BAG 4. Senat, Beschluss vom 12.08.2024, AZ 4 AZB 8/24, ECLI:DE:BAG:2024:120824.B.4AZB8.24.0
§ 115 Abs 1 S 3 Nr 1 Buchst b ZPO, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 115 Abs 1 S 4 ZPO, § 47 SGB 5
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Verden, 27. August 2023, Az: 1 Ca 307/23 (PKH), Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 20. Februar 2024, Az: 10 Ta 19/24, Beschluss
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. Februar 2024 – 10 Ta 19/24 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 1.056,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Rechtsbeschwerde betrifft die Festsetzung von Raten im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers, welcher seit April 2023 Krankengeld bezieht, mit Schreiben vom 27. Juli 2023 zum 31. August 2023. Hiergegen reichte der Kläger Kündigungsschutzklage ein und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ausgesprochenen Kündigung. Das Arbeitsgericht bewilligte Prozesskostenhilfe ab dem 8. August 2023 und setzte hierfür monatlich zu zahlende Raten iHv. 22,00 Euro fest. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers – nachdem das Arbeitsgericht dieser mit Beschluss vom 29. Januar 2024 nicht abgeholfen hatte – zurückgewiesen.
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Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 2009
(- 3 AZB 90/08 -) geltend, ihm sei Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO sei von seinem Einkommen abzusetzen. Maßgebend seien die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Zu diesem habe sein Arbeitsverhältnis noch bestanden.
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II. Die statthafte
(§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige
(§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO ist vom Einkommen des Klägers nicht abzusetzen.
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1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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2. Maßgebend für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Das ist vorliegend derjenige der Beschwerdeentscheidung des Landesarbeitsgerichts
(vgl. BGH 5. Mai 2010 – XII ZB 65/10 – Rn. 28; VGH Baden-Württemberg 21. Januar 2022 – 12 S 1594/21 – Rn. 3 mwN). § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO legt fest, dass für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge iSd. Satz 3 der Vorschrift die Beträge maßgebend sind, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Das ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik. Nach § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Treten die Änderungen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse noch vor der abschließenden Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ein, ist das bereits im Rahmen dieses Beschlusses zu berücksichtigen
(VGH Baden-Württemberg 21. Januar 2022 – 12 S 1594/21 – Rn. 5).
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3. Danach hat das Landesarbeitsgericht der sofortigen Beschwerde des Klägers zu Recht nicht stattgegeben. Der Kläger stand zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 20. Februar 2024 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis. Ein Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO findet dann nicht mehr statt.
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a) Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO ist bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag iHv. 50 vH des Regelsatzes vom Einkommen abzusetzen, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist.
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b) Der für den Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags erforderliche Bezug zu einer Erwerbstätigkeit des Klägers besteht nicht mehr. Das Arbeitsverhältnis war bereits mit Ablauf des 31. August 2023 beendet.
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aa) Der Erwerbstätigenfreibetrag soll pauschaliert die erhöhten Aufwendungen ausgleichen, die einem im Arbeitsleben stehenden Beschäftigten entstehen. Dabei geht es um nicht näher spezifizierbare und damit zu pauschalierende Aufwendungen, für die das Gesetz davon ausgeht, dass sie solange anfallen, wie der Prozesskostenhilfeantragsteller im Erwerbsleben steht
(BAG 22. April 2009 – 3 AZB 90/08 – Rn. 9 mwN).
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bb) Der Umstand, dass sich die Höhe des Krankengeldanspruchs des Klägers gem. § 47 SGB V nach der Höhe des zuletzt erzielten Arbeitsentgelts richtet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies beruht allein darauf, dass der Anspruch bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entstanden ist. Eine Berechnung nach § 47b SGB V hätte hingegen dann stattgefunden, wenn der Anspruch auf Krankengeld während des Bezugs von Arbeitslosengeld, mithin erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden wäre
(vgl. etwa: Werner Gerlach in Hauck/Noftz SGB V Stand Juni 2024 K § 47b Rn. 5). Dem Kläger erwachsen nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ebenso wenig Aufwendungen, die einen Bezug zum Erwerbsleben haben, wie Beziehern von Krankengeld nach § 47b SGB V.
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cc) Dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 2009
(- 3 AZB 90/08 -) kann – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht entnommen werden, bei der Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrags sei allein danach zu differenzieren, ob ein nach § 47 SGB V oder nach § 47b SGB V berechnetes Krankengeld bezogen worden ist. Zwar wurde darin im Fall einer Berechnung nach § 47b SGB V eine Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrags mangels Bezugs zu einer Erwerbstätigkeit abgelehnt. Die Entscheidung ist allerdings nicht so zu verstehen, dass es bei Erhalt eines nach § 47 SGB V berechneten Krankengeldes nicht auf einen Bezug zur Erwerbstätigkeit iS des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ankommt. Vielmehr wird zwischen anstelle von Arbeitsentgelt gezahltem Krankengeld und solchem, das während der Arbeitslosigkeit gezahlt wird, unterschieden
(BAG 22. April 2009 – 3 AZB 90/08 – Rn. 8).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
- Treber
- Klug
- Betz