BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 07.08.2024, AZ VIa ZR 671/21, ECLI:DE:BGH:2024:070824UVIAZR671.21.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG München, 15. November 2021, Az: 21 U 3542/21
vorgehend LG Ingolstadt, 6. Mai 2021, Az: 74 O 468/19
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. November 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für die Revision wird auf bis 30.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Dezember 2017 einen von ihr hergestellten gebrauchten Audi A6 Avant 3.0 TDI mit einem V6-Dieselmotor (897evo) der Schadstoffklasse Euro 6.
2
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen, seine Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht behandelt hat, hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – wie folgt begründet:
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Eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB komme nicht in Betracht, auch wenn zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werde, dass es sich bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten „Thermofenster“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handele. Es fehle an einer sittenwidrigen Schädigung des Klägers. Weitere Abschalteinrichtungen habe der Kläger nicht prozessual erheblich behauptet.
II.
6
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
7
1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
8
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht mögliche Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen eines fahrlässigen Verhaltens der Beklagten nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21,
BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Danach kann dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Das Berufungsgericht hätte die Berufung des Klägers bei richtiger rechtlicher Bewertung mithin nicht zurückweisen dürfen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens darzulegen.
III.
10
Die Berufungsentscheidung ist
daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer Möhring Götz
Rensen Vogt-Beheim