Beschluss des BPatG München 30. Senat vom 27.10.2022, AZ 30 W (pat) 572/20

BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 27.10.2022, AZ 30 W (pat) 572/20, ECLI:DE:BPatG:2022:271022B30Wpat572.20.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2020 011 458.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 27. Oktober 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Merzbach

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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DINCD

3

ist am 27. Mai 2020 für die Waren der

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„Klasse 01: chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat“

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zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.

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Mit Beschluss vom 22. Juli 2020 hat die Markenstelle für Klasse 01 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

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Zur Begründung ist ausgeführt, bei dem angemeldeten Zeichen
DINCD handele es sich hinsichtlich der beanspruchten Waren „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat“ um eine Merkmalsbezeichnung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG – nämlich den Hinweis auf die Art der Waren bzw. deren chemische Zusammensetzung.

8

Die beanspruchten Waren richteten sich an in der chemischen Industrie tätige Fachleute und damit an ein spezialisiertes Fachpublikum, das im Bereich der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen tätig und erfahren sei. Von einem solchen Publikum könne die Kenntnis der in seinem Tätigkeitsbereich üblichen wissenschaftlichen Begriffe und Abkürzungen unabhängig von deren sprachlicher Herkunft erwartet werden.

9

Bei „Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat“ handele es sich um einen Weichmacher, der in der Kunststoffindustrie eingesetzt werde. Weichmacher würden üblicherweise mit Großbuchstaben abgekürzt und zwar in der Art, dass die Anfangsbuchstaben der chemischen Bestandteile aneinandergereiht würden. Beispielsweise ließen sich als Kurzzeichen typischer in der Industrie verwendeter Weichmacher recherchieren:

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– Di-isobutylphthalat (DIBP),

11

– Benzylbutylphthalat (BBP),

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– Diisononyl 1,2-cyclohexanedicarboxylic acid (DINCH).

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In diese Art der Bildung reihe sich auch die hier beanspruchte Buchstabenfolge
DINCD ein, die für den angesprochenen chemisch versierten Fachverkehr als Kurzbezeichnung für die konkret beanspruchten
Di[
iso]-
nonyl
cyclohexan
dicarboxylate verstanden werde. Hier stehe „
D“ für „di“, der Großbuchstabe „
I“ für „iso“-verzweigte Gruppen und der Großbuchstabe „
N“ für „Nonyl“, was der deutschen Industrienorm DIN 7723 (bzw. der dort benannten 1986 veröffentlichten Norm ISO/DIS 1043-3 der Internationalen Organisation für Normung (ISO)) betreffend die für Kunststoffe und Weichmacher verwendeten Kurzzeichen und Kennbuchstaben entspreche. Auch mute es nicht ungewöhnlich an, das angehängte „cyclohexandicarboxylat“ mit der Versalienfolge „CD“ und damit „cyclohexan“ als „C“ und „dicarboxylat“ mit „D“ abzukürzen.

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Unerheblich sei dabei, wie viele Anbieter die konkrete Abkürzung bzw. Kurzbezeichnung bereits verwenden und ob der Anmelder der „Erfinder“ oder erstmalige Nutzer der Bezeichnung sei. Da beschreibende Angaben von vornherein zur freien Benutzung verbleiben müssten, seien Aspekte einer aktuellen Verwendung nicht relevant.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie geltend macht,

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dass potentielle Wettbewerber auf andere Namen ausweichen könnten und deshalb kein Freihaltungsbedürfnis bestehe. Außerdem handele es sich bei dem angemeldeten Zeichen
DINCD um einen Phantasienamen, dem die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden könne.

17

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin hat keinen Antrag gestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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A. Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist für ihre Zulässigkeit kein konkreter Antrag erforderlich. Fehlt, wie vorliegend, ein Antrag, ist von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang auszugehen (Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 66 Rn. 40).

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B. Die Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache jedoch nicht begründet. Die angemeldete Bezeichnung
DINCD unterliegt in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 01 einem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 408). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 30, 31 – Chiemsee; GRUR 2004 Rn. 56 – Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla). Hierbei muss der Formulierung „und/oder“ entnommen werden, dass auch das Verständnis der (am Handel) beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 8 Rn. 443).

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Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 97 – Postkantoor; MarkenR 2008, 160  Rn.  35 – HAIRTRANSFER; GRUR Int. 2010, 503 Rn. 37 – Patentconsult; GRUR 2010, 534 Rn. 52 – PRANAHAUS; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 12, 17 – Rheinpark-Center Neuss; GRUR 2012, 276 Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; siehe auch Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, a.a.O., § 8 Rn. 431ff.). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es – in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich – ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT).

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2. Nach diesen Maßstäben ist die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens zu verneinen, da es sich hinsichtlich der beanspruchten Waren um eine Merkmalsbezeichnung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG – nämlich den Hinweis auf die Art der Waren bzw. deren chemische Zusammensetzung – handelt.

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a. Die Buchstabenfolge
DINCP ist angemeldet für „chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat“. Zutreffend hat die Markenstelle ausgeführt und belegt, dass es sich bei der vorgenannten Chemikalie um einen Weichmacher handelt, der in der Kunststoffindustrie eingesetzt wird.

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b. Die verfahrensgegenständlichen Waren richten sich an Fachleute im Bereich der chemischen Industrie, die im Bereich der Herstellung und Verarbeitung von Kunststoffen tätig und in diesem Bereich erfahren sind. Von einem solchen Publikum kann die Kenntnis der in seinem Tätigkeitsbereich üblichen wissenschaftlichen Begriffe und Abkürzungen unabhängig von deren sprachlicher Herkunft erwartet werden (vgl. EuG, T-0721/15 – DINCH).

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c. Weichmacher, zu denen das beanspruchte „Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat“ zählt, werden üblicherweise mit Großbuchstaben abgekürzt und zwar in der Art, dass die Anfangsbuchstaben der Wortbestandteile aneinandergereiht werden. Die Wortbestandteile wiederum bilden chemisch-funktionelle Einheiten ab, die Aufschluss über die enthaltenen Chemikalien, aber auch räumliche (z.B. „cyclo“, s.u.) oder numerische (z.B. „Di“, s.u.) Informationen geben. Mit dem Ziel chemische Abkürzungen zu standardisieren, sind z.B. in der Norm ISO 1043-3 für Kunststoffe und Weichmacher häufig verwendete Kurzzeichen und Kennbuchstaben zusammengestellt. Diese Nomenklatur konnten Fachleute auf dem Gebiet der Chemie bereits zum Anmeldezeitpunkt verwenden, um Abkürzungen für Chemikalien u.a. entsprechend ihren Bestandteilen festzulegen.

27

In diese Art der Bildung reiht sich die angemeldete Buchstabenfolge
DINCD ein, die für den angesprochenen chemisch versierten Fachverkehr als Kurzbezeichnung für das beanspruchte „
Di[
iso]-
nonyl
cyclohexan
dicarboxylat“ verstanden wird. Mit der Markenstelle ist davon auszugehen, dass „
D“ für „di“ (= zwei, numerische Funktion), der Großbuchstabe „
I“ für „iso“-verzweigte Gruppen (räumliche Funktion) und der Großbuchstabe „
N“ für „Nonyl“ (= neun, numerische Funktion) steht, was der Norm ISO 1043-3 entspricht. Hinsichtlich des angehängten „
cyclohexan
dicarboxylat“ sind die Versalien „CD“ naheliegend, um damit „cyclohexan“ als „C“ und „dicarboxylat“ mit „D“ abzukürzen. Der Bestandteil „cyclo“ bedeutet „ringförmig“. Die Gesamtbezeichnung „cyclohexan“ gibt Aufschluss darüber, dass die sechs CH
2-Verbindungen des „Hexan“ nicht linear, sondern ringförmig aufgebaut sind. Das letzte Element „dicarboxylat“ bildet ebenfalls eine chemisch-funktionelle Einheit und informiert darüber, dass zwei Carboxylate (Salzformen von Carbonsäuren) vorliegen. Vor diesem Hintergrund besteht das beanspruchte „
Di[
iso]-
nonyl
cyclohexan
dicarboxylat“ aus vier chemisch-funktionell zusammengehörenden Einheiten, deren Anfangsbuchstaben branchentypisch in der angemeldeten Buchstabenkombination
DINCD kombiniert sind.

28

Die Tatsache, dass mit „cyclohexan“ vergleichbare Begriffsbildungen wie „
cyclo
hexyl“ nach ISO 1043-3 mit den Versalien „CH“ statt mit „C“ abgekürzt werden, nämlich „C“ für „cyclo“ und „H“ für „hexyl“ (z.B. „
Butyl
cyclo
hexyl
phthalat“, abgekürzt BCHP oder Cyclohexandicarbonsäurediisononylester, abgekürzt DINCH [nach der englischen Bezeichnung
Di
iso
nonyl 1,2-
cyclo
hexanedicarboxylic
acid]), führt zu keinem anderen Ergebnis. Zu bedenken ist nämlich, dass dem Fachverkehr das angemeldete Zeichen
DINCD in Zusammenhang mit dem beanspruchten
Di[
iso]-
nonyl
cyclohexan
dicarboxylat begegnet, bei dem die Großbuchstaben der chemischen-funktionell zusammengehörenden Einheiten verwendet werden. Überdies spiegelt die Nomenklatur der ISO1043-3 lediglich standardisierte Konventionen wider, die von Fachleuten auf dem Gebiet der Chemie verwendet werden
können, um Abkürzungen für Chemikalien entsprechend ihren Bestandteilen festzulegen (vgl. EuG, T-0721/15 – DINCH).

29

Gegen die Eignung der angemeldeten Buchstabenkombination
DINCD zur Beschreibung von chemisch-funktionellen Merkmalen des beanspruchten chemischen Erzeugnisses „Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat“ spricht auch nicht die Tatsache, dass sich eine Benutzung des angemeldeten Zeichens bisher nicht feststellen lässt. Ebenfalls spielt es keine Rolle, ob und inwieweit der Anmelder die angemeldete Marke „erfunden“ hat (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 440). Es reicht vielmehr aus, dass sie beschreibend verwendet werden
kann (StRspr, vgl. z.B. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 30 – Chiemsee).  Das ist, wie bereits ausgeführt, der Fall. So ist das angemeldete Zeichen
DINCD geeignet, Merkmale des beanspruchten Di[iso]-nonylcyclohexandicarboxylat, nach den chemisch-funktionellen Einheiten „
Di“-„
Iso“-“
Nonyl“-„
Cyclohexan“-„
Dicarbonat“ zu bezeichnen.

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d. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Anmelderin greifen nicht durch.

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aa. Der Vortrag der Anmelderin, es handele sich bei
DINCD um einen Fantasiebegriff, überzeugt nicht. Das angemeldete Zeichen besteht im Wesentlichen aus Konsonanten, die sich in der vorliegenden Kombination nicht als ein (Fantasie-)Wort aussprechen lassen. Im Hinblick auf die somit als Akronym erkennbare Buchstabenkombination
DINCD ist für den Fachverkehr sofort erkennbar, dass es sich um die Kombination der Anfangsbuchstaben von fünf chemisch-funktionellen Einheiten handelt, die das beanspruchte „
Di[
iso]-
nonyl
cyclohexan
dicarboxylat“ bilden.

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bb. Soweit die Anmelderin geltend macht, (potentielle) Wettbewerber könnten auf andere Namen ausweichen, vermag dies die Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens nicht zu begründen. Es kommt nämlich lediglich darauf an, ob mit der Bezeichnung
DINCD die Chemikalie „
Di[
iso]-
nonyl
cyclohexan
dicarboxylat“ nach der Branchenübung bezeichnet werden kann, was erkennbar der Fall ist. Keine Rolle spielt hingegen, ob mögliche Wettbewerber der Anmelderin derzeit oder künftig auf das angemeldete Zeichen zur Beschreibung ihrer Angebote angewiesen sind oder ob noch andere gleichwertige oder sogar gebräuchlichere Ausdrücke oder Formen zur Verfügung stehen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 435 m.w.N.).

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3. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der beanspruchten Waren von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.