BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 06.10.2022, AZ 30 W (pat) 26/20, ECLI:DE:BPatG:2022:061022B30Wpat26.20.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2013 033 780
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die am 25. Mai 2013 angemeldete Wortmarke
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Advomed
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ist am 23. September 2013 unter der Nummer 30 2013 033 780 u. a. für die Dienstleistungen
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„Klasse 35: organisatorische Vorbereitung von Gerichtsprozessen; Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von juristischen und gutachterlichen Dienstleistungen;
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Klasse 45: Juristische Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes; Rechtsberatung; Dienstleistungen eines Juristen; Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten; Prüfung der Erfolgsaussichten von Ansprüchen, gerichtlichen Klagen, Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen im Rahmen der Tätigkeit eines Rechtsanwalts; gutachterliche Dienstleistungen“
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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 25. Oktober 2013.
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Gegen die Eintragung ist am 4. Dezember 2013 Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der am 22. Dezember 1999 angemeldeten und seit dem 4. April 2000 unter der Nr. 399 85 341 u. a. für die Dienstleistungen
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„Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers, Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Unternehmensberatung; Dienstleistungen eines Steuerberaters; Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes, Steuerrechtsberatung“
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registrierten Wortmarke
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ADVIMED
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wobei der Widerspruch allein auf die vorgenannten Dienstleistungen gestützt wird.
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Die Widerspruchsmarke war ursprünglich für die A… GmbH eingetragen und auf Antrag vom 4. November 2002 im Markenregister auf die e… GmbH & Co. KG sowie auf Antrag vom 6. Mai 2013 auf die E1… AG (Widersprechende) jeweils wegen Rechtsübergangs umgeschrieben worden.
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Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2014 hat der Inhaber der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke für die von ihr beanspruchten Dienstleistungen nach § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. bestritten.
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Mit Schriftsatz vom 21. November 2014 hat die Widersprechende zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke durch Lizenznehmer der Widersprechenden für die Zeit bis einschließlich 2013 u. a. folgende Unterlagen eingereicht:
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eidesstattliche Versicherungen
16
– des Vorstandsmitglieds der Widersprechenden Herr M… vom 24. September 2014,
17
– des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …straße, M…, Herrn G…,
18
– des Geschäftsführers der A2… gesellschaft, …straße, M1…, Herrn R…,
19
– des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, H…, Herrn M1…,
20
– des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …str., D…, Herrn H…,
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sowie Kopien von Rechnungen, Broschüren und Informationsschriften.
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Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 7. Februar 2020 unter Zurückweisung des weitergehenden Widerspruchs die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die o. g. Dienstleistungen angeordnet, da zwischen den Vergleichszeichen insoweit eine Verwechslungsgefahr bestehe.
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Auf die undifferenziert erhobene und daher beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfassende und insoweit auch statthafte Einrede der Nichtbenutzung habe die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung zwar lediglich für „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ glaubhaft gemacht, so dass allein diese Dienstleistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG zu berücksichtigen seien.
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Aber auch unter Zugrundelegung dieser Benutzungslage bestehe zu den von der angegriffene Marken beanspruchten Dienstleistungen
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„Klasse 35: organisatorische Vorbereitung von Gerichtsprozessen; Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von juristischen und gutachterlichen Dienstleistungen;
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Klasse 45: Juristische Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes; Rechtsberatung; Dienstleistungen eines Juristen; Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten; Prüfung der Erfolgsaussichten von Ansprüchen, gerichtlichen Klagen, Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen im Rahmen der Tätigkeit eines Rechtsanwalts; gutachterliche Dienstleistungen“
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eine zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit.
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Steuerberatung sei die geschäftsmäßige Hilfeleistung in steuerrechtlichen Angelegenheiten und Teil der Rechtsberatung. Nach § 3 Steuerberatungsgesetz sei die Hilfeleistung in Steuersachen nur Steuerberatern, Steuerbevollmächtigen, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern gestattet. Neben der Deklarationsberatung bei der Erstellung von Steuererklärungen und der Gestaltungsberatung hinsichtlich einer vorausschauenden Beratung für eine optimale Steuergestaltung gehöre zum Tätigkeitsbereich eines Steuerberaters regelmäßig auch die Vertretung des Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten. Infolgedessen gebe es zahlreiche Rechtsanwälte, welche die Ausbildung als Steuerberater absolviert hätten und somit aus einer Hand sowohl steuerliche als auch juristische Beratung anböten. Ebenso sei es üblich, dass große Kanzleien oder Wirtschaftsberatungs-unternehmen in den gleichen Häusern juristische wie auch steuerrechtliche Beratung zur Verfügung stellten. Die Zusammenarbeit von Steuerberatern und Rechtsanwälten sei somit gängige Praxis, so dass auch die „organisatorische Vorbereitung von Gerichtsprozessen; Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von juristischen und gutachterlichen Dienstleistungen“ als mindestens durchschnittlich ähnlich zu den „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ anzusehen seien
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Weiterhin sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.
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Die Vergleichszeichen wiesen ferner jedenfalls in klanglicher Hinsicht eine hohe Zeichenähnlichkeit auf.
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Den Übereinstimmungen in Silbenzahl, Silbengliederung sowie in zwei von drei Vokalen stehe nur eine Abweichung in den Vokalen „o“ bzw. „i“ in der Wortmitte gegenüber. Diese Abweichung allein wirke jedoch angesichts der weitreichenden Übereinstimmungen insbesondere am stärker beachteten Wortanfang „AD-/Ad-„, am Wortende „-MED/-med“ sowie im Anlaut der jeweils zweiten Wortsilbe „V/v“ einer hohen klanglichen Ähnlichkeit der Vergleichszeichen nicht entgegen.
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Angesichts dessen könne unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken jedenfalls insoweit nicht verneint werden, als sie sich auf durchschnittlich ähnlichen Dienstleistungen begegnen könnten, was hinsichtlich der von der Löschung betroffenen Dienstleistungen der Fall sei.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke, mit der er im Wesentlichen geltend macht, dass entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit zwischen den „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ und den von der Löschung betroffenen Dienstleistungen der Klassen 35 und 45 der angegriffenen Marke ausgegangen werden könne, da die Verkehrskreise mit den Dienstleistungen eines Steuerberaters nicht die allgemeine Rechtsberatung und die Tätigkeit vor den ordentlichen Gerichten in Verbindung brächten. Vielmehr umfasse Steuerberatung aus Sicht der durchschnittlichen Beratungssuchenden vor allem buchhalterische Tätigkeiten sowie steuerliche Jahresabschlüsse und damit nur einen kleinen und sehr speziellen Teil des Rechtssystems.
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Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
ADVIMED sei unterdurchschnittlich, da die dritte Silbe „MED“ auf den medizinischen Bereich hinweise und „ADVI“ bedeutungslos sei, so dass man mit den beiden Silben nichts verbinden könne. Die Kombination
ADVIMED sei zudem wenig einprägsam, lasse keine Assoziation zu und erscheine phonetisch unbeholfen.
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Es fehle ferner an einer (klanglichen) Ähnlichkeit der Zeichen. „Advo“ als Wortteil von „Advocat“ sei ein Hinweis auf einen Rechtsanwalt bzw. einen Rechtsbeistand. Die letzte Silbe „med“ weise auf den Zusammenhang mit dem medizinischen Bereich hin. Für den durchschnittlichen Verkehr erschließe sich diese Marke daher als Kombination aus dem Rechtsberatungs- und Medizinbereich. Sie sei damit fernab von der Dienstleistung „Steuerberatung“.
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Der zur mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2022 nicht erschiene Inhaber der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 6. März 2020 sinngemäß beantragt,
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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Februar 2020 aufzuheben, soweit durch diesen die angegriffene Marke 30 2013 033 780 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 399 85 341 gelöscht worden ist und den Widerspruch aus der vorgenannten Marke auch in Bezug auf die von der Löschungsanordnung betroffenen Dienstleistungen zurückzuweisen.
38
Die ebenfalls zur mündlichen Verhandlung nicht erschiene Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie macht unter Vorlage einer weiteren eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, B…, Herrn J… vom 4. Oktober 2022 nebst beigefügter Unterlagen in Form von Rechnungen und Schreiben an Mandanten geltend, dass ausgehend von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ und einer sich daraus ergebenden zumindest hochgradigen Ähnlichkeit zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen, einer durch Benutzung erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie eines hohen Grades an Zeichenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen bestehe.
41
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
42
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde des Markeninhabers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
43
Zwischen den Vergleichsmarken besteht in Bezug auf die von der Löschungsanordnung betroffenen beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke die Gefahr von Verwechslungen nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Markenstelle insoweit zu Recht die (Teil-)Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
44
A. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.
45
B. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – Injekt/Injex; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; BGH a. a. O. Rn. 25 – INJEKT/INJEX).
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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken im beschwerde-gegenständlichen Umfang eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen.
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1. Die seitens des Inhabers der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 5. Mai 2014 undifferenziert und sich daher auf beide nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG (in der bis zum 13. Januar 2019, hier gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG anzuwendenden Fassung), relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede ist auch hinsichtlich beider vorgenannten Benutzungszeiträume statthaft, da die am 4. April 2000 eingetragene Widerspruchsmarke 399 85 341 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 25. Oktober 2013 bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen war.
48
Der Widersprechenden oblag es demnach, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke hinsichtlich aller maßgeblichen Umstände, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang darzulegen und glaubhaft zu machen, somit für den Zeitraum von September 2008 bis September 2013, sowie für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, somit vom 6. Oktober 2017 bis 6. Oktober 2022.
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Dem ist die Widersprechende für beide Zeiträume in Bezug auf die „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ nachgekommen.
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Die seitens der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke durch Lizenznehmer der Widersprechenden eingereichten eidesstattlichen Versicherungen
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– des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …straße, M…, Herrn G…, vom 16. Oktober 2014
52
– des Geschäftsführers der A2… gesellschaft, …straße, M1…, Herrn R…, vom 12. August 2014,
53
– des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, H…, Herrn M1…,
54
– des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …str.
, D…, Herrn H…, vom 30. September 2014
55
weisen in Bezug auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Zeitraum zwischen den Jahren 2008 und 2013 für den jeweils explizit genannten Bereich „Steuerberatung“ Umsätze von jährlich … € bis … € aus und belegen daher eine kontinuierlich über den gesamten Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG hinweg erfolgte und somit ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland i. S. von § 26 Abs. 1 MarkenG für „Dienstleistungen eines Steuerberaters“.
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Dies gilt auch für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum vom 6. Oktober 2017 bis 6. Oktober 2022. Zwar können dazu nicht die seitens der Widersprechenden mit ihren Schriftsätzen vom 25. Juli 2017 und vom 6. November 2017 als Anlagen A7 und A8 eingereichten eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, H…, Herrn M1… vom 17. Juli 2017 und des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …straße, M…, Herrn G… vom 30. Oktober 2017 herangezogen werden, da diese sich nur auf den Zeitraum bis 30. Juni 2017 beziehen und daher nicht mehr innerhalb des am Schluss der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2022 nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraums liegen
57
Jedoch ist für diesen Benutzungszeitraum eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland i. S. von § 26 Abs. 1 MarkenG für „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ mit der seitens der Widersprechenden mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, B…, Herrn J… vom 4. Oktober 2022 belegt. Diese weist zwar einen gegenüber den obengenannten eidesstattlichen Versicherungen deutlich geringeren, aber für eine ernsthafte Benutzung i. S. von § 26 Abs. 1 MarkenG ohne weiteres hinreichenden Umsatz für die in der Versicherung genannte Gesellschaft in den Jahren zwischen 2017 und 2022 aus.
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Die verschiedenen A3… gesellschaften haben die Widerspruchsmarke jeweils mit Zustimmung der Widersprechenden bzw. vor Rechtsübergang in Lizenz und damit mit Zustimmung der früheren Rechtsinhaberin benutzt, wie aus der eidesstattlichen Versicherung des Mitglieds des Vorstands der E1… AG M… vom 24. September 2014 sowie den eidesstattlichen Versicherungen der Geschäftsführer der A3… gesellschaften hervorgeht, so dass insoweit von einer Benutzung mit Zustimmung der Widersprechenden als Markeninhaberin i. S. von § 26 Abs. 2 MarkenG auszugehen ist.
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Aus den ergänzend zu den vorgenannten, den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG betreffenden eidesstattlichen Versicherungen eingereichten Rechnungen, Screenshots von Internetauftritten, Informationsbroschüren und Visitenkarten und dabei insbesondere den in den eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, H…, Herrn M1… sowie in der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …str., D…, Herrn H… vom 30. September 2014, jeweils in Bezug genommenen Rechnungen gemäß Anlage 2 sowie den Visitenkarten nach Anlage 3 lässt sich dabei eine Benutzung der Widerspruchsmarke ganz überwiegend in Form von
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oder
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entnehmen.
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Die letztgenannte Benutzungsform ist auch in den der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der A1… gesellschaft mbH, …, B…, Herrn J… vom 4. Oktober 2022 beigefügten Rechnungen ausgewiesen.
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Die Widerspruchsmarke wird danach nicht in Alleinstellung, sondern unter Hinzufügung weiterer Bestandteile verwendet. Dies stellt dann aber keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form nach § 26 Abs. 1 MarkenG dar, sondern führt zu der nach § 26 Abs. 3 MarkenG vorzunehmenden Prüfung, ob die von der Eintragung abweichende Benutzung als rechtserhaltende Benutzung der Marke angesehen werden kann (vgl. BGH GRUR 2017, 1043 Tz. 21 – Dorzo).
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Danach stellt die verwendete, von der eingetragenen Form abweichende Benutzungsform nur dann eine Benutzung der Widerspruchsmarke dar, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändern (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG). Maßgeblich ist dabei, ob der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2013, 840, Nr. 20 – PROTI II; GRUR 2013, 68, Nr. 14 – Castell/VIN CASTEL; GRUR 2010, 729, Nr. 17 – MIXI; GRUR 2009, 766, Nr. 50 – Stofffähnchen I; GRUR 2005, 515 – FERROSIL). Davon ist vorliegend auszugehen.
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So ist bei der Verwendungsform
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die Wortfolge „Steuerberatung im Gesundheitswesen“ unterhalb der Widerspruchsmarke bzw. der weiteren Angabe „ETL“ in viel kleinerer Schrift gehalten und damit erkennbar abgesetzt. Zudem handelt es sich um eine glatt beschreibende und daher hinsichtlich des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke unschädliche Angabe (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 26 Rdnr. 200).
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Der vorangestellten, durch einen dünnen blauen Strich abgetrennten Buchstabenfolge „ETL“ kommt dagegen Kennzeichnungskraft zu. Allerdings liegt insoweit eine Mehrfachkennzeichnung mit „ETL“ als Dachmarke und „ADVIMED“ als produktidentifizierender Zweitmarke vor. Denn bei der ETL-Gruppe handelt es sich um ein bekanntes Unternehmen. Die Widersprechende ist nach ihren eigenen Angaben Deutschlands führende Steuerberatungsgruppe; nach verschiedenen in Fachmedien wiedergegebenen Ranglisten gehört sie zumindest zu den Top 20 der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland. Nicht zuletzt findet sich auf vielen der eingereichten Unterlagen, insbesondere auf allen Rechnungen, jeweils der Hinweis „Ein Unternehmen der ETL-Gruppe“ bzw. „Ein Mitglied der ETL-Gruppe“, was die Wahrnehmung als Mehrfachkennzeichnung aus (bekanntem) Unternehmensnamen bzw. Dachmarke „ETL“ und einer Zweitkennzeichnung „ADVMED“ stützt und bekräftigt. Eine Verklammerung durch die Anordnung der unterschiedlichen Zusätze, die dazu führen würde, dass die Widerspruchsmarke nicht mehr als eigenständiger betrieblicher Hinweis verstanden würde, ist bei keiner der o.g. Verwendungsformen zu bejahen (vgl. dazu auch BPatG 30 W (pat) 521/19 GRUR-RS 2020, 40355 Tz. 46 – ADVITAX/ ADWOTAX).
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Auch bei der weiteren Verwendungsform
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ist die Wortfolge „wirtschaftliche und steuerliche Beratung für Heilberufler“ unterhalb der Widerspruchsmarke eine glatt beschreibende und daher hinsichtlich des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke unschädliche Angabe. Gleiches gilt für den vor „ADVIMED“ platzierten, nicht sonderlich auffälligen Bildbestandteil. Hinsichtlich des von der Widerspruchsmarke deutlich abgesetzten Wort-/Bildbestandteils „ETL“ wird der Verkehr ebenso eine weitere (Firmen-)Marke erkennen, welche sich auf die Wahrnehmung von „ADVIMED“ als eigenständiges (Produkt-)Kennzeichen nicht auswirkt.
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Es ist daher auf Seiten der Widerspruchsmarke von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die in Klasse 35 registrierten „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ auszugehen. Da eine weitergehende Benutzung seitens der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren auch nicht (mehr) geltend gemacht wird, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke grundsätzlich von dieser Dienstleistung nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG auszugehen.
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2. Unter Zugrundelegung dieser bereits von der Markenstelle angenommenen und im Übrigen auch von dem Inhaber der angegriffenen Marke in seiner Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogenen Benutzungslage können sich beide Marken in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke überwiegend auf identischen und ansonsten jedenfalls durchschnittlich ähnlichen Dienstleistungen begegnen.
72
Identität besteht danach zwischen den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ und den von der angegriffenen Marke zu den Klassen 35 und 45 beanspruchten Dienstleistungen „organisatorische Vorbereitung von Gerichtsprozessen; Rechtsberatung; Dienstleistungen eines Juristen; Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten“. Denn zu diesen Dienstleistungen zählen auch steuerrechtliche Beurteilungen durch einen Steuerberater sowie die Vertretung in der Finanzgerichtsbarkeit (vgl. BPatG 30 W (pat) 521/19 GRUR-RS 2020, 40355 Tz. 45 – ADVITAX/ ADWOTAX)
73
Soweit der Inhaber der angegriffene Marke in seiner Beschwerdebegründung meint, dass die Verkehrskreise mit den „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ nicht die allgemeine Rechtsberatung und die Tätigkeit vor den ordentlichen Gerichten in Verbindung brächten, verkennt er, dass diese Dienstleistungen nicht auf rechtsanwaltliche Dienstleistungen bzw. auf Prozesse vor den ordentlichen Gerichten beschränkt sind, sondern oberbegrifflich auch steuerrechtliche Beratungen und Beurteilungen und entsprechende Vertretungen in finanzgerichtlichen Verfahren umfassen.
74
Vor dem Hintergrund, dass Rechtsanwälte auch Steuerberatung betreiben dürfen (§ 3 Nr. 2 StBerG), besteht weiterhin Identität zu den weiteren von der Löschung betroffenen Dienstleistungen „Juristische Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes; Prüfung der Erfolgsaussichten von Ansprüchen, gerichtlichen Klagen, Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen im Rahmen der Tätigkeit eines Rechtsanwalts“ (vgl. dazu ebenfalls BPatG 30 W (pat) 521/19 GRUR-RS 2020, 40355 Tz. 45 – ADVITAX/ ADWOTAX).
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Dies gilt auch in Bezug auf die von der angegriffenen Marke zu Klasse 45 beanspruchten „gutachterliche(n) Dienstleistungen“, da unter diesen Oberbegriff auch Steuergutachten fallen, die zum typischen Betätigungsfeld eines Steuerberaters gehören (vgl. BPatG 29 W (pat) 25/13 v. 3. Februar 2016 – ned Tax/ NeD Tax, BeckRS 2016, 7091)
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Eine jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit besteht zwischen den „Dienstleistungen eines Steuerberaters“ und den Dienstleistungen „Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von juristischen und gutachterlichen Dienstleistungen“, da die dienstleistungsgegenständlichen Verträge steuerrecht-liche Fragen und Probleme zum Gegenstand haben können.
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3. Weiterhin verfügt die Widerspruchsmarke
ADVIMED von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
78
Wenngleich es sich bei der in der Widerspruchsmarke enthaltenen Endsilbe „-MED“ um einen beschreibenden und daher schutzunfähigen Markenteil handelt, weil es als geläufiges Wortbildungselement für „Medizin/medizinisch“ auf die Art und den Inhalt der steuerrechtlichen Dienstleistungen hinweist, ist der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Denn zum einen tritt „MED“ hier nicht als selbständiger Bestandteil hervor (vgl. auch BPatG 30 W (pat) 521/19 v. 5. November 2020 – ADVITAX/ADWOTAX, GRUR-RS 2020, 40355 Tz. 47; 29 W (pat) 184/1029 W (pat) 184/10 v. 07. März 2012 SCANTAX./. ANTAX). Zum anderen kommt dem 29 W (pat) 184/10 v. 07. März 2012 SCANTAX./. ANTAX). Zum anderen kommt dem vorangestellten Markenelement „ADVI“ keine ohne weiteres erkennbare und erst recht keine beschreibende Bedeutung zu. Weder ist das Element „ADVI“ eine übliche Abkürzung für „advice“ (englisch für „Rat/Ratschlag/Beratung“) noch drängt sich ein entsprechender Anklang hieran zwanglos auf. Vielmehr wird
ADVIMED in der konkreten Verbindung als Fantasiebegriff wahrgenommen.
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Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft damit begründen will, dass die dritte Silbe „MED“ auf den medizinischen Bereich hinweise, „ADVI“ hingegen bedeutungslos sei, so dass man mit den beiden Silben nichts verbinden könne und die Kombination wenig einprägsam sei, keine Assoziation zulasse und phonetisch unbeholfen erscheine, verkennt er, dass diese von ihm zutreffend dargelegten Gesichtspunkte einem beschreibenden und sachbezogenen Verständnis von
ADVIMED entgegenwirken und daher zur Wahrnehmung der Widerspruchsmarke als Phantasiezeichen und damit zu deren uneingeschränkter Eignung, zur Unterscheidung der Waren/Dienstleistungen ihres Inhabers von solchen anderer Unternehmen zu dienen, beitragen (vgl. Stöbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl. § 9 Rdnr. 138).
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4. Weiterhin sind die Vergleichszeichen klanglich hochgradig ähnlich.
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a. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – Aceites del Sur-Coosur [La Espagnola/Carbonelle]; BGH WRP 2020, 1453 Rn. 23 – YOOFOOD/YO; GRUR 2016, 382 Rn. 37 – BioGourmet). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rn. 35 – HABM/ Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH GRUR 2017, 1104 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke).
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Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930 Rn. 22 – Bogner B/ Barbie B; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY), da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Beschreibende Bestandteile sind dabei nicht von vornherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 49 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]). Das schließt es allerdings nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Kennzeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorruft (vgl. EuGH GRUR 2007, 700 Rn. 41 – HABM/Shaker [Limoncello/ LIMONCHELO]; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – I ZB 54/05BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – I ZB 54/05, GRUR 2008, 905Rn. 26 = WRP 2008, 1349 – Pantohexal; BGH, GRUR 2019, 1058BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – I ZB 54/05, GRUR 2008, 905Rn. 26 = WRP 2008, 1349 – Pantohexal; BGH, GRUR 2019, 1058BGH, GRUR 2019, 1058Rn. 34 – KNEIPP, mwN). Von diesen Maßstäben ist auch BGH, GRUR 2019, 1058Rn. 34 – KNEIPP, mwN). Von diesen Maßstäben ist auch auszugehen, wenn es um die Beurteilung eines aus mehreren Bestandteilen zu einem Wort zusammengesetzten Zeichens geht (vgl. BGH a. a. O. Rn. 26 – YOOFOOD/YO; GRUR 2008, 905BGH a. a. O. Rn. 26 – YOOFOOD/YO; GRUR 2008, 905Rn. 26 – Pantohexal).
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BGH a. a. O. Rn. 26 – YOOFOOD/YO; GRUR 2008, 905Rn. 26 – Pantohexal).
84
b. Ausgehend davon weisen beide Marken bereits im Klangbild eine hochgradige Zeichenähnlichkeit auf, und zwar auch dann, wenn man zugunsten des Inhabers der angegriffenen Marke davon ausgeht, dass sich die vorliegend maßgeblichen Dienstleistungen in erster Linie an Fachverkehrskreise wenden, so dass von einer erhöhten Aufmerksamkeit auszugehen ist.
85
aa. Für den Verkehr besteht entgegen der Auffassung des Inhabers der angegriffenen Marke zunächst kein Anlass, beim (klanglichen) Zeichenvergleich allein auf die Wortanfänge „Advo-“ und „ADVI-“ abzustellen. Von einer Prägung der Marken jeweils nur durch diese beiden Anfangssilben der Kollisionszeichen kann nämlich nicht ausgegangen werden. Vielmehr stehen sich die Markenwörter
Advomed und
ADVIMED gegenüber. Daran ändert auch der beschreibende Aussagehalt der jeweiligen Endsilbe „MED“ als Hinweis auf „medizinisch“ bzw. „den medizinischen Bereich betreffend“ nichts. Denn auch wenn ein derartiger kennzeichnungsschwacher bzw. schutzunfähiger Bestandteil eines Markenworts allein nicht kollisionsbegründend wirken kann, kann er dennoch den jeweiligen maßgeblichen Gesamteindruck der Markenwörter durchaus mitbestimmen und im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen (vgl. EuGH GRUR Prax 2014, 77 – CLORALEX/CLOROX; BGH GRUR 2004, 783, 785 – NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX).
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Es besteht für den Verkehr daher kein Anlass, die einheitlichen Markenwörter
ADVIMED und
Advomed allein wegen eines beschreibenden Anklangs der jeweiligen Endsilbe „MED“ zergliedernd zu betrachten und sich nur an einem der Markenteile – hier nur „ADVO“ oder „ADVI“ – orientieren. Das Markenelement „MED“ ist daher in den Zeichenvergleich mit einzubeziehen, wobei allerdings der Verkehr sein Augenmerk mehr auf die anderen Markenteile legen wird.
87
bb. In klanglicher Hinsicht stehen sich damit die Vergleichswörter
Advomed – ausgesprochen wie „Ad-wo-med“ – und
ADVIMED – ausgesprochen wie „Ad-wi-med“ – gegenüber, die in ihrem klanglichen Gesamteindruck derart angenähert sind, dass eine sichere Unterscheidung nicht mehr gewährleistet ist. Denn sie stimmen nicht nur in den Endsilben, sondern auch in der Anfangssilbe „Ad-“ überein. Diese Gemeinsamkeiten wie auch die Übereinstimmungen in Silbenanzahl, Sprechrhythmus und Betonung erzeugen ein sehr ähnliches Gesamtklangbild. Die einzige Abweichung durch den unterschiedlichen Mittelvokal „o“ statt „i“ stellt kein ausreichendes Gegengewicht hierzu dar.
88
cc. Beide Marken weisen auch keinen sofort und ohne weiteres erfassbaren Sinngehalt auf, welcher die Übereinstimmungen im Klangbild beider Marken „neutralisieren“ oder zumindest reduzieren könnte. Zwar kann eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt (EuGH GRUR Int. 2009, 397 Rn. 98 – OBELIX/MOBILIX; GRUR 2010, 235 Rn. 19 – AIDA/AIDU). Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne Weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus (BGH GRUR 2003, 1047 – Kellogg’s/Kelly’s). Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht nicht aus (BGH a. a. O. Rn. 27 und 32 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2004, 240, 241 – MIDAS/medAS).
89
Zwar ist bei der angegriffenen Marke der Anfangsbestandteil „Advo“ keine lexikalisch erfasste Abkürzung für den Begriff „Advokat“, der Begriffsanklang an „Advokat“ ist jedoch erkennbar. Die angegriffene Marke mag daher eine Aussage im Sinne von „Anwalt-Medizin“ vermitteln. Dies führt allerdings nicht zu einem die Verwechslungsgefahr vermindernden oder gar ausschließenden abweichenden Sinngehalt. Denn angesichts der identischen Anfangs- und Endsilben wird der Verkehr diesen – unterschiedlichen – Begriffsanklang gar nicht bemerken.
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dd. Insgesamt überwiegen damit die klanglichen Gemeinsamkeiten in beiden Markenwörtern so deutlich, dass ein hoher Grad an klanglicher Markenähnlichkeit vorliegt.
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5. In der Gesamtabwägung kann angesichts der teilweisen Identität und ansonsten durchschnittlichen Ähnlichkeit der obengenannten Dienstleistungen, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der hochgradigen klanglichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke nicht verneint werden, so dass die angegriffene Marke hinsichtlich dieser Dienstleistungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu löschen ist.
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C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.