Erfolgloser Eilantrag gegen Wegversetzung bei mangelnder Darlegung familiärer Gründe (Beschluss des BVerwG 1. Wehrdienstsenat)

BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 22.09.2022, AZ 1 W-VR 14/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:220922B1WVR14.22.0

§ 17 Abs 6 S 2 WBO, § 21 Abs 2 WBO, § 7 S 2 WehrbBTG, § 26 Abs 2 S 1 VwVfG, § 26 Abs 2 S 2 VwVfG

Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 6. Mai 2022 gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement vom 2. Februar 2022 (Nr. …) anzuordnen, wird abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Versetzung vom …geschwader … in … zum Kommando … in …

2

Der … geborene Antragsteller ist Berufssoldat, führt seit Dezember … den Dienstgrad eines Oberstleutnants (Besoldungsgruppe A 14) und besitzt die Ausbildung zum Jagdbomber Flugzeugführeroffizier Tornado. Er wurde zuletzt als …stabsoffizier in die … Staffel im …geschwader … versetzt. Der Soldat ist verheiratet, wohnt in … (Landkreis …) und hat zwei schulpflichtige Kinder, die in den Jahren … und … geboren wurden. Die Eheleute leben in Scheidung. Für das Jahr 2021 bestand zugunsten des Soldaten aufgrund seiner familiären Situation eine Teilzeitregelung. Vor diesem Hintergrund wurde er seit Dezember 2020 in den …stab (S3) kommandiert und dadurch aus dem Schichtbetrieb in der Staffel herausgelöst.

3

Mit Schreiben des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 14. Dezember 2021 erhielt der Antragsteller eine Vororientierung für die Versetzung zum 1. April 2022 in das Kommando … in … Der vorgesehene Dienstposten im Referat 1 II c (…) ist mit der Besoldungsgruppe A 13/14 dotiert und erfordert nach der Organisationsgrundlagenbeschreibung das Analysieren, Bewerten und Einbringen von Fähigkeiten gemäß Integriertem Planungsprozess für den Bereich fliegende Luftverteidigung/Multi-Role, ferner das Vertreten der Luftwaffeninteressen im bundeswehr-gemeinsamen Fähigkeitsmanagement insbesondere in integrierten Projektteams. Schließlich wird das Verfolgen und Bewerten von Trends/Impulsen im Integrierten Planungsprozess erwartet und ggf. das Einbringen dieser Neuerungen in den Forschungs- und Technologieprozess, den „Concept Development and Experimentation“-Prozess sowie das Verwerten der Erkenntnisse für den Bereich fliegende Luftverteidigung/Multi-Role und für das Fähigkeitsmanagement. Als Sprachleistungsprofil wird Englisch mit der Leistungsstufe 3332 vorausgesetzt sowie die Zuerkennung der Kompetenz Jagdbomberflugzeugführer Eurofighter.

4

Mit fünf Schreiben erhob der Antragsteller gegen die angekündigte Versetzung militärfachliche Bedenken und familiäre Einwendungen. Ferner beantragte er die Beteiligung der Vertrauensperson. Diese gab die Empfehlung ab, den Sachverhalt erneut unter Berücksichtigung der Vorgabe „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ zu betrachten, im Fall des Festhaltens an einer Versetzung einen heimatnahen Einsatzort zu prüfen und die sechsmonatige Schutzfrist einzuhalten.

5

Auf Anfrage äußerte der Referatsleiter … im Kommando … am 26. Januar 2022 gegenüber dem Bundesamt für das Personalmanagement, dass er den Soldaten nach Durchsicht des Personalbogens als geeignet für den Dienstposten ansehe. Später erläuterte er, dass auf dem Dienstposten keine speziellen Eurofighter-Projekte zu bearbeiten seien. Hauptaufgabe werde insbesondere das Projekt „Erhalt Luft-/Bodenfähigkeit 2025+“ inklusive der Nachfolge Tornado sein. Eine Ausbildung zum Jagdbomberflugzeugführer Eurofighter sei seines Erachtens nicht erforderlich.

6

Mit Verfügung Nr. … vom 2. Februar 2022 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 1. Oktober 2022 auf den Dienstposten (ID …) im Kommando …, nach … Ein Ausdruck der Verfügung wurde dem Antragsteller am 21. Februar 2022 per E-Mail übersandt. Die Aushändigung erfolgte am 14. März 2022, wobei der Antragsteller die Unterschrift für den Empfang verweigerte.

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Gegen die Versetzung erhob der Antragsteller am 17. März 2022 Beschwerde, die am selben Tage in der Personalabteilung des Geschwaders einging. Gleichzeitig beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. In seiner Begründung verweist er im Wesentlichen auf die in seinen fünf Stellungnahmen vorgetragenen Einwände.

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Am 6. Mai 2022 legte der Antragsteller beim Personalstabsoffizier des Geschwaders „weitere Beschwerde“ wegen Untätigkeit ein. Das Bundesministerium der Verteidigung wertete das Begehren als Anträge auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sowie auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und legte diese dem Senat mit seiner Stellungnahme vom 1. Juli 2022 zur Entscheidung vor.

9

In seiner Antragsbegründung vom 22. Juli 2022 führt der Antragsteller aus, die Versetzungsverfügung sei rechtswidrig, da seine Auswahl ohne dienstlichen Grund und damit willkürlich erfolgt sei. Die Aufgabenbeschreibung des Dienstpostens erfordere eine Ausbildung als Jagdbomberflugzeugführer Eurofighter sowie ein Sprachleistungsprofil Englisch in der Ausprägung 3332. Beide Anforderungen erfülle er als Jagdbomberflugzeugführer Tornado nicht. Ein gültiges Sprachleistungsprofil weise er nicht auf. Er besitze somit die erforderliche Befähigung nicht und hätte gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nicht ausgewählt werden können. Zwar habe sein Vorgänger ausnahmsweise ebenfalls die Kompetenz Jagdbomberflugzeugführer Tornado besessen, dies habe den Bedarfsträger jedoch nicht dazu veranlasst, das Dienstpostenprofil generell für Tornadopiloten zu öffnen. Eine anderslautende Stellungnahme des Bedarfsträgers sei erst nach der Versetzungsverfügung eingeholt worden und demnach unerheblich.

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Hintergrund der Versetzung sei vielmehr seine Beschwerde bei der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages über ein dienstliches Fehlverhalten eines Staffelführers des Geschwaders. Die Versetzung sei eine Reaktion auf die Eingabe mit dem Ziel, ihn vom Standort zu entfernen. Hierfür spreche die verwunderte Äußerung des Referatsleiters im Kommando …, was mit ihm als ausgewiesenem Flieger eigentlich langfristig geplant sei. Dies sei als Reaktion auf eine Mitteilung über die Notwendigkeit seiner Entfernung von seiner bisherigen Dienststelle zu bewerten. Die Ankündigung der Versetzung sei für ihn kurz vor Weihnachten 2021 völlig unerwartet gekommen, obwohl er zuvor bei der Abfrage zur Besetzung vakanter Dienstposten Fehlanzeige gemeldet habe. Fehlanzeige sei nach seiner Kenntnis auch durch das Geschwader gemeldet worden. Konkret sei ihm eine Dienstpostenwahrnehmung in … aufgrund privater Umstände nicht möglich. Er lebe in Scheidung und kämpfe um den Umgang mit seinen beiden minderjährigen Kindern. Seine frühere Frau leide unter einem Erschöpfungssyndrom. Es sei zu befürchten, dass sie die Betreuung der Kinder nicht alleine sicherstellen könne. Im Fall eines unterwöchigen Aufenthaltes in … wäre es ihm nicht möglich, Umgangsvereinbarungen einzuhalten. Die Versetzung würde ferner seine neue Beziehung zerstören. Eine heimatnahe Versetzung in den Großraum … sei nicht betrachtet worden. Als Tornadopilot am Standort … sprächen letztlich sicherheitspolitische Aspekte im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Befähigung zur atomaren Teilhabe gegen seine Versetzung.

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Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers vom 17. März 2022 gegen die Versetzungsverfügung vom 2. Februar 2022 auf den Dienstposten JaBoFF Eurofighter (DP-ID …) in Gestalt des Antrages auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2022 anzuordnen.

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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag abzulehnen.

13

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei unbegründet, da der Antrag in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement vom 2. Februar 2022 sei rechtmäßig. Soldaten könnten versetzt werden, wenn für die Versetzung ein dienstliches Erfordernis besteht. Ein dienstliches Erfordernis gemäß Nr. 205 der Allgemeinen Regelung A-1420/37 liege regelmäßig vor, wenn ein freier Dienstposten zu besetzen sei. Maßgeblich für das Anforderungsprofil des Dienstpostens sei die konkrete Anforderung des Bedarfsträgers – hier des Kommando … – und nicht die in den Organisationsgrundlagen hinterlegten Dienstposteninformationen. Die laufenden Projekte erforderten allgemeinfliegerische sowie fachspezifische Kenntnisse zum Waffensystem Tornado. Diese Projekte seien bereits durch den Vorgänger, der ebenfalls auf diesem Waffensystem ausgebildet worden sei, begonnen worden. Die fachliche Befähigung des Antragstellers habe deshalb zu keinem Zeitpunkt in Frage gestanden. Unerheblich sei, dass der Antragsteller die erforderlichen Sprachkenntnisse nicht nachweisen könne. Auch auf seinem derzeitigen Dienstposten sei ein Sprachleistungsprofil von 3332 gefordert und er nehme die Aufgaben ausweislich seiner aktuellen Beurteilung mit überdurchschnittlichem Erfolg wahr. Auch stehe es im Ermessen der personalbearbeitenden Behörde bei einer Querversetzung von einzelnen Anforderungen zeitweise Abstand zu nehmen. Schwerwiegende persönliche Gründe gemäß Nr. 206 und Nr. 207 der Allgemeinen Regelung A-1420/37 stünden einer Versetzung nicht entgegen. Die familiäre Situation des Antragstellers sei bei der Entscheidung berücksichtigt worden, ihr habe jedoch kein Vorrang vor den dienstlichen Interessen eingeräumt werden können.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

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1. Der Antrag ist zulässig. Er ist sinngemäß dahingehend auszulegen, dass es nicht mehr um die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 17. März 2022 geht. Nachdem der Soldat unter der Bezeichnung „weitere Beschwerde“ einen Untätigkeitsantrag im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO gestellt hat, kommt es auf dessen Suspensiveffekt an. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 6. Mai 2022 (BVerwG 1 WB 40.22) anzuordnen, ist – nachdem das Bundesministerium der Verteidigung Abhilfe abgelehnt hat – gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO zulässig.

17

2. Der Antrag ist aber unbegründet. Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 WDS-VR 3.14 – Rn. 22 m. w. N.).

18

Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die angefochtene Versetzungsverfügung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwendung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2002 – 1 WB 30.02 – Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm bzw. ihr zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften festgelegten Maßgaben und Verfahrensregeln eingehalten sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 1 WB 57.02 – BVerwGE 118, 25 <27>), wie sie sich hier insbesondere aus der Allgemeinen Regelung (AR) A-1420/37 zur „Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten“ ergeben.

19

a) Die Versetzung ist nach summarischer Prüfung verfahrensfehlerfrei ergangen. Der Antragsteller hatte im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG hinreichend Gelegenheit, sich zu der Versetzung zu äußern. Gemäß Nr. 211 AR A-1420/37 müssen Soldaten zu den Gründen für beabsichtigte Versetzungen angehört werden und es ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Von diesem Recht hat der Antragsteller in vier Stellungnahmen gegenüber seiner Personalführung Gebrauch gemacht und seine Bedenken gegen die Versetzung dargelegt.

20

Auch die Vertrauensperson des Antragstellers wurde nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG ordnungsgemäß angehört. Die protokollierte Anhörung erfolgte durch den Kommodore als zu diesem Zeitpunkt zuständigen Disziplinarvorgesetzten am 27. Januar 2022.

21

Das Bundesamt für das Personalmanagement hat schließlich die sechsmonatige Schutzfrist eingehalten (Nr. 226 AR A-1420/37). Die Schutzfrist beginnt mit der Bekanntgabe der Versetzungsverfügung. Die Bekanntgabe erfolgt nach Nr. 225 AR A-1420/37 grundsätzlich durch Aushändigung. Die Aushändigung an den Antragsteller mit dem Zeitpunkt der Versetzung zum 1. Oktober 2022 erfolgte am 14. März 2022.

22

b) Die Versetzung ist nach summarischer Prüfung auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

23

aa) Für die Versetzung des Antragstellers besteht ein dienstliches Erfordernis im Sinne von Nr. 204 Buchst. a AR A-1420/37. Dabei ist für die Frage, ob ein dienstliches Erfordernis besteht, im Ausgangspunkt nicht die Einschätzung des Antragstellers, sondern diejenige des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden, den Haushalt bewirtschaftenden und das Personal führenden Stellen maßgeblich. Ebenso wenig ist das Gericht befugt, sich über die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus an die Stelle der Personalführung zu setzen (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 1 WB 7.20 – juris Rn. 20).

24

Das dienstliche Erfordernis für die Versetzung des Antragstellers zum Kommando … nach … liegt vor. Die Voraussetzungen sind nach Nr. 205 Buchst. b AR A-1420/37 regelmäßig erfüllt, wenn ein freier Dienstposten zu besetzen ist. Der verfügte Dienstposten im Kommando …, Referat …, ist vakant.

25

Eines weiteren dienstlichen Erfordernisses für die Wegversetzung bedurfte es nicht. Für die Rechtmäßigkeit der Versetzung ist unerheblich, ob auch am bisherigen Dienstort die Möglichkeit einer (Weiter-)Verwendung des Antragstellers besteht. Denn die Entscheidung darüber, welcher Soldat an welchem Dienstort eingesetzt wird, ist grundsätzlich Sache des Dienstherrn (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 1 WB 7.20 – juris Rn. 24).

26

Der Antragsteller besitzt auch eine ausreichende fachliche Qualifikation für den Dienstposten. Er kann dem Dienstherrn nicht mit Erfolg entgegenhalten, ihm fehle die in den Organisationsgrundlagen geforderte Ausbildung „Jagdbomber Flugzeugführer Eurofighter“. Bei summarischer Prüfung ist nicht feststellbar, dass der Dienstherr seinen Ermessensspielraum bei der Besetzung des Dienstpostens mit dem Antragsteller als Jagdbomber Flugzeugführer Tornado überschritten hat. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hat sich am 22. Februar 2022 eigens beim Kommando … nach der Relevanz dieser Qualifikation für die konkrete Aufgabenerfüllung erkundigt und in Erfahrung gebracht, dass die Eurofighter-Ausbildung aktuell nicht erforderlich ist und schon der Vorgänger des Antragstellers auf dem Dienstposten eine Ausbildung als Flugzeugführer Tornado gehabt hat.

27

Dass im Informationssystem Organisationsgrundlagen etwas Anderes hinterlegt ist, ist für die Rechtmäßigkeit der Versetzung ohne Bedeutung. Denn das Informationssystem Organisationsgrundlagen hat keine normativ steuernde Funktion (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Mai 2020 – 1 WB 71.19 – juris Rn. 41 und vom 11. März 2021 – 1 WDS-VR 16.20, 1 WDS-VR 17.20 – juris Rn. 45). Für das Auswahlverfahren maßgeblich sind die vom jeweiligen Bedarfsträger – hier dem Kommando … – festgelegten Anforderungen. Der Bedarfsträger kann dabei eine anstehende Neubesetzung des Dienstpostens auch zum Anlass nehmen, von der Beschreibung in den Organisationsgrundlagen abzuweichen, solange er sich – wie hier – in den Grenzen des ihm zustehenden Ermessens hält (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2020 – 1 WB 71.19 – juris Rn. 41).

28

Unerheblich ist, dass die diesbezügliche Nachfrage beim Bedarfsträger erst nach der Versetzungsverfügung erfolgte. Das beschriebene Tätigkeitsprofil knüpft an die Projekte des Vorgängers auf dem Dienstposten an und stellt die Qualifikationserfordernisse auch zum Zeitpunkt der konkreten Verfügung dar. Eine Gesamtschau der zu übertragenden Aufgaben lässt bei summarischer Prüfung keinen Schluss darauf zu, dass der Dienstposten zwingend mit einem Jagdbomber Flugzeugführer Eurofighter zu besetzen ist. Die als Luftfahrzeugführer erworbenen Grundqualifikationen überwiegen bei der Ausfüllung des Dienstpostens. Diese für den Dienstposten notwendige fachliche Qualifikation hat der Antragsteller als Luftfahrzeugführer Tornado erworben.

29

Der Auswahl des Antragstellers steht auch nicht das Fehlen eines aktuellen Sprachleistungsprofils (SLP) Englisch der Höhe 3332 entgegen. Die entsprechende Anforderung im Informationssystem Organisationsgrundlagen ist gleichfalls für die Rechtmäßigkeit der Versetzung voraussichtlich nicht entscheidend. Denn das Kommando … hat dem aktuellen Nachweis eines entsprechenden Sprachleistungsniveaus keine Bedeutung für die Effektivität der Auftragserfüllung auf dem Dienstposten beigemessen. Welche Qualifikationen für die Effektivität der Auftragserfüllung auf einem Dienstposten erforderlich sind, entscheidet der Dienstherr im Rahmen seines organisatorischen und personalwirtschaftlichen Ermessens (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 1 WDS-VR 8.16 – Rn. 32 und vom 7. Juni 2018 – 1 WB 32.17 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 100 Rn. 32). Dabei kann er von einzelnen Anforderungen bei einer Querversetzung auch Abstand nehmen (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2016 – 1 WB 28.15 – juris Rn. 33). Dass dies im vorliegenden Fall auf sachfremden Erwägungen beruhte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen dürfte dem Antragsteller als ausgebildetem Tornadopiloten nur der aktuelle formale SLP-Nachweis, nicht aber die entsprechende tatsächliche sprachliche Befähigung fehlen.

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bb) Die Versetzungsverfügung ist auch nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil ihr ein schwerwiegender persönlicher Grund im Sinn von Nr. 207 Buchst. a oder d AR A-1420/37 entgegenstehen würde. Nach diesen Bestimmungen liegt ein schwerwiegender persönlicher Grund insbesondere vor, wenn aufgrund militärärztlicher Bewertung der Gesundheitszustand eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes bzw. dessen ebenfalls mit in der häuslichen Gemeinschaft lebenden anderen Elternteils einen Verbleib am Standort notwendig macht. Ferner kann von einer Versetzung abgesehen werden, wenn durch die Versetzung wegen der Eigenart des Dienstes die Betreuung eines mit dem Soldaten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes unter 14 Jahren nicht sichergestellt werden kann.

31

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar hat der Antragsteller einen ärztlichen Bericht mit der Diagnose eines Erschöpfungssyndroms und einer mittelgradigen depressiven Episode seiner Ehefrau vorgelegt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine aktuelle militärärztliche Bewertung des Gesundheitszustandes seiner Ehefrau. Außerdem leben der Antragsteller und seine Ehefrau in Scheidung, sodass eine häusliche Gemeinschaft zwischen ihnen nicht besteht. Auch die beiden … und … geborenen Kinder leben aktuell nicht mit ihm in einer häuslichen Gemeinschaft.

32

cc) Die vom Antragsteller angeführten „anderen Gründe“ im Sinn von Nr. 208 AR A-1420/37 führen voraussichtlich gleichfalls nicht zur Feststellung eines Ermessensfehlers. Nach Nr. 208 AR A 1420/37 sind auch andere Gründe, die der Person oder den privaten Lebensumständen des Betroffenen zugerechnet werden müssen, bei der Versetzungsentscheidung zu berücksichtigen. Ein Absehen von der Versetzung kann erfolgen, wenn dies mit den dienstlichen Belangen in Einklang zu bringen ist. Zu den von dieser Bestimmung erfassten sonstigen (gewichtigen) privaten Gründen kann im Einzelfall auch die Notwendigkeit der Betreuung eigener Kinder außerhalb der häuslichen Gemeinschaft gehören. Denn das von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Ehe und Familie genießt besonderen Schutz. Daher muss der Staat auch als Dienstherr auf bestehende familiäre Betreuungspflichten Rücksicht nehmen, auch wenn eine häusliche Lebensgemeinschaft nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2018 – 1 WB 27.17 – Buchholz 11 Art. 6 GG Nr. 189 Rn. 37 zur Betreuung von Großeltern).

33

Diesen Grundsatz hat der Dienstherr im vorliegenden Fall auch nicht in Abrede gestellt, sodass bei summarischer Prüfung insoweit kein Ermessensfehler vorliegt. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmesachverhalts ist nach dem Vorlageschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom 25. Mai 2022 im Beschwerdeverfahren nicht anerkannt worden, weil der Antragsteller trotz Aufforderung die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmesachverhalts nicht ausreichend dargelegt hat.

34

Zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau bestand nach seinen Angaben zunächst die Vereinbarung, die Betreuung der gemeinsamen Kinder in einem Zwei-Wochen-Turnus abwechselnd sicherzustellen. Diese wechselseitige Kinderbetreuung, bei der seine Kinder auch turnusgemäß unter der Woche bei ihm lebten, findet aber nach Angaben des Antragstellers seit einiger Zeit nicht mehr statt. Seine Ehefrau versuche, den Kontakt zwischen ihm und seinen Kindern ganz zu verhindern. Der Antragsteller hat dem Dienstherrn zwar mitgeteilt, vor dem Familiengericht um den Umgang mit seinen Kindern zu kämpfen. Die beiden schulpflichtigen Kinder würden durch ein komplexes und aufwendiges Betreuungssystem, zu dem auch Absprachen und Treffen mit ihm unter der Woche gehörten, versorgt. Diese Angaben sind aber völlig vage und belegen seinen Anteil an der Betreuung seiner Kinder unter der Woche nicht.

35

Da der Antragsteller bislang nicht im Einzelnen vorgetragen hat, in welchem Umfang er aktuell Umgangsrechte mit seinen Kindern hat und deren Betreuung insbesondere unter der Woche an seinem Heimatort übernehmen muss, kann die mangelnde Berücksichtigung dieser Umstände voraussichtlich nicht als ermessensfehlerhaft gewertet werden. Denn dem Antragsteller obliegt – wie § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG zeigt – eine Mitwirkungspflicht bei der Darlegung und Aufklärung schwerwiegender persönlicher Gründe sowie anderer privater Gründe im Sinne der Nr. 207 und 208 AR A 1420/37, weil deren nähere Kenntnis dem Dienstherrn regelmäßig fehlt. Daher muss die mangelnde Darlegung konkreter Umstände ähnlich wie die mangelnde Vorlage von Unterlagen zu medizinischen Einschränkungen zu Lasten des Antragstellers gehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 WDS-VR 3.14 – Rn. 40).

36

In dem Vortrag des Antragstellers, die Versetzung zerstöre die Beziehung zu seiner neuen Partnerin, liegt schließlich aller Voraussicht nach ebenfalls kein gewichtiger „anderer Grund“ im Sinne von Nr. 208 AR A-1420/37. Dem Vorbringen sind nur subjektive Befürchtungen, aber keine objektiven Umstände zu entnehmen, die über das bei beruflichem Pendeln übliche Maß an Belastungen hinausgehen. Generell ist der Dienstherr nicht verpflichtet, privaten Beziehungen außerhalb des Schutzbereiches von Art. 6 GG Vorrang gegenüber dienstlichen Belangen einzuräumen.

37

Soweit sich der Antragsteller auf die Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-2645/6 „Vereinbarkeit von Familie und Beruf/Dienst“ beruft, ist deren Außerachtlassung ebenfalls nicht konkret dargetan. Im Übrigen enthält diese Dienstvorschrift an verschiedenen Stellen nur personalpolitische Programmsätze, aus denen sich keine subjektiven Rechtspositionen ableiten lassen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Februar 2015 – 1 WDS-VR 3.14 – juris Rn. 42 m. w. N. und vom 29. Januar 2020 – 1 WB 65.19 – Buchholz 449 § 3 SG Nr. 98 Rn. 24).

38

dd) Der Einwand des Antragstellers, er werde aufgrund seiner Zusatzqualifikation für Krisenfälle im nuklearen Bereich beim …geschwader … dringend benötigt, betrifft eine Frage der militärischen Zweckmäßigkeit der Versetzung und ist damit gerichtlich grundsätzlich nicht überprüfbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2021 – 1 WB 26.20 – juris Rn. 39). Die Frage, ob zur Sicherstellung des militärischen Auftrages am Standort … eine Anwesenheit des Antragstellers erforderlich ist, stellt eine organisatorische Maßgabe dar, die dem Bereich der militärischen Zweckmäßigkeit unterfällt und der Festlegung und Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung obliegt.

39

ee) Das Vorbringen, andere Jagdbomber Flugzeugführer Eurofighter seien für den Dienstposten nicht betrachtet worden, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Versetzung. Der Dienstherr entscheidet auch im Rahmen seines weiten personalwirtschaftlichen Ermessens darüber, welcher von mehreren geeigneten Soldaten den Dienstposten besetzt. Den auch hier bestehenden militärfachlichen Einschätzungsspielraum verkennt der Einwand des Antragstellers. Das dienstliche Interesse an einer inländischen Verwendung des Antragstellers entfällt nicht dadurch, dass auch andere Soldaten einen konkreten Dienstposten besetzen können (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2022 – 1 WB 48.21 – juris Rn. 50).

40

ff) Der Antragsteller dringt auch nicht mit dem Vortrag durch, die Versetzung beruhe auf seiner Eingabe an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages und sei damit rechtswidrig. Zwar folgt aus § 7 Satz 2 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags vom 26. Juni 1957 (BGBl. I S. 652), zuletzt geändert mit Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), dass ein Soldat wegen der Tatsache der Anrufung des Wehrbeauftragten nicht dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden darf. Eine Wegversetzung gegen den Willen des Soldaten ist auch als Benachteiligung zu werten, wenn sie wegen einer Beschwerde und nicht wegen interner Spannungen erfolgt (vgl. Dau/Scheuren, WBO, 7. Aufl. 2020, § 2 Rn. 5; BVerwG, Beschluss vom 30. August 1977 – 1 WB 29.77 – juris Rn. 60).

41

Bei summarischer Prüfung der Sachlage liegt hier nur ein zeitlicher, aber kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Eingabe des Antragstellers bei der Wehrbeauftragten und der Versetzung vor. Die Vororientierung zu der Versetzung vom 14. Dezember 2021 erfolgte etwa ein halbes Jahr nach seiner Beschwerde vom 8. Juni 2021, in der er die Wehrbeauftragte über seinen Verdacht einer Dienstpflichtverletzung eines Staffelkapitäns seines Geschwaders informiert hat. Es sind jedoch keine objektiven Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Führung seines Geschwaders deswegen seine Wegversetzung betrieben und dass der Personalführer ihn deswegen für den Dienstposten im …kommando ausgewählt hat. Vielmehr führt der Antragsteller selbst aus, die Geschwaderführung habe für den Dienstposten – ihn somit eingeschlossen – Fehlanzeige gemeldet. Der Führer seines Geschwaders habe seine Wegversetzung auch nicht befürwortet. Da sich die Beschwerde des Antragstellers nicht gegen das Bundesamt für das Personalmanagement richtete, ist auch ein Motiv der Personalführung, ihn wegen der Eingabe wegzuversetzen, nicht erkennbar. Wie der Antragsteller selbst einräumt, war die Personalführung seit längerem auf der Suche nach einer Nachbesetzung der Stelle. Allem Anschein nach war sie mangels freiwilligen Interessenten gezwungen, eine dienstliche Verpflichtung auszusprechen. Es liegen auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass die Auswahl des Antragstellers gegenüber dem Referatsleiter beim …kommando mit der Notwendigkeit einer Wegversetzung begründet worden ist. Die vom Antragsteller berichtete Äußerung des Referatsleiters über den ziellosen Verwendungsaufbau des Soldaten rechtfertigt einen solchen Rückschluss nicht. Derzeit ist damit nach Aktenlage nicht erkennbar, dass sich das Bundesamt für Personalmanagement bei seiner Entscheidung, den Antragsteller zu versetzen, von sachfremden Erwägungen leiten ließ.

42

c) Für den Antragsteller entstehen aus der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Versetzung keine unzumutbaren, insbesondere nicht wiedergutzumachenden Nachteile die – ungeachtet der nach summarischer Prüfung gegebenen Rechtmäßigkeit der Versetzung – seinen Verbleib auf dem bisherigen Dienstposten bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache gebieten würden.