BVerwG 8. Senat, Urteil vom 19.10.2022, AZ 8 C 15/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:191022U8C15.21.0
Leitsatz
Eingriffe in die körperliche Bewegungsfreiheit durch Sicherheitsbehörden der DDR sind grundsätzlich nicht als systembedingte Nachteile dem allgemeinen Schicksal der Bevölkerung der DDR zuzurechnen, auch wenn die Freiheitsbeschränkungen nicht von längerer Dauer waren. Sie unterliegen nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 VwRehaG bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung.
Verfahrensgang
vorgehend VG Berlin, 28. Januar 2021, Az: 9 K 536.19
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2021, berichtigt durch Beschluss vom 23. Februar 2021, wird aufgehoben, soweit es die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung des Klägers wegen dessen Überwachung durch Mitarbeiter und Informelle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR während des Grundwehrdienstes, wegen der drei Festnahmen des Klägers durch Sicherheitsbehörden der DDR im Jahr 1987 sowie wegen des mit der Androhung – weiterer – Haft verbundenen Verbots zweier Fotoausstellungen in den Jahren 1987 und 1989 abgelehnt hat. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
1
Der 1960 geborene Kläger begehrt seine verwaltungsrechtliche und berufliche Rehabilitierung.
2
Nach dem Besuch der polytechnischen Oberschule absolvierte der Kläger eine Ausbildung zum Gas-Wasser-Installateur. Anschließend arbeitete er in diesem Ausbildungsberuf sowie als Schlosser; kurzzeitig war er 1979 als Hilfserzieher im K. Hospital und 1984 in einer Schule für Kinder mit Körperbehinderung in B. beschäftigt. Von Mai 1985 bis Oktober 1986 leistete der Kläger Grundwehrdienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) und bemühte sich um die Zulassung zum Studium als Heimerzieher. Anschließend nahm er zunächst seine Tätigkeit in der Körperbehindertenschule B. wieder auf und wechselte im Januar 1987 an das Kinderheim M. in Berlin. Im Mai 1987 stimmte die Abteilung Volksbildung des Magistrats einer Aufhebung dieses Arbeitsverhältnisses zu und stellte fest, eine Delegierung zu einem Studium sei nicht gerechtfertigt. Danach arbeitete der Kläger bis 1990 als Bühnenhandwerker bei der Akademie der Künste der DDR.
3
Im November 1978 wurde der Kläger auf einer Reise mit Freunden nach Prag an der Grenze im Zug festgenommen und wegen „asozialen Verhaltens“ mit einem Einreiseverbot in die CSSR belegt. Sein Vorhaben, sich aus der DDR ausschleusen zu lassen, brach er im Dezember 1978 ab und zeigte sich selbst sowie zwei weitere Bürger der DDR bei den Sicherheitsbehörden an. Daraufhin wurde er in die zentrale Personenkartei und weitere Karteien des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) aufgenommen und durch Mitarbeiter des MfS überwacht. Außerdem wurde seine Korrespondenz mit Freunden und Bekannten im westlichen Ausland kontrolliert. Während seiner Wehrdienstzeit litt er unter Schikanen dienstälterer Soldaten seiner Einheit, reagierte depressiv und hegte Suizidgedanken. Der zum Ende des Grundwehrdienstes verfasste Abschlussvermerk des MfS bescheinigte dem Kläger eine politisch indifferente Haltung zu den Verhältnissen in der DDR; er sei erneut mit Äußerungen über die Möglichkeiten eines illegalen Verlassens der DDR in Erscheinung getreten und solle wegen der Widersprüchlichkeit in seinem Auftreten und seinen Handlungen auch künftig unter „operativer Kontrolle“ gehalten werden. Der Kläger war im Sicherungsvorgang Kultur/Massenmedien des MfS erfasst. Er plante private Fotoausstellungen, darunter die Ausstellungen „Dokumente“ (1987) und „Solidarnosc“ (1989). Darüber hinaus war er im Oktober 1989 an der Organisation von Veranstaltungen des Neuen Forums beteiligt, weshalb er zum Rat des Stadtbezirks einbestellt wurde.
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Ab März 2014 wurde dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente wegen einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung und einer reaktiven depressiven Anpassungsstörung zuerkannt. Im März 2015 beantragte er seine verwaltungsrechtliche und berufliche Rehabilitierung. Ihm sei wegen seiner oppositionellen Haltung 1978 der weitere Besuch der Abendschule und in den 1980er Jahren der Zugang zum Studium verwehrt worden. Seine Stelle als Hilfserzieher habe er verloren, weil er gegen die teils brutalen Methoden der Heimerziehung protestiert habe und seine oppositionelle Haltung erkennbar geworden sei. Deshalb habe er auch den für die Studienzulassung erforderlichen Helferkurs nicht absolvieren dürfen. Von 1983 bis 1989 sei er Zersetzungsmaßnahmen des MfS ausgesetzt gewesen. Dadurch sei er gesundheitlich geschädigt und in seiner beruflichen Entwicklung behindert worden. Das MfS habe ihm die geplanten Ausstellungen unter Androhung von Haft verboten und ihn 1987 insgesamt dreimal festgenommen, unter anderem zur Durchsetzung des Ausstellungsverbots. Er habe in permanenter Angst vor erneuter Inhaftierung und in ständiger Unsicherheit gelebt. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens legte der Kläger eidesstattliche Versicherungen mehrerer Personen vor. Der Beklagte lehnte die Anträge des Klägers ab und wies seine Widersprüche zurück.
5
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung zu. Die von ihm nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten hoheitlichen Maßnahmen seien weder je für sich noch in ihrer Gesamtheit mit den tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats schlechthin unvereinbar. Rehabilitierungsfähig seien nur Maßnahmen, die sich deutlich von den allgemeinen Beeinträchtigungen in der DDR abhöben und insoweit als drastisches Sonderopfer erschienen. Dies treffe weder auf die Überwachung durch das MfS noch auf das Einreiseverbot zu, weil Beschränkungen der Reisefreiheit in der DDR üblich gewesen seien. Dem Vortrag des Klägers seien auch keine sonstigen glaubhaften rechtsstaatswidrigen Einzelmaßnahmen zu entnehmen. So sei nicht erkennbar, dass die Ausstellungsverbote unter Haftandrohung über die in der DDR allgemeine, ideologisch motivierte Reglementierung des Kulturbereichs hinausgingen. Die drei Festnahmen im Jahr 1987 überschritten nicht die erforderliche Erheblichkeitsschwelle des § 1 Abs. 2 VwRehaG; zudem sei nicht dargelegt, dass sie von längerer Dauer gewesen seien. Die vorgetragene Gewaltanwendung wegen Protestaktionen sei nicht glaubhaft. Die Schikanen im Grundwehrdienst stellten keine hoheitlichen Maßnahmen dar. Die Nichtzulassung zum Studium greife nicht in eine verfestigte berufsbezogene Position ein und sei nicht auf politische Motive, sondern auf das Verfehlen sachlicher Anforderungen zurückzuführen. Einen konkreten Umstand, der die Einzelmaßnahmen zu einem Gesamtkomplex etwa im Sinne einer Zersetzung verbinde, habe der Kläger nicht hinreichend belegt. Ein Anspruch auf berufliche Rehabilitierung scheide aus, weil die Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse nicht auf Maßnahmen politischer Verfolgung zurückzuführen sei. Auch eine Rehabilitierung als verfolgter Schüler komme nicht in Betracht.
6
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, die Auslegung des § 1 Abs. 1 und 2 VwRehaG durch das Verwaltungsgericht verletze Bundesrecht. Das Einreiseverbot in die CSSR sei ebenso wenig Allgemeinschicksal der DDR-Bevölkerung gewesen wie die Überwachung durch das MfS und das Verbot privater Fotoausstellungen unter Androhung von Haft zu dessen Durchsetzung. Auch die Festnahmen seien rechtsstaatswidrig gewesen. Außerdem verbinde seine oppositionelle Haltung die gegen ihn ergriffenen Einzelmaßnahmen zu einem rehabilitierungsfähigen Gesamtkomplex. Darüber hinaus rügt der Kläger eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2021, berichtigt durch Beschluss vom 23. Februar 2021, zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 12. Februar 2018 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Juni 2019 zu verpflichten festzustellen,
dass die gegen den Kläger ergriffenen Maßnahmen (Einreiseverbot in die CSSR, Beendigung des Besuchs der Abendschule, Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit dem K. Hospital und dem Kinderheim M., Überwachung und „Zersetzungsmaßnahmen“ durch Mitarbeiter und Informelle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR – MfS – seit 1983 sowie Schikanen während des Grundwehrdienstes, die Aufnahme in den Sicherungsvorgang Kultur/Massenmedien des MfS, Einbestellung wegen Engagements für das Neue Forum, gewaltsames Hindern an der Verteilung von Flugblättern, drei Festnahmen im Jahr 1987, Verbote zweier Fotoausstellungen in den Jahren 1987 und 1989 sowie die Verweigerung der Delegation zum Fachhochschulstudium) rechtsstaatswidrig waren
und
dass der Kläger in der Zeit vom 22. Mai 1987 bis zum 2. Oktober 1990 im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes verfolgt worden ist,
sowie ferner
zu bestätigen, dass keine Ausschließungsgründe nach § 2 Abs. 2 VwRehaG und § 4 BerRehaG vorliegen.
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung des Klägers wegen dessen Überwachung durch Mitarbeiter und Informelle Mitarbeiter des MfS während des Grundwehrdienstes, wegen der drei Festnahmen durch Sicherheitsbehörden der DDR im Jahr 1987 sowie wegen des mit der Androhung – weiterer – Haft verbundenen Verbots zweier Fotoausstellungen in den Jahren 1987 und 1989 abgewiesen hat, beruht das Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig. Insoweit ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden kann (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg und ist zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).
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A. Das angegriffene Urteil leidet nicht unter dem geltend gemachten Verfahrensmangel. Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht verletzt. Es ist Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Ein als Verfahrensfehler einzuordnender Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann zwar gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. September 2021 – 8 C 31.20 – BVerwGE 173, 282 Rn. 13 m. w. N.). Ein solcher Verstoß liegt nicht vor. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Entlassung des Klägers aus dem K. Hospital sei nicht politisch veranlasst gewesen, weil er später in einer ähnlichen Einrichtung, der Körperbehindertenschule B., habe arbeiten können, missachten keinen allgemeinen Erfahrungssatz. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht den Beschäftigungsverlauf des Klägers individuell gewürdigt und dessen Weiterbeschäftigung in der Körperbehindertenschule B. lediglich als Indiz dafür gewertet, dass die vorangegangene Entlassung nicht auf politische Verfolgung zurückzuführen gewesen sei. Ebenso wenig erweist sich die vom Kläger gerügte Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, die Beendigung seiner Arbeitsverhältnisse im K. Hospital und später im Kinderheim M. ließe sich nicht mit einer politischen Zielrichtung in Einklang bringen, weil der Kläger anschließend in der Akademie der Künste der DDR tätig gewesen sei, als willkürlich oder denkgesetzwidrig.
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B. 1. Soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung abgewiesen hat, steht das angegriffene Urteil nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang.
13
a) Zutreffend zieht es als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 VwRehaG heran. Danach ist eine hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls im Beitrittsgebiet, die zu einer gesundheitlichen Schädigung oder einer beruflichen Benachteiligung geführt hat, auf Antrag aufzuheben, soweit sie mit tragenden Grundsätzen des Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar sind Maßnahmen, die in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben und die der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben (§ 1 Abs. 2 VwRehaG). Ist die hoheitliche Maßnahme nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, tritt an die Stelle der Aufhebung der Maßnahme die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit (§ 1 Abs. 5 VwRehaG). Das Verwaltungsgericht geht davon aus, nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwRehaG rehabilitierungsfähig seien rechtsstaatswidrige Maßnahmen nur in Fällen, die sich deutlich von allgemeinen Beeinträchtigungen in der DDR abhöben und insofern als drastisches Sonderopfer erschienen. Seine Annahme, eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung setze ein drastisches Sonderopfer des Betroffenen voraus, geht über die Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwRehaG hinaus und steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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In der Rechtsprechung ist geklärt, dass dem System der DDR immanente Einbußen an Freiheit und Eigentum nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwRehaG nicht rehabilitierungsfähig sind, wenn sie jeden Rechtsunterworfenen der DDR mehr oder weniger gleich trafen, wohl aber, wenn das Verhalten des Betroffenen rechtsstaatswidrige individuelle und konkrete staatliche Reaktionen im Einzelfall auslöste. Solche Maßnahmen können nicht mehr dem allgemeinen Schicksal der Bevölkerung der DDR zugerechnet werden, sondern stellen, sobald sie sich gegen eine einzelne Person konkretisieren und unmittelbar in deren Rechte eingreifen, individuelle Verfolgung dar (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2019 – 8 C 1.19 – BVerwGE 166, 200 Rn. 13). Eingriffe in Leben und Gesundheit und in die körperliche Bewegungsfreiheit überschreiten immer die Schwelle der für die Annahme einer Verfolgung erforderlichen Eingriffsintensität. Nur bei einer Beeinträchtigung anderer Rechte muss eine wertende Beurteilung vorgenommen und geprüft werden, ob derartige Eingriffe und Benachteiligungen systembedingt mehr oder weniger allgemeines DDR-Schicksal waren (BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 40.09 – BVerwGE 138, 36 Rn. 12). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz setzt die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwRehaG auch insoweit kein über eine ungleiche Betroffenheit hinausgehendes drastisches Sonderopfer voraus. Ein solches Erfordernis lässt sich weder dem Gesetzestext noch dem systematischen Zusammenhang oder dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen. Es kann auch nicht aus der Gesetzesbegründung abgeleitet werden. Soweit diese den Begriff des „drastischen Sonderopfers“ aufgreift, bezeichnet sie keine zusätzliche, die Rehabilitierungsfähigkeit nochmals einschränkende Anspruchsvoraussetzung. Die Formulierung dient lediglich der Erläuterung des gesetzgeberischen Anliegens, Verfolgungsmaßnahmen von systemimmanenten, jeden Rechtsunterworfenen mehr oder weniger gleichermaßen treffenden Beeinträchtigungen abzugrenzen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die personellen und sachlichen Mittel des Staates auf die Fälle konzentriert werden, die sich deutlich von dieser allgemeinen Beeinträchtigung abheben (vgl. BT-Drs. 12/4994 S. 23).
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b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei dem 1978 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Einreiseverbot in die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) handele es sich um eine hoheitliche Maßnahme, die dem Bereich allgemeiner Beeinträchtigungen der DDR-Bevölkerung zuzuordnen sei, steht ebenfalls nicht im Einklang mit Bundesrecht. Zwar trafen die allgemeinkundigen Beschränkungen der Reisefreiheit und der faktischen Unmöglichkeit der Ausreise aus der DDR alle DDR-Bürger schon seit der Gründung der DDR, besonders aber seit dem Bau der Mauer, gleichermaßen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 2013 – 3 PKH 8.13 <3 B 30.13> – juris Rn. 6; Urteil vom 24. Juli 2019 – 8 C 1.19 – BVerwGE 166, 200 Rn. 13). Es ist jedoch allgemeinkundig, dass sich diese Beschränkungen auf die Ausreise in das westliche „nichtsozialistische Ausland“ bezogen, nicht hingegen auf die Einreise in sozialistische Nachbarstaaten, zu denen die CSSR gehörte.
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2. Allerdings beruht das angegriffene Urteil nicht in jeder Hinsicht auf den festgestellten Verstößen gegen revisibles Recht.
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a) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beendigung der Arbeitsverhältnisse des Klägers als Hilfserzieher im K. Hospital und im Kinderheim M. sei nicht rehabilitierungsfähig, weil es sich um keine hoheitlichen Maßnahmen gehandelt habe, ist revisionsrechtlich fehlerfrei. Der Begriff der hoheitlichen Maßnahme einer Behörde nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG erstreckt sich nicht auf deren privatrechtliches Handeln. Es muss sich um eine einseitige Maßnahme der Behörde handeln, die diese in einem Über- und Unterordnungsverhältnis unter Berufung auf ihre öffentliche Gewalt trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 – 3 C 39.97 – Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 13 S. 29). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts waren Maßnahmen im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, darunter auch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, nach dem Recht der DDR jedoch dem Privatrecht zugeordnet.
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b) Revisionsrechtlich fehlerfrei ist auch die Annahme des angegriffenen Urteils, die vom Kläger während des Grundwehrdienstes bei der NVA erlittenen Schikanen durch dienstältere Soldaten seien nicht als hoheitliche Maßnahmen einzuordnen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen sind sie nicht auf Anweisung einer öffentlichen Stelle erfolgt und auch keiner solchen Stelle zuzurechnen.
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c) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung des Klägers wegen der Verweigerung der Delegierung zum Hochschulstudium verneint. Seine Annahme, diese hoheitliche Maßnahme sei nicht auf Umstände zurückzuführen, die eine individuelle, über die systembedingte Reglementierung der Berufswahl hinausgehende, politisch motivierte Benachteiligung des Klägers in der Ausbildung erkennen ließen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach seinen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen beruhte die unterbliebene Delegierung zum Studium nicht auf einer Kritik des Klägers an den Grundsätzen der Heimerziehung der DDR oder sonstigen politischen Motiven, sondern auf der Nichterfüllung sachlicher Anforderungen wie Pünktlichkeit, Umsicht und Einsatzbereitschaft. Danach lag insoweit keine politische Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG vor.
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d) Ebenso zutreffend geht das angegriffene Urteil davon aus, dass die Erfassung des Klägers im Sicherungsvorgang Kultur/Massenmedien des MfS nicht rehabilitierungsfähig ist. Sie war zwar kein Allgemeinschicksal der DDR-Bevölkerung, sondern betraf nur Personen, die dem Bereich Kultur/Massenmedien zugeordnet waren. Sie war jedoch keine Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG, weil der Maßnahme die dafür erforderliche Eingriffsintensität fehlte. Nach den bindenden vorinstanzlichen Feststellungen wurden in einen Sicherungsvorgang häufig sehr viele Personen aufgenommen; die Erfassung besaß einen geringen Aussagewert und war nicht mit einer gezielten und systematischen Beobachtung der erfassten Personen verbunden.
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e) Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen des Klägers, er sei 1988 durch Mitarbeiter des MfS gewaltsam an der Verteilung von Flugblättern gehindert worden, mangels näherer Darlegungen für nicht glaubhaft gehalten. Es hat daher keine Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine rechtsstaatswidrige Maßnahme angenommen werden könnte. Das ist mangels wirksamer Verfahrensrügen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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f) Die Einbestellung des Klägers zum Rat des Stadtbezirks wegen seines Engagements für das Neue Forum im Herbst 1989 kann zwar nicht als Allgemeinschicksal der DDR-Bevölkerung gewertet werden. Allerdings hat das Verwaltungsgericht – vom Kläger ungerügt – keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu dieser Maßnahme getroffen, auf deren Grundlage die Rechtsstaatswidrigkeit der Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG festgestellt werden könnte.
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g) Mit dem Vorbringen des Klägers, bereits im Jahr 1978 sei ihm der weitere Besuch der Abendschule aus politischen Gründen verwehrt worden, hat sich das Verwaltungsgericht nicht befasst. Da der Kläger diesbezüglich weder eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht noch eine sonstige Verfahrensrüge erhoben hat, ist dagegen revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
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h) Schließlich ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die geltend gemachten Einzelmaßnahmen seien nicht als Gesamtkomplex von „Zersetzungsmaßnahmen“ des MfS rehabilitierungsfähig, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar kann bei Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit eine Rehabilitierung auch wegen eines Gesamtkomplexes von Maßnahmen schlichten Verwaltungshandelns in Betracht kommen. Das setzt voraus, dass die Einzelmaßnahmen jeweils möglichst genau – zumindest nach ihrer Art und ihrem Zeitpunkt oder Zeitraum – bezeichnet werden. Ferner müssen sie durch einen angebbaren Umstand zu einem „Gesamtkomplex“ verbunden werden. Dieser Umstand ist regelmäßig in einem einheitlichen Plan oder Willensentschluss zu suchen, den der Betroffene belegen oder nach § 13 Abs. 2 VwRehaG glaubhaft machen muss (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Oktober 2003 – 3 C 1.03 – BVerwGE 119, 102 <109 f.> und vom 23. September 2010 – 3 C 40.09 – BVerwGE 138, 36 Rn. 10). Einen solchen Umstand hat das Verwaltungsgericht im Fall des Klägers mit für das Revisionsgericht bindender Wirkung (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) nicht festgestellt.
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3. Die Abweisung der Klage hinsichtlich des Einreiseverbots in die CSSR beruht zwar auf der dargestellten Verletzung von Bundesrecht, erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Einreiseverbot war mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht schlechthin unvereinbar im Sinne von § 1 Abs. 2 VwRehaG. Die Vorschrift erfasst einen Kernbestand von Regeln, die schlechthin verbindlich für jeden Staat sein müssen, der den Namen Rechtsstaat für sich in Anspruch nimmt (BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2019 – 8 C 1.19 – BVerwGE 166, 200 Rn. 16, vgl. auch BT-Drs. 12/4994 S. 23). Ihre Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Unabhängig davon, ob das Einreiseverbot in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstieß, stellte es jedenfalls weder einen Willkürakt im Einzelfall dar, noch diente es politischer Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG. Das Einreiseverbot in die CSSR wurde von Grenzbeamten der DDR erst ausgesprochen, nachdem zuvor tschechoslowakische Grenzbeamte dem Kläger die Einreise in die CSSR verweigert hatten und er trotz dieses Verbots einen erneuten Versuch der Einreise unternahm. Das Einreiseverbot war erkennbar darauf gerichtet, diplomatische Verwicklungen mit dem Nachbarland zu vermeiden. Anderes folgt nicht daraus, dass es wegen „asozialen Verhaltens“ ausgesprochen wurde. Dies bezeichnete aus Sicht damaliger staatlicher Stellen die soziale Unangepasstheit des Klägers; Anhaltspunkte für eine politische Zielrichtung der Maßnahme lassen sich daraus jedoch nicht ableiten.
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4. Die Abweisung der Klage hinsichtlich der übrigen geltend gemachten Maßnahmen beruht zwar auf der Verletzung von Bundesrecht. Auf der Grundlage der verwaltungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen erweist es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Weil das Verwaltungsgericht – nach seiner Rechtsauffassung konsequent – keine Tatsachenfeststellungen zum Vorliegen von Ausschließungsgründen im Sinne des § 2 Abs. 2 VwRehaG getroffen hat, kann der Senat nicht abschließend in der Sache selbst entscheiden, sodass die Sache insoweit zurückzuverweisen ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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a) Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Überwachung des Klägers durch Gesellschaftliche und Informelle Mitarbeiter des MfS während seines Grundwehrdienstes bei der NVA stelle keine rechtsstaatswidrige Maßnahme dar, sondern habe dem allgemeinen Schicksal von DDR-Bürgern entsprochen. Bei Anwendung des zutreffenden Maßstabs erweist sich diese hoheitliche Maßnahme als rechtsstaatswidrig im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwRehaG. Die Überwachung stellt eine hoheitliche Maßnahme im Einzelfall dar, die individuell und konkret auf die Person des Klägers ausgerichtet war. Der Kläger wurde in den Jahren 1985/1986 durch mehrere Gesellschaftliche und Informelle Mitarbeiter des MfS gezielt bespitzelt. Zudem wurde sein Briefverkehr mit Personen im westlichen Ausland durch das MfS überwacht. Seine Überwachung knüpfte an den abgebrochenen Fluchtversuch im Jahr 1978 sowie seine Westkontakte an und war darauf gerichtet, unter Ausnutzung seiner auch dem MfS bekannten psychischen Labilität Informationen über mögliche Fluchtüberlegungen zu gewinnen. Diese gezielte Bespitzelung, die eine genaue „Bearbeitungsrichtung“ verfolgte und erkennbar darauf angelegt war, den Kläger zur Selbstbelastung zu verleiten, stellte kein Allgemeinschicksal aller DDR-Bürger dar. Sie verstieß auch in schwerwiegender Weise gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG. Sie griff unter Ausnutzung eines persönlichen Vertrauensverhältnisses in erheblicher Weise in die Persönlichkeitssphäre des Klägers ein und verfolgte mit der operativen Kontrolle kein legitimes Ziel. Es kann offen bleiben, ob die Maßnahme der politischen Verfolgung diente. Jedenfalls stellte die Überwachung durch das MfS Willkür im Einzelfall dar. Diese ist bei Maßnahmen zu bejahen, die von der Tendenz und der Absicht getragen sind, ihre Adressaten bewusst zu benachteiligen (BVerwG, Urteile vom 23. August 2001 – 3 C 39.00 – Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 3 LS 2 und S. 9 sowie vom 24. Juli 2019 – 8 C 1.19 – BVerwGE 166, 200 Rn. 18). Das war hier der Fall. Die Überwachung durch das MfS diente dazu, den Kläger „unter Kontrolle zu halten“ und ihn zu selbstbelastenden Aussagen über mögliche Fluchtpläne zu verleiten.
28
b) Das angegriffene Urteil geht unzutreffend davon aus, die drei Festnahmen des Klägers durch Sicherheitsbehörden der DDR im Jahr 1987 überschritten nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 1 Abs. 2 VwRehaG, weil sie nicht von längerer Dauer gewesen seien. Eingriffe in Leben und Gesundheit und – wie hier – in die körperliche Bewegungsfreiheit haben stets die mit dem Begriff der Verfolgung vorausgesetzte Intensität. Für Festnahmen gilt dies auch dann, wenn sie nicht von längerer Dauer waren. Nur bei einer Beeinträchtigung anderer Rechte muss eine wertende Beurteilung vorgenommen und geprüft werden, ob derartige Eingriffe und Benachteiligungen systembedingt mehr oder weniger allgemeines DDR-Schicksal waren (BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 40.09 – BVerwGE 138, 36 Rn. 12). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde der Kläger im Jahr 1987 dreimal festgenommen. Zwei der Festnahmen – eine am Geburtstag des Klägers in dessen Wohnung und eine an dessen Arbeitsplatz – dienten der Durchsetzung eines gegen ihn verhängten Verbots privater Fotoausstellungen. Ein weiteres Mal wurde der Kläger am Abend eines Rockkonzerts am Brandenburger Tor in der Friedrichstraße festgenommen, als er Fotos von Verhaftungen machte. Sämtliche drei Festnahmen stellen hoheitliche Maßnahmen im Einzelfall dar. Sie waren mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats unvereinbar, weil sie in schwerwiegender Weise gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstießen. Die Festnahme anlässlich des Rockkonzerts diente der politischen Verfolgung, weil sie das Fotografieren von Verhaftungen und damit das Anfertigen von Beweismitteln verhindern sollte. Die beiden Festnahmen, die der Durchsetzung von Ausstellungsverboten dienten, waren willkürlich im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG, weil sie von der Tendenz und der Absicht getragen waren, den Kläger bewusst zu benachteiligen.
29
c) Unzutreffend ist schließlich die Annahme des angegriffenen Urteils, das unter Androhung – weiterer – Haft ausgesprochene Verbot privater Fotoausstellungen sei dem Bereich allgemeiner Beeinträchtigungen der DDR zuzuordnen. Eine solche Maßnahme geht über ein bloßes Ausstellungsverbot im Sinne einer zensierenden Kulturpolitik hinaus und erhält ihren rechtsstaatswidrigen Charakter durch die staatlicherseits hergestellte Verbindung zwischen bereits erlittener Haft, einem gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Verbot privater Fotoausstellungen und der Androhung weiterer Haft im Falle der Zuwiderhandlung. Sie war mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar, weil sie in schwerwiegender Weise gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstieß. Sie war zudem willkürlich im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG, weil sie den Kläger bewusst benachteiligen sollte.
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d) Der Kläger hat schlüssig dargelegt und anhand der eingereichten ärztlichen Atteste glaubhaft gemacht, dass die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen zu einem Eingriff in seine psychische Gesundheit geführt haben und ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ist zu entnehmen, dass bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung und eine reaktive depressive Anpassungsstörung diagnostiziert wurden. Diese fortwirkenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen nach dem Inhalt der beigebrachten Atteste auch als unmittelbare Folge der rechtsstaatswidrigen Maßnahmen in Betracht. Dabei genügt es, dass die diagnostizierten psychischen Erkrankungen durch die erlittenen Maßnahmen zumindest mitverursacht wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2019 – 8 C 1.19 – BVerwGE 166, 200 Rn. 19 m. w. N.).
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e) Der Senat kann indessen nicht abschließend beurteilen, ob eine Rehabilitierung hinsichtlich der festgestellten rechtsstaatswidrigen Maßnahmen nach § 2 Abs. 2 VwRehaG ausgeschlossen ist. Das wäre der Fall, wenn der Kläger gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hätte. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit liegt vor, wenn der Betroffene freiwillig und gezielt, insbesondere auch durch Eindringen in die Privatsphäre anderer und Missbrauch persönlichen Vertrauens, Informationen über Mitbürger gesammelt und an den Staatssicherheitsdienst der DDR weitergegeben hat. Es genügt, dass sich der Einzelne als Denunziant oder Spitzel freiwillig betätigt, um hieraus eigene Vorteile zu erlangen (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2006 – 3 C 11.05 – Buchholz 428.7 § 16 StrRehaG Nr. 2 Rn. 21). Erforderlich ist, dass die Tätigkeit konkret geeignet war, Dritte zu schädigen oder Verfolgungsmaßnahmen auszulösen (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2004 – 3 PKH 3.14 <3 B 25.14> – juris Rn. 12; Urteil vom 19. Januar 2006 a. a. O. LS 1 und Rn. 22 a. E.). Die Freiwilligkeit der Betätigung ist zu verneinen, wenn sie unter Zwang aufgenommen oder fortgeführt wurde. Eine Zwangsanwendung kann auch in der Ausnutzung einer psychischen oder sozialen Notlage liegen. Dabei ist im Einzelfall der Persönlichkeitsstruktur und den Lebensumständen des Betroffenen Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 8. März 2002 – 3 C 23.01 – BVerwGE 116, 100 <101 f.>. Der Kläger hat anlässlich der Selbstanzeige seiner Fluchtvorbereitungen im Dezember 1978 gegenüber der Polizei zwei weitere DDR-Bürger namentlich benannt, die an dem gemeinsamen Fluchtplan beteiligt waren. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme eines Ausschließungsgrundes möglich. Die Auskunft des BStU vom 3. Februar 2017, die sich erkennbar nur auf die offizielle oder inoffizielle Mitarbeit des Klägers beim MfS bezieht, steht dem nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht hat – aus seiner Sicht konsequent – hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Insoweit ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die fehlenden Tatsachenfeststellungen – insbesondere zur Freiwilligkeit oder Zwangsanwendung – nachzuholen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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C. 1. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf berufliche Rehabilitierung ohne Verletzung revisiblen Rechts verneint. Die hier allein in Betracht kommende berufliche Rehabilitierung des Klägers nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG wegen der Beendigung seiner Arbeitsverhältnisse als Hilfserzieher im K. Hospital und im Kinderheim M. setzt einen Eingriff in die berufliche Position durch eine „andere Maßnahme“ voraus, die der politischen Verfolgung dient. Letzteres hat das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei verneint.
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2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht auch eine Rehabilitierung des Klägers als verfolgter Schüler verneint. Eine Rehabilitierung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BerRehaG setzt voraus, dass der Betroffene infolge einer Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BerRehaG nicht zum Studium zugelassen wurde. Der danach erforderliche kausale Zusammenhang zwischen Maßnahme und Nichtzulassung zum Studium liegt auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht vor. Danach war die Entscheidung, den Kläger nicht zum Studium zu delegieren, nicht auf eine Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BerRehaG, sondern auf die Nichterfüllung sachlicher Anforderungen zurückzuführen.