingeschränkte bringt auch der eingeschränkte Bestätigungsvermerk einen zusammenfassenden „Positivbefund“ der Rechnungslegung zum Ausdruck (vgl. Justenhoven/Küster/Bernhardt, aaO Rn. 10) und nicht notwendig eine negative Einschätzung der Unternehmenslage. Er ist bei – wie hier – Prüfungshemmnissen wegen nicht gemachter Angaben zu erteilen, wenn der Abschlussprüfer zu dem Schluss gelangt, dass deren mögliche Auswirkungen auf den Jahresabschluss, den Lagebericht beziehungsweise einen sonstigen Prüfungsgegenstand wesentlich, aber nicht umfassend sind, wobei er gegebenenfalls würdigen muss, ob ausschließlich die Ordnungsmäßigkeit des Abschlusses berührt ist oder auch das durch ihn vermittelte Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (vgl. IDW PS 405 n.F. Rn. 10 f und 27 f). Zu Letzterem gibt das Testat in dem mit der Revisionsbegründung vorgelegten geprüften Jahresabschluss samt Lagebericht und Anhang der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs- GmbH für 2013 ausdrücklich an, dass der (allein) von der Einschränkung betroffene Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittle und führt aus, dass dies auch für den – unter Punkt 1.5 Angaben zu außerbilanziellen Geschäften und finanziellen Verpflichtungen enthaltenden – Lagebericht gelte, der die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend darstelle.

31

    (3) Im Hinblick darauf kommt einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk, anders als die Revisionserwiderung meint, auch nicht deshalb generell und unabhängig von seinem Inhalt alarmierende Wirkung im Sinne einer „roten Flagge“ zu, weil das Gesetz bestimmte Maßnahmen wie etwa Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln vom Vorliegen eines unbeschränkten Testats abhängig macht (vgl. § 57e Abs. 1 GmbHG, § 209 Abs. 1 AktG), Kreditbedingungen von Banken für diesen Fall teilweise aus Gründen der Vorsicht Kündigungsrechte vorsehen (vgl. Diem in Diem/Jahn, Akquisitionsfinanzierungen, 4. Aufl., Rn. 38 und 52; Baums, Risiko und Risikosteuerung im Aktienrecht, ZGR 2011, 218, 260) und der von der Europäischen Zentralbank erstellte „Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten“ ihn als – allerdings „weiches“ und mit einem „gewissen Interpretationsspielraum“ zu bewertendes – „unlikely-to-pay“-Ereignis einstuft (vgl. „Leitfaden“ S. 57 ff).

32

    Der Senat sieht keinen Anlass zu Änderungen an dieser Rechtsauffassung, die er bereits in seinen Urteilen vom 21. März 2024 in den Parallelverfahren III ZR 70, 71 und 72/23 dargelegt hat. Zu der mit der Revisionserwiderung behaupteten „wirtschaftlichen Wirklichkeit“, wonach „der Markt“ ein eingeschränktes Wirtschaftsprüfertestat „tatsächlich“ stets als Makel des Unternehmens und damit als „rote Flagge“ werte, gibt es keine tatrichterlichen Feststellungen. Die Klägerin zeigt dessen ungeachtet insoweit auch keinen übergangenen Sachvortrag in den Vorinstanzen auf. Hierzu ist im Übrigen anzumerken, dass die Jahresabschlüsse P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH bereits seit 2006 durchgängig nur eingeschränkt testiert worden waren, ohne dass dies die Wirtschaftspresse zu einer negativen Berichterstattung veranlasst hätte.

33

    d) Da das angefochtene Berufungsurteil schon aus diesen Gründen fehlerhaft ist, hat der Senat keine Veranlassung, auf alle weiteren Revisionsangriffe insbesondere gegen die getroffenen Tatsachenfeststellungen einzugehen.

34

4.    Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ob der Beklagte bei seinen Gesprächen mit der Klägerin die mit eingeschränkten Bestätigungsvermerken veröffentlichten früheren Jahresabschlüsse der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH kannte, ist unklar geblieben. Aus dem Berufungsurteil (S. 3) ergibt sich zwar zutreffend, dass dies vorinstanzlich zwischen den Parteien streitig gewesen ist. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen. Es hat daher nicht erwogen, ob der Beklagte im Rahmen seiner auskunftsvertraglichen Verpflichtung zu richtiger und vollständiger Information über die für den Anlageentschluss der Klägerin besonders bedeutsamen Umstände gehalten gewesen wäre, diese deshalb auch auf die mit eingeschränkten Bestätigungsvermerken versehenen früheren Jahresabschlüsse der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH hinzuweisen, weil sie ihm selbst bekannt – und, was für die Kausalität einer solchen (etwaigen) Aufklärungspflichtverletzung bedeutsam wäre, der Klägerin unbekannt – waren.

35

    Soweit die Vorinstanz ausgeführt hat, der Beklagte habe sich – was er zumindest hätte offenlegen müssen – über die Wirtschaftlichkeit des Investments und die Bonität der betroffenen P & R Gesellschaft „vorab selbst überhaupt nicht informiert“, hat sie dies nur mit der unterlassenen Einsichtnahme in frühere testierte Jahresabschlüsse begründet, zu der er nach den vorstehenden Ausführungen ohne konkreten Anlass nicht verpflichtet war.

36

5.    Das Urteil ist daher, soweit es angefochten ist, aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

37

    a) Soweit es die einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung der Klägerin in der Revisionsinstanz betrifft, ist die Sache nicht entscheidungsreif.

38

    aa) Die Klägerin hat mit ihrer Revisionserwiderung den Rechtsstreit teilweise, nämlich hinsichtlich des auf Freistellung von Rückzahlungsforderungen des Insolvenzverwalters in Höhe von 2.374,40 € gerichteten Feststellungsbegehrens, für erledigt erklärt und dazu auf dessen im Internet veröffentlichte Mitteilung vom 31. März 2023 verwiesen. Daraus ergibt sich, dass der Insolvenzverwalter im Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2023 (IX ZR 17/22, NZI 2023, 332), der eine Anfechtbarkeit dieser Mietzinszahlungen als unentgeltliche Leistungen nach § 134 InsO ausdrücklich verneint, von der weiteren Geltendmachung von Rückzahlungsforderungen in Bezug auf von den P & R – Anlegern vereinnahmte Containermieten Abstand nimmt. Die Nebenintervenientin hat der Teilerledigungserklärung unter anderem mit der Begründung widersprochen, dass die Forderung, von der die Klägerin habe freigestellt werden wollen, von Anfang an nicht bestanden habe.

39

    bb) Eine einseitige (Teil-)Erledigungserklärung der Klägerin in der Revisionsinstanz ist jedenfalls dann zulässig und zu berücksichtigen, wenn – wie hier – das Ereignis, das die Hauptsache erledigt haben soll, als solches außer Streit steht. Sie bildet eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung auf den Feststellungsantrag, dass die Hauptsache erledigt sei (vgl. nur BGH, Urteile vom 24. Juli 2018 – VI ZR 330/17, ZUM-RD 2019, 203 Rn. 57; vom 1. Juni 2017 – VII ZR 277/15, NJW 2017, 3521 Rn. 30 und vom 5. Mai 1999 – XII ZR 184/97, NJW 1999, 2520, 2522). Zu prüfen ist dann, ob die Klage bis zum geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Anderenfalls ist die Klage abzuweisen oder, wenn sie – wie hier nicht – in der Vorinstanz erfolglos war, das Rechtsmittel zurückzuweisen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juli 2018, aaO Rn. 58 und vom 1. Juni 2017, aaO).

40

    cc) Danach kommt eine teilweise Klageabweisung durch den Senat nicht in Betracht. Denn die ursprünglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Freihaltung der Klägerin von Rückforderungsansprüchen des Insolvenzverwalters gerichtete Feststellungsklage ist entgegen der Rechtsausführungen der Nebenintervenientin nicht schon deshalb als von Anfang an unbegründet anzusehen, weil in der hier vorliegenden Fallgestaltung jedenfalls kein Rückzahlungsanspruch des Insolvenzverwalters aus § 134 InsO bestand (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023, aaO Rn. 2 ff), von dem die Klägerin hätte freigestellt werden müssen.

41

    (1) Zwar setzt ein materieller Schadensersatzanspruch wegen der Belastung mit einer Verbindlichkeit, von der der Geschädigte nach § 249 Abs. 1 BGB in der Regel durch Befriedigung des Drittgläubigers seitens des Schädigers im Sinne der §§ 362 ff BGB zu befreien ist, grundsätzlich voraus, dass diese Verbindlichkeit tatsächlich besteht, da anderenfalls kein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. November 2006 – I ZR 257/03, NJW 2007, 1809 Rn. 20; vom 10. Dezember 1992 – IX ZR 54/92, NJW 1993, 1137, 1138; vom 11. Juni 1986 – VIII ZR 153/85, NJW-RR 1987, 43, 44; vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 347 und vom 22. September 1971 – VIII ZR 38/70, BGHZ 57, 78, 80 f und 82 f; RGZ 147, 248, 251; 146, 360, 361 f; 81, 250, 251). Allerdings umfasst eine gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Freistellungspflicht nicht nur die Befriedigung begründeter, sondern darüber hinaus auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche Dritter gegen den Freizustellenden. Denn dieser soll typischerweise jeglichen Risikos einer Inanspruchnahme von dritter Seite enthoben werden und insbesondere nicht der Gefahr ausgesetzt sein, wegen einer berechtigten Forderung mit einer Klage überzogen zu werden oder in – zu seinen Lasten gehender – Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage eine unberechtigte Forderung zu erfüllen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 2010 – VIII ZR 86/09, NJW-RR 2011, 479 Rn. 12; vom 24. Oktober 2002 – IX ZR 355/00, BGHZ 152, 246, 254 f; vom 19. April 2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382; vom 19. Januar 1983 – IVa ZR 116/81, NJW 1983, 1729, 1730 und vom 24. Juni 1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594, 1595).

42

    (2) Ob danach aus materiell-rechtlichen Gründen die erstinstanzlich erhobene Leistungsklage, mit der die Klägerin beantragt hatte, den Beklagten zu verurteilen, sie im Schadensersatzwege von Forderungen des Insolvenzverwalters auf Rückzahlung vereinnahmter Mieten in Höhe von 2.374,40 € freizustellen, von Anfang an unbegründet gewesen ist, muss nicht entschieden werden. Denn die Klägerin hat nach entsprechender Klageänderung im Berufungsrechtszug den neuen Antrag verfolgt, (nur) die Verpflichtung des Beklagten festzustellen, sie von Rückzahlungsforderungen des Insolvenzverwalters wegen der vereinnahmten Mieten in Höhe von 2.374,40 € freizuhalten. Eine solche Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO ist bereits zulässig, wenn noch nicht feststeht, dass oder in welcher Höhe der Drittanspruch besteht, von dem nach § 249 Abs. 1 BGB Befreiung verlangt wird (vgl. BGH, Urteile vom 16. November 2006, aaO und vom 10. Dezember 1992, aaO S. 1138 f; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 149), aber die begründete Besorgnis einer – auch unberechtigten, jedoch ernst zu nehmenden – Inanspruchnahme der Klägerin durch den Dritten besteht (vgl. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 256 Rn. 18, Stichwort Schadensersatz). Diese Sachlage war hier bis zur Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 31. März 2023 im Hinblick auf die zuvor von ihm gegen P & R Anleger angestrengten und mit dem begründeten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2023 (aaO) letztlich entschiedenen Pilotprozesse gegeben. Danach ist dem Geschädigten prozessual die auf Freihaltung durch den Schädiger gerichtete Feststellungsklage gerade auch zur Abwehr unberechtigter Forderungen Dritter eröffnet. Hieraus folgt, dass auch in materiell-rechtlicher Hinsicht dem schadensersatzrechtlichen Freistellungsanspruch – soweit er mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden kann – über das Verlangen nach Befriedigung des Dritten durch den Schädiger hinaus ebenfalls eine auf unbegründet erhobene Drittansprüche zielende Abwehrrichtung zuzubilligen ist. Ist aber dieses Abwehrziel ein im Rahmen der Feststellungsklage zulässigerweise mitverfolgter Bestandteil des Freihaltungsanspruchs des Geschädigten, kann die Klage nicht allein deshalb als von Anfang an unbegründet angesehen werden, weil sich erst später im Prozessverlauf herausstellt, dass der geltend gemachte Drittanspruch nicht besteht beziehungsweise bestanden hat.

43

    dd) Ob die Feststellungsklage aus anderen Gründen, insbesondere wegen des Nichtbestehens eines Schadensersatzanspruchs, von vorneherein unbegründet gewesen ist oder sich die zunächst zulässige und begründete Klage durch die Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 31. März 2023 erledigt hat, kann der Senat nicht abschließend prüfen. Denn auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist bislang offen, ob der Klägerin überhaupt ein Schadensersatzanspruch wegen einer Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zusteht.

44

    b) Auch im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird im neuen Verfahren insbesondere Gelegenheit haben, Feststellungen dazu zu treffen, ob der Beklagte – wie von der Klägerin behauptet – die eingeschränkt testierten Jahresabschlüsse bei Vermittlung der Anlagen kannte und der Inhalt der Testatseinschränkungen für die Plausibilitätsprüfung von Bedeutung war. Gegebenenfalls werden, sofern die Klägerin oder die Nebenintervenientin noch entsprechenden Sachvortrag in zulässiger Weise halten werden, auch Feststellungen dazu nachzuholen sein, ob der Beklagte hinreichenden Anlass hatte, die Jahresabschlüsse mit Lagebericht und Anhang der P & R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH zu prüfen.

45

    Für das neue Berufungsverfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

46

    aa) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Kausalität der von ihm – auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes zu Unrecht – angenommenen Auskunftspflichtverletzung für den (insgesamt) eingetretenen Zeichnungsschaden sind rechtsfehlerhaft.

47

    Denn es hat entscheidend darauf abgestellt, dass die Klägerin bei ihrer Parteivernehmung angegeben habe, dass sie bei Kenntnis der Vermerke die Investition nicht getätigt hätte. Darauf kommt es aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht an. Unterlässt der Anlagevermittler die gebotene Prüfung der Plausibilität der von ihm empfohlenen Investition ganz oder zum Teil, ist er (hilfsweise) verpflichtet, dies dem Anlageinteressenten zu offenbaren (siehe oben 2. lit. b). Von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte das Berufungsgericht daher richtigerweise feststellen müssen, ob die Klägerin die gegenständlichen Anlagen auch gezeichnet hätte, wenn der Beklagte offengelegt hätte, dass er die früheren testierten Jahresabschlüsse der betreffenden P & R Gesellschaft nicht abgerufen und eingesehen habe.

48

    bb) Außerdem hat das Berufungsgericht zum Nachteil des Beklagten rechtsfehlerhaft das Beweismaß des § 286 ZPO angelegt. Denn die Prüfung, ob eine (zu keiner Verletzung eines absoluten Rechtsguts führende) bloße Vertragspflichtverletzung für den Eintritt eines Vermögensschadens ursächlich ist, betrifft die haftungsausfüllende Kausalität, für die das Beweismaß des § 287 ZPO gilt (vgl. Senat, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13, WM 2014, 2212 Rn. 9; BGH, Urteile vom 29. Januar 2019 – VI ZR 113/17, NJW 2019, 2092 Rn. 12 mwN und vom 22. Mai 1985 – IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 362). Diese Zuordnung zur haftungsausfüllenden Kausalität und damit zu den erleichterten Beweisanforderungen nach § 287 ZPO gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob – was die Vorinstanz ausdrücklich offengelassen hat – die für einen Ursachenzusammenhang streitende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens des Beratenen als eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 176/16, NJW-RR 2019, 373 Rn. 23), eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427 Rn. 28 f) oder eine tatsächliche Vermutung (vgl. nur Senat, Urteile vom 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, NJW 2019, 1137 Rn. 31; vom 16. November 2017 – III ZR 382/15, BeckRS 2017, 135584 Rn. 28; vom 14. April 2011 – III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 13 und vom 22. April 2010 – III ZR 324/08, BeckRS 2010, 11477 Rn. 19) anzusehen ist. Das reduzierte Beweismaß des § 287 ZPO gilt dementsprechend auch für die Entkräftung beziehungsweise gegenbeweisliche Widerlegung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens durch den Anlagevermittler.

  • Herrmann
  • Remmert
  • Arend
  • Richter am Bundesgerichtshof Liepin
    ist wegen Urlaubsabwesenheit
    verhindert zu signieren
  • Böttcher
  • Herrmann
Kategorien: Allgemein