Beschluss des BPatG München 28. Senat vom 17.11.2022, AZ 28 W (pat) 9/19

BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 17.11.2022, AZ 28 W (pat) 9/19, ECLI:DE:BPatG:2022:171122B28Wpat9.19.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2016 019 680

(Nichtigkeitsverfahren S 209/16 Lösch)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2022 unter Mitwirkung des Richters Schödel sowie der Richterinnen Uhlmann und Berner beschlossen:

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2018 aufgehoben.
2. Die angegriffene Marke 30 2016 019 680 wird für nichtig erklärt und ihre Löschung angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke 30 2016 019 680

2

VENT ROLL

3

wurde auf entsprechenden Antrag der Markeninhaberin hin nach teilweiser Umwandlung der seit 14. Juli 2005 für die Markeninhaberin im Register des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragenen Unionsmarke 3 817 491 „VENT ROLL“ am 27. September 2016 mit dem Anmeldetag 5. Mai 2004 für die nachfolgenden Waren in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen:

4

Klasse 6:

5

Baumaterialien aus Metall, nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen aus Metall, insbesondere mit Kunststoff-Einsätzen oder Kunststoff-Hinterfütterung; Metallbahnen für Bauzwecke;

6

Klasse 17:

7

Unterspannbahnen;

8

Klasse 19:

9

Baumaterialien [nicht aus Metall], nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen nicht aus Metall, insbesondere mit Kunststoff-Einsätzen oder Kunststoff-Hinterfütterung.

10

Die Löschungsabteilung des EUIPO hat die Unionsmarke 3 817 491 „VENT ROLL“ auf Antrag des Beschwerdeführers mit Entscheidung vom 21. September 2012 (4654 C) wegen Vorliegens des absoluten Schutzhindernisses der Freihaltebedürftigkeit teilweise für diejenigen Waren für nichtig erklärt, für die die angegriffene Marke am 27. September 2016 im Register des DPMA eingetragen wurde und daher verfahrensgegenständlich sind. Die Entscheidung der Löschungsabteilung des EUIPO vom 21. September 2012 wurde von der vierten Beschwerdekammer des EUIPO mit Entscheidung vom 30. Januar 2014 (R 2156/2012-4) und mit Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 25. November 2015 (T-223/14) bestätigt. Zur Begründung führte das EuG entsprechend den Vorinstanzen aus, die Marke bestehe aus zwei englischen Wörtern und die maßgeblichen Verkehrskreise seien die im Bausektor tätigen englischsprachigen Verkehrskreise. Diese könnten dem englischen Wort „VENT“ unter anderem die Bedeutung „Lüftung“ und dem englischen Wort „ROLL“ unter anderem die Bedeutung „Rolle“ beimessen. Der Bestandteil „VENT“ habe in Kombination mit dem weiteren Bestandteil „ROLL“ eine beschreibende Konnotation. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Bezeichnung „VENT ROLL“ als Merkmale der betreffenden Waren im Sinne einer Präsentation in Rollenform und deren Verwendungszweck zur Be- und Entlüftung. Die Vorschriften der absoluten Schutzhindernisse nach Art. 7 Abs. 1 UMV fänden gem. Art. 7 Abs. 2 UMV auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorlägen. Demzufolge sei eine Unionsmarke bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie auch nur in einer der Amtssprachen der Union beschreibend sei.

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Am 12. Oktober 2016 hat der Antragsteller beim DPMA die vollständige Löschung der angegriffenen Marke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG beantragt. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dem ihr am 25. Oktober 2016 zugestellten Löschungsantrag mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 (eingegangen beim DPMA am selben Tag) widersprochen. Sie hat vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuG vom 25. November 2015 mangelnde Zulässigkeit des Löschungsantrages im Sinne entgegenstehender Rechtskraft geltend gemacht und ist ihm auch inhaltlich entgegengetreten.

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Mit Beschluss vom 19. Dezember 2018 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke zurückgewiesen und den Verfahrensbeteiligten erstmals mit dem Beschluss ihre Recherchebelege übermittelt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Löschungsantrag zwar zulässig, aber unbegründet sei. Der Zulässigkeit des Löschungsantrags stehe das rechtskräftige Urteil des EuG vom 25. November 2015 nicht entgegen. Betreffe der Umwandlungsantrag – wie vorliegend – eine Marke, die bereits als Unionsmarke eingetragen war, trage das DPMA die Marke zwar gem. § 121 Abs. 3 Satz 1 MarkenG ohne weitere materielle Prüfung unmittelbar ein. Die Durchführung eines Löschungsverfahrens werde von der Norm jedoch nicht ausgeschlossen. Vielmehr seien auf Umwandlungsanträge gem. § 121 Abs. 4 MarkenG die Vorschriften des Markengesetzes für die Anmeldung nationaler Marken anzuwenden. Vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Schutzumfangs, Geltungsbereichs und der angesprochenen Verkehrskreise liege nicht derselbe Streitgegenstand vor. Das EuG habe zudem in seiner Entscheidung allein die beschreibende Eigenschaft der angegriffenen Marke in der englischen Sprache berücksichtigt. Der Löschungsantrag sei jedoch unbegründet. Es könne nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass die Bezeichnung „VENT ROLL“ im Zeitpunkt ihrer Anmeldung ausschließlich aus Angaben bestanden habe, die im Verkehr zur Bezeichnung wesentlicher Merkmale der in Frage stehenden Waren dienen könnten. Angesprochener Verkehrskreis sei insbesondere der einschlägige Fachverkehr im Bereich der Dachdeckung. Der aus dem Englischen stammende Markenbestandteil „VENT“ könne einen Hinweis auf eine Entlüftungsfunktion darstellen und der weitere aus dem Englischen stammende Markenbestandteil „ROLL“ könne darauf hinweisen, dass die derart gekennzeichneten Waren in Rollenform ausgeliefert würden. Der angesprochene Fachverkehr habe zwar bereits im Jahr 2004 den jeweiligen Sinngehalt der beiden Markenbestandteile verstanden. Die korrekte Bezeichnung für „First“ oder „Grat“ laute im Englischen jedoch „ridge“ bzw. „arris“. Die Streitmarke stelle mangels Vorliegens eines Fachausdruckes keine für den Fachverkehr naheliegende Beschreibung der Art der in Rede stehenden Waren dar. Zumindest lasse sich dies für den Anmeldezeitpunkt nicht mit Sicherheit feststellen. Da sich auch im Übrigen nicht feststellen lasse, dass sich die Streitmarke im Jahr der Anmeldung 2004 in einer Bezeichnung erschöpfte, die in sprachüblicher Weise die eingetragenen Waren beschreibe, könne ihr auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

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Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er ist der Auffassung, dass der Löschungsantrag zulässig sei. Voraussetzung für die teilweise Umwandlung der Unionsmarke 3 817 491 in eine nationale Markenanmeldung sei ihre teilweise Nichtigkeit gewesen. Das Urteil des EuG sei keine Entscheidung in derselben Sache. Es gebe keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Widersprüchlich sei vielmehr, wenn die umgewandelte deutsche Marke aufrechterhalten werde, wohingegen die Unionsmarke im selben Umfang rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei. Die Streitmarke bestehe aus den beiden englischen Wörtern „VENT“ und „ROLL“. Der Markenbestandteil „VENT“ weise einen Sinngehalt im Sinn von „Entlüftung“ oder „Öffnung“ auf und könne daher einen Hinweis auf eine Entlüftungsfunktion darstellen. Der weitere Markenbestandteil „ROLL“ im Sinn von „Rolle“ gebe an, dass die entsprechenden Waren in Rollenform ausgeliefert würden. Die angegriffene Marke habe insgesamt eine Bedeutung im Sinn von „Entlüftungsrolle“. Diesen Bedeutungsgehalt habe die Streitmarke auch bereits zum maßgeblichen Anmeldetag im Jahr 2004 gehabt. Die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren gebe es mit gestanzten Öffnungen, geschnittenen Schlitzen, perforiert, als luftdurchlässige Vliese/Folien oder diffusionsoffen bzw. dampfdurchlässig zum Zwecke der Be- und Entlüftung. Zudem würden sie in Rollenform gelagert, angeboten und geliefert. Damit sei die Streitmarke für die eingetragenen Waren glatt beschreibend. Dies zeige auch die übereinstimmende Begründung des EuG und der beiden Vorinstanzen betreffend die Teillöschung der Unionsmarke 3 817 491 „VENT ROLL“ für die Waren der angegriffenen Marke, in der auf das Verständnis der im Bausektor tätigen englischsprachigen Verkehrskreise abgestellt worden sei. In einer deutschen Marke stünden englische Wörter den entsprechenden deutschen Ausdrücken gleich, weil Englisch eine geläufige Fremdsprache sei, die von beachtlichen Teilen der deutschen Verkehrskreise ohne Weiteres verstanden werde. Es sei zu unterstellen, dass den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen Englisch geläufig sei und diese die Bedeutung der beiden Wörter der angegriffenen Marke kennten. Einen Ausschlusstatbestand, der das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entfallen lasse, wenn eine ausschließlich aus zwei beschreibenden Wörtern bestehende Wortkombination keine für den Fachverkehr naheliegende Beschreibung der Art der in Rede stehenden Waren darstelle, gebe es nicht. Auch wenn die englische Bezeichnung für „First“ bzw. „Grat“ „ridge“ bzw. „arris“ sein sollte, schließe dies das Vorliegen einer beschreibenden Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht aus.

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Der Beschwerdeführer und Antragsteller, der wie mit Schriftsatz vom 20. Juni 2022 angekündigt an der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2022 nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 19. Dezember 2018 aufzuheben und die Eintragung der Marke 30 2016 019 680 für nichtig zu erklären und zu löschen.

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Die Beschwerdegegnerin und Markeninhaberin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

18

Sie ist der Auffassung, der Löschungsantrag sei unzulässig. Einer Entscheidung über den Löschungsantrag stehe die Rechtskraft des Urteils des EuG vom 25. November 2015 (T-223/14) entgegen. Die entgegenstehende Rechtskraft führe dazu, dass sich ein Gericht bzw. eine Behörde, die in einer Rechtssache angerufen würden, für unzuständig erklären müssten, wenn in derselben Sache bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen sei. Im Hinblick auf die Gewährleistung des Rechtsfriedens wie auch einer geordneten Rechtspflege habe der Europäische Gerichtshof (EuGH, C-226/15, Urteil vom 21.07.2016 – PINK LADY) ausgeführt, dass nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden dürften. Die Rechtskraft diene dazu, widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern. Dies gelte insbesondere dann, wenn die vor dem EuG oder dem DPMA geführten Parallelverfahren denselben Anspruch zwischen denselben Parteien zum Gegenstand hätten. Das Urteil des EuG vom 25. November 2015 betreffend die Teil-Nichtigkeit der Unionsmarke 3 817 491 „VENT ROLL“ erfülle sämtliche vom EuGH aufgezeigten Voraussetzungen, unter denen einer gerichtlichen Entscheidung Rechtskraft und damit Bindungswirkung zukomme. Es handele sich um ein Parallelverfahren betreffend denselben Anspruch zwischen denselben Parteien. Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts stehe die aus einer Umwandlung entstehende nationale Anmeldung in Kontinuität zur vorangegangenen Unionsmarke, es handele sich daher um dasselbe materielle Schutzrecht (u.a. 26 W (pat) 522/13). In beiden Verfahren gehe es mithin um dieselbe Marke. Unabhängig davon sehe das Unionsrecht nach Art. 132 und 136 UMV auch für solche Fälle eine Rechtskraftwirkung vor, in denen nicht alle Merkmale der Identität des Streitgegenstandes gegeben seien. Dem EUIPO bzw. den nachfolgenden Instanzen komme eine umfassende Prüfungskompetenz zu, ob ein Eintragungshindernis in dem jeweiligen Mitgliedstaat bestehe, auf den sich der Umwandlungsantrag beziehe. Das EuG habe abschließend die Frage entschieden, ob bzw. inwieweit die Marke „VENT ROLL“ für die verfahrensgegenständlichen Waren beschreibend sei und habe dies allein für die im Bausektor tätigen englischsprachigen Verkehrskreise in der Europäischen Union bejaht. Insbesondere für das deutsche Territorium habe das EuG die Bezeichnung „VENT ROLL“ richtigerweise nicht als beschreibend angesehen. Die Teil-Nichtigkeit betreffe daher allein das Vereinigte Königreich, Irland und Malta, nicht jedoch die Bundesrepublik Deutschland. Das Urteil des EuG entfalte daher Bindungswirkung für das vorliegende Nichtigkeitsverfahren. Die Umwandlungsvorschriften nach Art. 140 Abs. 5 UMV i. V. m. Art. 139 Abs. 2 lit. b) UMV sähen vor, dass das EUIPO abschließend darüber entscheide, ob die entsprechende Nichtigkeitsentscheidung des EUIPO oder der europäischen Gerichte einer nationalen Markenanmeldung entgegenstehe. Das EUIPO entscheide im Rahmen des Umwandlungsverfahrens über die Reichweite der jeweiligen Nichtigkeitsentscheidung und beuge so widersprüchlichen Entscheidungen vor. Damit werde verhindert, dass das nationale Amt von der Nichtigkeitsentscheidung des EUIPO abweiche. Das EUIPO prüfe bei einem Umwandlungsantrag, ob der beantragten Umwandlung unter Zugrundelegung der entsprechenden Nichtigkeitsentscheidung ein Eintragungshindernis für das Land entgegenstehe, für das die Umwandlung beantragt werde. Das EUIPO habe dem vorliegenden Antrag auf Umwandlung in eine deutsche Markenanmeldung stattgegeben, weil die Teilnichtigkeit nach dem Urteil des EuG nur für den englischsprachigen Verkehr gelte. Wenn das EUIPO dem Umwandlungsantrag hinsichtlich eines Mitgliedstaates stattgebe, so führe dies dazu, dass rechtskräftig festgestellt werde, dass das Eintragungshindernis in dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht vorliege.

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Der Löschungsantrag sei zudem unbegründet. Die angegriffene Marke sei für die deutschen Verkehrskreise weder derzeit noch zum Eintragungszeitpunkt eine die eingetragenen Waren beschreibende Angabe (gewesen). Die angesprochenen Verkehrskreise bestünden aus dem Fachverkehr wie Zimmerer, Dachdecker oder Architekten. Die beiden englischen Wörter der angegriffenen Marke wiesen diverse Bedeutungen auf, weshalb bereits die Mehrdeutigkeit der Streitmarke gegen einen die Waren rein beschreibenden Charakter spreche. Die Wortkombination „VENT ROLL“ sei in Deutschland und im englischsprachigen Sprachraum weder gebräuchlich noch verständlich. Die Wortfolge sei ein völlig untechnischer und fachlich falscher Ausdruck sowohl für „Entlüftungsrollen“ als auch „First- und Gratrollen“. Die Bezeichnungen „First“ bzw. „Grat“ lauteten im Englischen „ridge“ bzw. „arris“. First- und Gratrollen würden nach korrekter englischen Übersetzung mit „ridge rolls“, „arris rolls“ „ridge rollers“, „hip rolls“ oder „burr rolls“ wiedergegeben. Die laienhaft konstruierte Übersetzung, die die angegriffene Marke darstelle, sei offenkundig falsch, was vom angesprochenen Fachverkehr erkannt werde. Es sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, weshalb der Fachverkehr auf einen sprachlich falschen Begriff für „Belüftungsrolle“ zurückgreifen sollte. Die Annahme einer Verwendung der in Frage stehenden Bezeichnung durch den Fachverkehr sei daher lebensfremd. Doch selbst wenn man der Streitmarke den Bedeutungsgehalt im Sinne von „Entlüftungsrolle“ zugrunde lege, sei dieser weder für die eingetragenen First-/Gratabdeckungen, seien sie aus Metall oder nicht, noch für Metallbahnen oder für Unterbahnen beschreibend. Bei diesen gehe es nicht primär um einen Luftaustausch. Bei den First- und Gratrollen sowie den Unterspannbahnen gehe es vielmehr darum, dass Feuchtigkeit des Innenraums nach außen abgegeben werde, gleichzeitig aber Feuchtigkeit von außen nicht in den Innenraum eindringe. Die in Rede stehenden Verkehrskreise verstünden den Markenbestandteil „VENT“ im Übrigen nicht als Hinweis auf eine Luftdurchlässigkeit. Das Verb „vent“ beschreibe den aktiven Vorgang des Lüftens. Bei den in Rede stehenden Waren gehe es jedoch um passiven Luftaustausch. Sämtliche Arten von „Unterspannbahnen“, „Unterdeckbahnen“ und „Fassadenbahnen“ ermöglichten eine Luftzirkulation und insbesondere eine Belüftung am Ort ihres Einbaus. Zudem würden die Englischkenntnisse der angesprochenen Verkehrskreise überschätzt. Insbesondere die Englischkenntnisse von Heimwerkern dürften nicht ausreichend sein, um der Streitmarke eine beschreibende Bedeutung zukommen zu lassen. Dies gelte umso mehr, als die Begriffsfolge „VENT ROLL“ lexikalisch nicht nachweisbar sei. Stelle eine Bezeichnung eine Wortneuschöpfung dar, sei sie in der Regel schutzfähig. Im Englischen würden zusammengesetzte Substantive beginnend mit „Lüftungs-…, Ventilations-…“ zudem mit „ventilation“ und nicht mit „vent“ gebildet. Das Freihaltebedürfnis sei vom Antragsteller nicht ansatzweise dargelegt worden. Die Vermutung eines hypothetischen und möglichen späteren Freihaltebedürfnisses reiche nicht aus. Im Nichtigkeitsverfahren müsse die beschreibende Verwendung der in Frage stehenden Bezeichnung zuverlässig festgestellt werden. Zudem liege vorliegend eine Konstellation vor, in der der fremdsprachige Begriff „VENT ROLL“ in der Fremdsprache ausschließlich in einem anderen, nämlich nicht beschreibenden Sinngehalt verwendet werde. Die Kennzeichnungskraft der angegriffenen Marke sei bereits von Gerichten bzw. Behörden anerkannt worden. So habe das EUIPO zum Zeitpunkt der Anmeldung der Unionsmarke 3 817 491 deren Schutzfähigkeit bejaht. Auch das Landgericht Düsseldorf habe in seinem Urteil vom 24. Oktober 2011 (34 O 164/10) in einem Markenverletzungsverfahren zwischen den Verfahrensbeteiligten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens einen beschreibenden Charakter der Bezeichnung „VENT ROLL“ verneint. Im Übrigen sei die Wort-/Bildmarke  <alt=“Abbildung“ src=“r/bilder/juris/jure229030733/bild1.png“>  (30 2010 054 735) für den Antragsteller eingetragen worden. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit die Bezeichnung „VENT ROLL“ als eine bzw. seine Marke angesehen. Der Hinweis des Antragstellers auf die Entscheidung des EuG betreffend die mangelnde Schutzfähigkeit der Bezeichnung „VENT ROLL“ für die verfahrensgegenständlichen Waren verfange nicht. Mit dem Verständnis der Verkehrskreise in Deutschland, welches im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren maßgeblich sei, habe sich das EuG nicht auseinandergesetzt. Zum anderen entspreche es ständiger Rechtsprechung der deutschen Gerichte wie auch der europäischen Gerichte EuG und EuGH, dass keine wechselseitigen Bindungswirkungen von nationalen und aufgrund der Unionsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen bestünden, sondern national und auf europäischer Ebene autonom auf Basis der jeweils einschlägigen Gesetze entschieden werde.

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Weiter regt die Markeninhaberin an, die Rechtsbeschwerde zu den Fragen zuzulassen, welche Reichweite die Rechtkraft einer Entscheidung des EUIPO betreffend einen Umwandlungsantrag gemäß Art. 140, 139 UMV habe, und ab wann ein unidiomatischer Gebrauch eines Wortes dem Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe.

21

Der Senat hat die Verfahrensbeteiligten bereits vor der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2022 mit Schreiben vom 4. Februar 2022 unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 7, Bl. 198 – 279 der Gerichtsakte) darauf hingewiesen, dass die Beschwerde des Antragstellers Aussicht auf Erfolg haben könnte.

22

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

23

Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist auch begründet.

24

1. Die Markenabteilung hat den Verfahrensbeteiligten ihre Internetrecherche erst mit der Zustellung des Beschlusses vom 19. Dezember 2018 übermittelt. Zwar leidet das Verfahren vor dem DPMA daher an einem Mangel, da den Verfahrensbeteiligten das gebotene rechtliche Gehör nicht gewährt wurde. Dennoch besteht kein Anlass, den angefochtenen Beschluss deswegen gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG aufzuheben und an das DPMA zurückzuverweisen. Die Verfahrensbeteiligten konnten sich bisher im Beschwerdeverfahren umfangreich zu den Anlagen des Beschlusses vom 19. Dezember 2018 äußern. Damit ist das rechtliche Gehör nachträglich gewährt worden, so dass der Verfahrensfehler der Markenabteilung geheilt wurde (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 70 Rdnr. 16 m. w. N.). Da die Sache aus Sicht des Senats zudem entscheidungsreif ist, wäre im Übrigen eine Zurückverweisung mit dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Prozessökonomie angesichts des bereits im Jahr 2016 gestellten Löschungsantrags nicht vereinbar und kommt deshalb nicht in Betracht.

25

2. Während des Nichtigkeitsverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Markenrecht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert worden. Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist § 50 Abs. 1 in seiner neuen Fassung anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung gilt (BGH WRP 2021, 1166 Rdnr. 10 u. 11 – Black Friday). Da der Löschungsantrag am 12. Oktober 2016 und damit vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, findet § 50 Abs. 2 MarkenG in seiner bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung Anwendung (§ 158 Abs. 8 MarkenG). Weiter anzuwenden ist die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 MarkenG in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Abs. 3  MarkenrechtsmodernisierungsG ).

26

3. Der am 12. Oktober 2016 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist innerhalb der seit der Eintragung der angegriffenen Marke am 27. September 2016 laufenden Zehnjahresfrist gestellt worden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a.F.). Der Löschungsantrag ist den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin am 25. Oktober 2016 gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 5 Abs. 4 VwZG gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die zweimonatige Widerspruchsfrist gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a.F. hat daher am 26. Oktober 2016 zu laufen begonnen und – wegen den Feiertagen am 25. und 26. Dezember 2016 – mit Ablauf des 27. Dezember 2016 geendet (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 222 Abs. 1 und 2 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Der am 20. Dezember 2016 beim DPMA eingegangene Widerspruch der Markeninhaberin ist daher rechtzeitig erfolgt.

27

4. Der Antrag auf Löschung der Marke 30 2016 019 680 „VENT ROLL“ ist zulässig.

28

a) Der Wortlaut der §§ 50 Abs. 1 MarkenG n.F. und § 50 Abs. 2 MarkenG a.F. sowie des § 54 Abs. 1 und 2 MarkenG a.F. unterscheidet nicht danach, ob es sich um eine Marke handelt, die nach einer originären Schutzfähigkeitsprüfung durch das DPMA in das Register aufgenommen worden ist oder nach der Umwandlung aus einer Unionsmarke nach § 121 Abs. 3 Satz 1 MarkenG eingetragen worden ist. Ebenso wenig enthält § 121 Abs. 3 MarkenG betreffend das Umwandlungsverfahren eine Bestimmung, die ein Nichtigkeitsverfahren auf Antrag wegen Vorliegens absoluter Schutzhindernisse nach der Eintragung im Register ausschließt.

29

b) Dem Löschungsantrag steht nicht die Rechtskraft einer anderen Entscheidung entgegen.

30

aa) Der Löschungsantrag ist mangels Vorliegens desselben Streitgegenstandes nicht unzulässig wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 25. November 2015 (Aktenzeichen T-223/14) betreffend das Nichtigkeitsverfahren der Unionsmarke 3 817 491 „VENT ROLL“.

31

(1) Die Frage entgegenstehender Rechtskraft ist seit 1. Mai 2020 ausdrücklich in § 53 Abs. 1 Satz 4 MarkenG geregelt. Zuvor galten über § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 322 ZPO die gleichen Grundsätze. Es kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 4 MarkenG mangels einer Übergangsregelung auf das vorliegende Verfahren anwendbar ist (vgl. hierzu Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O, § 53 Rdnr. 6 und 105 ff.). Denn auch bei Anwendung des § 53 Abs. 1 Satz 4 MarkenG kommt der Streitgegenstandsbegriff der Zivilprozessordnung zur Anwendung (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 53 Rdnr. 27, unter Hinweis auf RegE BT-Drs 19/2898 S. 81). Nach dem insofern geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt sich der Streitgegenstand aus dem Antrag und dem zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt. Der Antragsteller hat vor dem EUIPO einerseits und dem DPMA andererseits unterschiedliche Schutzrechte angegriffen; vor dem EUIPO die Unionsmarke 3 817 491 und vor dem DPMA die nationale Marke 30 2016 019 680. Schutzgegenstand und –reichweite sowie die jeweils anwendbaren Normen sind unterschiedlich. Die von der Markeninhaberin in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Entscheidung des BPatG vom 17. November 2013 (26 W (pat) 522/13) vorgebrachte Argumentation, wonach die aus der Umwandlung entstandene Anmeldung in Kontinuität zur vorangegangenen Unionsmarke stehe, betrifft die Zulässigkeit von Widersprüchen, die sich während des Widerspruchsverfahrens nach einer Umwandlung auf die daraus hervorgehende nationale Marke stützen, und mithin eine andere Konstellation. Dies gilt auch für die im Rahmen eines Verletzungsverfahrens ergangene Entscheidung „PINK LADY“ des EuGH. Dort wurde eine entgegenstehende Rechtskraft mit der Folge einer materiellen Bindungswirkung mangels Vorliegens desselben Streitgegenstandes („Anspruch“) ausdrücklich verneint  (GRUR-RR 2016, 328 Rdnr. 54). Folgte man der Argumentation der Markeninhaberin, dass es sich bei der Unionsmarke und der nationalen Marke um denselben Streitgegenstand handelt und beide dasselbe materielle Schutzrecht betreffen, wäre ohnehin die Nichtigkeit der angegriffenen Marke auszusprechen. Denn nach dem rechtskräftigen Urteil des EuG ist die Unionsmarke 3 817 494 wegen absoluter Schutzhindernisse im Umfang der verfahrensgegenständlichen Waren nichtig.

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(2) Dem Löschungsantrag des Beschwerdeführers steht auch im Übrigen nicht die materielle Rechtskraft des Urteils des EuG vom 25. November 2015 betreffend die Unionsmarke 3 817 491 entgegen. Die Vorschriften der §§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 322 Abs. 1 ZPO ziehen die objektiven Grenzen der Rechtskraft. Danach sind Urteile nur insoweit der Rechtskraft fähig, als über den durch Klage bzw. Antrag erhobenen Anspruch, den Streitgegenstand, entschieden worden ist. Der Streitgegenstand wird durch den Tenor der Entscheidung festgelegt. Nicht in Rechtkraft erwachsen regelmäßig Tatbestand und Entscheidungsgründe, demnach die Tatsachen, Vorfragen sowie die rechtliche Beurteilung (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage, 2022, vor § 322 Rdnr. 28). Die Markeninhaberin beruft sich jedoch auf die Entscheidungsgründe des Urteils des EuG vom 25. November 2015. Unabhängig davon verkennt die Markeninhaberin den inhaltlichen Umfang der Entscheidungsgründe im Urteil des EuG. Denn es hat nicht über die Schutzfähigkeit der Bezeichnung „VENT ROLL“ für den deutschsprachigen Verkehr entschieden. Es hat sich hierzu nicht einmal geäußert. Dies stellt auch die Markeninhaberin mit ihrer Äußerung, dass sich das EuG mit dem Verständnis der Verkehrskreise in Deutschland nicht auseinandergesetzt habe, nicht in Abrede. Das EuG hat diese Frage vielmehr offengelassen und – wie die Vorinstanzen – nur auf die englischsprachigen Verkehrskreise abgestellt, was nach dem Unionsmarkenrecht gem. Art. 7 Abs. 2 UMV möglich und ausreichend ist (vgl. EuG, a. a. O., Rdnr. 23). Danach genügt es, wenn in den Zurückweisungs- bzw. Nichtigkeitsentscheidungen aus absoluten Gründen nur auf das Verkehrsverständnis in einer Sprache der EU abgestellt wird, aufgrund der ein absolutes Eintragungshindernis besteht. Damit ist dann nach Art. 140 Abs. 4 Satz 1 UMV nur festgestellt, dass ein Schutzhindernis in den Mitgliedstaaten vorliegt, in denen die genannte Sprache Amtssprache ist (vgl. Eisenführ/Schennen, Unionsmarkenverordnung, 6. Auflage, 2020, Art. 139 Rdnr. 12).

33

bb) Ebenso wenig ist der Löschungsantrag wegen entgegenstehender Rechtskraft der Entscheidung des EUIPO über den Umwandlungsantrag hinsichtlich der Unionsmarke 3 817 491 unzulässig. Eine hieraus folgende materielle Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus § 121 Abs. 3 Satz 1 MarkenG. Nach dieser Vorschrift kommt dem DPMA im nationalen Eintragungsverfahren bei einer bereits als Unionsmarke eingetragenen Marke nach deren Umwandlung im nationalen Eintragungsverfahren keine materielle Prüfungskompetenz mehr zu. Die Regelung betrifft jedoch bereits nach ihrem Wortlaut lediglich das Eintragungsverfahren, wie sich auch aus dem Vergleich zu der Regelung des § 121 Abs. 2 Satz 1 MarkenG ergibt, die die Umwandlungen angemeldeter Unionsmarken betrifft. Für diese ist eine Prüfung durch das DPMA auf absolute Schutzhindernisse vorgesehen, da das EUIPO diese noch nicht vorgenommen hat. Eine eingetragene Unionsmarke hingegen hat bereits Schutz in Deutschland genossen (vgl. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 125d Rdnr. 13 f.). Nach der Eintragung als nationale Marke ist die umgewandelte Unionsmarke wie eine nationale Marke zu behandeln und kann daher wie diese mit einem Löschungsantrag angegriffen werden, was im Übrigen auch für die Umwandlung einer internationalen Registrierung nach § 118 Abs. 4 MarkenG gilt (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 125 Rdnr. 7). Nähme man mit der Markeninhaberin an, dass Löschungsanträge bezüglich umgewandelter Unionsmarken unzulässig sind, hätte dies zur Konsequenz, dass alleine diese Löschungsanträgen entzogen sind. Denn wie das deutsche Recht sieht das Unionsmarkenrecht (Art. 63, 59 UMV) das nachträgliche Löschungsverfahren vor. Für eine solche Privilegierung umgewandelter Unionsmarken findet sich keinerlei Anhalt im Gesetz und sie ist auch in keiner Weise sachlich gerechtfertigt.

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cc) Eine Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften der Art. 132 und 136 UMV. Hierbei handelt es sich um Verfahrensregeln, die ausschließlich Verletzungsverfahren betreffen.

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5. Der Antrag auf Löschung der Marke 30 2016 019 680 ist auch begründet.

36

Nach § 50 Abs. 1 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag, der von jedermann gestellt werden kann (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), nach rechtzeitig erhobenem Widerspruch für nichtig erklärt und gelöscht, wenn die Marke entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG a.F. müssen Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke bestanden haben als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag bestehen. Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BGH GRUR 2014, 483 Rdnr. 38 – test m. w. N.).

37

Die angegriffene Marke ist wegen Bestehen eines Freihaltebedürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu löschen (§ 50 Abs. 1 MarkenG n.F., § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG a.F.). Dieses Schutzhindernis lag auch bereits zum maßgeblichen Anmeldetag (4. Mai 2004) vor.

38

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die ein Merkmal oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – Agencja Wydawnicza Technopol/HABM [1000]; BGH WRP 2021, 1166 Rdnr. 13 f. – Black Friday; GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verkehrskreise, die als Abnehmer oder Interessenten der betroffenen Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen (vgl. EuGH, GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee [Chiemsee]; BGH a. a. O. Rdnr. 14 – Black Friday; GRUR 2009, 669 Rdnr. 16 – POST II). Dabei ist auf das Verständnis des Handels bzw. Fachverkehrs und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen wobei für die Bejahung eines Schutzhindernisses das Verständnis des Fachverkehrs allein ausreichend sein kann (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682 Rdnr. 23 – 25 – Bostongurka; a. a. O. – Windsurfing Chiemsee [Chiemsee]; BGH a. a. O. Rdnr. 19 – Black Friday; a. a. O. – Stadtwerke Bremen).

39

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Wortmarke „VENT ROLL“ schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 4. Mai 2004, und auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2022 (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdnr. 27, m. w. N.) geeignet gewesen, die Beschaffenheit und/oder den Bestimmungszweck der eingetragenen Waren unmittelbar zu beschreiben.

40

b) Die angegriffene nationale Marke ist aus der Umwandlung der eingetragenen Unionsmarke 3 817 491 „VENT ROLL“ hervorgegangen. Sie genießt in Deutschland gem. Art. 139 Abs. 3 UMV den Anmeldetag der Unionsmarke vom 4. Mai 2004.

41

c) Die für die angegriffene Marke geschützten Waren betreffen Abdeckungen für Dächer sowie Metall- und Unterspannbahnen, die vornehmlich Bauzwecken dienen. Diese richten sich insbesondere an Fachkreise der Baubranche wie das Dachdeckerhandwerk, Bauträger sowie entsprechende Fachhändler, aber auch entsprechend interessierte Endverbraucher.

42

d) Die Streitmarke besteht aus den beiden englischen Begriffen „VENT“ und „ROLL“.

43

aa) Das Wort „VENT“ hatte bereits zum Zeitpunkt des Anmeldetages der angegriffenen Marke im Deutschen die Bedeutung „Entlüftungsöffnung, Abzugsöffnung, Entlüftungsloch, Luftloch, Entlüftung, Abzug, Abzugsschacht, Rauchklappe“ bzw. „lüften“, vgl. hierzu:

44

·

45

Auszug aus dem Wörterbuch der industriellen Technik von Herrn E…, Englisch-Deutsch, 4. Auflage 1975, Seite 1101 (vom Antragsteller als Anlage zum Schriftsatz vom 1. März 2019 vorgelegt);

46

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47

Auszug aus dem Langenscheidts Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 5. Auflage 1981, S. 796 (vom Antragsteller als Anlage zum Schriftsatz vom 1. März 2019 vorgelegt);

48

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49

Auszug aus dem Online-Wörterbuch „ReversoContext“ unter https://content.reverso.net/übersetzung/englisch-deutsch/Vent in der Fassung vom 1. März 2003 (vgl. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis);

50

·

51

Auszug aus dem „Wörterbuch Bau“ von Herrn R…, 1. Auflage 2005(vgl. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).

52

Die Aufnahme eines Begriffes in ein Wörterbuch beansprucht einen erheblichen zeitlichen Vorlauf. Zudem muss sich das entsprechende Wort vorab in der Verwendung etabliert haben. Vor diesem Hintergrund unterstreicht auch das letztgenannte Fachwörterbuch aus der Baubranche eine Bedeutung des Markenbestandteils „VENT“ im vorgenannten Sinne bereits zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke.  

53

Der Markenbestandteil „VENT“ wies im Deutschen die vorgenannten Bedeutungsgehalte auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf (vgl. https://dict.leo.org/englisch-deutsch/vent, Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis).

54

Dem Vortrag der Markeninhaberin, wonach die in Rede stehenden Verkehrskreise den Markenbestandteil „VENT“ nicht als Hinweis auf eine Luftdurchlässigkeit einer Folie verstehen, kann nicht gefolgt werden. Die in diesem Zusammenhang vorgelegte Zusammenfassung einer Recherche mit der Suchmaschine Google, wonach mit einer Entlüftungsrolle vornehmlich Stachelwalzen oder schachtartige Entlüftungsvorrichtungen zu verstehen seien, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die in Frage stehende Bezeichnung kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern muss vielmehr in Relation zu den eingetragenen Waren gesetzt werden. Dort sind weder Stachelwalzen noch schachtartige Entlüftungsvorrichtungen enthalten. Im Übrigen führt die Markeninhaberin selbst aus, dass Bauteile, die mit „VENT“ bezeichnet werden, primär dem Luftaustausch dienten. Auch der weitere Vortrag der Markeninhaberin, wonach das Verb „vent“ den aktiven Vorgang des Lüftens beschreibt, unterstreicht den oben genannten Bedeutungsgehalt. Unerheblich ist, ob zusammengesetzte Substantive beginnend mit „Lüftungs-…, Ventilations-…“ im Englischen mit „ventilation“ beginnen, denn die Bezeichnung „VENT“ stellt auch das englisches Kurzwort für „ventilation“ dar (vgl. BPatG 25 W (pat) 515/19 – MyVent).

55

bb) Der weitere Markenbestandteil „ROLL“ hatte zum Zeitpunkt des Anmeldetages der angegriffenen Marke den Bedeutungsgehalt „Rolle, Zylinder, Walze“ bzw. „rollen, wälzen, walzen“, vgl. hierzu:

56

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57

Auszug aus dem Wörterbuch der industriellen Technik von Herrn E…, Englisch-Deutsch, 4. Auflage 1975, Seite 847 (vom Antragsteller als Anlage zum Schriftsatz vom 1. März 2019 vorgelegt);

58

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59

Auszug aus dem Langenscheidts Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 5. Auflage 1981, S. 796 unter Nr. 9, Rubrik Technik „tech.“ (vom Antragsteller als Anlage zum Schriftsatz vom 1. März 2019 vorgelegt).

60

Das Substantiv „ROLL“ der in Frage stehenden Marke wies im Deutschen im technischen Bereich auch im Juni 2022 den Bedeutungsgehalt „Rolle“ auf (vgl. https://dict.leo.org/englisch-deutsch/roll, Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis).  

61

cc) In Ihrer Gesamtheit weist die Wortkombination „VENT ROLL“ auf eine Rolle zur Be- und/oder Entlüftung hin. Der klare Inhalt der Begriffe „VENT“ und „ROLL“ wird nicht deshalb erkennbar verändert, weil sie zu einem einzigen Ausdruck kombiniert werden (vgl. auch EuG, 25.11.2015, T-223/14, Rdnr. 31 – VENT ROLL). In der angegriffenen Marke wird dem Substantiv „ROLL“ gemäß den Regeln der englischen Grammatik eine Bezugnahme oder ein spezifisches Attribut zur Qualifizierung der Art der fraglichen Rolle vorangestellt (vgl. EuG, 25.11.2015, T-223/14, Rdnr. 30 – VENT ROLL).

62

e) Die in Rede stehenden Verkehrskreise erfassen den vorgenannten Bedeutungsgehalt ohne Weiteres. Bei den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen kann unterstellt werden, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, eindeutig beschreibende Angaben auch in fremden Sprachen zu erkennen (BPatG 28 W (pat) 526/15 – SANO; 29 W (pat) 546/16 – Priroda; 26 W (pat) 536/18 – slumberzone). Hiervon ist insbesondere bei Markenwörtern auszugehen, die einer Welthandelssprache angehören. Da es sich bei Englisch um eine Welthandelssprache handelt, wird zumindest der angesprochene Fachverkehr der Baubranche wie insbesondere die entsprechenden Fachhändler die Begriffe „VENT“ und „ROLL“ bereits zum maßgeblichen Anmeldetag am 4. Mai 2004 und im Entscheidungszeitpunkt im Juni 2022 verstanden haben. Vor allem in den technischen Bereichen hat sich Englisch als Fachsprache herausgebildet, so dass die angesprochenen Verkehrskreise den vorgenannten Bedeutungsgehalt auch vor diesem Hintergrund erkennen werden (vgl. auch OLG Düsseldorf, 20 U 220/11 – VENT ROLL“).

63

f) Die Bezeichnung „VENT ROLL“ war zum maßgeblichen Anmeldetag der angegriffenen Marke im Mai 2004 in Bezug auf die eingetragenen Waren ohne Weiteres geeignet, konkrete Merkmale der betreffenden Waren unmittelbar zu bezeichnen. Gleiches gilt für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2022.  

64

aa) Bereits zum Anmeldetag der angegriffenen Marke war beim Dach(aus-)bau die Vermeidung von Feuchtschäden von großer Bedeutung. Der Dachausbau erfordert insbesondere entsprechendes Material, um Feuchtschäden an der Holzkonstruktion zu vermeiden. Durch Feuchtigkeit verursachte Schäden werden vor allem durch Be- und Entlüftung vermieden und erfordern luftdurchlässiges Material (vgl. Anlagenkonvolut 5 zum gerichtlichen Hinweis, alle Quellen bereits vor dem 4. Mai 2004 veröffentlicht; der jeweilige Fettdruck in allen nachfolgenden Zitaten dient der Hervorhebung):

65

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66

Artikel ‚Mit der richtigen Dampfbremse vermeiden Sie Feuchtschäden beim Dachausbau‘, bauratgeber24.de, https://www.ib-rauch.de/Beratung/dachgeschoss2.htmlhttps://www.ib-rauch.de/Beratung/dachgeschoss2.html(Google-Treffer vom 31. Januar https://www.ib-rauch.de/Beratung/dachgeschoss2.html(Google-Treffer vom 31. Januar 2002): „Unter der üblichen Dachziegel oder Dachsteine bestehenden Dachhaut ist eine wasserableitende Schicht in Form einer diffusionsoffenen Unterspannbahn einzubauen.“;

67

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68

IBP-Mitteilung 27/2000 des Fraunhofer Instituts für Bauphysik ‚Durchfeuchtungsgefahr bei nicht ausgebauten Dachgeschossen‘: „belüfteter Dachraum mit diffusionsoffener Unterspannung“;

69

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70

Artikel ‚Bauschäden – Vorsicht, Stolpersteine‘ von Herrn L… in Mikado 07/99, www.lech-bfd.de/Stolp97.htm: „Fall 3 – Durch den Einbau von Unterspannbahnlüftern und zusätzlichen Lüftungssteinen wurde eine ausreichende Be- und Entlüftung möglich. … Bei den geneigten Dächern handelte es sich um eine zweischalige Konstruktion mit den Lüftungsebenen zwischen der Wärmedämmung und der Unterspannbahn (Ebene 1) und der Unterspannbahn der Dacheindeckung (Ebene 2).“;

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72

‚Bau.de – Forum Dach‘ aus dem Jahr 2002, https.//bau.net/forum/dach/10576.php: „…mit Sicherheit Lüfterelemente, entweder aus imprg.Schaum (wäre die schlechteste Lösung) oder Firstrollen, die die Entlüftung erbringen, angeordnet.“;

73

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74

‚Bau.de – Forum Dach‘ aus dem Jahr 2001, https.//bau.net/forum/dach/10448.php: „Allerdings ist in dem von Ihnen beschriebenen Fall eine diffusionsoffene Unterspannbahn zum Einsatz gekommen. … „Kommt das jetzt einer diffusionsoffenen Unterspannbahn etwas näher?“.

75

Vor dem 4. Mai 2004 haben sich zudem technische Schutzrechte mit Wirkung in Deutschland mit der Dachbelüftung (vor allem Grat- und Firstbelüftung) befasst (vgl. Anlagenkonvolut 6 zum gerichtlichen Hinweis):

76

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77

EP 0 791 699 A1 – Titel: „Aufrollbares First- und Gratbelüftungselement und Verfahren zu dessen Herstellung“;

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Gebrauchsmusterschrift DE 200 17 419 U1- Titel: „Firstrolle mit gebördeltem Rand“; Beschreibung Zeile 15: „… Luftdurchlässige Bahn…“, Zeile 25: „Aufgabe des Bandes ist es, einerseits den zwischen Abdeckplatten und Firstbalken verbleibenden Bereich gegen das Eindringen von Kleintieren und Feuchtigkeit, insbesondere, wenn starker Wind, Schnee und Regen gegen die Dachplatten drückt, zu schützen, und andererseits eine Ent- und Belüftung des Dachraumes zu ermöglichen.“;

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81

Gebrauchsmusterschrift DE 203 13 028 U1 – Titel: „Rollbare streifenförmige Materialbahn für eine First- und/oder Gratabdeckung“; Beschreibung Zeile 25 ff: „Um die Belüftung des gegen Regen und Flugschnee abzudichtenden Firstraumes zu ermöglichen, sind der Mittelstreifen oder Seitenbereiche der Materialbahn mit luftdurchlässigen Materialien oder mit Lüftungsöffnungen ausgebildet, wobei als luftdurchlässiges Material beispielsweise Vliesstoffe eingesetzt werden.“ Aus den Ansprüchen 1 und 8 ist ersichtlich, dass das Schutzrecht rollbare streifenförmige Materialbahnen für eine First- und/oder Gratabdeckung betrifft, die in den Seitenbereichen Lüftungsöffnungen aufweisen;

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83

Offenlegungsschrift DE 44 13 869 A1 – Titel: „Rollbarer Dichtungsstreifen für eine First- oder Gratabdeckung“; Zusammenfassung: „… Einen Luftdurchtritt ermöglichenden, …, wobei weiterhin der Mittelstreifen aus einer mit Lüftungslöchern versehenen Gummimatte…“;

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85

EP 0 911 459 A1 – Titel: „First- oder Gratbelüftungselement“; Zusammenfassung: „… mit Luftdurchtrittsbereichen ausgebildet sind.“; Beschreibung Zeile 21: „Bei einer weiteren bevorzugten Ausführungsform ist das First- oder Gratbelüftungselement zu größeren Rollen aufrollbar. Dies hat den Vorteil, dass das First- oder Gratbelüftungselement zu größeren Rollen aufgerollt werden kann, die sehr einfach und kostengünstig gelagert, transportiert und im Dachbereich befestigt werden können.“;

86

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87

Gebrauchsmusterschrift DE 299 03 327 U1 – Titel: „Streifenförmige Materialbahn für eine First- oder Gratabdeckung sowie Vorrichtung zur Herstellung derselben“; Beschreibung Zeile 21 ff.: „Eine gattungsmäßige streifenförmige Materialbahn ist aus der EP 0 341 343 A2 bekannt. Sie weist eine den Luftdurchtritt ermöglichenden Mittelstreifen … auf.“.

88

bb) Ebenso ist die Belüftung im Rahmen eines Dach(aus-)baus auch aktuell weiterhin von Bedeutung. Der Internetauftritt der D… GmbH aus B…zeigt First- und Gratrollen, wobei u. a. auf Folgendes hingewiesen wird (https://www.decket.de/dachfirst/, vgl. Anlage 7 zum gerichtlichen Hinweis):

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90

„Der Dachfirst ist waagrecht und erfüllt viele wichtige Funktionen, vor allem die Entlüftungsfunktion.“… „Der Dachfirst verbindet die Dachflächen, gewährleistet die Dichtheit des Daches und entsprechende Dachbelüftung. Der Dachfirst ist sehr wichtig und sorgt für entsprechende Dachbelüftung.“… „Er muss auch für die richtige Luftzirkulation sorgen.“;

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92

„Die Firstbänder schützen den Dachbereich vor Verwitterung und sorgen für eine gute Belüftung des Daches. Sie sind sehr einfach in der Montage und diffusionsoffen. Die Dachfirstbänder verhindern auch die Eindringung von Verschmutzungen und Nässe unter die Dachdeckung.“;

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„Dachfirst abdichten mit Gratrollen … Ihre Aufgabe besteht darin, gute Luftzirkulation zu gewährleisten und vor Nässeeindringen, sowie Verschmutzungen zu schützen. Wir bieten Ihnen die Gratrollen in verschiedenen Ausführungen und Farben. Mit diesen Produkten können Sie Ihren Dachfirst abdecken.“;

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„Firstentlüftung im Dach First – Firstentlüftung ist ein wichtiger Faktor, wenn es um den Firstbereich geht. Entsprechende Luftzirkulation verlängert die Lebensdauer Ihres Daches und schützt vor Feuchtigkeit und Überhitzung des Dachraumes. … Deswegen muss man echt gute Produkte für die Firstentlüftung besorgen. Die Anwendung von Firstbändern ist also ein Muss, weil sie für eine effektive Belüftung sorgen.“.

97

Im Übrigen hat die Markeninhaberin selbst ausgeführt, dass sämtliche Arten von „Unterspannbahnen“, „Unterdeckbahnen“ und „Fassadenbahnen“ eine Luftzirkulation und insbesondere eine Belüftung am Ort ihres Einbaus ermöglichen.

98

cc) Die vorgenannten Fundstellen verdeutlichen, dass Unterspannbahnen, First- und Gratabdeckungen zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke sowie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2022 auch zur Isolierung eines Daches verwendet werden bzw. wurden, um den thermischen Komfort sowohl im Winter als auch im Sommer zu verbessern. Die Unterspannbahnen sind zwar in der Regel reißfest und wasserdicht, aber wasserdampfdurchlässig. Da sie eine Ableitung von Wasserdampf ermöglichen, fördern sie die Durchlüftung des Daches. Das Gleiche gilt für First- und Gratabdeckungen, die zur Dachabdeckung verwendet werden und unter anderem in Rollenform mit einem luftdurchlässigen Mittelteil zur Be- und Entlüftung des Unterdachbereichs zum Zeitpunkt des Anmeldetages der angegriffenen Marke angeboten wurden und noch immer werden. Daraus folgt, dass alle von der angegriffenen Marke erfassten Waren zur Durchführung von Isolierarbeiten am Dach verwendet werden können und sich einander ergänzen, um für die Entlüftung bzw. Belüftung des Dachraumes zu sorgen.

99

g) Ausgehend von vorgenanntem Begriffsverständnis und der Charakteristika der von der angegriffenen Marke umfassten Waren beschrieb die angegriffene Marke bereits zum Anmeldezeitpunkt Merkmale und Eigenschaften der eingetragenen Waren. Das gleiche gilt für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.

100

aa) Dies gilt zunächst für die Waren der Klasse 6 „Baumaterialien aus Metall, nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen aus Metall, insbesondere mit Kunststoff-Einsätzen oder Kunststoff-Hinterfütterung“ sowie der Klasse 19 „Baumaterialien [nicht aus Metall], nämlich Firstabdeckungen, Gratabdeckungen nicht aus Metall, insbesondere mit Kunststoff-Einsätzen oder Kunststoff-Hinterfütterung“. Bei diesen Waren handelt es sich – wie bereits die Formulierung zeigt – um Firstabdeckungen und Gratabdeckungen. Diese werden auch in Rollenform angeboten (vgl. Ausführungen unter f)) und weisen in den meisten Fällen zum Zwecke der Luftzirkulation und der damit verbundenen effektiven Belüftungsfunktion Diffusionsöffnungen auf (vgl. Anlagen 5 bis 7 zum gerichtlichen Hinweis). Die in Frage stehende Wortfolge „VENT ROLL“ benennt mit dem Bedeutungsgehalt „(Ent)lüftungs-Rolle“ bzw. einer „Rolle, die (auch) Entlüftungszwecken dient“ vor diesem Hintergrund lediglich deren Beschaffenheit in Rollenform und den Verwendungszweck im Sinne einer Be- bzw. Entlüftung (vgl. OLG Düsseldorf, 20 U 220/11 – VENT ROLL).

101

bb) Entsprechendes gilt für die weiter eingetragenen Waren in der Klasse 17 „Unterspannbahnen“. Diese werden auch im Dach(aus-)bau eingesetzt, in Rollenform dargeboten und weisen ebenfalls Elemente auf, die der Be- oder Entlüftung dienen (vgl. Anlagenkonvolut 5 zum gerichtlichen Hinweis). Die angegriffene Marke benennt auch für diese Waren deren Beschaffenheit in Rollenform und deren Eignung im Sinne einer Belüftung.

102

cc) Die übrigen eingetragenen Waren „Metallbahnen für Bauzwecke“ in der Klasse 6 stellen einen weiten Oberbegriff dar. Wie aus der Bezeichnung im Warenverzeichnis ersichtlich, werden die Waren in Form von Bahnen angeboten, die zu einer Rollenform aufgewickelt werden können. Aufgrund der allgemein gehaltenen Formulierung können die Metallbahnen auch Be-/oder Entlüftungselemente aufweisen und beispielsweise auch für eine Firstabdeckung eingesetzt werden. Ausgehend hiervon gibt die angegriffene Marke „VENT ROLL“ lediglich die Beschaffenheit der „Metallbahnen für Bauzwecke“ in Rollenform und deren Bestimmungszweck im Sinne einer Belüftung wieder.

103

h) Der Annahme des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht nicht entgegen, dass weder eine beschreibende Verwendung der Wortfolge „VENT ROLL“ (auch bezogen auf den Anmeldezeitpunkt) noch ein lexikalischer Nachweis belegt ist, es sich mithin um eine Wortneuschöpfung handelt. Als sprachübliche Verbindung von Begriffen, die dem maßgeblichen Verkehr geläufig waren und sind, enthält der Gesamtbegriff „VENT ROLL“ keinen Aussagegehalt, der über die Summe der Bedeutungen der Einzelwörter hinausging, die zur Beschreibung der in Rede stehenden Waren geeignet ist.

104

i) Auch eine evtl. Mehrdeutigkeit der angegriffenen Marke begründet nicht deren Schutzfähigkeit. Vielmehr reicht es regelmäßig aus, wenn nur eine von beliebig vielen dem Zeichen zukommenden Bedeutungen eine Sachaussage vermittelt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdnr. 458).

105

j) Es spielt es auch keine Rolle, ob die Wortfolge „VENT ROLL“ einen untechnischen und unidiomatischen Ausdruck für Entlüftungsrollen bzw. First- und Gratrollen darstellt. Diese mögen nach korrekter englischen Übersetzung mit „ridge rolls“, „aris rolls“, ridge rollers“, „hip rolls“ oder „burr rolls“ wiedergegeben werden. Nichtsdestotrotz ist die angegriffene Marke geeignet, Eigenschaften der Waren, nämlich deren Zweck und Form zu beschreiben. Die von der Markeninhaberin im Übrigen unter Hinweis auf die Kommentarliteratur (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdnr. 596) genannte Konstellation, wonach der fremdsprachliche Begriff (hier „vent roll“) in der Fremdsprache ausschließlich in einem anderen, nämlich nicht beschreibenden Sinngehalt verwendet werde, liegt nicht vor. Eine derartige „andersartige“ Bedeutung oder Verwendung im Englischen hat die Markeninhaberin auch nicht dargelegt. Zudem stellt sich die Markeninhaberin mit dieser Argumentation in Widerspruch zu ihren Ausführungen, wonach die Bezeichnung „VENT ROLL“ eine Wortneuschöpfung sei.

106

k) Die Markeninhaberin kann sich nicht auf vergleichbare Voreintragungen berufen. Die Marke  <alt=“Abbildung“ src=“r/bilder/juris/jure229030733/bild2.png“>  (30 2010 054 735) ist inzwischen wieder gelöscht. Aus gelöschten Marken können jedoch keine Rechte hergeleitet werden (BPatG 26 W (pat) 67/13 – BWnet).

107

6. Da bereits das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die weiteren vom Antragsteller nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG genannten Schutzhindernisse vorliegen.

III.

108

Die von der Markeninhaberin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde nach

109

§ 83 Abs. 2 MarkenG ist nicht veranlasst.

110

Weder ist über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden

111

(§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

112

1. Über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hat der Senat nicht entschieden. Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtsfrage, wenn sie eine klärungsbedürftige, für den Streitfall relevante Frage enthält, die darüber hinaus auch für andere Fälle von unmittelbarer Bedeutung sein kann, so dass ein Interesse der Allgemeinheit an ihrer Klärung besteht. Das gilt insbesondere, wenn sie für eine größere Zahl gleichgelagerter Fälle entscheidungserheblich und höchstrichterlich noch nicht entschieden ist (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 83 Rdnr. 22).

113

a) Die Frage, ob nach einer Umwandlung einer Unionsmarke gem. Art. 139 ff. UMV ein Nichtigkeitsverfahren nach §§ 50 ff. MarkenG durchgeführt werden kann, ist nicht klärungsbedürftig. Das Gesetz schließt dies nicht aus. Die gegenteilige Auffassung der Markeninhaberin findet keinerlei Anhalt im Gesetz, wäre systemwidrig und wird auch in der Literatur – soweit ersichtlich – von niemanden vertreten. Sie ist ersichtlich rechtsirrig.

114

b) Die Frage, ab wann ein unidiomatischer Gebrauch eines Wortes in der jeweiligen Fremdsprache dem Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, ist nicht entscheidungserheblich, da diese Konstellation (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rdnr. 596) nicht vorliegt. Die Markeninhaberin hat nicht einmal einen anderen Bedeutungsgehalt der Bezeichnung „VENT ROLL“ in der englischen Sprache vorgetragen, sondern vielmehr ausgeführt, dass „VENT ROLL“ nicht existiere. Im Übrigen hat der Senat die Frage der Schutzfähigkeit der vorliegenden Wortfolge anhand der von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs entwickelten maßgeblichen Kriterien – insbesondere hinsichtlich der Frage des Freihaltebedürfnisses einer Kombination zur Beschreibung der zugrunde liegenden Waren geeigneter Wörter (vgl. EuGH, GRUR 2004, 680 – BIOMILD) – beurteilt, ohne dabei von diesen Kriterien abzuweichen.

115

2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelfallentscheidung aufgrund der konkreten tatsächlichen Umstände getroffen worden ist.

IV.

116

Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz MarkenG sind nicht gegeben.