Beschluss des BGH 4. Zivilsenat vom 30.11.2022, AZ IV ZB 10/22

BGH 4. Zivilsenat, Beschluss vom 30.11.2022, AZ IV ZB 10/22, ECLI:DE:BGH:2022:301122BIVZB10.22.0

Verfahrensgang

vorgehend LG Köln, 26. April 2022, Az: 40 S 4/22
vorgehend AG Köln, 26. Januar 2022, Az: 146 C 92/20, Urteil

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 40. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. April 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.036 € festgesetzt.

Gründe

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I. Gegen das am 7. Februar 2022 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten fristgerecht Berufung eingelegt. Auf den Hinweis des Landgerichts, eine am 1. April 2022 eingegangene Berufungsbegründung erfülle nicht die Anforderungen des § 130a ZPO, ist am 3. April 2022 eine weitere, hinsichtlich der Signatur der das Dokument verantwortenden Person geänderte Begründung der Berufung beim Landgericht eingegangen, aber nicht zur elektronischen Gerichtsakte genommen worden.

2

Das Landgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

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1. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Dezember 2021 – IV ZB 11/21, NJW-RR 2022, 426 Rn. 6; vom 6. Juni 2018 – IV ZB 10/17, NJW-RR 2018, 957 Rn. 6 sowie vom 8. März 2017 – IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 5).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

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a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, weil die vom Kläger eingereichte Berufungsbegründung, eingegangen am 1. April 2022, nicht die nach §§ 130a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 130d , 520 Abs. 5 ZPO erforderliche Form wahre.

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b) Die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an einer formgerechten Begründung der Berufung des Klägers, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

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Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die am 1. April 2022 beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung den Anforderungen entspricht, die nach § 130a Abs. 3 ZPO in formeller Hinsicht an die Berufungsbegründung zu stellen sind. Jedenfalls die am 3. April 2022 vom Klägervertreter übersandte und hinsichtlich der Signatur geänderte Berufungsbegründung entspricht den Voraussetzungen der vorgenannten Regelung. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hier das elektronische Dokument mit seinem Namen signiert (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) und als Weg der Übersendung die Übermittlung vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu der elektronischen Poststelle des Berufungsgerichts gewählt (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

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Die geänderte Berufungsbegründung ist auch innerhalb der zweimonatigen Frist zur Begründung der Berufung nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei dem Berufungsgericht eingegangen. Dem steht nicht entgegen, dass der Schriftsatz bis zum Ende der Frist am 7. April 2022 nicht zur elektronischen Gerichtsakte gelangt ist. Gemäß § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Diese Voraussetzung war ausweislich des Prüfvermerks des Berufungsgerichts vom 3. April 2022 an eben diesem Tag und damit vor Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung erfüllt. Ob das elektronische Dokument von der vorgenannten Einrichtung aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet wird oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich. Hierbei handelt es sich um gerichtsinterne Vorgänge, die für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments nicht von Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 25/20, VersR 2022, 981 Rn. 8).

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3. Deshalb kam hier die Verwerfung der Berufung als unzulässig auf der Grundlage von § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht in Betracht.

  • Prof. Dr. Karczewski
  • Harsdorf-Gebhardt
  • Dr. Brockmöller
  • Dr. Bußmann
  • Dr. Bommel