Beschluss des BPatG München 26. Senat vom 24.10.2022, AZ 26 W (pat) 39/21

BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 24.10.2022, AZ 26 W (pat) 39/21, ECLI:DE:BPatG:2022:241022B26Wpat39.21.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 48 098 – 0474/21 Lösch

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. Oktober 2022 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Markeninhaberin auferlegt.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die für Waren der Klassen 30, 32 und 33 am 22. September 2005 unter der Nummer 305 48 098 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragene Wortmarke „NORDFJORD“ der Antragsgegnerin hat die Beschwerdegegnerin am 2. Juni 2021 die Erklärung des Verfalls und der Löschung mangels Benutzung innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren gemäß §§ 49 Abs. 1, 26 MarkenG beantragt und mit Schriftsatz von demselben Tag nebst einer Anlage begründet. Dieses – hier streitgegenständliche – Verfallslöschungsverfahren ist beim DPMA unter dem Aktenzeichen „305 48 098 – 047
4/21 Lösch“ geführt worden.

2

An demselben Tag hat die Beschwerdegegnerin gegen dieselbe Marke auch einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse, nämlich wegen einer angeblich täuschenden geografischen Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG, gestellt und diesen mit Schriftsatz von demselben Tag nebst vier Anlagen begründet. Dieses – hier nicht streitgegenständliche – Nichtigkeitsverfahren hat beim DPMA das Aktenzeichen „305 48 098 – 047
5/21 Lösch“ erhalten.

3

In beiden Verfahren hat das DPMA die Markeninhaberin mit getrennten Schreiben vom 9. Juni 2021 gemäß § 53 Abs. 4 MarkenG aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung mitzuteilen, ob dem Verfalls- bzw. dem Nichtigkeitsantrag widersprochen werde. In beiden Schreiben sind das jeweilige Aktenzeichen und die jeweilige Art des Antrags angegeben worden. In beiden Verfahren ist unter der Überschrift „Zustellnachweis – Bestätigung über Übergabeeinschreiben“ am 11. Juni 2021 vermerkt worden, dass die am 9. Juni 2021 ausgestellten Schreiben als Übergabeeinschreiben am 10. Juni 2021 unter der „Einschreibennummer: RJ054606425DE110“ versendet worden sind. Dabei ist in beiden Aktenvermerken der Inhalt der jeweiligen Sendung, nämlich „Zustellung Antrag Verfall an Inhaber … Antragsbegründung Anlage A“ im Verfahren 305 48 098 – 047
4/21 Lösch und „Zustellung Antrag Nichtigkeit absolut an Inhaber … Antragsbegründung, Anlage A1, Anlage A2, Anlage A3, Anlage A4 …“ im Verfahren 305 48 098 – 047
5/21 Lösch, wiedergegeben. Auch die Ziffern der jeweiligen „Versandpaket-Id“ und „Dokument-Id“ unterscheiden sich, während die Einschreibennummer identisch ist.

4

In dem beim DPMA per Telefax am 12. Juli 2021 eingegangenen Widerspruch vom 15. Juni 2021 hat die Markeninhaberin im Betreff angegeben: „Aktenzeichen: 305 48 098 – 0475/21 Lösch (Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse)“. Diesen Widerspruch hat sie mit einem am 28. Juli 2021 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz vom 13. Juli 2021 unter identischer Betreff-Angabe begründet.

5

Ein auf den vorliegenden Verfallsverfahren bezogenen Widerspruch ist beim DPMA nicht eingegangen.

6

Mit Beschluss vom 28. September 2021 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die Eintragung der angegriffenen Marke für verfallen erklärt und gelöscht, weil die Markeninhaberin dem Antrag auf Erklärung des Verfalls nicht widersprochen habe.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie unter Vorlage des Sendeberichts über ihren per Telefax am 12. Juli 2021 an das DPMA übermittelten Widerspruch vom 15. Juni 2021 im parallelen Nichtigkeitsverfahren zunächst geltend gemacht hat, dass sie dem Verfallsantrag widersprochen habe. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 10. Februar 2022, dass sich dieser Widerspruch nicht auf das Verfallsverfahren beziehe, behauptet die Markeninhaberin nunmehr, der Verfallsantrag sei ihr niemals zugestellt worden, weshalb sie um Prüfung bitte.

8

Daraufhin ist das DPMA mit gerichtlichem Schreiben vom 4. April 2022 um Vorlage eines Nachweises über die Zustellung des Verfallsantrages an die Markeninhaberin gebeten worden. Im übersandten Aktenvermerk des DPMA vom 26. April 2022 ist ein Foto der Empfangsbestätigung zur Sendungsnummer „RJ054606425DE110“ abgebildet, in der sich ein eingerahmtes Feld mit folgenden Angaben befindet:

9

„Empfangsbestätigung 11.06.2021

10

Belegnr.: FE3KKF20210611000017

11

2 Sendungen erhalten:“

12

Unterhalb des Textes „2 Sendungen erhalten:“ folgen eine Unterschrift, die handschriftliche Wiedergabe des Vornamens und des Namens des Unterzeichners
„K…“ als „Empfangsberechtigter“ sowie das angekreuzte Kästchen
„EmpfBev.“.

13

Nach Übermittlung dieses Aktenvermerks versichert die Markeninhaberin, dass die Postsendung vom 9. Juni 2022 lediglich den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse (Aktenzeichen 305 48 098– 0475/21 Lösch) enthalten habe. Der Postsachbearbeiter K… habe nur den Empfang der geschlossenen Postsendung bestätigt, ohne den Inhalt erkennen zu können. Geöffnet worden sei die Post erst von der Rechtsabteilung, die als Inhalt nur den Nichtigkeitsantrag festgestellt habe. Wäre der Verfallsantrag eingegangen, hätte die Markeninhaberin die Benutzung der angegriffenen Marke nachgewiesen, wie sie es bereits in dem beim DPMA parallel anhängigen Widerspruchsverfahren getan habe, in dem sie aus der streitgegenständlichen Marke Widerspruch gegen die international registrierte Marke „Njord“ (1 505 335) der Antragstellerin erhoben habe. Da der angefochtene Beschluss auf einem Fehler des Amtes beruhe, sei die Beschwerdegebühr zu erstatten.

14

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

15

1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 28. September 2021 aufzuheben;

16

2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

17

Die Antragstellerin beantragt,

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1. die Beschwerde zurückzuweisen;

19

2. der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

20

Sie ist der Ansicht, dass die Behauptung der Markeninhaberin, dass ihr mit dem Einschreiben des DPMA nicht auch der Verfallsantrag zugestellt worden sei, widerlegt sei. Denn aus dem Aktenvermerk des DPMA vom 26. April 2022 mit der darin abgebildeten Empfangsbestätigung ergebe sich, dass die beiden Mitteilungen des DPMA als zwei Sendungen unter derselben Einschreibennummer an die Markeninhaberin versendet worden seien und K… als ihr Empfangsberechtigter deren Empfang durch seine Unterschrift bestätigt habe. Diesen Anscheinsbeweis über den Zugang auch des Verfallsantrages habe die Markeninhaberin nicht erschüttert. Es mangele an Vortrag zu einem abweichenden Geschehensablauf sowie an Beweisantritten. Damit stehe fest, dass der Markeninhaberin auch der Verfallsantrag zugegangen sei, gegen den sie keinen Widerspruch eingelegt habe.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

22

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

23

1. Die Markenabteilung 3.4 des DPMA hat die Eintragung der angegriffenen Marke mangels Widerspruchs der Antragsgegnerin zu Recht ohne Sachprüfung für verfallen erklärt und gelöscht (§§ 49 Abs. 1, 53 Abs. 5 MarkenG).

24

a) Nach § 53 Abs. 4 und 5 MarkenG wird der Verfall erklärt und die Eintragung gelöscht, wenn der Markeninhaber der Löschung aufgrund Verfalls nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung des DPMA über den Antrag auf Erklärung des Verfalls mit der Aufforderung, sich zu dem Antrag zu erklären, widerspricht.

25

b) Die Markeninhaberin hat der Löschung aufgrund Verfalls nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Verfallsantrags am 14. Juni 2021 widersprochen.

26

aa) Die Mitteilung nach § 53 Abs. 4 MarkenG mit der Unterrichtung über den Antrag auf Erklärung des Verfalls und der Aufforderung mitzuteilen, ob dem Antrag widersprochen werde, ist am 10. Juni 2021 als Übergabeeinschreiben an die Markeninhaberin abgesandt worden. Gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt ein mittels Einschreiben übersandtes Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

27

bb) Diese Vermutungswirkung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG ist jedoch erschüttert worden, nachdem die Markeninhaberin vorgetragen hat, dass ihr Postsachbearbeiter nur den Empfang der geschlossenen Sendung bestätigt habe, ohne den Inhalt zu kennen und dass die die Post öffnende Rechtsabteilung als Inhalt nur den Nichtigkeitsantrag und nicht auch den vorliegenden Verfallsantrag gefunden habe. Zudem besteht vorliegend eine ungewöhnliche Abweichung zwischen den beiden Parallelverfahren, da in einem der Verfahren, dem Nichtigkeitsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse, ein Widerspruch eingegangen ist, in dem anderen, dem vorliegenden Verfallsverfahren hingegen nicht, obwohl die Markeninhaberin darauf hingewiesen hat, dass sie in einem aus der Streitmarke geführten Widerspruchsverfahren deren rechtserhaltende Benutzung bereits glaubhaft gemacht habe. Damit hatte das DPMA als zustellende Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen (§ 94 Abs. 1 MarkenG i. V m. § 4 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Als Nachweis kommt eine unterzeichnete Empfangsbestätigung in Betracht (vgl. BPatG, 30 W (pat) 18/06 – Starsat; Engelhardt/Schlatmann, VwVG/VwZG, 10. Aufl., § 4 VwZG Rdnr. 2, 9, 15). Denn die Sendung wird nur ausgehändigt, wenn der Empfänger den Empfang auf einem Formblatt, einem Rückschein oder elektronisch bestätigt (Engelhardt/Schlatmann, a. a. O., Rdnr. 15 unter Hinweis auf Abschnitt 4 II 4 u. 4 V 1 AGB BRIEF NATIONAL der Deutschen Post; ähnlich Sadler, VwVG/VwZG, 8. Aufl., § 4 VwZG, Rdnr. 28; Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 94 Rdnr. 16 a. E. und Schulte-Schell, PatG, 11. Aufl., § 127 Rdnr. 64 die den „Auslieferungsbeleg“ nennen, womit dasselbe gemeint sein dürfte wie „Empfangsbestätigung“).

28

cc) Dieser Zustellungsnachweis ist erbracht worden. Laut der im Aktenvermerk des DPMA vom 26. April 2022 wiedergegebenen Fotografie der Empfangsbestätigung hat der dort als Empfangsberechtigter und -bevollmächtigter der Markeninhaberin bezeichnete „K…“, der im Übrigen auch drei von vier Zustellungen im vorliegenden Beschwerdeverfahren für die Markeninhaberin entgegengenommen hat und dessen Empfangsberechtigung von ihr auch nicht in Frage gestellt worden ist, unter der gemeinsamen Einschreibennummer „RJ054606425DE110“ „2 Sendungen erhalten“ und den Empfang durch Unterzeichnung quittiert. Auch der Widerspruch im parallelen Nichtigkeitsverfahren 305 48 098 047
5/21 Lösch belegt, dass die Markeninhaberin die Einschreibesendung RJ054606425DE110 tatsächlich erhalten hat. Da sich in den Akten beider paralleler Löschungsverfahren die beiden Aktenvermerke vom 11. Juni 2021 über die Versendung der Mitteilungen nach § 53 Abs. 4 MarkenG als Übergabeeinschreiben mit detaillierten Angaben zu den jeweiligen verschiedenen Sendungsinhalten unter einer identischen „Einschreibennummer“ befinden und die Empfangsbestätigung mit der vorbereiteten Angabe „2 Sendungen erhalten: …“ unterzeichnet ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das ausgehändigte Einschreiben auch die Mitteilung gemäß § 53 Abs. 4 MarkenG im vorliegenden Verfallslöschungsverfahren 305 48 098 – 047
4/21 Lösch mit umfasst hat und dieses somit der Markeninhaberin am 11. Juni 2021 ausgehändigt worden ist.

29

dd) Soweit die Markeninhaberin „versichert“, dass die Postsendung beim Öffnen durch die Rechtsabteilung lediglich den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit und Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse im Verfahren 305 48 098 – 047
5/21 Lösch enthalten habe, ihr ein weiterer Antrag, nämlich der Verfallsantrag im vorliegenden Verfahren 305 48 098 – 047
4/21 Lösch, nicht beigefügt gewesen sei, geht dies nicht über eine unbelegte Behauptung hinaus, die den Beweiswert einer von ihrem Empfangsberechtigten unterzeichneten Empfangsbestätigung über den Erhalt von „2 Sendungen“ nicht zu beeinträchtigen vermag. Die Markeninhaberin hat trotz entsprechenden Hinweises der Antragstellerin einen abweichenden Geschehensablauf weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt.

30

ee) Obwohl die Mitteilung nach § 53 Abs. 4 MarkenG der Markeninhaberin laut Empfangsbestätigung bereits am 11. Juni 2021, also einen Tag nach der am 10. Juni 2021 erfolgten Aufgabe zur Post zugegangen ist, gilt das Dokument erst am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, da der Tatbestand der Ausnahmeregelung des § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz VwZG, nämlich Nichtzustellung oder eine spätere Zustellung, nicht erfüllt ist (vgl. Engelhardt/Schlatmann, a. a. O., § 4 VwZG Rdnr. 8; Sadler, a. a. O., § 4 VwZG Rdnr. 35; Kugelmüller-Pugh in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 170. Ergänzungslieferung, September 2022, § 4 VwZG Rdnr. 25). Da das Ende der Dreitagesfrist auf Sonntag, den 13. Juni 2021 fiel, verlängerte sich diese Frist bis zum Ablauf des nächsten Werktages und hat daher erst am Montag, dem 14. Juni 2021, geendet (BFH, Urt. v. 14.10.2003 – IX R 68/98, BStBl II 2003, 898; Beschl. v. 5.8.2011 – III B 76/11, BFH/NV 2011, 1845; Kugelmüller-Pugh, a. a. O., § 4 VwZG Rdnr. 24). Die Mitteilung nach § 53 Abs. 4 MarkenG gilt damit als am 14. Juni 2021 zugestellt (§ 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG).

31

ff) Die zweimonatige Widerspruchsfrist gemäß § 53 Abs. 4 und 5 MarkenG hat am 14. Juni 2021 zu laufen begonnen und, da das Ende der Frist auf Samstag, den 14. August 2021, fiel, erst am Montag, dem 16. August 2021, geendet (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 222 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB). Da die Markeninhaberin erstmalig mit der am 29. Oktober 2021 eingegangenen Beschwerdeschrift zum Ausdruck gebracht hat, dass sie gegen den Antrag auf Erklärung des Verfalls vorgehen will, ist dieser Widerspruch verspätet.

32

2. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist gemäß § 53 Abs. 4 und 5 MarkenG kommt nicht in Betracht.

33

a) Ein Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG ist von der Markeninhaberin nicht gestellt worden.

34

b) Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 91 Abs. 1 und 4 MarkenG kann ebenfalls nicht erfolgen.

35

aa) Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist des § 53 Abs. 4 MarkenG ist gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG möglich. Zuständig für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist nach § 91 Abs. 6 MarkenG das DPMA als die Stelle, die über den Widerspruch gegen die Löschung zu beschließen hat. Das Bundespatentgericht als Rechtsmittelgericht kann die Entscheidung aber ausnahmsweise an sich ziehen, wenn sich die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung ohne weiteres aus den Akten ergeben (vgl. BPatG 29 W (pat) 25/16 – ABDRUSCHIN IM LICHTE DER WAHRHEIT und 24 W (pat) 26/12 – Blower Door jeweils unter Hinweis auf BGH NJW 1982, 1873, 1875). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

36

bb) Aber mangels hinreichender Darlegung und Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes (§ 91 Abs. 1 und 3 MarkenG) kann eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht erfolgen. Denn die Markeninhaberin hat für ein unverschuldetes Fristversäumnis weder Tatsachen vorgetragen noch durch eidesstattliche Versicherung oder sonstige Beweismittel glaubhaft gemacht.

37

3. Der Kostenantrag der Antragstellerin hat Erfolg.

38

a) Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG 27 W (pat) 40/12 – mcpeople/McDonald′s; BPatGE 12, 238, 240 – Valsette/Garsette). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen (BGH a. a. O. – Lewapur; a. a. O. – Schutzverkleidung).

39

b) Da die Markeninhaberin gegen den ihr zugestellten Antrag auf Erklärung des Verfalls keinen fristgerechten Widerspruch eingelegt hat, ist die Beschwerde bereits bei ihrer Einlegung ersichtlich erfolglos gewesen. Denn ohne diesen Widerspruch ist gemäß § 53 Abs. 5 MarkenG der Verfall zu erklären und die Eintragung der angegriffenen Marke zu löschen. Für eine abweichende Entscheidung besteht kein Raum. Aber selbst wenn man die unbelegte Behauptung der Markeninhaberin zugrunde legte, wonach sie den Verfallsantrag nicht erhalten hat, ist zu berücksichtigen, dass ihr im unstreitig zugestellten Schriftsatz der Antragstellerin vom 2. Juni 2021 im parallelen Nichtigkeitsverfahren 305 48 098 – 0475/21 Lösch schon auf der ersten Seite mitgeteilt worden war, dass die Beschwerdegegnerin an demselben Tag auch noch den vorliegenden, parallelen Verfallsantrag gestellt habe und auf die dortigen Ausführungen nebst Anlage A Bezug nehme. Für die Markeninhaberin hätte daher zumindest nach ein paar Wochen Veranlassung bestanden, sich beim DPMA nach dem Verbleib des zweiten, gleichzeitig eingegangenen (Verfalls-)Antrages zu erkundigen, so dass ein rechtzeitiger Widerspruch noch möglich gewesen wäre. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage wäre es unbillig, wenn die Antragstellerin die vermeidbaren Kosten für die Führung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens selbst tragen müsste (vgl. auch BPatG 28 W (pat) 60/21 – easy weight).

40

4. Der Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet.

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a) Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen der Beschwerdeführerin einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Besondere Umstände für eine Rückerstattung liegen beispielsweise vor, wenn die Beschwerdeführerin durch ein verfahrensfehlerhaftes und unzweckmäßiges Verhalten oder durch eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung des DPMA zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei sachgerechter Verfahrensweise mit gewisser Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können (BPatGE 50, 54, 60 – Markenumschreibung; BPatG 30 W (pat) 20/08 – Signalblau und Silber; 26 W (pat) 534/17 – YogiMerino/yogiMerino).

42

b) Vorliegend kann ein Fehlverhalten des DPMA nicht festgestellt werden.