Zahlungen von Verwertungsgesellschaften (Beschluss des BFH 8. Senat)

BFH 8. Senat, Beschluss vom 13.08.2024, AZ VIII B 59/23, ECLI:DE:BFH:2024:B.130824.VIIIB59.23.0

§ 105 Abs 5 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 4 Abs 3 EStG 2009, § 8 Abs 1 EStG 2009, § 18 Abs 1 Nr 1 EStG 2009

Leitsatz

NV: Es ist nicht klärungsbedürftig, dass Vergütungen für die Übertragung von Urheberrechten, die ein selbständig tätiger Journalist von der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort oder der VG Bildkunst erhält, zu den Betriebseinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit gehören.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 6. Juni 2023, Az: 2 K 2151/22, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.06.2023 – 2 K 2151/22 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist nicht begründet. Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor oder ist nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt worden.

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1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche, abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 07.06.2022 – VIII B 51/21, BFH/NV 2022, 926, Rz 4 und vom 30.06.2023 – VIII B 19/22, BFH/NV 2023, 1059, Rz 4).

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b) Nach Maßgabe dieser Anforderungen liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht vor.

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aa) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sieht die Fragen als grundsätzlich bedeutsam an, ob der von den Verwertungsgesellschaften (VG) Wort und Bildkunst im Jahr 2019 (Streitjahr) an den Kläger und zahlreiche weitere Berechtigte ausgeschüttete Schadenersatz unter die Begriffe der „Tätigkeit“ im Sinne der § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der „Betriebseinnahme“ im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG fällt. Damit wirft der Kläger sinngemäß die Frage auf, ob Vergütungen für die Übertragung von Urheberrechten, die ein selbständig tätiger Journalist von der VG Wort oder der VG Bildkunst erhält, zu den Betriebseinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit gehören.

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bb) Diese Rechtsfrage ist in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Allein der Umstand, dass zu der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, rechtfertigt nicht die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 15.10.2021 – VIII B 130/20, BFH/NV 2022, 97, Rz 5, m.w.N.). Die Rechtsfrage ist zudem eindeutig so zu beantworten, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat.

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(1) Die Auffassung des FG deckt sich mit der allgemein im Schrifttum vertretenen Sichtweise, dass die Auszahlungen der VG Wort, sowohl die regulären Hauptausschüttungen als auch die Nachzahlungen, zu den Betriebseinnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit gehören (vgl. etwa Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Rz 118; Wernsmann/Meickmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rz B 82; BeckOK EStG/Levedag, 18. Ed. [15.03.2024], EStG § 18 Rz 131; Handor/Bergan, Deutsches Steuerrecht 2017, 433, 434). Die hiergegen vorgebrachten Argumente des Klägers, dass die Zahlung von Schadenersatz für die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter nicht den Begriffen der „Tätigkeit“ oder der „Betriebseinnahme“ unterfalle, weil er für Honorare arbeite und Nutzungsrechte einräume, sein Handeln aber nicht darauf gerichtet sei, Vergütungen für seine Urheberrechte zu erlangen, überzeugen nicht.

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(2) Das FG ist in seiner Entscheidung außerdem zutreffend von einem weiten Einnahmebegriff ausgegangen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Betriebseinnahmen in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Ein Vermögenszuwachs ist betrieblich veranlasst, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Erforderlich ist nur ein wirtschaftlicher Bezug der Einnahme zum Betrieb (BFH-Urteil vom 28.09.2022 – VIII R 39/19, BFHE 278, 221, Rz 16, m.w.N.). Auf dieser Grundlage hat das FG die betriebliche Veranlassung der Zahlungen der VG Wort und der VG Bildkunst mit dem Argument bejaht, dass die Zahlungen aus den Veröffentlichungen des Klägers im Zusammenhang mit dessen beruflicher Tätigkeit als Journalist resultierten. Dies wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu beanstanden.

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(3) Eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergibt sich schließlich auch nicht aus den vom Kläger herangezogenen Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union SAWP vom 18.01.2017 – C-37/16, EU:C:2017:22 und UCMR – ADA vom 21.01.2021 – C-501/19, EU:C:2021:50. Diese Entscheidungen betrafen Fragen der Mehrwertsteuerpflicht im Zusammenhang mit Urheberrechten und Verwertungsgesellschaften. Wesentliche rechtliche Gesichtspunkte für die ertragsteuerliche Behandlung von Zahlungen der VG Wort und der VG Bildkunst ergeben sich daraus nicht.

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cc) Soweit der Kläger außerdem die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob die von der VG Wort und der VG Bildkunst im Streitjahr an den Kläger und zahlreiche weitere Berechtigte gezahlten Vergütungen für die Übertragung von Urheberrechten von § 24 EStG erfasst sind, fehlt es an der Darlegung der Klärbarkeit dieser Rechtsfrage im Streitfall. Das FG hat die Frage, ob die Zahlungen der VG Wort und der VG Bildkunst unter § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG fallen, in den Entscheidungsgründen offengelassen.

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2. Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO kommt ebenfalls nicht in Betracht.

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Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO stellt einen Spezialfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dar. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Auch dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare, abstrakte Rechtsfrage voraus (vgl. BFH-Beschluss vom 30.06.2023 – VIII B 19/22, BFH/NV 2023, 1059, Rz 13, m.w.N.). An dieser fehlt es hier. Denn es ist wie schon dargelegt nicht klärungsbedürftig, dass es sich bei den streitigen Vergütungen um Betriebseinnahmen des Klägers handelt. Soweit der Kläger einwendet, das FG habe die Vergütungen zu Unrecht als Betriebseinnahmen angesehen, wendet er sich gegen die rechtliche Würdigung des FG. Das Vorbringen, das FG-Urteil sei materiell-rechtlich fehlerhaft, erfüllt aber keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 115 FGO (BFH-Beschluss vom 13.12.2018 – VIII B 114/18, BFH/NV 2019, 385, Rz 13).

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3. Die Revision ist auch nicht wegen des vom Kläger gerügten Verfahrensfehlers zuzulassen oder die Vorentscheidung aufzuheben und gemäß § 116 Abs. 6 FGO an das FG zurückzuverweisen.

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a) Dies gilt zunächst für die vom Kläger vorgetragenen Bedenken hinsichtlich einer Befangenheit des Einzelrichters. Der gerügte Verfahrensmangel der vorschriftswidrigen Mitwirkung eines Richters (§ 119 Nr. 2 und § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung) liegt nicht vor, weil der Einzelrichter nicht, wie es § 119 Nr. 2 FGO verlangt, mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war (vgl. BFH-Beschluss vom 22.10.2018 – II B 39/18, BFH/NV 2019, 116, Rz 21).

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b) Sofern das Vorbringen des Klägers außerdem darauf abzielen sollte, dass das FG-Urteil durch seine Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung nach § 105 Abs. 5 FGO im Sinne des § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen sei, weil es sich mit den klägerischen Argumenten, warum die streitigen Vergütungen keine Betriebseinnahmen seien, nicht auseinandergesetzt habe, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler.

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aa) § 105 Abs. 5 FGO räumt den Finanzgerichten die Möglichkeit ein, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen und sich die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Begründung des Finanzamts zu eigen zu machen. Die Vorschrift dient der Entlastung der Gerichte, sofern ihr Zweck, den Beteiligten Kenntnis davon zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Verhältnissen oder rechtlichen Erwägungen die Entscheidung beruht, ohne Nachteil für den Rechtsschutz der Kläger, auch durch Bezugnahme auf bereits vorliegende Verwaltungsentscheidungen, erreicht werden kann. Eine Urteilsbegründung, die über die Feststellung, dass das FG der Verwaltungsentscheidung folgt, hinausgeht, ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Die gebotene verfassungskonforme Anwendung des § 105 Abs. 5 FGO setzt aber voraus, dass das Gericht wegen des Anspruchs des Rechtsschutzsuchenden auf rechtliches Gehör auf dessen wesentliches neues Vorbringen im Klageverfahren eingeht (BFH-Beschluss vom 18.08.2023 – IX B 114/22, BFH/NV 2023, 1227, Rz 9).

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bb) Diesen Maßstäben genügt die angefochtene Entscheidung. Das FG hat, wenn auch kurz, begründet, dass es sich nach seiner Auffassung bei den Zahlungen der Verwertungsgesellschaften um Betriebseinnahmen des Klägers bei dessen Einkünften aus selbständiger Arbeit handele, da diese Zahlungen durch die berufliche Tätigkeit des Klägers als Journalist veranlasst seien. Es hat sich damit zu den selbständigen Verteidigungsmitteln des Klägers verhalten; dieser war auch in der Lage, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Für eine ausreichende Begründung genügt die Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren (vgl. BFH-Beschluss vom 21.03.2019 – VIII B 129/18, BFH/NV 2019, 812, Rz 12). Die Rüge einer zu kurzen, lücken- oder fehlerhaften Begründung berechtigt deshalb nicht zu einer Zulassung der Revision (BFH-Beschluss vom 18.08.2023 – IX B 114/22, BFH/NV 2023, 1227, Rz 8). Nur zur ergänzenden weiteren Begründung seiner Entscheidung hat das FG gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die Einspruchsentscheidung verwiesen, in der der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt) sich ausführlich mit den Argumenten des Klägers befasst hat.

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4. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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