BFH 11. Senat, Beschluss vom 29.05.2024, AZ XI B 3/23, ECLI:DE:BFH:2024:B.290524.XIB3.23.0
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 12 Abs 2 Nr 7 Buchst a UStG 2005, § 12 Abs 2 Nr 15 UStG 2005
Leitsatz
NV: Auf eine einheitliche komplexe Leistung, die sich aus zwei gleichwertigen Elementen zusammensetzt, die beide dem ermäßigten Steuersatz unterliegen –hier nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a bzw. § 12 Abs. 2 Nr. 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)–, findet der ermäßigte Steuersatz Anwendung (Abgrenzung vom Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.06.2018 – XI R 2/16, BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678).
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 6. Dezember 2022, Az: 1 K 281/22, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 06.12.2022 – 1 K 281/22 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt –FA–) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Der vom FA aufgeworfenen Rechtsfrage, ob „eine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen [ist], wenn der Gesetzgeber im Umsatzsteuergesetz die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf eine komplexe Leistung, deren sämtliche Hauptelemente bei getrennter Betrachtung jeweils dem ermäßigten Steuersatz unterlägen, nicht normiert, und [ob] bei deren Annahme diese dahingehend zu schließen [ist], dass der ermäßigte Steuersatz auch auf die Komplexleistung Anwendung findet?“, kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –;FGO–) zu.
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a) Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Streitfall erschließt sich bereits aus der vorhandenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sowie des Bundesfinanzhofs (BFH).
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b) Das Finanzgericht (FG) hat in Übereinstimmung mit den Beteiligten den Sachverhalt für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) dahin gewürdigt, dass die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) mit ihrer Dinner-Show, in der sie ihren Gästen ein mehrgängiges Menü mit Unterhaltung durch Artisten und Musiker bot, eine einheitliche komplexe Leistung erbracht hat. Ein solcher einheitlicher Umsatz liegt namentlich vor, wenn die Leistung des Steuerpflichtigen aus zwei oder mehreren Elementen oder Handlungen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH-Urteil BGŻ Leasing vom 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15, Rz 30). Können –wie vom FG im Streitfall– von den Elementen, die eine einheitliche komplexe Leistung bilden, nicht ein Hauptelement und ein oder mehrere Nebenelemente bestimmt werden, sind die Elemente, die diese Leistung bilden, als gleichwertig anzusehen (EuGH-Urteil Baštová vom 10.11.2016 – C-432/15, EU:C:2016:855, Rz 72).
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c) Wenn –anders als im Streitfall– nur einer von mehreren gleichwertigen Bestandteilen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und der andere nicht, kann der ermäßigte Steuersatz nicht auf die einheitliche komplexe Leistung angewandt werden (vgl. EuGH-Urteil Baštová vom 10.11.2016 – C-432/15, EU:C:2016:855, Rz 75; BFH-Urteile vom 13.06.2018 – XI R 2/16, BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678, Rz 14; vom 14.02.2019 – V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 30). Im Streitfall aber ergibt sich die Steuerermäßigung für die beiden Elemente der von der Klägerin erbrachten einheitlichen komplexen Leistung aus § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bzw. aus § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG mit der Folge im Umkehrschluss zu den genannten Entscheidungen, dass die einheitliche komplexe Leistung selbst der Steuerermäßigung unterliegt.
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2. Aus denselben Gründen ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, da es sich bei dem Erfordernis einer Revisionsentscheidung zur Rechtsfortbildung um einen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung handelt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 03.11.2023 – VI B 2/23, BFH/NV 2024, 13, Rz 9).
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3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.