BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 28.05.2024, AZ VIa ZR 103/21, ECLI:DE:BGH:2024:280524UVIAZR103.21.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 28. Juli 2021, Az: 5 U 207/20
vorgehend LG Aachen, 23. November 2020, Az: 1 O 138/20
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juli 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für die Revision wird auf bis 25.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
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Er erwarb im März 2017 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz Typ C 220d T CDI zu einem Kaufpreis von 25.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem Motor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet, der ein so genanntes Thermofenster enthält.
3
Der Kläger hat zuletzt Zahlung in Höhe von 25.800 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs abzüglich einer nach der linearen Berechnungsmethode zu ermittelnden Nutzungsentschädigung, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB seien nicht gegeben. Insoweit könne dahinstehen, ob es sich bei dem unstreitig im Fahrzeug vorhandenen Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 handele. Hinsichtlich des Thermofensters fehle es jedenfalls an tatsächlichen Anhaltspunkten für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren behauptet habe, das Fahrzeug sei auch mit einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung ausgestattet, die eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei der Vortrag wegen Verspätung gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht zuzulassen. Ein Anspruch aus § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV scheitere daran, dass es sich bei den genannten Normen nicht um Gesetze zum Schutz der Vermögensinteressen von Fahrzeugerwerbern handele.
II.
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Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
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1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung dem Grunde nach ausgeschlossen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
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Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der – bislang lediglich unterstellten – Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
- C. Fischer
- Möhring
- Götz
- Rensen
- Vogt-Beheim