BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 12.08.2024, AZ 3 B 13/23, ECLI:DE:BVerwG:2024:120824B3B13.23.0
Leitsatz
Das Bundesjagdgesetz verbietet den Ländern nicht, Personen die Zulassung zur Jägerprüfung zu verweigern, bei denen im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die für die Erteilung eines Jagdscheins erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen.
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 20. April 2023, Az: 2 A 189/22, Urteil
vorgehend Verwaltungsgericht des Saarlandes, 27. April 2022, Az: 5 K 1105/20
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20. April 2023 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm ein Zeugnis über das Bestehen der Jägerprüfung zu erteilen.
2
Am 20. März 2018 verurteilte das Amtsgericht Frankfurt am Main den Kläger wegen Untreue in 15 Fällen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Am 22. Mai 2020 beantragte er die Zulassung zur Jägerprüfung; in dem Antrag erklärte er, dass Versagungsgründe im Sinne des § 17 BJagdG nicht vorlägen. Vom 10. bis 14. Juni 2020 nahm er mit Erfolg an der Jägerprüfung teil. Am 24. Juni 2020 legte er ein Führungszeugnis vor, in dem das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main eingetragen war, und bat um Übersendung eines Zeugnisses über die bestandene Jägerprüfung. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 25. Juni 2020 fest, dass er die Voraussetzungen für die Zulassung zur Jägerprüfung gemäß § 16 Abs. 10 der Verordnung zur Durchführung des Saarländischen Jagdgesetzes vom 27. Januar 2000 (DV-SJG) nicht erfüllt habe; die abgelegte Prüfung müsse als nicht erfolgt angesehen werden.
3
Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
5
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine fallübergreifende, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird. Ein Klärungsbedarf besteht nicht, u. a. wenn die Rechtsfrage mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 – 3 B 44.22 – Rn. 40 m. w. N.).
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1. Der Kläger hält folgende Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig:
Sind die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG) auf der Grundlage von § 15 Abs. 5 Satz 2 BJagdG berechtigt, die Zulassung zur Jägerprüfung vom vorherigen Nachweis der Zuverlässigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 bis 4 BJagdG abhängig zu machen?
7
Die Frage ist nach den üblichen Regeln der Normauslegung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig zu bejahen.
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Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 des Bundesjagdgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328 – im Folgenden: BJagdG) ist die erste Erteilung eines Jagdscheines davon abhängig, dass der Bewerber im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Jägerprüfung bestanden hat, die aus einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil und einer Schießprüfung bestehen soll. Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 BJagdG können die Länder die Zulassung zur Jägerprüfung insbesondere vom Nachweis einer theoretischen und praktischen Ausbildung abhängig machen. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen.
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Das Bundesjagdgesetz regelt die Zulassung zur Jägerprüfung hiernach nicht selbst, sondern überlässt den Ländern, entsprechende Vorschriften zu erlassen. Es verbietet ihnen nicht, Personen die Zulassung zur Jägerprüfung zu verweigern, bei denen im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die für die Erteilung eines Jagdscheins erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen; sie dürfen solche Personen zur Prüfung zulassen, müssen es aber nicht. § 15 Abs. 5 Satz 2 BJagdG stellt klar, dass die Länder die Zulassung zur Prüfung von Ausbildungsnachweisen abhängig machen können. Sie dürfen nicht nur – wie der Kläger meint – den Nachweis einer theoretischen und praktischen Ausbildung „ausformen“, sondern auch andere als Ausbildungsnachweise verlangen. Der Nachweis einer theoretischen und praktischen Ausbildung wird in § 15 Abs. 5 Satz 2 BJagdG nur „insbesondere“ genannt. Das Wort „insbesondere“ wurde auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt, um klarzustellen, dass die Länder die Zulassung zur Jägerprüfung nicht nur vom Nachweis einer theoretischen und praktischen Ausbildung abhängig machen dürfen (vgl. BT-Drs. 7/4285 S. 5, 18; BT-Drs. 7/5471 S. 4). Die für die Erteilung eines Jagdscheins erforderliche Zuverlässigkeit des Bewerbers steht – anders als der Kläger meint – in einem Zusammenhang nicht nur mit der Erteilung des Jagdscheins, sondern auch mit der Jägerprüfung. Das Bestehen der Jägerprüfung ist Voraussetzung für die erste Erteilung des Jagdscheins (vgl. § 15 Abs. 5 Satz 1 BJagdG). Personen, denen ein Jagdschein nicht erteilt werden darf, brauchen auch nicht zur Jägerprüfung zugelassen zu werden. Die Länder dürfen Personen zulassen, die einen Jagdschein nicht oder nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Jägerprüfung beantragen wollen; für eine Verpflichtung hierzu und ein entsprechendes Recht der Bewerber (vgl. Tausch, in: Schuck, Bundesjagdgesetz, 3. Aufl. 2019, § 15 Rn. 49) gibt es im Bundesjagdgesetz keinen Anhaltspunkt.
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2. Mit der Frage
Stellt die Regelung, wie in § 15 Abs. 1 und 2 des saarländischen Jagdgesetzes (im Folgenden: SJG) als Ermächtigung für die Exekutive vorgesehen, vor dem Hintergrund des Parlamentsvorbehaltes und der Wesentlichkeitstheorie eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür dar, dass ohne ausdrückliche Formulierung die Exekutive regelt, dass die Zulassung zur Jägerprüfung vom vorherigen Nachweis der Zuverlässigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 bis 4 BJagdG abhängig gemacht werden darf?
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zeigt der Kläger einen Klärungsbedarf im Hinblick auf revisibles Recht nicht auf.
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Ob § 15 Abs. 1 und 2 SJG Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung der obersten Jagdbehörde, u. a. die Zulassungsvoraussetzungen für die Jägerprüfung durch Rechtsverordnung zu regeln, in einer Weise bestimmt, die den Grundsätzen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. zu deren Verbindlichkeit auch für die Landesgesetzgebung: BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80 – BVerfGE 58, 257 <277> und vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u. a. – BVerfGE 139, 19 Rn. 56 m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 6 CN 3.10 – BVerwGE 139, 210 Rn. 16) und dem aus dem Demokratie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Parlaments- bzw. Wesentlichkeitsvorbehalt genügt, hängt von der Auslegung und Anwendung des irrevisiblen saarländischen Jagdgesetzes ab (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe die Vereinbarkeit von § 15 Abs. 1 und 2 SJG in der von ihm gefundenen Auslegung mit dem genannten Bundesrecht zu Unrecht bejaht, vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung des – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – Bundesrechts ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 – 3 B 44.22 – Rn. 50 m. w. N.). Die sich aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sowie dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ergebenden Anforderungen an eine gesetzliche Verordnungsermächtigung sind in der Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 – 3 CN 1.21 – BVerwGE 177, 60 Rn. 35 – 37, 46 und vom 16. Mai 2023 – 3 CN 4.22 – BVerwGE 178, 298 Rn. 27 – 32, jeweils m. w. N.). Einen weitergehenden fallübergreifenden Klärungsbedarf zeigt der Kläger insoweit nicht auf.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.