BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 06.08.2024, AZ 4 B 4/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:060824B4B4.24.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. November 2023, Az: 10 A 1016/21, Urteil
vorgehend VG Düsseldorf, 25. März 2021, Az: 4 K 3271/19, Urteil
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2023 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
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1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig.
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Dem steht nicht entgegen, dass aufgrund der Löschung der Klägerin im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit (§ 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG) ein Beweisanzeichen für eine liquidationslose Vollbeendigung (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG) vorliegt und ein Fortbestehen der Rechtsfähigkeit der Klägerin als Liquidationsgesellschaft lediglich nicht ausgeschlossen erscheint. Denn in einem Rechtsstreit über die Beteiligtenfähigkeit ist derjenige, dessen Beteiligtenfähigkeit fraglich ist, als beteiligtenfähig anzusehen (statt vieler: Czybulka/Siegel, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 61 Rn. 8). Das gilt jedenfalls für Rechtsmittelverfahren gegen Prozessurteile, die wegen Fehlens der Beteiligtenfähigkeit ergangen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 2011 – 8 C 10.10 – juris Rn. 23 [insoweit in BVerwGE 140, 142 nicht abgedruckt]).
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Die Beschwerde konnte durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegt und begründet werden. Die Löschung der Klägerin im Handelsregister führte trotz des Wegfalls der Prozessfähigkeit wegen des Verlusts ihrer Organe und damit ihrer gesetzlichen Vertreter nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 241 Abs. 1 ZPO zur Unterbrechung des Verfahrens bis zur Bestellung eines Liquidators nach § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG und dessen – sowie der gelöschten GmbH als Liquidationsgesellschaft – Eintragung im Handelsregister gemäß § 67 Abs. 4 GmbHG (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 – II ZB 20/21 – NJW 2022, 3290 Rn. 8). Diese Rechtsfolge ist wegen der Sondervorschrift des § 246 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO nicht eingetreten, weil die Klägerin im Verwaltungsgerichtsprozess durch Prozessbevollmächtigte vertreten wird, die sie vor ihrer Löschung (5. April 2023) ordnungsgemäß bevollmächtigt hat. Die bereits am 14. November 2016 erteilte Vollmacht an ihre Bevollmächtigte (Bl. 17 der VG-Akte 4 K 3271/19) umfasst auch eine Prozessvollmacht zur gerichtlichen Vertretung und wirkt daher über den Zeitpunkt der Löschung der Klägerin und des Verlusts der gesetzlichen Vertretungsmacht ihres (letzten) Geschäftsführers hinaus, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 86 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – XI ZR 95/93 – NJW-RR 1994, 542 –; juris Rn. 8; BFH; Urteil vom 13. Juni 2018 – XI R 20/14 – BFHE 262, 174 Rn. 33 f.).
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Sache hat weder in Bezug auf den Verpflichtungsantrag noch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrags die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst, auch die der Sache nach geltend gemachte Verfahrensrüge greift nicht durch.
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a) Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (bzw. auf Neuverbescheidung) gerichtete und in erster Instanz erfolgreiche Klage unzulässig (geworden) ist. Die Klägerin sei nicht mehr beteiligtenfähig i. S. v. § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, denn sie sei infolge Vermögenslosigkeit von Amts wegen gemäß § 394 Abs. 1 FamFG gelöscht worden und habe daher ihre Rechtsfähigkeit verloren. Ihre Beteiligtenfähigkeit sei auch nicht ausnahmsweise weiter zu bejahen. Es bestünden keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen der Klägerin vorhanden sei. Unabhängig davon fehle ihr für das Verpflichtungsbegehren das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Von der begehrten Baugenehmigung könne sie offensichtlich keinen Gebrauch mehr machen, weil sie nicht mehr existent bzw. nicht mehr rechtsfähig sei und auch die Ausnutzung einer Baugenehmigung nicht mehr zur Abwicklung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Klägerin gehöre. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass die Klägerin die Baugenehmigung selbst wirtschaftlich verwerten könne.
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Ist die vorinstanzliche Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2024 – 4 B 19.23 – juris Rn. 3 m. w. N.). Jedenfalls in Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Klägerin fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, ist der Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht geltend gemacht worden. Die Beschwerde greift diese Einschätzung vielmehr nur im Stile eines zugelassenen bzw. zulassungsfreien Rechtsmittels an (Beschwerdebegründung S. 6 unten und S. 7 oben) und verfehlt insoweit die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
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Mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe das Rechtsschutzbedürfnis zu Unrecht verneint und damit in unzulässiger Weise durch Prozess- statt durch Sachurteil entschieden, macht die Klägerin der Sache nach eine Verfahrensrüge geltend (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2024 – 3 BN 9.23 – juris Rn. 13). Diese Rüge greift aber nicht durch. Ein Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt in der genannten Situation dann vor, wenn das Prozessurteil auf einer fehlerhaften Anwendung einer prozessualen Vorschrift, z. B. einer Verkennung der Begriffsinhalte, beruht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Februar 2022 – 4 BN 48.21 – juris Rn. 5 und vom 7. März 2013 – 4 BN 33.12 – juris Rn. 14, jeweils m. w. N.). Es ist nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargetan, dass das Oberverwaltungsgericht deshalb zu einem Prozessurteil gelangt ist, weil es den Sachverhalt auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Beurteilung fehlerhaft unter eine zutreffend erkannte Prozessvoraussetzung subsumiert hat (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juni 2011 – 8 B 74.10 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 61 Rn. 10, vom 21. Oktober 2004 – 3 B 76.04 – juris Rn. 9 und vom 16. Februar 1998 – 1 B 12.98 – juris Rn. 5). Die Klägerin legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht die Unzulässigkeit der Klage von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt zu den Handlungsmöglichkeiten einer Liquidationsgesellschaft aus zu Unrecht abgewiesen habe. Sie rügt der Sache nach nicht, dass das Oberverwaltungsgericht sich von einem unzutreffenden Verständnis der prozessrechtlichen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis habe leiten lassen, sondern beanstandet, dass das Oberverwaltungsgericht die dem vorausliegende materielle Rechtslage verkannt habe.
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b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch den in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag als unzulässig angesehen: es fehle nicht nur an der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin, sondern es bestehe hierfür auch kein Feststellungsinteresse. Ein solches folge insbesondere nicht aus der Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Amtshaftungsprozesses. So fehle zur Liquidität der Gesellschaft im Hinblick auf die Finanzierung eines nachfolgenden Amtshaftungsprozesses jeglicher substantiierter Vortrag. Unabhängig davon habe die Klägerin ihrer Darlegungspflicht zur Substantiierung der annähernden Schadenshöhe nicht genügt, sondern lediglich pauschal behauptet, im Fall der Erteilung der Baugenehmigung hätten „entsprechend“ höhere Umsätze erwirtschaftet werden können.
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Die (ebenfalls) doppelt begründete Verneinung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses wegen der Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Amtshaftungsprozesses greift die Klägerin nur unter dem zweiten Aspekt ausdrücklich mit der Grundsatzrüge und der Sache nach mit der Verfahrensrüge an. Ein Zulassungsgrund in Bezug auf die Annahme der Vorinstanz, zur Finanzierung eines nachfolgenden Amtshaftungsprozesses fehle jeglicher substantiierter Vortrag, weshalb ein solcher nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten oder jedenfalls ernsthaft beabsichtigt sei, wird nicht dargelegt. Insofern beschränkt sie sich – wie auch schon in der Vorinstanz – auf die bereits vom Oberverwaltungsgericht als unzureichend zurückgewiesene Behauptung, dass die M. GmbH den Amtshaftungsprozess einleiten und finanzieren werde. Damit wird nicht ansatzweise den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend aufgezeigt, dass das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses überspannt habe und das angegriffene Urteil insoweit auf einem Verfahrensfehler beruht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.