Beschluss des BVerwG 4. Senat vom 26.03.2024, AZ 4 B 1/24

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 26.03.2024, AZ 4 B 1/24, ECLI:DE:BVerwG:2024:260324B4B1.24.0

Verfahrensgang

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 12. Oktober 2023, Az: 1 KO 119/20, Urteil
vorgehend VG Weimar, 9. August 2017, Az: 4 K 1461/14 We

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2023 ergangenen Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2

1. Mit der Divergenzrüge dringt die Beschwerde nicht durch.

3

Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43.17 – Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, aus einer Entscheidung des Divergenzgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe einen abstrakten Rechtssatz des Divergenzgerichts fehlerhaft oder gar nicht angewandt, genügt dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

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Eine hiernach beachtliche Abweichung zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts legt die Beschwerde nicht dar.

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Der Kläger benennt zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. April 2012 – 4 C 10.11 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 386 Rn. 21 f. und – hierauf Bezug nehmend – Beschluss vom 6. November 2019 – 4 B 52.18 – juris Rn. 4), wonach die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nur dann im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB zu befürchten ist, wenn das Vorhaben zur Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer „unerwünschten“ Splittersiedlung führt. Er meint, das Oberverwaltungsgericht lege einen abweichenden „abstrakteren“ Prüfungsmaßstab an die Auslegung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB an, wenn es ausführe, die Verfestigung einer Splittersiedlung sei nur dann zu befürchten, wenn mit einzelnen Bauvorhaben ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder schon vollzogen wird. Damit werde auf das einschränkende Merkmal des „Unerwünschtseins der Splittersiedlung“ verzichtet. Diese Annahme ist verfehlt. Bereits aus dem vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss des Senats vom 12. Dezember 1972 – 4 B 150.72 – (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 103) und dem dort zitierten Urteil vom 26. Mai 1967 – 4 C 25.66 – (BVerwGE 27, 137 <139 ff.>) folgt, dass auch nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts das Gesetz mit der tatbestandlichen Voraussetzung der „Befürchtung“ des Entstehens, der Verfestigung oder der Erweiterung einer Splittersiedlung zum Ausdruck bringt, dass diese – wegen einer damit verbundenen und nicht ausnahmsweise hinzunehmenden Zersiedlung der Landschaft – zu missbilligen und demnach unerwünscht ist. Das hat der Senat in nachfolgenden Entscheidungen, darunter in den benannten Divergenzentscheidungen, immer wieder deutlich herausgestellt und wiederholt (vgl. etwa Urteil vom 3. Juni 1977 – 4 C 37.75 – BVerwGE 54, 73 <76 f.>; Beschluss vom 24. Juni 2004 – 4 B 23.04 – ZfBR 2004, 702; Urteil vom 19. April 2012 – 4 C 10.11 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 386 Rn. 21 f.). Folglich verbietet sich die Annahme, mit dem Merkmal „unerwünscht“ werde eine ungeschriebene Voraussetzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB benannt, die einen gegenüber dem „Befürchten“ eigenständigen – einschränkenden – Gehalt habe.

6

Mit den Ausführungen in der Beschwerdebegründung, wonach das Oberverwaltungsgericht die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten rechtlichen Maßstäbe, insbesondere zur negativen Vorbildwirkung, nicht zutreffend angewandt habe, kann eine Rechtssatzdivergenz nicht dargelegt werden.

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2. Die Grundsatzrüge rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Revision.

8

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91>). Diese Voraussetzungen sind ausgehend vom Beschwerdevorbringen nicht gegeben.

9

Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

ob die Verfestigung einer Splittersiedlung auch dann noch im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB zu befürchten ist, wenn der Kläger sein Bauvorhaben mittels Anbau an Wochenendhaus realisiert, wenn gleich die Baubehörde die Verfestigung der Splittersiedlung durch Genehmigung von Ersatzneubauten nach Abriss vorhandener Bauten zur Wochenendhausnutzung selbst fördert,

führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist, soweit nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts überhaupt entscheidungserheblich und einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich, in der Rechtsprechung des Senats geklärt.

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Die Verfestigung einer Splittersiedlung meint die Auffüllung eines schon bisher in Anspruch genommenen räumlichen Bereichs (BVerwG, Beschluss vom 30. August 2019 – 4 B 8.19 – ZfBR 2019, 796 Rn. 16 m. w. N.), was bei einer Erweiterung eines Bestandsbaues gegeben ist. Sie ist – wie bereits vorstehend ausgeführt – dann zu befürchten, wenn sie im Sinne eines Vorgangs der Zersiedlung unerwünscht ist. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich weiter zersiedelt würde (BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 B 47.14 – ZfBR 2016, 799 Rn. 17 m. w. N.).

11

Es bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass nach diesen allgemeinen Vorgaben die negative Vorbildwirkung sich nach den Umständen des Einzelfalles auch allein auf die Frage der überbauten Grundstücksfläche und somit auf die Abwehr von Erweiterungen der Bestandsbauten beziehen kann, während flächengleiche Ersatzbauten hiervon unberührt bleiben. Auf diesen Unterschied hat das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der Ermessenserwägungen der Beseitigungsanordnung zutreffend abgestellt (UA S. 16).

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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