Urteil des BPatG München 6. Senat vom 04.10.2022, AZ 6 Ni 6/22 (EP)

BPatG München 6. Senat, Urteil vom 04.10.2022, AZ 6 Ni 6/22 (EP), ECLI:DE:BPatG:2022:041022U6Ni6.22EP.0

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent EP 2 358 958
(DE 50 2009 014 482)

hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schnurr sowie die Richter Dr.-Ing. Baumgart, Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. Geier, Dr. Söchtig und Dipl.-Ing. Univ. Sexlinger für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 2 358 958 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in deutscher Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents EP 2 358 958 (im Folgenden: „Streitpatent“) mit der Bezeichnung „Mehrklinken-Gesperre mit Rasthaken“, das auf die internationale Patentanmeldung PCT/DE2009/001726 vom 3. Dezember 2009 zurückgeht. Diese wurde am 24. August 2011 als WO 2010/066240 A1 veröffentlicht und beansprucht die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 10 2008 061 524 vom 10. Dezember 2008. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter dem Aktenzeichen DE 50 2009 014 482.2 geführt.

2

Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung insgesamt sieben Ansprüche mit einem unabhängigen Patentanspruch 1 und einem nebengeordneten Anspruch 7. Die Patentansprüche 2 bis 6 sind mittelbar oder unmittelbar auf den unabhängigen Patentanspruch 1 rückbezogen. Während der Patentanspruch 1 eine Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss unter Schutz stellt, beansprucht der nebengeordnete Patentanspruch 7 Schutz für ein Kraftfahrzeug mit einer Vorrichtung zum Sichern einer Kraftfahrzeugtür.

3

Die Patentansprüche 1 und 7 haben in ihrer erteilten Fassung, jeweils ergänzt um eine Merkmalsgliederung des Senats, folgenden Wortlaut:

4

Patentanspruch 1:

5

  • M1
  • Vorrichtung (1) für ein Kraftfahrzeugschloss (2) zumindest umfassend,
  • M2
  • eine Drehfalle (6),
  • M2.1
  • wobei die Drehfalle (6) eine Drehfallenachse (11), auf der sie drehbar gelagert ist,
  • M2.2
  • eine Schlosshalteraufnahme (24),
  • M2.3
  • eine Hauptrast (7) und
  • M2.4
  • eine Vorrast (8) umfasst,
  • M3
  • eine Sperrklinke (9),
  • M3.1
  • mit einer Sperrklinkenachse (12),
  • M3.2
  • einer Sperrklinken-Hauptraststellung (22),
  • M3.3
  • einen Rastschenkel (10) und
  • M3.4
  • einen Rasthaken (13) mit einer Rasthakenblockierfläche (18), und
  • M4
  • einen Blockierhebel (14),
  • M4.1
  • der eine Blockierhebelachse (15),
  • M4.2
  • einen Auslöseschenkel (17) und
  • M4.3
  • einen Blockierschenkel (16) mit einer Blockierhebelkontaktfläche (19) aufweist,
  • M5
  • wobei der Blockierhebel (14) die Sperrklinke (9) über den Blockierschenkel (16) in einer Sperrklinken-Hauptraststellung (22) in Öffnungsrichtung (25) der Sperrklinke (9) versperrt,
  • M5.1
  • durch Kontaktierung der Blockierhebelkontaktfläche (19) mit der Rasthakenblockierfläche (18),
  • M6
  • wobei die Sperrklinke (9) während einer Öffnungsbewegung (27) der Drehfalle (6), einer Schließbewegung (26) der Drehfalle (6), einer Vorraststellung (40) der Drehfalle (6) und einer Offenstellung (21) der Drehfalle (6) in Bezug auf die Sperrklinken- Hauptraststellung (22) um einen Winkel α (23) von der Drehfalle (6) weggedreht ist,
  • M6.1
  • wobei der Winkel α (23) stets größer als 0° ist.

6

Patentanspruch 7:

7

  • O1
  • Kraftfahrzeug (31) aufweisend ein Kraftfahrzeugschloss (2) mit
  • O2
  • einer Vorrichtung (1) gemäß einem der vorherigen Patentansprüche
  • O2.1
  • zum Sichern einer Kraftfahrzeugtür.

8

Wegen des Wortlauts der erteilten Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift EP 2 358 958 B1 Bezug genommen.

9

Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit in Form mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit (Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 54, 56 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG) geltend.

10

Sie beruft sich auf folgende Unterlagen:

11

  • NKL1
  • DE 10 2007 003 948 A1,
  • NKL2
  • DE 10 2006 055 438.8,
  • NKL3
  • US 3 386 761 A,
  • NKL4
  • EP 1 617 023 A2,
  • NKL5
  • DE 2 020 038 A,
  • NKL6
  • DE 20 2007 000 880 U1,
  • NKL7
  • DIETSCHE, Dipl.-Ing. K.-H., KLINGEBIEL, Dipl.-Phys. M.: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, Robert Bosch GmbH, Friedrich Vieweg & Sohn Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. 26. überarbeitete und ergänzte Auflage, Januar 2007, Seiten 1048 bis 1051,
  • NKL8
  • DE 10 2007 045 228 A1,
  • NKL9
  • WO 2004 / 101 925 A1,
  • NKL10
  • DE 198 07 384 A1,
  • NKL11
  • DE 102 36 282 A1
  • NKL12
  • DE 29 03 285 A1,
  • NKL13
  • DE 697 20 597 T2,
  • NKL14
  • US 6 145 354 A,
  • NKL15
  • DE 197 55 695 A1,
  • NKL16
  • US 4 783 102 A,
  • NKL17
  • EP 0 894 927 A1,
  • NKL18
  • DE 10 2004 056 526 A1,
  • NKL19
  • DE 10 2005 023 861 A1,
  • NKL20
  • DE 43 18 543 A1.

12

Die Klägerin ist der Auffassung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 werde durch die Druckschriften NKL2 und NKL3 neuheitsschädlich vorweggenommen. Zumindest mangele es diesem gegenüber den Lehren dieser Druckschriften jeweils in Verbindung mit dem fachmännischen Wissen an einer erfinderischen Tätigkeit. Auch der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 7 und die Ausgestaltungen der Unteransprüche 2 bis 6 enthielten nichts Patentfähiges.

13

Die Klägerin beantragt,

14

das europäische Patent 2 358 958 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen,

17

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in einer seiner Fassungen gemäß der Hilfsanträge 1 bis 14 vom 12. Mai 2022 – in dieser Reihenfolge – richtet.

18

In sämtlichen Fassungen der
Hilfsanträge 1 bis 14 vom 12. Mai 2022 ist das Merkmal
M3 des erteilten Patentanspruchs 1 nach oben eingefügter Gliederung des Senats dergestalt modifiziert, dass vor dem Wort „Sperrklinke“ das Wort „einzelne“ eingefügt ist:

19

M3H1-H14 eine einzelne Sperrklinke (9).

20

Hilfsantrag 1

21

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der erteilten Fassung außerdem dadurch, dass das Wort „und“ des Merkmals
M3.4 gestrichen ist, nach Merkmal
M4.3 die Merkmale

22

  • M7H1, H2, H5, H7
  • und einen Auslösehebel (37) mit einem Kontaktelement (39) für den Blockierhebel (14),
  • M7.1H1, H2
  • wobei der Auslösehebel (37) aus Kunststoff gefertigt ist,

23

eingefügt sind, dass das sich unmittelbar anschließende Merkmal
M5 nunmehr folgende Fassung erhält:

24

  • M5H1-H5, H7-H14
  • wobei der Blockierhebel (14) die Sperrklinke (9) über den Blockierschenkel (16) in
    einerder Sperrklinken-Hauptraststellung (22) in Öffnungsrichtung (25) der Sperrklinke (9) versperrt,

25

und im Merkmal
M6 das Wort „wobei“ durch die Konjunktion „und“ ersetzt ist.

26

In den abhängigen Patentansprüchen 2, 3, 5 und 6 sind die Worte „dadurch gekennzeichnet, dass“ gegenüber ihrer erteilten Fassung jeweils gestrichen und ersetzt durch das Wort „wobei“. Patentanspruch 4 ist gestrichen. Die Patentansprüche 5 bis 7 der erteilten Fassung werden dadurch zu den Patentansprüchen 4 bis 6 der Fassung des Hilfsantrags 1.

27

Hilfsantrag 2

28

Hilfsantrag 2 entspricht Hilfsantrag 1 mit der Ergänzung, dass in Patentanspruch 1 hinter dem Merkmal
M7H1, H2, H5, H7 und vor dem Merkmal

29

  • M7.1H1, H2
  • zusätzlich folgendes Merkmal eingefügt ist:
  • M7.2H2
  • wobei durch die Drehfalle (6) keine Kräfte auf den Auslösehebel (37) wirken,

30

Das Wort „wobei“ des Merkmals
M7.1H1, H2 ist gestrichen.

31

Hilfsantrag 3

32

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags 2 dadurch, dass das Wort „wobei“ zu Beginn des Merkmals
M5H1-H5, H7-H14 ergänzt, die Konjunktion „und“ des Merkmals
M6 gestrichen sowie hinter dem Merkmal
M4.3 anstelle der Merkmale
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.2H2 folgende Merkmale eingefügt sind:

33

  • M7H3, H8
  • und einen derart ausgestalteten Auslösehebel (37) mit einem Kontaktelement (39) für den Blockierhebel (14),
  • M7.2H3, H8, H11-H14
  • dass durch die Drehfalle (6) keine Kräfte auf den Auslösehebel (37) wirken.

34

Ferner entfällt das Merkmal
M7.1H1, H2 nach Hilfsantrag 2.

35

Hilfsantrag 4

36

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 der Fassung nach Hilfsantrag 3 dadurch, dass hinter dem Merkmal M2.3 – dessen letztes Wort „und“ gestrichen ist –, das Merkmal

37

  • M2.3.1H4, H5, H8, H10
  • mit einer konkav gebogenen Drehfallen-Hauptrastkontaktfläche und,

38

eingefügt ist, hinter dem Merkmal
M3.1 das Merkmal

39

  • M3.0H4, H5, H8, H10
  • eine konvex gebogene Sperrklinken-Hauptrastkontaktfläche,

40

eingefügt ist und sowie hinter dem Merkmal
M3.2 das Merkmal

41

  • M3.2.1H4, H5, H8, H10
  • in der die konvex gebogene Sperrklinken-Hauptrastkontaktfläche berührend an der konkav gebogenen Drehfallen-Hauptrastkontaktfläche anliegt,

42

eingefügt ist. Am Ende des Merkmals
M3.4 und zu Beginn des Merkmals
M6 ist jeweils die Konjunktion „und“ ergänzt. Zudem entfällt der Merkmalskomplex
M7.X nach Hilfsantrag 3. Die Fassung der Patentansprüche 2 und 3 entspricht ihrer Fassung nach Hilfsantrag 1. Die Patentansprüche 4 und 7 entsprechen ihrer erteilten Fassung. Die Patentansprüche 5 und 6 entsprechen den Patentansprüchen 4 und 5 in ihrer Fassung nach Hilfsantrag 1.

43

Hilfsantrag 5

44

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 geht von seiner Fassung gemäß Hilfsantrag 4 aus, ergänzt um das Merkmal
M7H1, H2, H5, H7 des Hilfsantrags 1. Zudem ist am Ende des Merkmals
M3.4 die Konjunktion „und“ gestrichen. Die weiteren Patentansprüche 2 bis 6 erhalten die Fassung des Hilfsantrags 1.

45

Hilfsantrag 6

46

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags 1 durch folgenden Ersatz des Merkmals
M5H1-H5, H7-H14:

47

  • M5H6
  • wobei der Blockierhebel (14) die Sperrklinke (9) über den Blockierschenkel (16)
    nur in
    einer der Sperrklinken- Hauptraststellung in Öffnungsrichtung (25) der Sperrklinke versperrt,

48

Zudem entfällt der Merkmalskomplex
M7.X nach Hilfsantrag 1 und ist am Ende des Merkmals
M3.4 die Konjunktion „und“ ergänzt. Die Patentansprüche 2 bis 6 enthalten gegenüber ihrer erteilten Fassung die Änderung, dass in ihrem Anspruchswortlaut die Worte „dadurch gekennzeichnet, dass“ ersetzt sind durch das Wort „wobei“. Patentanspruch 7 entspricht der erteilten Fassung.

49

Hilfsantrag 7

50

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 dadurch, dass das Merkmal
M7.1H1, H2 entfällt, das Wort „wobei“ zu Beginn des Merkmals
M5H1-H5, H7-H14 ergänzt sowie am Anfang des Merkmals
M6 die Konjunktion „und“ gestrichen und nach Merkmal
M6.1 folgendes Merkmal angefügt ist:

51

  • M8H7, H14
  • und der Rasthaken (13) die Blockierhebelkontaktfläche (19) des Blockierschenkels (16) in Richtung der Blockierhebelachse (15) während der Öffnungsbewegung (27) der Drehfalle (6), während der Schließbewegung (26) der Drehfalle (6), in der Vorraststellung (40) der Drehfalle (6) und in der Offenstellung (21) der Drehfalle (6) derart stets überlappt, dass der Blockierhebel (14) die Sperrklinke (9) in Öffnungsrichtung der Sperrklinke (9) nicht blockiert.

52

Die Patentansprüche 2 bis 6 erhalten jeweils die Fassungen des Hilfsantrags 1.

53

Hilfsantrag 8

54

Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach den Hilfsantrag 8 geht von der Fassung gemäß Hilfsantrag 4 aus, die um die Merkmale
M7H3, H8,
M7.2H3, H8, H11-H14 ergänzt wurde. Zudem ist am Ende des Merkmals
M3.4 und zu Beginn des Merkmals
M6 jeweils die Konjunktion „und“ gestrichen. Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

55

Hilfsantrag 9

56

Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von der Fassung nach Hilfsantrag 3 dadurch, dass der Merkmalskomplex
M7.X des Hilfsantrags 3 durch folgendes Merkmal ersetzt wird:

57

  • M7H9, H10
  • und einen separat und getrennt von der Sperrklinke (9) und dem Blockierhebel (14) ausgebildeten Auslösehebel (37) mit einem Kontaktelement (39) für den Auslöseschenkel (17) des Blockierhebels (14) aufweist,

58

Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

59

Hilfsantrag 10

60

Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 10 geht von seiner Fassung gemäß Hilfsantrag 9 aus, die für den Hilfsantrag 10 um die Merkmale
M2.3.1H4, H5, H8, H10,
M3.0H4, H5, H8, H10 und
M3.2.1H4, H5, H8, H10 des Hilfsantrags 4 ergänzt wurde. Darüber hinaus ist am Ende des Merkmals
M2.3 die Konjunktion „und“ gestrichen. Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

61

Hilfsantrag 11

62

Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 11 entspricht seiner Fassung nach Hilfsantrag 3 mit der Änderung, dass er anstelle des Merkmals
M7H3, H8 folgendes Merkmal enthält:

63

  • M7H11-H14
  • und einen separat und getrennt von der Sperrklinke (9) und dem Blockierhebel (14) derart ausgebildeten Auslösehebel (37) mit einem Kontaktelement (39) für den Auslöseschenkel (17) des Blockierhebels (14).

64

Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

65

Hilfsantrag 12

66

Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 12 entspricht seiner Fassung nach Hilfsantrag 11 mit der Änderung, dass nach Merkmal
M6.1 folgendes Merkmal eingefügt wurde:

67

  • M9H12-H14
  • und durch Verschwenken des Auslösehebels (37) das Kontaktelement (39) des Auslösearms (38) auf den Auslöseschenkel (17) des Blockierhebels (14) wirkt, so dass der Blockierhebel (14) durch eine Schwenkbewegung den Rasthaken (13) der Sperrklinke (9) freigibt.

68

Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

69

Hilfsantrag 13

70

Die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 13 entspricht seiner Fassung nach Hilfsantrag 12 mit der Änderung, dass nach Merkmal
M6.1 folgendes Merkmal
M10H13, H14 hinzugefügt ist:

71

  • M10H13, H14
  • und das Kontaktelement (39) des Auslösehebels (37) und der Blockierhebel (14) in einer Ausgangsstellung kontaktfrei angeordnet sind

72

Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

73

Hilfsantrag 14

74

Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 14 beruht auf der Fassung des Hilfsantrags 13 und kombiniert dessen Merkmale mit dem nach dem Merkmal
M6.1 eingefügten Merkmal
M8H7, H14 des Hilfsantrags 7, dessen erstes Wort „und“ gestrichen ist. Die Fassungen der Patentansprüche 2 bis 6 des Hilfsantrags 14 entsprechen ihren Fassungen nach Hilfsantrag 1.

75

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent in seiner erteilten Fassung, jedoch zumindest in einer seiner Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 14 vom 12. Mai 2022 für patentfähig.

76

Die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 14 hält die Klägerin für nicht patentfähig. Die Hilfsanträge 4, 5, 8 und 10 hält sie überdies für unzulässig; dem Merkmal
M7H9, H10 des Hilfsantrags 9 fehle ferner die erforderliche Klarheit.

77

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 einen qualifizierten gerichtlichen Hinweis zukommen lassen und diesen zu Beginn der mündlichen Verhandlung um einen weiteren rechtlichen Hinweis ergänzt.

78

Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

79

Die Klage ist zulässig und begründet. Das Streitpatent erweist sich weder in der erteilten Fassung, noch in einer der Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 14 vom 12. Mai 2022 als rechtsbeständig. In seiner erteilten Fassung und in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 3, 6 bis 7, 9 sowie 11 bis 14 steht ihm – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der danach maßgeblichen Anspruchsfassungen – der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. 54 Abs. 1, 2 und Art. 56 EPÜ) entgegen. Die Fassungen der Hilfsanträge 4, 5, 8 und 10 erweisen sich als unzulässig.

I.

80

1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss mit zumindest einer Drehfalle, einer Sperrklinke und einem Blockierhebel. Derartige Kraftfahrzeugschlösser seien für den Einsatz bei Kraftfahrzeugen insbesondere zur Verriegelung von Türen, Klappen oder dergleichen vorgesehen (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0001]; im Folgenden zitierte Absätze sind solche der Streitpatentschrift). Bekannte Schlosseinheiten wiesen eine Drehfalle, eine erste Sperrklinke mit einer Sperrklinkendrehachse und einen Blockadehebel auf, wobei die Drehfalle in einem verriegelten Zustand der Schlosseinheit ein Schwenkmoment in die erste Sperrklinke einleite und die erste Sperrklinke mittels des Blockadehebels fixiert sei. Weiterhin sei dort eine zweite Sperrklinke vorgesehen, die auf der Sperrklinkendrehachse gelagert und mit einem Blockadehebel und der Drehfalle in Eingriff bringbar sei. Bei dieser Schlosseinheit bilde die erste Sperrklinke eine so genannte Hauptrast-Klinke, während die zweite Sperrklinke eine so genannte Vorrast-Klinke darstelle. Die Betätigung der Schlosseinheit erfolge regelmäßig gleichzeitig über die zweite Sperrklinke, die im Regelfall den Blockadehebel beim Öffnungsvorgang verschwenke, so dass die Drehfalle die erste Sperrklinke selbständig wegdrücke, sobald die Blockade aufgelöst sei (vgl. Absatz [0002]).

81

2. Hiervon ausgehend stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, diese bewährten Schlosseinheiten weiter zu verbessern und insbesondere eine Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss anzugeben, das eine geringe Bauteilanzahl, ein vergleichsweise geringes Gewicht und sehr geringe Betätigungskräfte aufweist (vgl. Absätze [0003] bis [0004]).

82

3. Als zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Hochschulingenieur bzw. Master of Engineering der Fachrichtung Fahrzeugtechnik anzusehen, der sich mit der Entwicklung und Konstruktion von Kraftfahrzeugschlössern befasst und auf diesem Gebiet bereits über mehrere Jahre Berufserfahrung verfügt.

83

4. Dieser Fachmann geht bei der Auslegung der Patentansprüche von folgendem Verständnis aus:

84

4a. Das Merkmal
M1 betrifft eine Vorrichtung, die in einem Schloss Verwendung findet, das für den Einsatz in einem Kraftfahrzeug geeignet ist. Die Vorrichtung umfasst herausgegriffene Komponenten eines Gesperres in einer nicht abschließenden Aufzählung, im Einzelnen eine Drehfalle, eine Sperrklinke und einen Blockierhebel (Merkmale
M2,
M3 und
M4) als verschwenkbare Elemente.

85

Figuren 5 und 7 der SPS mit Ergänzungen

86

Unter einer um eine Drehfallenachse drehbar gelagerten (Merkmal
M2.1) Drehfalle versteht der Fachmann ein Bauteil, das sich von einer Offenstellung in eine Schließstellung verschwenken lässt (vgl. Absatz [0009]). Ferner weist die Drehfalle gemäß dem Merkmal
M2.2 eine Schlosshalteraufnahme auf, die mit einem im Anspruch nicht genannten Schlosshalter interagiert (vgl. Absatz [0007]). Neben der Schlosshalteraufnahme umfasst die Drehfalle gemäß dem Merkmal
M2.3 eine Hauptrast, die mit der Sperrklinke eine Verrastung der Drehfalle in der Schließstellung herbeiführt. Darüber hinaus ist zwischen der Offen- und Schließstellung eine weitere Zwischenstellung vorgesehen, in der die Sperrklinke eine Vorrast der Drehfalle (Merkmal
M2.4) kontaktiert.

87

Die Vor- und Hauptrast im Sinne der Merkmale
M2.3 und
M2.4 sind mit Blick auf den Unteranspruch 5, der diesen konkret jeweils ein die Schlosshalteraufnahme bildendes Segment der Drehfalle zuweist, zumindest jeweils eine als in Form und Anordnung nicht festgelegte Funktionsfläche der Drehfalle aufzufassen. Sowohl in der sogenannten Sperrklinken-Hauptraststellung als auch in der Vorraststellung tritt diese formschlüssig mit wenigstens einer entsprechenden – im Anspruch 1 nicht näher definierten – korrespondierenden Gegenfläche der Sperrklinke in Kontakt. Mithin wird in den Haupt- und Vorraststellungen durch die Sperrklinke eine Schwenkbewegung der Drehfalle in Öffnungsrichtung unterbunden (vgl. Absatz [0010]).

88

Mit den Merkmalen
M3.1,
M3.3 und
M3.4 wird die bauliche Ausgestaltung der einen Sperrklinke nach dem Merkmal
M3 näher spezifiziert. Obwohl der Titel des Streitpatents ein „Mehrklinken-Gesperre“ ausweist, ist der hier verwendete Begriff „eine Sperrklinke“ im Gesamtkontext des Streitpatents als Numerale und nicht etwa als unbestimmter Artikel zu verstehen. In Absatz [0012] wird ein Erfolg der Erfindung nämlich darin gesehen, „dass die Sicherung der Drehfalle in der Vorraststellung und in der Schließstellung nur durch eine einzelne – mit einem Blockierhebel auslösbare – Sperrklinke sicher gewährleistet ist.“ Absatz [0029] stützt diese Sichtweise und beschreibt die Erfindung unter anderem mit nur einer (einzelnen) Sperrklinke.

89

So ist die Sperrklinke drehbar auf einer Sperrklinkenachse (Merkmal
M3.1) gelagert und mit einem Rastschenkel nach dem Merkmal
M3.3 ausgestattet (vgl. Absatz [0010]), der ausweislich der Figuren 1, 2, 5 und 7 mit der Haupt- sowie mit der Vorrast der Drehfalle jeweils unmittelbar zusammenwirkt. Zusätzlich zeichnet sich die Sperrklinke durch einen Rasthaken mit einer Rasthakenblockierfläche nach dem Merkmal
M3.4 aus, die unter Berücksichtigung des Merkmales
M5.1 mit einer Blockierhebelkontaktfläche in Kontakt tritt.

90

Das Merkmal
M3.2 definiert dabei eine besondere, als Sperrklinken-Hauptraststellung bezeichnete Drehstellung der Sperrklinke, die eine Blockade der Sperrklinke sowohl in Schließrichtung – in Rotationsrichtung hin zur Drehfalle – durch die Drehfalle selbst als auch in Öffnungsrichtung – in Rotationsrichtung von der Drehfalle weg – durch den mit dem Merkmal
M4 geforderten Blockierhebel bedingt (vgl. Absatz [0011]).

91

Ein derartiger, um eine Blockierhebelachse (Merkmal
M4.1) drehbar gelagerter Blockierhebel umfasst nach den Merkmalen
M4.2 und
M4.3 verschiedene Schenkel. Aus der Begrifflichkeit des Wortes „Schenkel“ folgt im Sinne der – auch der üblichen Wortbedeutung entsprechenden – Offenbarung, dass diejenigen Abschnitte des Blockierhebels, die jeweils einen Schenkel ausbilden, von demselben Ansatzpunkt ausgehen. Den Figuren 1 bis 7 ist hierzu zwar eine zweiarmige Ausgestaltung des Blockierhebels entnehmbar. Der Patentanspruch 1, dem diese Formgebung jedoch nicht zu entnehmen ist, lässt die räumliche Lage der beiden Schenkel zueinander jedoch offen.

92

Das Merkmal
M4.2 fordert einen Auslöseschenkel. Dessen fachspezifisch bekannte Funktion wird allein im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel erläutert (vgl. Absatz [0027]) und erschöpft sich in der Initiierung einer Schwenkbewegung des Blockierhebels (vgl. Absatz [0002]).

93

Neben dem Auslöseschenkel verfügt der Blockierhebel über einen Blockierschenkel mit der schon angesprochenen Blockierhebelkontaktfläche nach dem Merkmal
M4.3, der mit Blick auf das Merkmal
M5.1 auf die Rasthakenblockierfläche des Rasthakens der Sperrklinke einwirkt (vgl. Absatz [00011]).

94

Diese Wirkung des Blockierhebels beleuchtet der Merkmalskomplex
M5.X näher, nachdem er in einer Sperrklinken-Hauptraststellung entsprechend dem Merkmal
M3.2 – folglich im eingefallenen Zustand der Sperrklinke – ihre Bewegung in Öffnungsrichtung verhindert (Merkmal
M5). Dies geschieht, indem die Blockierhebelkontaktfläche des Blockierschenkels entsprechend Merkmal
M5.1 die Rasthakenblockierfläche der Sperrklinke kontaktiert.

95

Eine dem Ausführungsbeispiel gemäß Absatz [0021] entsprechende Anordnung der Rasthakenblockierfläche sieht der Merkmalskomplex
M5.X des Patentanspruchs 1 nicht vor. Im dortigen Ausführungsbeispiel ist die Rasthakenblockierfläche so zu dem Rasthaken angeordnet, dass der Blockierhebel über den aufgezeigten Kontakt die Sperrklinke in Schließrichtung mit einem Drehmoment beaufschlagen kann. Diese Anordnung ist für die Lehre des Patentanspruchs 1 jedoch nicht zwingend vorgegeben. Dafür, dass der erfindungsgemäß beanspruchte, technische Erfolg nur durch diese Ausgestaltung erreicht werden könnte, ist nichts ersichtlich. Und allein aus Ausführungsbeispielen darf nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden, als es dessen Wortlaut für sich genommen nahelegt (vgl. BGH Urteil vom 12. Februar 2008 – X ZR 153/05, GRUR 2008, 779, Rdnr. 33 – Mehrgangnabe)

96

Das Merkmal
M6 gibt für die Vorrichtung Betriebszustände vor, zu denen die Sperrklinke in Bezug auf die Sperrklinken-Hauptraststellung – entsprechend der Schließstellung des Schlosses – um einen Winkel α von der Drehfalle weg – also in Öffnungsrichtung – gedreht ist. Die Größenangabe für den Winkel α mit „stets größer als 0°“ im Merkmal
M6.1 impliziert, dass die Sperrklinke in der Schließstellung des Schlosses – gleichbedeutend mit der Sperrklinken-Hauptraststellung, die gemäß Ausführungsbeispiel als „Referenz- Winkellage“ fungiert (vgl. Absatz [0021]) – im Vergleich zu allen übrigen Konstellationen zwischen der Offen- und der Schließstellung, wie beispielsweise der Vorraststellung, „am weitesten hin zur Drehfalle geneigt ist“ (vgl. Absatz [0012]). Mit anderen Worten schließt das Merkmal
M6.1 allein ein erneutes Verschwenken der Sperrklinke in eine der Sperrklinken-Hauptraststellung entsprechende Schwenkstellung über den gesamten Verlauf der Rotationsbewegung der Drehfalle von der Öffnungs- bis zur Schließstellung aus. Der Patentanspruch 1 gibt dabei allerdings nicht vor, wodurch die in Relation zur Hauptraststellung größere Auslenkung der Sperrklinke in Öffnungsrichtung – im Besonderen in der Vorraststellung, aber auch während der Öffnungs- oder Schließbewegung insgesamt – erfolgt. Zwar weist die Beschreibung eine derartige Wirkung den aufeinander gleitenden Außenkonturen der Drehfalle und des Rastschenkels der Sperrklinke zu (vgl. Absatz [0012]). Diese Ausgestaltung hat jedoch ebenfalls keinen Niederschlag in den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gefunden. Insoweit ergeben sich aus dem Merkmal
M6.1 keine unmittelbaren Restriktionen in Bezug auf die Formgebung der Drehfalle bzw. der Sperrklinke.

97

4b. Dem in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 14 enthaltenen Merkmal
M3H1-H14 kommt keine andere Bedeutung als dem hierdurch ersetzten Merkmal
M3 des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung zu. Beide Merkmale besagen in Verbindung mit Absatz [0012], dass die beanspruchte Vorrichtung über eine einzelne Sperrklinke verfügen soll, mit der Implikation, dass nur diese unmittelbar mit den Funktionsflächen der Drehfalle nach den Merkmalen
M2.3 und
M2.4 zusammenwirkt. Auf vorstehende Ausführungen zur Auslegung des Merkmals
M3 wird Bezug genommen.

98

Das Merkmal
M5H1-H5, H11-H14 gibt dem Patentanspruch 1 keinen über das Merkmal
M5 der erteilten Fassung hinausgehenden Sinngehalt. Durch den Ersatz des unbestimmten Artikels durch den bestimmten wird in Bezug auf die Sperrklinken-Hauptraststellung lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es sich um diejenige handelt, die bereits im Merkmal
M3.2 angesprochen wird. Vorrichtungstechnische Besonderheiten folgen hieraus insofern nicht, als auch im Merkmal
M5H1-H5, H11-H14 die Exklusivität der Sperrklinken- Hauptraststellung für die Funktion des Blockierhebels, eine Bewegung der Sperrklinke in Öffnungsrichtung zu verhindern, nur angelegt, jedoch nicht auch zwingend festgeschrieben ist.

99

Erst nach dem Merkmal
M5H6 versperrt der Blockierhebel über den Blockierschenkel die Sperrklinke in deren Öffnungsrichtung ausschließlich in der Sperrklinken- Hauptraststellung. In den übrigen benannten Betriebszuständen des Gesperres, die den gesamten Verlauf der Rotationsbewegung der Drehfalle ausgehend von der Öffnungs- bis hin zur Schließstellung betreffen, schließen bereits die Maßgaben der Merkmalsgruppe
M6.X im Lichte des Absatzes [0012] ein erneutes Verschwenken der Sperrklinke in eine der Sperrklinken-Hauptraststellung entsprechende Schwenkstellung – und damit ein Blockieren der Sperrklinke in deren Öffnungsrichtung durch den Blockierhebel – aus.

100

Gemäß Merkmal
M7H1, H2, H5, H7 wird die Vorrichtung ergänzt um einen Auslösehebel mit einem Kontaktelement, das offensichtlich mit dem Blockierhebel in Kontakt treten soll. Welches Bauteil des Blockierhebels dabei mit dem Kontaktelement des Auslösehebels interagiert, überlässt der Patentanspruch 1 dem Gestaltungsspielraum des Fachmanns. Lediglich im Ausführungsbeispiel wirkt das Kontaktelement unmittelbar auf den Auslöseschenkel des Blockierhebels (vgl. Absatz [0027]). Der Auslösehebel stellt in technischer Sicht somit einen um einen Drehpunkt schwenkbaren, zumindest einarmigen Hebel dar, der über sein Kontaktelement unmittelbar mit dem Blockierhebel in Kontakt tritt, um diesen in eine Freigabestellung zu überführen. Eine darüberhinausgehende konstruktive Ausbildung des Auslösehebels gibt der Patentanspruch indes nicht vor. Diesem Merkmal
M7H1, H2, H5, H7 entsprechend ist auch das Merkmal
M7H3, H8 mit dem Wortlaut „und einen derart ausgestalteten Auslösehebel (37) mit einem Kontaktelement (39) für den Blockierhebel (14),“ zu verstehen.

101

Demgegenüber fordern die Merkmale
M7H9, H10 und
M7H11-H14 jeweils eine gegenüber der Sperrklinke und dem Blockierhebel separate und getrennte Ausbildung des Auslösehebels. Der Ausdruck „separat und getrennt“ stellt eine Akkumulation gleichbedeutender Adjektive dar, die bezogen auf die Ausbildung des Auslösehebels lediglich eine eigenständige räumliche Struktur unabhängig von den genannten Komponenten Sperrklinke und Blockierhebel festlegt.

102

Eine engere Auslegung dieser Merkmale, die eine gemeinsame Anordnung von Auslösehebel und Sperrklinke auf einer gemeinsamen Drehachse ausschließt, findet in der Streitpatentschrift keine Stütze. Dort rotiert nämlich der Auslösehebel des streitpatentgemäßen Gesperres wie die Sperrklinke auf der gleichnamigen Sperrklinkenachse (vgl. Figur 7, Absatz [0027]).

103

Der Fertigung des Auslösehebels vollständig aus einem nicht näher spezifizierten Kunststoff nach dem Merkmal
M7.1H1, H2 soll nach Absatz [0015] der Gewichtsreduktion dienen.

104

Im Hinblick auf die Merkmale
M7.2H2 und
M7.2H3, H8, H11-H14 erkennt der Fachmann zwar für die beschriebene Ausführungsform, dass dort der Auslösehebel für den Blockierhebel bei forcierter Bewegung über ein Kontaktelement dem Blockierhebel aufgrund einer Krafteinleitung in dieser Wirkrichtung eine Verschwenkung (
M5H1-H5, H7-H14) in eine die Sperrklinke freigebende Stellung „nach Art eines sich selbst-öffnenden Mechanismus“ aufprägen kann. Aufgrund einer besonderen Ausrichtung und Anordnung relativ untereinander und in Bezug auf die gezeigte Lage der Schwenkachsen führt dagegen eine etwaige Drehmomentbeaufschlagung der Drehfalle in gesperrter Schließstellung zwar zu einer die Sperrklinke in Entsperrrichtung drängenden Kraft, die vom Blockierhebel aufgenommen und in dessen Lagerstelle indes ohne Rückwirkung auch auf den Auslösehebel abgestützt wird. Hierbei können auf den Auslösehebel jedenfalls während der möglichen Betätigung des von Drehfalle über die Sperrklinke mittelbar kraftbeaufschlagten Blockierhebels dennoch Kräfte rückwirken.

105

Die hier betrachteten Merkmale bezeichnen somit nur für bestimmte, im Anspruch nicht bezeichnete Betriebssituationen überdies lediglich den zu erzielenden Erfolg, ohne den hierfür notwendigen Aufbau im Einzelnen vorzugeben. Auf welche Weise jedenfalls eine Kraftrückwirkung gemäß dem Merkmal
M7.2H2 ausgeschlossen werden soll, bleibt dem Gestaltungsspielraum des Fachmanns überlassen.

106

Erst mit dem Merkmal
M7.2H3, H8, H11-H14 in Verbindung mit einem der Merkmale
M7H3, H8 oder
M7H11-H14 wird allerdings auch nur dem Auslösehebel eine – insoweit notwendige, aber bei der beschriebenen Ausführungsform nicht ausreichende – Ausgestaltung unterstellt. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Merkmale
M7.2H2 und
M7.2H3, H8, H11-H14 jeweils im Sinne einer Konstruktionsvorschrift für die Konzeption des Gesperres insgesamt einschließlich des Auslösehebels selbst zu verstehen sind. Danach muss bei einer bestimmungsgemäß betriebenen Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 eine jegliche Kraftbeaufschlagung des Auslösehebels durch die Drehfalle ausgeschlossen sein, ohne dass hieraus bereits eine bestimmte Anordnung oder Ausbildung der hierfür genannten, im Kraftfluss zwischen Drehfalle und Auslösehebel liegenden Komponenten des Gesperres folgt. Gemäß Absatz [0015] der Streitpatentschrift ist dieser Effekt lediglich dem Umstand geschuldet, dass das Abheben der Sperrklinke von der Drehfalle nicht über den Auslösehebel direkt realisiert ist und der Auslösehebel infolgedessen entsprechend dimensioniert werden kann.

107

Insofern betreffen die Merkmale
M7.2H2 und
M7.2H3, H8, H11-H14 zwar jeweils einen von jeglicher Krafteinwirkung durch die Drehfalle freigestellten Auslösehebel. Sie geben jedoch keine Besonderheit vor, in der sich das Gesperre oder der Auslösehebel selbst gemäß den Merkmalen
M7H1, H2, H5, H7,
M7H3, H8 und
M7H11-H14 grundsätzlich von anderen Gesperren oder Auslösehebeln unterscheiden, die ebenfalls auf ein nur mittelbares Zusammenwirken zwischen der Sperrklinke und dem Auslösehebel über den Blockierhebel hin konzipiert sind. Auch unter Berücksichtigung der Gesamtoffenbarung ergeben sich hieraus keine weiteren Restriktionen hinsichtlich der baulichen Gestaltung der Gesperrekomponenten bzw. des Auslösehebels, die im Einzelnen dem Fachmann überlassen bleibt.

108

Die Merkmale
M2.3.1H4, H5, H8, H10 und
M3.0H4, H5, H8, H10 konkretisieren die zueinander komplementären Umrisse der Drehfalle bzw. der Sperrklinke im Bereich ihrer Kontaktierung. So liegt die Kontaktfläche der Drehfalle für die Hauptrast konkav – im Sinne der eigentlichen Wortbedeutung nach innen – gewölbt vor, indessen weist die Kontaktfläche der Sperrklinke für die Hauptrast eine konvexe Wölbung – nach außen – auf. Beide Kontaktflächen berühren sich nach dem Merkmal
M3.2.1H4, H5, H8, H10 während der Schließstellung des Gesperres in der Hauptrast. In dieser Position liegen sie – als Ergebnis eines entsprechenden Bewegungsablaufs der beteiligten Komponenten – unmittelbar aneinander. Die Berührung bedingt dabei nicht zwingend ein vollflächiges Anliegen der Kontaktflächen, vielmehr genügt aufgrund der Darstellungen in der Figur 1 der Streitpatentschrift auch ein nur bereichsweises Kontaktieren.

109

Das Merkmal
M8H7, H14 umfasst eine zu Merkmal
M6 analoge Aufzählung von Betriebszuständen des Gesperres, in denen nun explizit der Blockierhebel die Sperrklinke in deren Öffnungsrichtung nicht blockiert. Während sich aus dem Merkmalskomplex
M6.X keine unmittelbaren Restriktionen in Bezug auf die Formgebung der Drehfalle bzw. der Sperrklinke ergeben, wird die Blockade nunmehr aufgrund der in diesen Situationen steten Überlappung der Blockierhebelkontaktfläche des Blockierschenkels durch den Rasthaken der Sperrklinke in Richtung der Blockierhebelachse verhindert.

110

Das Merkmal
M9H12-H14 definiert die Arbeitsweise des Gesperres zu Beginn eines Öffnungsvorgangs, die hierfür notwendige vorrichtungstechnische Beschaffenheit ins konstruktive Ermessen des Fachmanns stellend. Veranlasst wird die Freigabe des Rasthakens der Sperrklinke durch eine Schwenkbewegung des Blockierhebels, die wiederum durch ein Verschwenken des Auslösehebels initiiert wird. Dabei wirkt das Kontaktelement des Auslösearms im Lichte der Gesamtoffenbarung unmittelbar auf den Auslöseschenkel des Blockierhebels. Besonderheiten für die bauliche Gestaltung des Kontaktelements und des Auslöseschenkels ergeben sich hieraus jedoch nicht.

111

Mit dem Merkmal
M10H13, H14 wird die Anordnung des Kontaktelements des Auslösehebels in einer Ausgangsstellung konkretisiert, die sich durch Kontaktfreiheit zum Blockierhebel auszeichnet. Unter einer „kontaktfreien“ Anordnung versteht der Fachmann ein anwendungsbedingtes Spiel bzw. einen entsprechenden Bewegungsfreiraum zwischen dem Kontaktelement und dem Auslöseschenkel des Blockierhebels. Die Wahl der angesprochenen Ausgangsstellung des Gesperres stellt das Merkmal
M10H13, H14 dabei in das Belieben des Fachmanns.

112

4c. Das Merkmal
O1 des nebengeordneten Patentanspruchs 7 definiert ein nicht näher erläutertes Kraftfahrzeug durch ein Kraftfahrzeugschloss, das nach dem Merkmal
O2 mit einer Vorrichtung gemäß einem der vorherigen Patentansprüche ausgestattet ist. Im Merkmal
O2.1 wird für die Vorrichtung ein Verwendungszweck zum Sichern einer Kraftfahrzeugtür vorgegeben, der eine Integration der Vorrichtung in ein Kraftfahrzeugtürschloss voraussetzt.

II.

113

In seiner erteilten Fassung erweist sich das Streitpatent als nicht rechtsbeständig.

114

1. Dem erteilten Patentanspruch 1 steht der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit in Form mangelnder Neuheit entgegen, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. 54 Abs. 1 EPÜ. Der Inhalt der Druckschrift
NKL3 (US 3,386,761 A) nimmt den Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg.

115

Sie offenbart dem Fachmann eine Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss nach den Merkmalen
M1,
M2,
M2.1,
M2.2,
M2.3 und
M2.4 mit einer um eine Drehfallenachse „pivot“ 29 drehbare Drehfalle „forked bolt member“ 28, die mit einer Schlosshalteraufnahme „fork of the bolt is disposed to receive a (…) striker element“, einer Hauptrast „shoulder“ 40 und einer Vorrast „shoulder“ 42 ausgestattet ist (vgl.
NKL3, Anspruch 1; Figur 2, Spalte 3, Zeile 74, bis Spalte 4, Zeile 20; Spalte 4, Zeilen 68 bis 73).

116

Figur 2 der Druckschrift NKL3

117

Darüber hinaus umfasst die aus der Druckschrift
NKL3 bekannte Vorrichtung eine um eine Sperrklinkenachse „pivot“ 36 drehbar angeordnete Sperrklinke „detent lever“ 34 im Sinne der Merkmale
M3,
M3.1,
M3.3 und
M3.4, welche aus einem Rastschenkel „detent shoulder“ 38 und einem Rasthaken „detent foot“ 54 mit einer Rasthakenblockierfläche besteht (vgl.
NKL3, Spalte 4, Zeilen 12 bis 20; Spalte 4, Zeilen 37 bis 43). Eine Torsionsfeder „torsion spring“ 60 drängt die Sperrklinke 34 dabei gegen die Außenkontur der Drehfalle 28 (vgl.
NKL3, Spalte 4, Zeilen 44 bis 47).

118

In der Sperrklinken-Hauptraststellung „fully latched position“ (Merkmal
M3.2) der Sperrklinke 34 interagiert der Rasthaken 54 mit einem um eine Blockierhebelachse „pivoted at“ 48 drehbaren Blockierhebel „blocking lever“ 46 nach den Merkmalen
M4,
M4.1 und
M4.3, der einen Blockierschenkel mit einer Blockierhebelkontaktfläche „blocking shoulders“ 50, 52 aufweist. Hierbei impliziert der Kontakt zwischen der Rasthakenblockierfläche der Sperrklinke 34 und der Blockierhebelkontaktfläche 52 eine Blockade der Sperrklinke 34 in deren Öffnungsrichtung durch den Blockierhebel 46 entsprechend der Merkmalsgruppe
M5.X, die erst durch eine automatisierte Betätigung eines Auslöseschenkels (Merkmal
M4.2) des Blockierhebels 46 mittels eines Hubmagneten „solenoid“ 58 aufgehoben werden kann (vgl.
NKL3, Figur 2, Spalte 4, Zeilen 37 bis 43, Spalte 4, Zeilen 53 bis 58, Spalte 4, Zeile 68, bis Spalte 5, Zeile 5).

119

Zu Beginn eines Öffnungsvorgangs des Schlosses muss der Ankerkolben „armature“ 56 des Hubmagneten 58 schließlich nur zurückgezogen werden, um den Blockierhebel 46 in eine die Sperrklinke 34 freigebende – in der Figur 2 gestrichelt dargestellte – Position zu überführen (vgl.
NKL3, Spalte 4, Zeilen 47 bis 58). Befindet sich die Rasthakenblockierfläche des Rasthakens 54 außer Eingriff mit der Blockierhebelkontaktfläche 52, wird die Sperrklinke 34 allein durch die in Öffnungsrichtung federvorgespannte Drehfalle 28 entgegen dem Moment der Torsionsfeder 44 mit einer Kraft beaufschlagt (vgl.
NKL3, Figur 2; Spalte 4, Zeilen 20 bis 30). Diese verschwenkt die Drehfalle 28 ausgehend von der in Figur 2 dargestellten Hauptraststellung über eine Vorraststellung „safety latched position“ bis zu einer nicht gezeigten Freigabestellung „released position“, die dem Öffnungszustand des Schlosses entspricht (vgl.
NKL3, Spalte 4, Zeile 73, bis Spalte 5, Zeile 5). Indes vollzieht die Sperrklinke 34 während eines Schließvorgangs eine identische Schwenkbewegung nur in umgekehrter Richtung.

120

Unabhängig von der Art des Bewegungsvorgangs bewirkt die Torsionsfeder „torsion spring“ 60 dabei ständig eine Anlage der Sperrklinke 34 an der Drehfalle 28 (vgl.
NKL3, Spalte 4, Zeilen 44 bis 47), deren maßgebende Außenkontur sich von der Hauptrast 40 über einen um die Drehfallenachse 29 konzentrischen Abschnitt „surface“ 63 und die Vorrast 42 bis zu einem Fallenabschnitt „surface“ 186 erstreckt (vgl.
NKL3, Figur 2). Gegenüber der Hauptraststellung, in welcher der Rastschenkel 38 der Sperrklinke 34 in blockierenden Kontakt mit der Hauptrast 40 der Drehfalle 28 steht (vgl.
NKL3, Spalte 4, Zeile 68, bis Spalte 5, Zeile 5) und der Rasthaken 54 der Sperrklinke 34 mit der Blockierhebelkontaktfläche 52 des Blockierhebels 46 verrastet ist, wird in der besagten Freigabestellung die Sperrklinke 34 nur durch den Fallenabschnitt 186 der Drehfalle 28 gehalten, die sich durch eine Lage des Rasthakens 54 unterhalb des unteren Endes des Blockierhebels 46 auszeichnet (vgl.
NKL3, Spalte 7, Zeilen 30 bis 36).

121

Insoweit vergrößert sich gegenüber der Hauptraststellung als Referenzpunkt fortlaufend der Dreh- bzw. Differenzwinkel α der Sperrklinke 34 um ihre Drehachse „pivot“ 36 in Öffnungsrichtung, bis sie ihre Freigabestellung erreicht. Dieser Bewegungsablauf wird dem Fachmann auch anhand des Verlaufs der Außenkonturlinie der Drehfalle 28 deutlich, deren Abstand von der Drehfallenachse 29 – ausweislich der Figur 2 – zwischen der Hauptraststellung und der Freigabestellung fortlaufend zunimmt.

122

Mithin erfüllt der Gegenstand der Druckschrift
NKL3 auch die Merkmale
M6 und
M6.1, wonach der Differenzwinkel α der Sperrklinke 34 in Bezug auf ihre Sperrklinken-Hauptraststellung nicht nur in der Offenstellung der Drehfalle 28 – entsprechend der Freigabeposition –, sondern auch in allen Zwischenpositionen bis zur Hauptraststellung einen Wert stets größer als 0° annimmt. Denn die Bekanntheit einer technischen Lehre zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents ist – unabhängig von einer ausdrücklichen oder nur impliziten Offenbarung in der Druckschrift
NKL3, auch bereits dann zu unterstellen, wenn sie dem Fachmann bei ihrer Realisierung unmittelbar und zwangsläufig offenbar wird. Auf die Frage, inwieweit der Fachmann dabei Veranlassung hatte, den Gegenstand auf das Vorhandensein der erfindungsgemäßen Eigenschaften zu erforschen, kommt es dabei nicht an (vgl. BGH Urteil vom 24 Juli 2012 – X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130, Rdnr. 29 – Leflunomid, BGH Urteil vom 14. August 2012 – X ZR 3/10, GRUR 2012, 1133, Rdnr. 29 – UV-unempfindliche Druckplatte).

123

Damit offenbart die Druckschrift
NKL3 alle Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1, vereint in der dort beschriebenen und gezeigten Ausführungsform. Sein Gegenstand ist gegenüber dem Inhalt dieser Druckschrift nicht neu und daher nicht patentfähig.

124

2. Wie in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt, verteidigt die Beklagte das Streitpatent ausdrücklich als geschlossenen Anspruchssatz. Da sich der erteilte Patentanspruch 1 nicht als rechtsbeständig erweist, hat das Streitpatent in seiner erteilten Fassung insgesamt keinen Bestand. Dem Begehren der Beklagten entsprechend sind an ihrer Stelle die Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 14 vom 12. Mai 2022 – in dieser Reihenfolge – auf ihre Zulässigkeit und Rechtsbeständigkeit zu prüfen.

III.

125

Das Streitpatent erweist sich auch in keiner der Fassungen der zuletzt zur Akte gereichten
Hilfsanträge 1 bis 14 vom 12. Mai 2022 als patentfähig.

126

Patentanspruch 1 des Streitpatents hat in keiner dieser Fassungen Bestand.

127

Bei der nachfolgenden Darstellung ist der Senat lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit von der durch die Beklagte vorgegebenen Reihenfolge abgewichen. Einer Beurteilung der weiteren Patentansprüche der
Hilfsanträge bedurfte es nicht, nachdem die Beklagte, die sämtliche Hilfsanträge als geschlossene Anspruchssätze versteht, zu erkennen gegeben hat, diese jeweils nicht selbstständig zu verteidigen.

128

1. Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß
Hilfsantrag 2 verfügt gegenüber seiner erteilten Fassung über die geänderten Merkmale
M3H1-H14 und
M5H1-H5, H7-H14 sowie die zusätzlichen Merkmale
M7H1, H2, H5, H7,
M7.1H1, H2 und
M7.2H2. Ausgehend von dem Inhalt der Druckschrift
NKL2 (DE 10 2006 055 438.8) in Kombination mit der der Druckschrift
NKL1 (DE 10 2007 003 948 A1) entnehmbaren Lehre beruht der Gegenstand dieses Anspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.

129

1a. In Anbetracht der beim Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 ergänzten Merkmalsangaben, die entsprechend obiger Auslegung dem Gesperre eine auf die Anwendung eines zusätzlichen, den Blockierhebel betätigenden Auslösehebels abgestimmte Ausgestaltung vorschreiben sollen, spiegelt die Druckschrift
NKL2 den Stand der Technik wieder, der den Ausgangspunkt für die den Fachmann in naheliegender Weise zur beanspruchten Merkmalskombination führenden Überlegungen bildet. Die Lehre dieser Druckschrift befasst sich ebenfalls mit einem Gesperre, das über einen nicht selbsttätig öffnenden Blockierhebel verfügt, der zur Freigabe der Sperrklinke durch die Aktion eines Benutzers verschwenkt.

130

Die Druckschrift
NKL2 offenbart eine Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss nach dem Merkmal
M1 und der Merkmalsgruppe
M2.X mit einer auf einer Drehfallenachse drehbar gelagerten Drehfalle 4, die neben einer Schlosshalteraufnahme zur Aufnahme eines sogenannten Schließbolzens 6 auch eine Hauptrast 18 sowie eine Vorrast 17 umfasst (vgl.
NKL2, Anspruch 1; Figuren 1 und 5; Seite 2, Zeile 27, bis Seite 3, Zeile 2; Seite 7, Zeile 27, bis Seite 8, Zeile 5).

131

Figur 1 der Druckschrift
NKL2

132

Zur Realisierung der Vorrichtung gibt die Druckschrift
NKL2 ausschließlich die Verwendung einer einzigen Sperrklinke 5 – entsprechend dem Merkmalskomplex
M3.X – vor, die um ihre Sperrklinkenachse, dort erster Lagerpunkt 7, schwenkbar gelagert ist und sowohl einen Rastschenkel zur Anlage an der Drehfalle 4 als auch einen Rasthaken mit einer Rasthakenblockierfläche für das Zusammenwirken mit einem Blockierhebel, dort als „Auslösehebel“ (Pos.12) bezeichnet, aufweist (vgl.
NKL2, Anspruch 1; Figuren 1 bis 5).

133

Zu diesem Zweck ist der um eine Blockierhebelachse, dort zweiter Lagerpunkt 15, gemäß dem Merkmal
M4.1 rotierbare Blockierhebel 12 (Merkmal
M4) mit einer Blockierhebelkontaktfläche ausgestattet, die entsprechend dem Merkmal
M4.3 einem Blockierschenkel des Blockierhebels 12 zugeordnet werden kann (vgl.
NKL2, Anspruch 4, Figuren 1 und 2, Seite 6, Zeilen 22 bis 26, Seite 8, Zeilen 26 bis 28).

134

Das Sperren einer Bewegung der Sperrklinke 5 in ihrer Öffnungsrichtung durch den Blockierhebel 12 erfolgt dabei durch Kontaktierung der Rasthakenblockierfläche mit der Blockierhebelkontaktfläche im Haltepunkt 13 (vgl.
NKL2, Figur 1, Seite 6, Zeilen 22 bis 26). Somit erfüllt der Gegenstand der Druckschrift
NKL2 auch die Vorgaben der Merkmale
M5 und
M5.1.

135

Der Fachmann vermag der Druckschrift
NKL2 auch den Merkmalskomplex
M6.X unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Das Merkmal
M6 gibt lediglich einen nicht näher bestimmten Schwenkwinkel α für die verschiedenen Positionen der Sperrklinke während der Drehfallenbewegung sowie ihrer Offen- und Vorraststellung vor und geht dabei ausgehend von der Sperrklinken-Hauptraststellung als Referenz-Winkellage in Öffnungsrichtung aufgehend – folglich von der Drehfalle wegdrehend – für die verschiedenen Positionen der Sperrklinke während der Drehfallenbewegung sowie ihrer Offen- und Vorraststellung vor. Erst in Verbindung mit dem Merkmal
M6.1 wird ein einseitig begrenzter Wertebereich für den Schwenkwinkel der Sperrklinke festgelegt, wonach dieser stets größer als 0° sein soll. Die Merkmalsgruppe
M6.X schließt – wie unter Punkt
4a dargelegt – somit allein ein erneutes Verschwenken der Sperrklinke in eine der Sperrklinken-Hauptraststellung entsprechende Schwenkstellung über den gesamten Verlauf der Rotationsbewegung der Drehfalle ausgehend von der Öffnungsstellung bis zur Schließstellung aus.

136

Das Gesperre der Vorrichtung nach der Druckschrift
NKL2 erfüllt diese Merkmale (vgl.
NKL2, Figuren 1 bis 5; Seite 5, Zeilen 1 bis 3; Seite 9, Zeilen 10 bis 13). Denn ausweislich der Figur 3, die eine Zwischenstellung während der Öffnungsbewegung veranschaulicht, sowie der die Offen- und Vorraststellung zeigenden Figuren 4 und 5 beträgt der Schwenkwinkel der Sperrklinke 5 in Öffnungsrichtung gegenüber der Sperrklinken- Hauptraststellung – wie sie sich aus der Figur 1 ergibt – stets mehr als 0°.

137

Dass diese Bedingung auch in den nicht im Einzelnen dargestellten Positionen der Sperrklinke 5 zwischen der Offen- und der Hauptraststellung eingehalten wird, ist – ohne dass dies einer besonderen Offenbarung bedürfte –, selbstverständlich, wenn nicht sogar unerlässlich. Andernfalls würde nämlich nicht nur die bevorzugt passiv von dem Blockierhebel in Richtung Drehfalle 4 gedrängte Sperrklinke 5 (vgl.
NKL2, Seite 4, Zeilen 26 bis 29) in einer Zwischenstellung eine in Relation zur Hauptraststellung gleiche oder größere Einfalltiefe bezüglich der Drehfalle 4 (α ≤ 0°) erreichen, sondern auch der Blockierhebel 12 würde simultan in eine Blockadestellung überführt. Eine solche Blockade der Drehfalle 4 aufgrund einer der Vorschrift des Merkmals
M6.1 widersprechenden Ausbildung, die kleinere Winkel zuließe, könnte ohne zusätzliche Betätigung des Blockierhebels 12 nicht wieder aufgehoben werden. Eine wiederholte Betätigung unterstellt der Fachmann der aus der Druckschrift
NKL2 hervorgehenden Anordnung jedoch bereits aus Praktikabilitätsgründen nicht. Die in der Merkmalsgruppe
M6.X niedergelegte Bedingung für die Schwenkbewegung der Sperrklinke 5 liest der Fachmann bei der Lektüre der Druckschrift
NKL2 also mit. Denn zu dem in einer Druckschrift für ihn Offenbarten gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die, wie hier, nach dem Gesamtzusammenhang der vermittelten technischen Lehre derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen (vgl. BGH Urteil vom 18. März 2014 – X ZR 77/12, GRUR 2014, 758, Rdnr. 39 – Proteintrennung).

138

Die Darstellung in Figur 1 der
NKL2 verdeutlicht somit, dass der Blockierhebel (dort Auslösehebel 12) die in der Sperrstellung zwar hierauf ggf. durch die Sperrklinke eingeleiteten Kräfte in der Lagerstelle des Blockierhebels aufgenommen werden, ohne Drehmomentwirkung auf den Blockierhebel aufgrund der senkrecht zur Kraftrichtung ausgerichteten Kontaktfläche. Von daher wirken auf den Blockierhebel in diesem Zustand des Gesperres auch keine von der Drehfalle herrührenden, diesen u. U. in die blockadefreie Stellung drängenden Kräfte.

139

Ein Fachmann, der sich am Ausführungsbeispiel nach den Figuren 1 bis 5 der Druckschrift
NKL2 orientiert, sieht sich vor die
Aufgabe gestellt, das in der Druckschrift
NKL2 auf Seite 4, Zeilen 26 bis 29, explizit angesprochene Auslösen des Blockierhebels 12 durch die aktive Aktion eines Benutzers und/oder elektrischen Signals konstruktiv umzusetzen, da dieser – anders als die Sperrklinke – unter Blockierkraftwirkung nicht selbsttätig ausweicht.

140

Auf der Suche nach entsprechenden Vorbildern im Stand der Technik stößt der Fachmann auf die Druckschrift
NKL1 – welche im Übrigen die Priorität der Druckschrift
NKL2 in Anspruch nimmt
. Die Druckschrift
NKL1 lehrt, für das Betätigen eines Blockierhebels – dort Blockadehebel 5 – nach den Merkmalen
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.1H1, H2 einen aus Kunststoff gefertigten Auslösehebel – dort zweite Sperrklinke 6 – mit einem Auslöserarm 9 vorzusehen, der ein Kontaktelement – dort Auslösezapfen 10 – trägt (vgl.
NKL1, Anspruch 3, Absatz [0016]). Das Kontaktelement 10 kann dabei mit der Kulisse 11 eines als Auslöseschenkel entsprechend dem Merkmal
M4.2 fungierenden Hebelarms des Blockierhebels 5 in Anlage gebracht werden (vgl.
NKL1, Anspruch 3, Figur 3).

141

Figur 3 der Druckschrift
NKL1

142

Die dort realisierte Ausführung einer Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss soll ausdrücklich dazu dienen, eine sichere und geräuscharme Betätigung sicherzustellen, die gleichwohl nur wenig Bauraum und geringe Betätigungskräfte benötigt (vgl. Absatz [0040]). Dies ist – auch dort wie im Übrigen bei der Ausführungsform des Streitpatents – dann der Fall, wenn das die Sperrklinke blockierende Gesperreelement mit geringen Betätigungskräften in die Freigabestellung bewegt werden kann, wofür sich ein Hebel wie aufgezeigt grundsätzlich eignet.

143

In Erwartung dieses Erfolgs wird der Fachmann die aus der Druckschrift
NKL2 bekannte Vorrichtung mit einem derartigen Auslösehebel entsprechend den Merkmalen
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.1H1, H2 und einem dazu korrespondierenden Auslöseschenkel im Sinne des Merkmals
M4.2 am Blockierhebel ergänzen, um diesen zu seiner Betätigung mit einem Drehmoment beaufschlagen zu können. Der Fachmann wird die in der Druckschrift
NKL1 offenbarte Betätigungsmechanik der Funktionsweise entsprechend bei einer Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss wie aus der Druckschrift
NKL2 bekannt konstruktiv umsetzen und gelangt auf diese Weise ohne erfinderisches Zutun zu einem der Konstruktionsprämisse des Merkmals
M7.2H2 i. V. m. dem Merkmal
M7H1, H2, H5, H7 folgenden Aufbau. Dieser offenbart alle Merkmale des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags 2.

144

1b. Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Druckschrift
NKL2 qualifiziere sich bereits nicht als Ausgangspunkt fachmännischer Überlegungen, da in ihr die dem Streitpatent zugrundeliegende, auf eine Reduzierung des baulichen Aufwands bzw. der Bauteilanzahl abzielende Aufgabenstellung keinen Niederschlag gefunden habe.

145

Auch die Streitpatentschrift führt nicht aus, auf welche konkrete Weise die erstrebte – möglichst geringe – Bauteilanzahl erzielt werden soll. Im Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 wird der im dortigen Merkmal
M7.2H2 postulierte Erfolg, dass durch die Drehfalle keine Kräfte auf den Auslösehebel wirken, durch die Ergänzung eines Auslösehebels (
M7H1) ermöglicht. Der bauliche Aufwand und die Bauteileanzahl werden auf diese Weise sogar erhöht. Demgegenüber führt die Lehre der Druckschrift
NKL2

146

nicht zu einer erkennbar höheren Komplexität des Gesperres.

147

Die beanspruchte Lösung beruht auf der Anwendung eines Hebels zur tatsächlichen Betätigung – nicht nur Freigabe – eines Blockierhebels, zu dessen Hernahme die Druckschrift
NKL2 Anlass bietet (s.o.).

148

1c. Der Fachmann würde zudem nicht lediglich die in der Druckschrift
NKL1 für das Ausführungsbeispiel gezeigte Betätigungskinematik bei dem Gesperre nach der Darstellung in der Druckschrift
NKL2 umzusetzen suchen, worauf er nicht eingeengt war, weil auch der Anspruch keine näheren Vorgaben zur konstruktiven Ausführung im Einzelnen macht. Vielmehr hat der Fachmann ausreichend Anlass und Vorbild, zur Erzielung des bekannten und erwünschten Erfolgs der Verhinderung einer Kraftrückwirkung von der Drehfalle auf den Auslösehebel einen Auslösehebel herzunehmen und diesen nach dem Vorbild der
NKL1 auch aus Kunststoff auszuführen, zumal auf diesen keine Kräfte wirken.

149

Der hier maßgebliche Durchschnittsfachmann hat stets Veranlassung, vorgeschlagene Maßnahme auf den mit ihr verbundenen Fertigungsaufwand und ihre Auswirkungen hin zu überprüfen. Bezogen auf die Lehre der Druckschrift
NKL1 betrifft dies die schon genannten Aspekte der Schließsicherheit und des Komforts, aber auch die Komplexität und das Gewicht der Vorrichtung. Dies gilt insbesondere für die in der Druckschrift
NKL1 vorgeschlagenen zusätzlichen Funktionen des Auslösehebels 6 als unmittelbar auf die Drehfalle 2 wirkende zweite Sperrklinke in der Vorraststellung (vgl.
NKL1, Anspruch 2, Figur 7) und als Betätigungsorgan des Mitnehmers 26 der ersten Sperrklinke 3 über eine Ausnehmung 25 (vgl.
NKL1, Abb. 4, Absatz [0035]), falls die anliegenden Kräfte für eine bestimmungsgemäße Bewegung der ersten Sperrklinke 3 nicht ausreichen sollten.

150

Dabei ist dem Fachmann durchaus bewusst, dass beispielsweise bei einem Verzicht auf die Funktionalität des Auslösehebels 6 als zweite Sperrklinke aufgrund der dann geringeren Festigkeitsanforderungen auch das Bauteilgewicht reduziert werden kann. Allerdings entfallen insofern auch die bekannten vorteilhaften Wirkungen hinsichtlich der Komplexität der Drehfallenkontur (vgl.
NKL1, Absatz [0012]).

151

Die vorgenannten Offenbarungsstellen mögen dem Fachmann zwar unter konstruktiven und wirtschaftlichen Aspekten Anlass zu einer Abwägung geben, welche Maßnahmen er im Einzelfall verwirklicht. Allerdings stellt dies nicht das Naheliegen der Erfindung im Umfang des Anspruchs in Frage, sondern betrifft deren tatsächliche konstruktive Realisierung im Einzelfall, zu der der Anspruch keine Vorgaben macht. Denn die Auswahl einer von mehreren nach dem Stand der Technik für den Durchschnittsfachmann erkennbaren Alternativen zur Lösung eines technischen Problems ist nicht schon deshalb auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen, weil aus Sicht des Durchschnittsfachmanns andere Lösungen besser geeignet oder vorteilhafter erscheinen. Eine die Patentfähigkeit begründende Überwindung einer technischen Fehlvorstellung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn gegenüber der vorgeschlagenen Lösung zu Recht bestehende Bedenken lediglich ignoriert und mit ihr tatsächlich und vorhersehbar verbundene Nachteile in Kauf genommen werden (vgl. BGH Urteil vom 24. April 2018 – X ZR 50/16, GRUR 2018, 1128, Leitsatz – Gurtstraffer).

152

Die Druckschrift
NKL2 offenbart ebenso einen das Lösungsprinzip einer Freistellung des Auslösehebels von Kräften der Drehfalle verwirklichenden Aufbau bei einer Vorrichtung für ein Kraftfahrzeug. Nach der Druckschrift
NKL2 liegt der um einen Lagerpunkt 15 drehbare Blockierhebel 12 in der Hauptraststellung – dem Schließzustand der Schlosseinheit 2 entsprechend – in einem sogenannten Haltepunkt 13 an der Sperrklinke 5 an, um eine durch die federvorgespannte Drehfalle 4 initiierte Öffnungsbewegung zu blockieren. Ausweislich der Figur 1 und des Anspruchs 6 der Druckschrift
NKL2 liegen der Lagerpunkt 15, der Haltepunkt 13 und ein Kontaktpunkt 8 zwischen Sperrklinke 5 und Drehfalle 4 auf einer gemeinsamen Verbindungslinie 14. In dieser Konstellation ist der Blockierhebel 12 insoweit im Wesentlichen nur durch eine von der Drehfalle 4 auf die Sperrklinke 3 übertragene Kontaktkraft belastet, deren Kraftvektor idealisiert durch seinen Lagerpunkt 15 verläuft. Dementsprechend überträgt ein auf diese Weise „momentenfrei“ gestellter Blockierhebel 15 zumindest in der Hauptraststellung keine Kräfte auf die im Kraftfluss nachfolgenden Bauteile wie beispielsweise den der Druckschrift
NKL1 entnommenen Auslösehebel. Zudem soll auch im letzten Verschwenkbereich der Drehfalle 4 vor der Offenstellung ein Kontaktpunkt zwischen ihr und der Sperrklinke 5 vermieden werden (vgl. Seite 9, Zeile 26 bis Seite 10, Zeile 2), ebenso mit der Implikation eine Kraftbeaufschlagung im Kraftfluss nachfolgender Bauteile zu unterbinden. Insoweit bietet die Lehre der Druckschrift
NKL2 dem Fachmann bereits ein Vorbild für eine die Konstruktionsprämisse des Merkmals
M7.2H2 verwirklichende Mechanik; – dies umso mehr, als dieser bekannte Aufbau durch ergänzende Anwendung des durch die Druckschrift
NKL1 vermittelten Betätigungskonzepts zu der einzigen, im Streitpatent hierzu herausgestellten Ausführungsform für ein Gesperre mit einem Auslösehebel führt, der nur mittelbar über den Blockierhebel mit der durch die Drehfalle beaufschlagten Sperrklinke in Verbindung steht.

153

In der Fassung des Hilfsantrags 2 hat das Streitpatent somit keinen Bestand.

154

2. Gleiches gilt im Ergebnis für die Fassung des Streitpatents gemäß
Hilfsantrag 1. In dieser Fassung verfügt der Patentanspruch 1 ebenfalls über die abgeänderten Merkmale
M3H1-H14 und
M5H1-H5, H7-H14 sowie die zusätzlichen Merkmale
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.1H1, H2, jedoch nicht über das Merkmal
M7.2H2. Angesichts dessen gelten vorstehende Ausführungen zum Hilfsantrag 2 für den Hilfsantrag 1 sinngemäß. Ausgehend von dem Inhalt der Druckschrift
NKL2 in Kombination mit der der Druckschrift
NKL1 entnehmbaren Lehre beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in dieser Fassung ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

155

3. Auch in seiner Fassung des Streitpatents nach
Hilfsantrag 3 ist das Streitpatent nicht rechtsbeständig. In dieser Fassung enthält der Patentanspruch 1 anstelle der Merkmale
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.2H2 des Hilfsantrags 2 die Merkmale
M7H3, H8 und
M7.2H3, H8, H11-H14, das Merkmal
M7.1H1, H2 ist gestrichen.

156

Die Merkmale
M7H3, H8 und
M7.2H3, H8, H11-H14 stellen eine Beschränkung dar, nach welcher der Auslösehebel der beanspruchten Vorrichtung so hergerichtet sein muss, dass auf ihn durch die Drehfalle keine Kräfte wirken. Eine vorrichtungstechnische Relevanz, die über die so festgelegte Lage des Auslösehebels im Kraftfluss nach dem – der Sperrklinke nachgeschalteten – Blockierhebel hinausgeht, kommt den Merkmalen
M7H3, H8 und
M7.2H3, H8, H11-H14 entsprechend ihrem Sinngehalt nicht zu.

157

Hieraus folgt, dass aus den oben zum Hilfsantrag 2 ausgeführten Erwägungen auch die im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 beanspruchte Vorrichtung für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt durch den Stand der Technik nahegelegt war. Eine Kombination des Inhalts der Druckschrift
NKL2 mit den in der Druckschrift
NKL1 vorgeschlagenen Maßnahmen, zu welcher der Fachmann, wie dort ausgeführt, Anlass hat, führt bereits zu einem Gegenstand, nach welchen der Auslösehebel der beanspruchten Vorrichtung so hergerichtet sein muss, dass auf ihn durch die Drehfalle keine Kräfte wirken. Das Erfordernis einer Festlegung der Positionen für den Auslöseschenkel an dem zumindest in der Sperrklinken-Hauptraststellung momentenfrei gestellten Blockierhebel und für den nur mittelbar von der Sperrklinke bzw. Drehfalle beaufschlagten Auslösehebel im Schwenkbereich des korrespondierenden Auslöseschenkels bedingt bereits, dass der Fachmann auch die in den Merkmalen
M7H3, H8 und
M7.2H3, H8, H11-H14 vorgegebene Konstruktionsregel – wie bereits zum Hilfsantrag 2 in Bezug auf die Merkmale
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.2H2 erläutert – ohne erfinderisches Zutun bei einer gemäß den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ausgeführten Vorrichtung sinnfällig anwenden wird.

158

4. In den Fassungen der
Hilfsanträge 4, 5 und 8 kann die Beklagte das Streitpatent nicht in zulässiger Weise verteidigen, weil in diesen Fassungen jeweils eine unzulässige Erweiterung vorliegt, Art. 123 Abs. 2 EPÜ. Unabhängig davon beruhen die Gegenstände der Patentansprüche 1 in den Fassungen der Hilfsanträge 4, 5 und 8 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

159

4.1 Eine Vorrichtung gemäß dem jeweiligen Patentanspruch 1 dieser Fassungen basiert auf den Merkmalen des Hauptanspruchs nach Hilfsantrag 3 oder einer Teilmenge hiervon und ist jeweils um die Merkmale
M2.3.1H4, H5, H8, H10,
M3.0H4, H5, H8, H10 und
M3.2.1H4, H5, H8, H10 ergänzt. Gemäß Art. 123 Abs. 2 EPÜ gehen die Gegenstände dieser Fassungen jeweils über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung (PCT/DE2009/001726, veröffentlicht als WO 2010/066240 A1) hinaus und sind nicht ursprünglich als zur Erfindung gehörend offenbart. Denn die genannten Merkmale betreffen jeweils einen technischen Aspekt, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen in seiner konkreten Ausgestaltung oder wenigstens in abstrakter Form nicht als zur Erfindung gehörig zu entnehmen ist (vgl. hierzu BGH Urteil vom 21. Juni 2011 – X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003, Rdnr. 29 – Integrationselement).

160

Die Merkmale
M2.3.1H4, H5, H8, H10,
M3.0H4, H5, H8, H10 und
M3.2.1H4, H5, H8, H10 betreffen eine konkav gebogene Drehfallenhauptrastkontaktfläche und eine konvex gebogene Sperrklinken-Hauptrastkontaktfläche, welche berührend an der konkav gebogenen Drehfallenhauptrastkontaktfläche anliegt. In der Figur 1 der Offenlegungsschrift zum Streitpatent sind diese Merkmale nicht hinreichend deutlich offenbart. Sie lassen sich aus den Strukturen der Drehfalle und der Sperrklinke nicht klar erkennen und sind nicht zeichnerisch hervorgehoben. Auch aus der Aufgabenstellung kann der Fachmann nicht auf sie schließen. Die Beschreibung enthält ebenfalls keinen entsprechenden Hinweis. Ebenso ergibt sich der mit diesen Merkmalen von der Beklagten herausgestellte Erfolg einer stabilen und sicheren Verrastung unter Reduktion der zur Lösung des Blockierhebels erforderlichen Auslösekräfte für den Fachmann schließlich weder aus einer Gesamtschau der Figuren 1 bis 7, noch aus einer dieser Figuren allein.

161

4.2 Hinzu kommt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach
Hilfsantrag 8 im Übrigen auch nicht patentfähig ist, da die beanspruchte Lehre für den angesprochenen Fachmann zum Prioritätszeitpunkt durch den Stand der Technik nahegelegt war.

162

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 8 schreibt im definitionsgemäßen Umfang über das gleichermaßen in der Druckschrift
NKL2 dargestellte Berühren der Konturen für die Drehfalle und die Sperrklinke in der Hauptraststellung (vgl.
NKL2, Figuren 1 u. 2) nach dem Verständnis des Merkmals
M3.2.1H4, H5, H8, H10 hinaus lediglich spezifisch gewölbte Kontaktflächen gemäß den Merkmalen
M2.3.1H4, H5, H8, H10 und
M3.0H4, H5, H8, H10 vor, deren Konturen dort nicht im Detail angesprochen sind.

163

Die Gestaltung der für die Sicherstellung der Verriegelungsfunktion der Drehfalle durch die Sperrklinke in der Hauptrast maßgeblichen Kontaktflächen, wie in der Druckschrift
NKL2 bereits exemplarisch dargestellt, im Sinne der Merkmale
M2.3.1H4, H5, H8, H10-H14 und
M3.0H4, H5, H8, H10-H14 mit konkaver bzw. konvexer Wölbung, übersteigt nicht das rein handwerkliche Können des Fachmanns. Im Besonderen belegt dieses Fachwissen die Druckschrift
NKL5 für eine – in Analogie zum Streitpatent – auf Druck belastete Sperrklinke 6 mit einer konvex gebogenen Kontaktfläche, die in der Hauptrast an einer konkav gebogenen Kontaktfläche der Drehfalle 5 anliegt (vgl.
NKL5, Figuren 1 u. 2). Werden die Kontaktflächen mit konkaver bzw. konvexer Wölbung ausgestaltet, handelt es sich insoweit um eine einfache, rein bauliche Umsetzung der in der Druckschrift
NKL2 bereits angelegten Lösung für die Kontaktierung der Drehfalle und der Sperrklinke in der Hauptrast, die eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann.

164

Dass nach einem Vorschlag der Druckschrift
NKL2 der Kontaktbereich in der Hauptrast so zu gestalten ist, dass ein über die Drehfalle generiertes Drehmoment die Sperrklinke in ihrer Schwenkbewegung zum Öffnen des Gesperres unterstützt, steht der naheliegenden Implementierung entsprechend konturierter Kontaktflächen nach den Merkmalen
M2.3.1H4, H5, H8, H10 und
M3.0H4, H5, H8, H10 nicht entgegen. Diese Merkmale schreiben ohnehin nur bestimmte vorrichtungstechnische Maßnahmen vor, ohne auf eine besondere Wirkung abzustellen.

165

Hinsichtlich der übrigen Merkmale wird auf vorstehende Ausführungen zur mangelnden Patentfähigkeit der Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag 3 verwiesen.

166

Aus vorstehender Betrachtung der Merkmalskombinationen im Lichte der gebotenen Auslegung – wie in den Abschnitten I.4a und I.4b ausgeführt – folgt, dass auch die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den
Hilfsanträgen 4 und 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Die jeweiligen Hauptansprüche beinhalten lediglich Kombinationen der vorliegend betrachteten und zumindest einem Teil der zum Hilfsantrag 3 dargelegten Merkmale, wobei sich hieraus jeweils kein anders zu bewertender Sachverhalt ergibt. Dies wurde von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

167

5. Eine Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß
Hilfsantrag 6 enthält gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 anstelle des Merkmals
M5H1-H5, H7-H14 das Merkmal
M5H6; die Merkmale
M7H1, H2, H5, H7 und
M7.1H1, H2 sind gestrichen. Ein solcher Gegenstand beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.

168

Die Druckschrift
NKL2 vermittelt dem Fachmann bereits ein Gesperre für ein Kraftfahrzeugschloss mit einem Blockierhebel 12, der ausschließlich in der Sperrklinken-Hauptraststellung eine Bewegung der Sperrklinke 5 in Öffnungsrichtung entsprechend dem Merkmal
M5H6 verhindert (vgl.
NKL2, Seite 9, Zeilen 10 bis 13).

169

Zum Offenbarungsgehalt einer Druckschrift gehört nicht nur dasjenige, was im Wortlaut der Veröffentlichung ausdrücklich erwähnt wird. Vielmehr ist – nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs – der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (vgl. BGH Urteil vom 16. Dezember 2008 – X ZR 89/07, GRUR 2009, 382, Rdnr. 26 – Olanzapin).

170

Aus den schematischen Darstellungen in den Figuren 1 bis 5 und den diesbezüglichen Beschreibungsabschnitten der Druckschrift
NKL2 wird der Fachmann unter Hinzuziehung seines Wissens auf die Lage des Blockierhebels 12 auch in den Betriebszuständen außerhalb der Sperrklinken-Hauptraststellung schließen. Der Fachmann folgert hieraus unmittelbar, dass aus Gründen der Praktikabilität – wie oben unter Punkt
III.1b zum Merkmalskomplex
M6.X dargelegt – ein nochmaliges Einfallen des Blockierhebels in seine Blockierstellung nach der Lehre der Druckschrift
NKL2 weder beabsichtigt noch erwünscht ist. Eine davon abweichende Anschauung widerspricht seinem Fachwissen, wonach bei einem Kraftfahrzeugschloss bzw. einer entsprechenden Vorrichtung in der Regel ein einmaliges Freigeben der Sperrklinke durch eine Benutzeraktion ausreicht, um seine Offenstellung zu erreichen.

171

Mithin liefert die Druckschrift
NKL2 bereits hinreichende Anhaltspunkte in Bezug auf die Lage des Blockierhebels 12 in den im Sinne des Merkmals
M5H6 maßgeblichen Betriebszuständen, die sich mit Ausnahme der Sperrklinken- Hauptraststellung lediglich durch ein Ablaufen des Blockierhebels 12 auf einer Kontur der bevorzugt durch ihn aktiv geführten Sperrklinke 5 auszeichnen (vgl.
NKL2, Figuren 1 bis 5, Seite 4, Zeile 26, bis Seite 5, Zeile 3).

172

Hinsichtlich der übrigen Merkmale wird auf vorstehende Ausführungen zur mangelnden Patentfähigkeit der Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 verwiesen.

173

6. Eine Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß
Hilfsantrag 7 enthält gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 nicht das Merkmal
M7.1H1, H2 und ist um das Merkmal
M8H7, H14 ergänzt. Eine solche Vorrichtung beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

174

Ausweislich der Figuren 3 bis 5 der Druckschrift
NKL2 weist die Sperrklinke 5 dieses bekannten Gesperres auf ihrer dem Blockierhebel 12 zugewandten Seite einen Rasthaken auf, der bei eingenommener Sperrklinken-Hauptraststellung den Blockierhebel 12 im Haltepunkt 13 kontaktiert (vgl. auch
NKL2, Anspruch 5). Nach der Initiierung eines Öffnungsvorgangs bewegt sich der Blockierhebel 12 vom Haltepunkt 13 weg hin zur Sperrklinke 5, die dadurch freigegeben wird (vgl.
NKL2, Seite 9, Zeilen 12 u. 13). Während der weiteren Öffnungsbewegung gleitet der Rasthaken der Sperrklinke wie aus den Figuren 3 und 4 ersichtlich entlang der ihr zugewandten äußeren Oberfläche des Blockierhebels 12. Insoweit steht vor dem Hintergrund obiger Ausführungen unter Punkt
III.1b der Rasthaken der Sperrklinke 5 des aus der Druckschrift
NKL2 hervorgehenden Gesperres – mit Ausnahme der Sperrklinken- Hauptraststellung – in allen übrigen Betriebszuständen nicht mit der Blockierhebelkontaktfläche des dem Blockierhebel 12 zugeordneten Blockierschenkels in sperrendem Kontakt, sondern ragt in Richtung der Blockierhebelachse 15 vor, sodass er die Blockierhebelkontaktfläche nach dem gebotenen Verständnis des Merkmals
M8H7, H14 überlappt.

175

Hinsichtlich der übrigen Merkmale wird auf vorstehende Ausführungen zur mangelnden Patentfähigkeit der Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 verwiesen.

176

7. Eine Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß
Hilfsantrag 9 enthält gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 3 nicht das Merkmal
M7.2H3, H8, H11-H14 und anstelle des Merkmals
M7H3, H8 das Merkmal
M7H9, H10 Diese Fassung genügt zwar dem bei der Formulierung beschränkter Patentansprüche in Patentnichtigkeitsverfahren zu beachtenden Gebot der Deutlichkeit bzw. Klarheit des Art. 84 EPÜ (vgl. BGH Urteil vom 5. Mai 2015 – X ZR 60/13, GRUR 2015, 1091-1095, Rdnr. 38 – Verdickerpolymer I; BGH Urteil vom 18. März 2010 – Xa ZR 54/06, GRUR 2010, 709, Rdnr. 55 – Proxyserversystem). Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dieser Fassung beruht allerdings ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ.

177

7.1 Wie oben zur Auslegung unter Punkt
I.4b ausgeführt, ist die Aneinanderreihung der beiden Adjektive „separat und getrennt“ als rhetorisches Stilmittel im Sinne einer Tautologie aufzufassen, das den Sinngehalt einer gegenüber der Sperrklinke und dem Blockierhebel eigenständigen Ausbildung des Auslösehebels bekräftigt. Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass der mit dem Merkmal
M7H9, H10 definierte Auslösehebel als autonome, räumliche Struktur unabhängig von den genannten Komponenten Sperrklinke und Blockierhebel agieren können muss.

178

7.2 Die Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 9 war für den angesprochenen Fachmann zum Prioritätszeitpunkt durch den Stand der Technik naheliegend. Denn der Auslösehebel 6 des Gesperres nach der Druckschrift
NKL1 fungiert entsprechend dem Merkmal
M7H9, H10 als eigenständige, körperliche Struktur, die identisch zum Streitpatent mit der Sperrklinke 3 auf einer gemeinsamen Drehachse 4 angeordnet ist (vgl.
NKL1, Figuren 1 bis 3, Absatz [0031]).

179

Hinsichtlich der übrigen Merkmale und der Veranlassung des Fachmanns zur Übertragung der Lehre der Druckschrift
NKL1 auf den Gegenstand der Druckschrift
NKL2 wird auf vorstehende Ausführungen zur mangelnden Patentfähigkeit der Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag 2 verwiesen.

180

8. Eine Vorrichtung in einer die Merkmale nach dem Hauptanspruch gemäß
Hilfsantrag 10 aufweisenden Gestaltung erfährt durch die gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 9 insgesamt hinzugefügten Merkmale
M2.3.1H4, H5, H8, H10,
M3.0H4, H5, H8, H10 und
M3.2.1H4, H5, H8, H10 eine unzulässige Erweiterung und ist zudem nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen.

181

8a. Zur fehlenden Zulässigkeit einer Fassung mit den Merkmalen
M2.3.1H4, H5, H8, H10,
M3.0H4, H5, H8, H10 und
M3.2.1H4, H5, H8, H10 wird nach oben unter Punkt
III.4.1 verwiesen.

182

8b. Zur mangelnden Patentfähigkeit eines Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1 mit diesen Merkmalen wird auf die Ausführungen oben unter Punkt
III.4.2 Bezug genommen. Auch im Lichte dieser Merkmale kommt den übrigen im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 10 aufgeführten Merkmalen gegenüber den Ausführungen zur Patentfähigkeit in Bezug auf den Hilfsantrag 9 keine andere Bedeutung zu. Auch insoweit wird nach oben verwiesen.

183

9. Eine Vorrichtung mit den Merkmalen nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß
Hilfsantrag 14 ist gegenüber der Fassung des Hilfsantrags 9 um die Merkmale
M7.2H3, H8, H11-H14,
M8H7, H14,
M9H12-H14 und
M10H13, H14 ergänzt. Anstelle des Merkmals
M7H9, H10 enthält diese Fassung das Merkmal
M7H11-H14. Eine solche Vorrichtung beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Art. 56 EPÜ.

184

Die Druckschrift
NKL1 zeigt die bauliche Umsetzung der dort beschriebenen Betätigung eines Kraftfahrzeugschlosses mittels einer Hebelmechanik, deren Auslösehebel 6 in der Schließstellung nach dem gebotenen Verständnis des Merkmals
M10H13, H14 mit Abstand zum Auslöseschenkel des Blockierhebels 5 angeordnet ist. Denn im Lichte des Absatzes [0033] muss das Kontaktelement 10 zu Beginn eines Öffnungsvorgangs des Gesperres erst durch eine Lageveränderung des Betätigungshebels 15 mit dem die Kulisse 11 tragenden Auslöseschenkel des Blockierhebels 5 in Kontakt gebracht werden. Bei fortgesetzter Betätigung wird daraufhin durch eine Verschwenkung des mit dem Auslöseschenkel des Blockierhebels 5 in Eingriff stehenden Kontaktelements 10 auch der Blockierhebel 5 selbst entsprechend dem Merkmal
M9H12-H14 in eine den Rasthaken der Sperrklinke 3 freigebende Stellung verschwenkt.

185

Hinsichtlich des Merkmals
M7H11-H14, das einer Kombination der bereits betrachteten Merkmale
M7H3, H8 und
M7H9, 10 entspricht, in Verbindung mit dem Merkmal
M7.2H3, H8, H11-H14 wird auf vorstehende Ausführungen zur mangelnden Patentfähigkeit der Vorrichtung gemäß den Hauptansprüchen in dessen Fassungen nach den vorrangigen Hilfsanträgen 3 und 9 verwiesen.

186

Die Darlegungen und Schlussfolgerungen zu den Hilfsanträgen 7 und 9 hinsichtlich der übrigen vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 14 umfassten Merkmale gelten in gleicher Weise; auch hierauf wird Bezug genommen, denn Besonderheiten folgen aus der gemeinsamen Betrachtung nicht.

187

10. Vorstehende Ausführungen zum Hilfsantrag 14 gelten sinngemäß für die Gegenstände des Patentanspruchs 1 in den Fassungen der
Hilfsanträge 11 bis 13. Daraus, dass diese Fassungen des Patentanspruchs 1 jeweils lediglich Unterkombinationen von weniger als den oben zum Hilfsantrag 14 betrachteten Merkmalen beinhalten, ergibt sich kein anders zu bewertender Sachverhalt. Auch in den Fassungen der Hilfsanträge 11 bis 13 hat das Streitpatent daher keinen Bestand.

188

11. Aus diesen Gründen war das Streitpatent, das sich in keiner seiner durch die Beklagte verteidigten Fassungen als rechtsbeständig erweist, insgesamt für nichtig zu erklären.

IV.

189

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

V.

190

Der Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens war in Ermangelung näherer Anhaltspunkte auf 500.000,00 € festzusetzen, § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 51 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Streitwertfestsetzung im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich. Ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren war nach Angaben der Parteien bei Erhebung der Patentnichtigkeitsklage nicht anhängig. Der Betrag vom 500.000,00 €, den die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10. Februar 2022 für angemessen erachtet hat, beruht auf der Streitwertschätzung in der Klageschrift.

191

Erkenntnisse, die eine Erhöhung oder Herabsetzung rechtfertigen könnten, hat der Senat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auch nach nochmaliger Anhörung der Parteien nicht gewonnen. Die Erklärung des Beklagtenvertreters kurz vor Ende der mündlichen Verhandlung, die Lehre des Streitpatents werde noch nicht benutzt, rechtfertigt eine Herabsetzung der zuvor von beiden Parteien für zutreffend erachteten Summe nicht, zumal der festgesetzte Wert für ein Patent, das eine Vorrichtung für ein Kraftfahrzeugschloss unter Schutz stellt, ohnehin moderat erscheint.