Beschluss des BVerwG 5. Senat vom 22.09.2022, AZ 5 B 33/21

BVerwG 5. Senat, Beschluss vom 22.09.2022, AZ 5 B 33/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:220922B5B33.21.0

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 4. Juni 2021, Az: 2 P-EK 466/16, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 800 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 22. Januar 2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 und vom 29. Januar 2019 – 5 B 25.18 – juris Rn. 3 jeweils m. w. N.) Den vorgenannten Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

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a) Die Beschwerde formuliert als Rechtsfragen von nach ihrer Auffassung grundsätzlicher Bedeutung zunächst:

„Ist Voraussetzung für die Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG, dass eine oder mehrere ‚entschädigungsrelevante Besonderheiten‘ vorliegen, die sich ‚in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von anderen Verfahren dieser Art abheben‘, oder ‚ein atypischer Sonderfall‘ bzw. ‚ein Ausnahmefall‘ gegeben sein müssen, weil mit der Pauschale des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG nach der Gesetzesbegründung Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung vermieden werden sollen?“,

„Ist eine Abweichung vom gesetzlichen Regelbetrag dem Entschädigungsgericht nur gestattet, wenn diese Summe nach den festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls unbillig ist, also ein Ausnahmefall vorliegt?“,

„Kommt eine Erhöhung oder Minderung des Pauschalbetrags nur in Betracht, wenn ein ‚atypisch gelagerter Sonderfall‘ vorliegt?“,

„Ist unter Würdigung aller Gesamtumstände abzuwägen, ob im Einzelfall eine entschädigungsrelevante Besonderheit vorliegt?“ und

„Sind als Umstände, die bei der Frage, ob eine Verminderung der Pauschale aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt zu berücksichtigen: (…)

(dass) die Überlänge ganz oder teilweise auf einer strukturellen Überlastung der Justiz des beklagten Landes beruht (…)“?

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Schon nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde fehlt es allerdings an der Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen. Denn die Beschwerde entnimmt diese – in Frageform gekleideten – Aussagen zu § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ausdrücklich Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs und legt damit zugleich dar, dass diese Fragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt sind. Sie lässt auch nicht erkennen, dass diesen Aussagen zu widersprechen wäre oder sonst ein erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf bestünde; vielmehr stimmt die Beschwerde ihnen ersichtlich zu. Der Sache nach rügt sie damit lediglich, dass das Oberverwaltungsgericht diese höchstrichterlichen Aussagen bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen und § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG unrichtig angewendet habe. Auf einen bloßen Rechtsanwendungsfehler kann eine Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO allerdings nicht gestützt werden.

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b) Die Beschwerde wirft als Frage, der nach ihrer Ansicht grundsätzliche Bedeutung zukomme, weiter auf:

„Können nach Art, Qualität und quantitativem Umfang nicht näher konkretisierte Vorteile, die ein Entschädigungskläger aufgrund eines bauordnungswidrigen Verhaltens erlangt hat, das vor Erlass des Urteils 1. Instanz im Ausgangsverfahren begangen wurde und sich nicht auf den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens bezieht, überhaupt geeignet sein, die für immaterielle Schäden gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zu zahlende Pauschale aus Billigkeitsgründen gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu vermindern, weil sie einen ‚Ausnahmefall‘ (…), einen ‚atypischen Sonderfall‘ (…) oder ‚das Vorliegen besonderer Umstände‘ (…) begründen?“

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Der Sache nach macht die Beschwerde damit keinen weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des Vorliegens eines „Ausnahmefalls“, eines „atypischen Sonderfalls“ oder des Vorliegens „besonderer Umstände“ im Sinne der von ihr angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend, sondern sie rügt, eine Unbilligkeit der Pauschalentschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sei gemessen daran vom Oberverwaltungsgericht lediglich behauptet, aber nicht festgestellt oder eine solche Feststellung sei jedenfalls nicht hinreichend erläutert worden. Dies mag zutreffen, was die mangelnde Auseinandersetzung des Oberverwaltungsgerichts mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeht, führt aber lediglich auf die Rüge einer unrichtigen Rechtsanwendung. Eine Grundsatzbedeutung der Rechtssache kann damit nicht begründet werden. Die Beschwerde führt im Übrigen auch nicht aus, warum sich Vorteile, die sich nicht auf den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens beziehen, schlechterdings nicht geeignet sein sollen, die Annahme einer Unbilligkeit nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu begründen. Dies wäre schon deshalb erforderlich, weil es auch im Rahmen der Widerlegung der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG auf eine Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2020 – 5 C 3.19 D – Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 10 Rn. 13). Die Beschwerde legt nicht dar, dass Vorteile, die sich nicht auf den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens beziehen, von vornherein keine Folgen einer überlangen Verfahrensdauer sein und insofern nicht als entschädigungsrelevante Besonderheiten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 – III ZR 72/20 – BGHZ 230, 14 Rn. 18) angesehen werden könnten.

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c) Die Beschwerde benennt außerdem als Frage von nach ihrem Dafürhalten grundsätzlicher Bedeutung:

„Können materielle Vorteile, die nicht unmittelbar durch die Überlänge des Ausgangsverfahrens verursacht sind, überhaupt geeignet sein, die Verringerung der Pauschale zu rechtfertigen?“

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Auch dies genügt den Darlegungserfordernissen nicht, weil die Beschwerde weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Entscheidungserheblichkeit der Frage erläutert. Sie legt zunächst schon nicht dar, dass und warum ausgehend von der Überlegung, § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG setze entschädigungsrelevante Besonderheiten voraus, Vorteile, die nicht unmittelbar durch die Überlänge des Ausgangsverfahrens verursacht sind, solche Besonderheiten nicht begründen können. Ferner lässt sich ihr nicht entnehmen, nach welchen Maßstäben derartige Vorteile von anderen Vorteilen abgegrenzt werden können. Darüber hinaus führt sie ebenfalls nicht aus, dass das Oberverwaltungsgericht die Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG auf Vorteile, die – in den Worten der Beschwerde – nicht unmittelbar durch die Überlänge des Ausgangsverfahrens verursacht sind, gestützt hat bzw. anderenfalls angesichts seiner Tatsachenfeststellungen notwendig von solchen mittelbaren Vorteilen hätte ausgehen müssen.

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d) Die Beschwerde benennt weiter als Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung:

„Müssen die Gründe, auf die eine Verminderung der Pauschale gestützt werden soll, in irgendeiner Weise geeignet sein, die psychischen Beeinträchtigungen, die durch die Überlänge eines Verfahrens verursacht sind, zu verkleinern und ist dies ggf. im Urteil näher zu begründen?“

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Auch insoweit erläutert die Beschwerde weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Sie legt schon nicht dar, dass und warum ausgehend von der Überlegung, § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG setze entschädigungsrelevante Besonderheiten voraus, von der der Frage zugrunde liegenden Annahme auszugehen wäre, dass insoweit allein eine Verkleinerung der durch die Überlänge eines Verfahrens ausgelösten psychischen Beeinträchtigung solche Besonderheiten begründen könne. Darüber hinaus führt sie ebenfalls nicht aus, dass das Oberverwaltungsgericht bei seiner Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG mit dem von ihm angenommenen Vorteil nicht zugleich auch (jedenfalls der Sache nach) von einer „Verkleinerung“ derartiger psychischer Beeinträchtigungen ausgegangen ist bzw. anderenfalls angesichts seiner Tatsachenfeststellungen notwendig eine solche „Verkleinerung“ nicht hätte annehmen dürfen.

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e) Die Beschwerde benennt zudem als Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung:

„Sind als Umstände, die bei der Frage, ob eine Verminderung der Pauschale aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt, zu berücksichtigen:

aa) eine besonders lange Dauer der Überlänge, insbesondere dann, wenn das Verfahren über Jahre durchgehend nicht gefördert wurde, sondern nur richterliche Wiedervorlagefristen verfügt wurden (siehe BVerwG Urteil vom 11.7.2013, 5 C 23.12, dort Rn. 52), sodass sich die Behandlung des Verfahrens auf ein ‚Liegenlassen‘ beschränkte, (…)

cc) ausgerechnet der Präsident des OVG Vorsitzender des Senates war, bei dem das überlange Verfahren anhängig war, er aber gleichwohl nichts unternommen hat, obwohl ihm die Akten vorgelegt wurden, als der Berichterstatter sich schon 2 Jahre lang darauf beschränkt hatte, Wiedervorlagen zu verfügen?“

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Auch dies genügt den Darlegungserfordernissen nicht, weil die Beschwerde die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht erläutert. Sie legt nicht dar, inwiefern derartige einzelfallbezogene Umstände der Behandlung des Ausgangsverfahrens für die Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG insbesondere mit Blick auf die Annahme einer entschädigungsrelevanten Besonderheit von fallübergreifender Bedeutung sein könnten.

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f) Die Beschwerde benennt schließlich als Frage von nach ihrer Ansicht grundsätzlicher Bedeutung:

„Muss nach Bejahung der Voraussetzungen, die eine Verringerung der Pauschale rechtfertigen, auch der Umfang der Verringerung nachvollziehbar und auf den Einzelfall bezogen begründet werden, oder genügt es, wenn das Gericht sich auf die Angabe beschränkt, es halte ‚in diesen Fällen‘ eine Verringerung der Pauschale um einen bestimmten Prozentsatz für angemessen, also schematisch auf Fälle abstellt, deren konkrete Gestaltung nicht beschrieben wird?“

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Auch insoweit legt die Beschwerde die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht dar. Sie lässt schon nicht erkennen, ob sie damit eine Auslegungsfrage des materiellen Rechts in Bezug auf den Inhalt des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG aufwerfen oder hiervon losgelöst den Umfang der gerichtlichen Begründungspflichten im Urteil und somit eine Auslegungsfrage einer von ihr nicht näher bezeichneten Norm des gerichtlichen Verfahrensrechts problematisieren will. Im Übrigen geht sie zu Unrecht davon aus, dass die vom Oberverwaltungsgericht verwendete Formulierung „in diesen Fällen“ die konkret gemeinten Fallgestaltungen nicht beschreibe. Damit sind nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe offenkundig Fälle gemeint, in denen sich der anspruchsberechtigte Kläger während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens einen rechtswidrigen Vorteil verschafft.

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2. Die von der Beschwerde erhobene Divergenzrüge ist ebenfalls nicht in der erforderlichen Weise begründet worden.

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Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des übergeordneten Gerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung muss im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 10. September 2018 – 5 B 20.18 D – juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.

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a) Die Beschwerde entnimmt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Rechtssatz, für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG sei die Gesamtdauer des Verfahrens auch dann zu ermitteln, wenn nur für einen bestimmten Verfahrensabschnitt Entschädigung verlangt werde (Verweis auf BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D – BVerwGE 147, 146 Rn. 17 f.). Demgegenüber sei das Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung von dem Rechtssatz ausgegangen, dass es auf die Gesamtdauer des Verfahrens nicht ankomme.

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Damit ist eine Rechtssatzdivergenz im oben dargelegten Sinne nicht in der gebotenen Weise dargetan. Den ihm zugeschriebenen abstrakten Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht, wie die Beschwerde selbst zutreffend ausführt, nicht ausdrücklich formuliert. Sie legt auch nicht dar, warum ein solcher den fallbezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zwingend zu entnehmen sei (vgl. zu diesem Erfordernis BAG, Beschluss vom 6. Dezember 2006 – 4 AZN 529/06 – NZA 2007, 349 Rn. 9). In der Sache rügt die Beschwerde vielmehr eine unzutreffende bzw. unterbliebene Ermittlung der Gesamtdauer des Verfahrens durch das Oberverwaltungsgericht. Dies führt jedoch lediglich auf den Einwand einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der maßgeblichen Rechtssätze genügt den Zulässigkeitsanforderungen aber nicht und kann die Zulassung der Revision wegen einer Rechtssatzdivergenz nicht rechtfertigen.

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b) Die Beschwerde entnimmt der angefochtenen Entscheidung den Rechtssatz, dass eine Entschädigung nur für Zeiten zu zahlen sei, in denen die unangemessene Verzögerung sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sei. Abgesehen davon, dass sie auch insoweit einräumt, ein solcher Rechtssatz sei vom Oberverwaltungsgericht nicht ausdrücklich, sondern nur konkludent aufgestellt worden, stellt sie diesem keinen anderslautenden konkreten Rechtssatz aus einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte gegenüber, sondern verweist nur darauf, ein solcher Rechtssatz wäre in erster Linie mit dem Gesetzwortlaut unvereinbar. Damit kann eine Divergenz von vornherein nicht begründet werden. Soweit die Beschwerde im Übrigen darauf verweist, dass das Oberverwaltungsgericht die Dauer der Unangemessenheit nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unzutreffend ermittelt und weder den Zeitpunkt der Entscheidungsreife bestimmt noch – was ausweislich des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung unrichtig ist – eine Chronologie des Verfahrens aufgestellt habe, führt auch dies nur auf den Einwand einer fehlerhaften Rechtsanwendung durch eine unrichtige oder unterbliebene Anwendung der maßgeblichen Rechtssätze.

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c) Die Beschwerde entnimmt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ferner den Rechtssatz, für das in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannte Tatbestandsmerkmal der „Schwierigkeit des Verfahrens“ komme dem Umstand besondere Bedeutung zu, ob die Sache dem Einzelrichter übertragen worden sei. Sei das der Fall, könne allenfalls von einem mittleren Schwierigkeitsgrad ausgegangen werden und die Schwierigkeit des Berufungszulassungsverfahrens liege dann eher an der unteren Grenze (Verweis auf BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D – BVerwGE 147, 146 Rn. 46 und Urteil vom 29. Februar 2016 – 5 C 31.15 D – Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 17 und 35). Demgegenüber habe das Oberverwaltungsgericht das Kriterium der Einzelrichterübertragung völlig unbeachtet gelassen und so konkludent den Rechtsgrundsatz aufgestellt, es komme hierauf nicht an.

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Auch damit ist eine Rechtssatzdivergenz nicht in der gebotenen Weise dargetan. Die Beschwerde legt wie schon zuvor nicht dar, warum ein solcher Rechtssatz den fallbezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zumindest in konkludenter Weise zwingend zu entnehmen sein sollte. Sie beschränkt sich der Sache nach vielmehr auf das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der maßgeblichen Rechtssätze, was die Zulassung der Revision wegen einer Rechtssatzdivergenz nicht rechtfertigen kann.

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d) Schließlich meint die Beschwerde, dass das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt habe, auch ein Richter, der durchgehend von der Entscheidungsreife an über einen Zeitraum von drei Jahren und neun Monaten nichts getan habe, habe das Verfahren in dieser Zeit zwölf Monate lang angemessen gefördert. Abgesehen davon, dass sie auch hier nicht darlegt, warum ein solcher Rechtssatz zumindest in konkludenter Weise den fallbezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zwingend zu entnehmen sein sollte, und die Beschwerde diesem vermeintlichen Rechtssatz auch nicht in nachvollziehbarer Weise einen anderslautenden konkreten Rechtssatz aus einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte gegenüberstellt, laufen die Ausführungen der Beschwerde auf den Einwand hinaus, das Oberverwaltungsgericht habe bei richtiger Rechtsanwendung den oben genannten Zeitraum insgesamt als unangemessene Verzögerung ansehen müssen. Auch damit wird allenfalls eine fehlerhafte Anwendung des maßgeblichen Rechts aufgezeigt, was die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann.

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3. Die Beschwerde ist schließlich nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Februar 2015 – 5 B 28.14 – juris Rn. 8 m. w. N. und vom 17. November 2015 – 5 B 17.15 – juris Rn. 3). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 – 5 B 48.13 – Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m. w. N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

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a) Die Beschwerde sieht einen Verfahrensfehler zunächst darin, dass bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung die Sache im Senat unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richterin Frau R. beraten worden sei, obwohl diese erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung vereidigt worden sei.

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Ein Verfahrensfehler wird hiermit jedoch nicht in hinreichender Weise dargelegt. Die Beschwerde erläutert bereits nicht, gegen welche prozessrechtliche Verfahrensregelung das von ihr bezeichnete Handeln des Oberverwaltungsgerichts verstoßen haben soll und legt den Verfahrensmangel damit in seiner rechtlichen Würdigung nicht substantiiert dar. Selbst wenn das Vorbringen der Beschwerde dahingehend zu verstehen sein sollte, sie wolle rügen, dass im Verfahren Rechtsprechungsaufgaben von nichtrichterlichen Personen wahrgenommen worden seien (vgl. Art. 92 GG, § 9 Abs. 3, §§ 19, 34 VwGO), führte dies nicht zur Zulassung der Revision. Denn ungeachtet der Frage, ob die Beteiligung nichtrichterlicher Personen an einer Vorberatung der Sache (auch hinsichtlich der Rechtsfragen) hieran gemessen überhaupt unzulässig ist, wäre eine solche Rüge jedenfalls unbegründet, weil ein derartiger Verfahrensfehler nicht vorliegt. Entgegen der Darstellung der Beschwerde ergibt sich eine Vorberatung der Sache unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter vor Beginn der mündlichen Verhandlung nicht aus deren Niederschrift. Eine „Mitteilung eines Ergebnisses der Vorberatung“ enthält das Protokoll nicht. Was den darin aufgenommenen Vergleichsvorschlag des beklagten Landes angeht, wurde dieser ausdrücklich mit dem Rechtsgespräch und damit dem Inhalt der mündlichen Verhandlung begründet. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Kläger Protokollierungsanträge hinsichtlich etwaiger weitergehender Äußerungen der Senatsvorsitzenden zu einer „Vorberatung“ oder auch nur einen nachträglichen Protokollberichtigungsantrag gestellt hätte. Im Übrigen hat die Senatsvorsitzende in dem Schreiben vom 15. Juli 2021 dem Kläger mitgeteilt, dass die ehrenamtlichen Richter vor Beginn der mündlichen Verhandlung lediglich in den Sach- und Streitstand eingeführt worden seien. Eine Vorberatung in (auch) rechtlicher Hinsicht liegt hierin ebenso wenig wie ein richterliches Handeln der ehrenamtlichen Richter. Vor diesem Hintergrund ist die gegenteilige Behauptung der Beschwerde substanzlos und nicht schlüssig.

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b) Ferner sieht die Beschwerde einen Verfahrensfehler darin, dass nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts eine ehrenamtliche Richterin (Frau B.) mitgewirkt habe, die nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zur Entscheidung in dieser Sache berufen gewesen sei, was zu einem Besetzungsfehler geführt habe (§ 138 Nr. 1 VwGO).

29

Es ist allerdings als bewiesen anzusehen, dass der geltend gemachte Besetzungsmangel nicht vorgelegen hat. Dass das Rubrum des angefochtenen Urteils Frau B. als mitwirkende ehrenamtliche Richterin aufführt, ist unerheblich. Denn die nach § 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu protokollierende Feststellung der beteiligten Richter gehört zu den Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung, auf die sich die Beweiskraft des Protokolls nach § 105 VwGO i. V. m. § 165 Satz 1 ZPO erstreckt (vgl. Dolderer, in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 105 Rn. 87; Schübel-Pfister, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 105 Rn. 30). Der Kreis der an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richter wird folglich allein durch das Protokoll bewiesen. Hiergegen ist nur der Nachweis seiner Fälschung zulässig (§ 105 VwGO i. V. m. § 165 Satz 2 ZPO). Dem Protokoll der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass an dieser die ehrenamtlichen Richter Frau R. und Herr H., nicht aber die ehrenamtliche Richterin Frau B. mitgewirkt haben. Seine Fälschung behauptet auch die Beschwerde nicht.

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c) Die Beschwerde rügt weiter eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) in Form einer unzulässigen Überraschungsentscheidung, weil das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung auf § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG gestützt habe, ohne dass dies zuvor von den Beteiligten in Erwägung gezogen und ohne dass bereits vor der mündlichen Verhandlung hierauf hingewiesen worden sei.

31

Hiermit ist ein Gehörsverstoß nicht hinreichend dargelegt. Dass die Frage der Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in der mündlichen Verhandlung selbst unerörtert geblieben sei, behauptet auch die Beschwerde nicht, worauf die Beschwerdeerwiderung zu Recht hinweist. Eine solche Erörterung im Rechtsgespräch genügt grundsätzlich, um das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu Rechtsfragen zu wahren. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass ausnahmsweise ein Hinweis im Rechtsgespräch zur Gewährung rechtlichen Gehörs unzureichend ist, wenn den Beteiligten eine sofortige angemessene Reaktion hierauf nicht möglich ist. Auch dann ist hier ein Gehörsverstoß aber nicht hinreichend aufgezeigt, weil die Beschwerde nicht dargelegt hat, dass der Kläger alle ihm zu Gebote stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, sich in einer solchen Situation selbst das rechtliche Gehör zu verschaffen, oder dass insoweit keine zumutbare Möglichkeit bestand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 2021 – 5 B 22.20 D – juris Rn. 11 m. w. N.). Denn der Kläger hätte auf einen ihn überraschenden rechtlichen Hinweis des Oberverwaltungsgerichts im Rechtsgespräch entweder eine Vertagung der mündlichen Verhandlung (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 173 VwGO) oder die Gewährung einer Schriftsatzfrist beantragen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2008 – 4 B 41.07 – juris Rn. 23). Dass er dies getan hat, legt die Beschwerde nicht dar.

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d) Die Beschwerde sieht einen Gehörsmangel weiter darin, dass das Oberverwaltungsgericht tatsächliches Vorbringen des Klägers nicht vollständig zur Kenntnis genommen habe. Es habe bei der Anwendung von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG seinen Hinweis unberücksichtigt gelassen, dass er einen genehmigten Standort für sein Wochenendhaus gehabt habe, auf dem dieses jetzt auch errichtet sei. Daher sei nicht ersichtlich, welchen vom Oberverwaltungsgericht unterstellten Vermögensvorteil er durch die ungenehmigte Errichtung gehabt haben könne. Seine Vermögenslage habe sich hierdurch ja nicht verbessert.

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Ein solcher Verstoß liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat den diesbezüglichen Vortrag des Klägers, der bereits im ersten Entschädigungsverfahren Gegenstand seines Vorbringens war, zur Kenntnis genommen, was sich schon daraus ergibt, dass es ihn im Tatbestand des angefochtenen Urteils (erneut) wiedergegeben hat (UA S. 4 f.). Dass es hieraus, wie die Beschwerde meint, nicht die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen hat, ist keine Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs.

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e) Die Beschwerde rügt weiter einen Verfahrensfehler dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers außer Acht gelassen habe, es habe im Ausgangsverfahren von März 2012 bis Dezember 2015 keinerlei verfahrensfördernde Maßnahmen gegeben. Hierin liege auch ein Aufklärungsmangel, weil das Oberverwaltungsgericht dann mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG (Verweis auf BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 1/13 R – BSGE 118, 91 Rn. 42) der Frage einer strukturellen Überlastung der Justiz hätte nachgehen müssen.

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aa) Zunächst liegt der vermeintliche Gehörsverstoß nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat auch diesen Vortrag des Klägers, der bereits im ersten Entschädigungsverfahren Gegenstand seines Vorbringens war, zur Kenntnis genommen, was sich gleichfalls daraus ergibt, dass es ihn im Tatbestand des angefochtenen Urteils (erneut) wiedergegeben hat (UA S. 4). Dass es hieraus, wie die Beschwerde meint, nicht die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen hat, ist keine Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs.

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bb) Auch der geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Die Aufklärungsrüge setzt die substantiierte Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 – 5 B 1.16 D – juris Rn. 9 m. w. N.). Gemessen daran hat die Beschwerde eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht ausreichend bezeichnet.

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Schon dem Vorbringen der Beschwerde nach rügt diese der Sache nach in erster Linie, dass sich das Oberverwaltungsgericht mit der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht befasst habe. Die Beschwerde macht insoweit der Sache nach geltend, das Unterbleiben der von ihr für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen beruhe auf einer unzulänglichen materiellrechtlichen Beurteilung der Sache durch das Oberverwaltungsgericht. Mit derartigen Angriffen gegen die Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht lässt sich jedoch eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachverhaltsermittlung nicht begründen.

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f) Schließlich ist die Beschwerde der Ansicht, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 i. V. m. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO), weil die Frist zwischen seiner Verkündung und seiner Übergabe an die Geschäftsstelle fast vier Monate betragen habe. Es lägen Umstände vor, die für einen fehlenden Zusammenhang zwischen Urteilsfindung und Gründen auch schon vor Ablauf von fünf Monaten sprächen. Außerdem lasse das Urteil nicht erkennen, welchen angeblichen Vorteil des Klägers es bei der Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in Ansatz gebracht habe und nach welchen Maßstäben es die Kürzung des Pauschalbetrages um die Hälfte vorgenommen habe. Damit ist der geltend gemachte Verfahrensverstoß nicht hinreichend dargelegt.

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aa) Ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil gilt im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe innerhalb einer – in Anlehnung an die in §§ 517 und 548 ZPO bestimmten – Frist von fünf Monaten nach Verkündung nicht unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Beratung und Verkündung des Urteils einerseits und der Übergabe der schriftlichen Urteilsgründe andererseits ist dann so weit gelockert, dass in Anbetracht des nachlassenden Erinnerungsvermögens der Richter die Übereinstimmung zwischen den in das Urteil aufgenommenen und den für die richterliche Überzeugung tatsächlich leitend gewordenen Gründen nicht mehr gewährleistet erscheint. Wird die Frist von fünf Monaten gewahrt, so kann ein Urteil gleichwohl als nicht mit Gründen versehen gelten. Dies trifft zu, wenn zu dem Zeitablauf als solchem besondere Umstände hinzutreten, die bereits wegen des Zeitablaufs bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Urteilsfindung und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2013 – 9 B 20.13, 9 B 21.13 – juris Rn. 3 f. m. w. N.).

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Auch die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die Maximalfrist von fünf Monaten vorliegend gewahrt worden ist. Besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen, der Zusammenhang zwischen der Urteilsfindung und den schriftlich niedergelegten Gründen sei gleichwohl nicht mehr gewahrt, hat sie nicht vorgebracht. Die Beschwerde verweist insoweit zunächst darauf, dass das Urteil nach einer Mitteilung des Oberverwaltungsgerichts von Mitte Juli bis Mitte September 2021 wegen urlaubsbedingter Abwesenheiten nicht habe unterschrieben werden können und hierfür ein erneuter Zusammentritt des Senats Ende September 2021 erforderlich gewesen sei. Ein solches erneutes Zusammentreten sei aber angesichts der Möglichkeit der Unterschriftsersetzung nur erforderlich, wenn es im Spruchkörper Unstimmigkeiten hinsichtlich der Übereinstimmung von Beratung und Urteilsgründen gegeben habe. Diese Zweifel würden verstärkt, weil das Urteil äußerst schlampig abgefasst sei, was durch zahlreiche Schreibfehler, fehlerhafte Zitate und die Diskrepanz zwischen Protokoll und Urteil in Bezug auf die Zusammensetzung des Gerichts belegt werde. Außerdem weiche der protokollierte Tenor von dem Tenor in der Urteilsausfertigung ab und die darin enthaltene Vollstreckungsabwehrklausel sei unsinnig formuliert.

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Damit wird ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Der Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht wegen mehrfacher Urlaubsabwesenheiten die Absetzung des Urteils hinausgeschoben hat, begründet keine relevanten weitergehenden Zweifel am Zusammenhang zwischen der Urteilsfindung und den schriftlich niedergelegten Gründen. Ob das Gericht die Urlaubsrückkehr eines Richters abwartet oder eine Unterschrift nach § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO ersetzt wird, steht im Ermessen des Vorsitzenden (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 3 B 34.19 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 54 Rn. 10). Für eine Ausübung dieses Ermessens dahin, dass auf eine Unterschriftsersetzung bei bloßer Urlaubsabwesenheit verzichtet wird, lässt sich zumindest im Grundsatz die Überlegung anführen, dass damit sogar eine größere Übereinstimmung zwischen Urteilsfindung und Gründen erreicht werden kann, weil auf diese Weise das Erinnerungsvermögen aller an der Entscheidung beteiligten Berufsrichter für die Abfassung des Urteils in Anspruch genommen werden kann. Aus der Mitteilung des Oberverwaltungsgerichts an den Kläger vom 7. September 2021, der Senat werde „Ende September zusammentreten können“, lässt sich darüber hinaus nicht der Schluss ziehen, es habe Meinungsverschiedenheiten im Spruchkörper hinsichtlich der Abfassung des Urteils gegeben, über die in einer erneuten Beratung, hätte entschieden werden müssen. Diese Formulierung benennt nur den Zeitpunkt, zu dem der Senat des Oberverwaltungsgerichts wieder vollständig anwesend war. Aus den von der Beschwerde angesprochenen Unzulänglichkeiten des Urteils ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Zweifel. Sie weisen allenfalls auf eine mangelnde Sorgfalt bei der Abfassung der Entscheidung hin, sind aber als primär formale Fehler nicht vergleichbar etwa mit gravierenden inneren Widersprüchen und logischen Brüchen des Urteils, die zusammen mit einem erheblichen Zeitablauf zu einem Verlust des Zusammenhangs zwischen der Urteilsfindung und den schriftlich niedergelegten Gründen führen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 2013 – 9 B 20.13, 9 B 21.13 – juris Rn. 9). Soweit die Beschwerde den unzulänglich formulierten Tenor moniert, berührt das diesen Zusammenhang von vornherein nicht, weil der Mangel bereits mit der Urteilsverkündung bestand.

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bb) Abgesehen von der Frage des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Urteilsfindung und der Abfassung der Gründe bezieht sich der Revisionsgrund des § 138 Nr. 6 VwGO auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der inhaltlichen Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung in diesem Sinne deshalb nur, wenn sie — jedenfalls in maßgeblichen Teilen — so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können. Demgegenüber liegt ein Mangel i. S. d. § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann vor, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2020 – 6 B 33.20 – juris Rn. 21 m. w. N.).

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Eine derart mangelhafte Begründung, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als nicht mehr mit Gründen versehen anzusehen wäre, zeigt die Beschwerde ebenfalls nicht auf. Sie rügt insoweit, dass die Ausführungen zum Vorteil, den der Kläger sich verschafft habe, und zur Begründung der Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG nicht einmal im Ansatz vorhanden und daher mangels rationaler Nachvollziehbarkeit unbrauchbar seien.

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Auch dies ist nicht geeignet, einen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Die beanstandeten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts mögen zwar unvollständig und oberflächlich sein. Sie überschreiten bei der insoweit gebotenen Gesamtschau der Urteilsgründe (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 – 9 B 412.98 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 S. 7) aber noch nicht die Grenze zu sachlich inhaltslosen, unverständlichen oder nicht auf den Fall bezogenen Entscheidungsgründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 – 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228 <230 f.>). Den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts lässt sich entnehmen, dass es die vorgenommene Reduzierung des Betrages nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG mit dem Vorteil begründet hat, den sich der Kläger rechtswidrig verschafft habe („in diesen Fällen“). Aus diesem Zusammenhang lässt sich außerdem erschließen, dass es die immateriellen Nachteile der überlangen Verfahrensdauer gemessen am pauschalen Entschädigungssatz hierdurch als zur Hälfte kompensiert angesehen und damit den Vorteil, den sich der Kläger verschafft habe, mit eben dieser Höhe bewertet hat. Als diesen Vorteil wiederum hat es die baurechtswidrige Errichtung eines vergleichbaren Wochenendhauses durch den Kläger auf demselben Grundstück gewertet, was dem Gesamtzusammenhang nach zumindest insoweit nachvollziehbar ist, als dieser sich damit jedenfalls die Nutzungsmöglichkeit dieses Hauses verschafft und – zumindest hinsichtlich des von ihm verfolgten ökonomischen Interesses – dadurch dem Ausgang des gerichtlichen Ausgangsverfahrens zumindest dem grundsätzlichen Rechtsschutzziel nach zu seinen Gunsten vorgegriffen hat. Ob diese Wertungen in jeder Hinsicht einer näheren inhaltlichen Prüfung standhalten können, ist für die Frage einer formell hinreichenden Entscheidungsbegründung unerheblich.

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4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem streitigen Betrag.