BVerwG 5. Senat, Urteil vom 11.04.2024, AZ 5 C 1/24, 5 C 1/24 (5 C 2/20), ECLI:DE:BVerwG:2024:110424U5C1.24.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Juli 2019, Az: 16 A 44/16, Urteil
vorgehend VG Köln, 3. November 2015, Az: 7 K 7211/13, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
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Der 1962 geborene Kläger ist irischer Staatsangehöriger und lebt in der Republik Irland. Er ist als Thalidomidgeschädigter anerkannt (49,60 Schadenspunkte nach der medizinischen Punktetabelle) und erhält seit Oktober 1972 Leistungen aufgrund des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ vom 17. Dezember 1971 (Stiftungsgesetz) und des diesem nachfolgenden Gesetzes über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz – ContStifG). Des Weiteren erhält der Kläger nach dem Irish Thalidomide Compensation Scheme vom irischen Staat einen monatlich geleisteten Betrag, der im hier relevanten Zeitraum ab August 2013 1 109 € betrug.
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Nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847) stand dem Kläger nach § 13 dieses Gesetzes eine monatliche Conterganrente in Höhe von 3 686 € zu. Mit Bescheid vom 29. Juli 2013 rechnete die Beklagte darauf unter Hinweis auf die mit der Gesetzesänderung eingeführte Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ab August 2013 die monatliche Zahlung des irischen Staates in Höhe von 1 109 € an und setzte für die Zeit ab dem 1. September 2013 einen monatlichen Auszahlungsbetrag der Conterganrente in Höhe von 2 577 € fest. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG werden auf die Kapitalentschädigung und die Conterganrente Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere von ausländischen Staaten, geleistet werden. Den vom Kläger gegen den vorgenannten Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2013 zurück.
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Die hiergegen mit dem Ziel erhobene Klage, die Conterganrente ohne die Anrechnung der irischen Zahlung zu erhalten, blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
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Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 31. März 2021 – 5 C 2.20 – (juris) ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2023 – 1 BvL 6/21 – (juris) die Vereinbarkeit der genannten Vorschrift mit dem Grundgesetz festgestellt.
Entscheidungsgründe
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Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2, §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO). Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer ungekürzten Conterganrente.
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Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz – ContStifG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1847) und in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 263) werden auf die Conterganrente Zahlungen angerechnet, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate von Anderen, insbesondere von ausländischen Staaten, geleistet werden. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht nicht in Frage mit Blick auf einen etwaigen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union. Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen unionsrechtliche Diskriminierungsverbote liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Anwendungsbereich der Verträge nicht eröffnet ist und es nicht um die Durchführung des Rechts der Union geht (BVerfG, Beschluss vom 21. November 2023 – 1 BvL 6/21 – juris Rn. 61 ff.; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 31. März 2021 – 5 C 2.20 – juris Rn. 32 ff.).
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§ 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG ist auch nicht verfassungswidrig. Die Vorschrift ist, wie das Bundesverfassungsgericht mit Bindungswirkung für den Senat und Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 1 und 2 Satz 1 BVerfGG) festgestellt hat, mit dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) der von der Anrechnung betroffenen Bezieherinnen und Bezieher von Conterganrenten sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar (Beschluss vom 21. November 2023 – 1 BvL 6/21 – juris Rn. 64 ff.).
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG liegen zweifelsfrei vor (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 31. März 2021 – 5 C 2.20 – juris Rn. 30). Der Kläger ist – was in tatsächlicher Hinsicht vom Oberverwaltungsgericht für den Senat bindend festgestellt worden (§ 137 Abs. 2 VwGO) und auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist – einerseits Berechtigter im Sinne von § 12 Abs. 1 ContStifG mit dem daraus folgenden Anspruch auf den Bezug der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ContStifG festgesetzten Conterganrente und andererseits Leistungsempfänger einer monatlichen Zahlung des irischen Staates in Höhe von 1 109 €, die sich im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG als Zahlung eines ausländischen Staates darstellt, die wegen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate geleistet wird.
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Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anrechnungsregelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ContStifG vor, so tritt die Rechtsfolge dieser Vorschrift ein. Die irische Zahlung ist damit auf die Conterganrente des Klägers anzurechnen. Dies führt zur entsprechenden Kürzung des Auszahlungsbetrages der Conterganrente, wobei die darauf beruhenden Berechnungen, welche die Beklagte im streitigen Bescheid vom 29. Juli 2013 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2013 vorgenommen hat, als solche weder im Streit stehen noch sonstigen Bedenken ausgesetzt sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 sowie § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO (zur Gerichtskostenfreiheit vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2020 – 5 C 1.20 – BVerwGE 169, 54 Rn. 31).