Beweiswirkung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses (Beschluss des BVerwG 9. Senat)

BVerwG 9. Senat, Beschluss vom 19.09.2022, AZ 9 B 2/22, ECLI:DE:BVerwG:2022:190922B9B2.22.0

Leitsatz

1. Wie das herkömmliche papiergebundene Empfangsbekenntnis erbringt auch das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis gegenüber dem Gericht den vollen Beweis für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Beweisregelung in § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO (§ 174 Abs. 4 Satz 3 ZPO a. F.) i. V. m. § 56 Abs. 2 VwGO.

2. Auch beim elektronischen Empfangsbekenntnis besteht dessen Sinn und Zweck darin, die Zustellung eines bestimmten Dokuments nachzuweisen, weshalb dessen Identität sowohl für den abgebenden Rechtsanwalt als auch für das Gericht außer Zweifel stehen muss.

3. Der vom Anwalt an das Gericht übersandte strukturierte Datensatz und nicht seine Visualisierung im jeweils verwendeten Fachverfahren stellt das eigentliche Empfangsbekenntnis dar, an das die gesetzlich bestimmte Nachweiswirkung anknüpft.

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 27. Oktober 2021, Az: 5 A 237/21, Beschluss
vorgehend VG Chemnitz, 4. März 2021, Az: 1 K 2070/15

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50,90 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen Kostenforderungen des Beklagten; seine Anfechtungsklage wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht ließ die Berufung mit Beschluss vom 17. August 2021 wegen eines Verfahrensfehlers zu und setzte mit Beschluss vom 26. August 2021 den vorläufigen Streitwert fest. Die Beschlüsse wurden dem Prozessbevollmächtigten des Klägers jeweils zusammen mit einem Anschreiben elektronisch übermittelt. Mit dem angefochtenen Beschluss verwarf das Oberverwaltungsgericht die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (OVG Bautzen, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – 5 A 237/21 – LKV 2022, 84 ff.): Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers abgegebene elektronische Empfangsbekenntnis beweise die Zustellung des Berufungszulassungsbeschlusses am 27. August 2021; die Beweiswirkung sei unter Berücksichtigung des Prüfvermerks, der Eingangsbestätigung und der XJustiz-Nachricht nicht entkräftet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht demgegenüber geltend, er habe das Empfangsbekenntnis für den Beschluss über die Festsetzung des vorläufigen Streitwerts abgegeben; der Berufungszulassungsbeschluss sei ihm nicht zugestellt worden.

II

2

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

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Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,

ob ein elektronisches Empfangsbekenntnis, das Rechtsanwälten übersandt wird und das selbst nicht erkennen lässt, für welche Dokumente von dem Rechtsanwalt das elektronische Empfangsbekenntnis angefordert wird, nach der erfolgten Rücksendung an das Gericht, überhaupt geeignet ist, Beweis dafür zu erbringen darüber, dass ein bestimmtes Dokument an einem bestimmten Datum einem Rechtsanwalt wirksam zugestellt worden ist,

ob in dem Fall, dass das elektronische Empfangsbekenntnis nicht erkennen lässt, für welche Dokumente von dem Rechtsanwalt das elektronische Empfangsbekenntnis angefordert wird, einem Rechtsanwalt unter Zuhilfenahme von anderen Informationen außerhalb eines elektronischen Empfangsbekenntnisses unterstellt werden darf, dass ihm ein bestimmtes Dokument wirksam zugestellt worden ist

und

ob dies selbst dann gilt, wenn der Rechtsanwalt ausdrücklich klargestellt hat, dass er das Dokument nicht als zugestellt entgegennimmt,

betreffen, soweit sich ihnen fallübergreifende Aussagen entnehmen lassen, Fragestellungen, die in der Rechtsprechung bereits geklärt sind oder sich auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage des Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lassen.

5

Der Sache nach geht es dem Kläger um die Bestimmung von Umfang und Inhalt der Beweiskraft eines von einem Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht abgegebenen elektronischen Empfangsbekenntnisses. Hintergrund ist der Umstand, dass das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers auf elektronischem Weg abgegebene Empfangsbekenntnis in dem zur Gerichtsakte genommenen Ausdruck als zugestellte Dokumente eine Kurzmitteilung vom 25. August 2021 und einen Beschluss vom 17. August 2021 angibt, während die am Bildschirm des Rechtsanwalts angezeigte „Vorschau“ des elektronischen Empfangsbekenntnisses ausweislich des von ihm vorgelegten Screenshots die Dokumente „Kurzmitteilung_Klaeger/Proz.Bev“ und „Beschluss“ jeweils ohne Datumsangabe ausweist. Daraus ergeben sich jedoch keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, und zwar weder in Bezug auf die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses (dazu 1.) noch hinsichtlich der Identität des in Bezug genommenen Dokuments (dazu 2.). Die Fragen sind im Übrigen nicht entscheidungserheblich (dazu 3.).

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1. Die Beweiswirkung eines von einem Rechtsanwalt abgegebenen Empfangsbekenntnisses ist im Grundsatz höchstrichterlich geklärt.

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a) In Bezug auf das herkömmliche papiergebundene anwaltliche Empfangsbekenntnis geht die Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte übereinstimmend davon aus, dass das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis den (vollen) Beweis erbringt für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt sowie für den Zeitpunkt der Entgegennahme. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist zwar zulässig, setzt aber voraus, dass die Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben richtig sein könnten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 21. November 2006 – 1 B 162.06 – Buchholz 303 § 418 ZPO Nr. 14 Rn. 2 und vom 11. Oktober 2017 – 1 WNB 3.17 – juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 1996 – VII ZB 12/96 – NJW 1996, 2514 <2515> und vom 24. September 2019 – XI ZB 9/19 – juris Rn. 19; BFH, Urteil vom 31. Oktober 2000 – VIII R 14/00 – NVwZ 2001, 1198; BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 63/08R – juris Rn. 12; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27. März 2001 – 2 BvR 2211/97 – NJW 2001, 1563).

8

Die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses folgt aus der in der Zivilprozessordnung enthaltenen besonderen Beweisregel, die nach § 56 Abs. 2 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt. Gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2021 und damit auch im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Zustellung geltenden Fassung – künftig ZPO a. F. – genügt zum Nachweis der Zustellung an einen Anwalt nach § 174 Abs. 1 ZPO a. F. das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist. Entsprechendes bestimmt nunmehr § 175 Abs. 3 ZPO (künftig ZPO n. F., wenn verschiedene Gesetzesfassungen thematisiert werden). Diese gesetzliche Beweisregel (§ 286 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2021 – IX ZB 41/20 – NJW-RR 2021, 1584 Rn. 10) ist Ausdruck des besonderen Vertrauens, das der Gesetzgeber u. a. der Berufsgruppe der Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege entgegenbringt, und verleiht dem unterschriebenen, datierten und an das Gericht zurückgesandten Empfangsbekenntnis eine Beweiswirkung, die der einer Zustellungsurkunde nach § 418 ZPO entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1993 – 4 B 166.93 – Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 14 zu § 5 Abs. 2 VwZG; BGH, Beschluss vom 16. September 1993 – VII ZB 20.93 – juris Rn. 8 zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden Vorgängerfassung in § 212a ZPO; Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, § 56 Rn. 45b).

9

b) Für das elektronische Empfangsbekenntnis gilt nichts Anderes.

10

Die Zustellung eines elektronischen Dokuments an einen Rechtsanwalt nach § 174 Abs. 3 ZPO a. F. (§ 173 Abs. 2 ZPO n. F.) wird gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 ZPO a. F. (§ 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO n. F.) durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen. Der Gesetzgeber hat auch für den Fall der elektronischen Übermittlung eines Dokuments an einen Rechtsanwalt daran festgehalten, den Nachweis der Zustellung an ein voluntatives Element zu knüpfen und hierfür nicht allein die automatisierte Eingangsbestätigung (ggf. in Verbindung mit einem bestimmten Zeitablauf) ausreichen zu lassen (vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte etwa Biallaß, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl. 2020, § 174 ZPO <Stand 1. September 2020> Rn. 1 ff.).

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Auch bezüglich des elektronischen Empfangsbekenntnisses ergibt sich dessen Beweiswirkung aus der ausdrücklichen gesetzlichen Beweisregelung. Soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Beweiskraft eines elektronischen Dokuments nach Maßgabe der § 371a Abs. 1, § 416 ZPO verweist (BA S. 4, LKV 2022, 84; ebenso auch OVG Saarlouis, Beschlüsse vom 27. September 2019 – 1 D 155/19 – NJW 2019, 3664 Rn. 8 und vom 21. Februar 2020 – 2 E 340/19 – NVwZ 2020, 735 Rn. 9; OVG Münster, Beschluss vom 10. November 2020 – 2 B 1263/20 – BauR 2021, 520 <521>; OVG Bremen, Beschluss vom 29. März 2022 – 2 B 44/22 – juris Rn. 11), sind diese Vorschriften hier allerdings nicht maßgebend, weil es sich bei dem elektronischen Empfangsbekenntnis nicht um ein elektronisches Dokument im Sinne des § 371a Abs. 1 ZPO handelt, das (notwendig) mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (Müller, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl. 2020, § 371a ZPO <Stand 21. März 2022> Rn. 26.1; Biallaß, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl. 2020, § 174 ZPO <Stand 1. September 2020> Rn. 59, 67; vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Januar 2021 – 13 UF 578/20 – NJOZ 2021, 1437 Rn. 13). Darauf kommt es jedoch nicht an.

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Bei dem papiergebundenen Empfangsbekenntnis folgt – wie ausgeführt – die Nachweiswirkung nicht unmittelbar aus § 416 oder § 418 ZPO, sondern aus der gesetzlichen Festlegung in § 174 ZPO a. F. bzw. § 175 ZPO n. F. Entsprechendes gilt auch für das elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis, dessen Beweiswirkung in § 174 Abs. 4 Satz 3 ZPO a. F. bzw. § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO n. F. – im Verwaltungsprozess jeweils i. V. m. § 56 Abs. 2 VwGO – gesetzlich bestimmt ist. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er dem von einem bestimmten Adressatenkreis abgegebenen Empfangsbekenntnis im elektronischen Rechtsverkehr im Ergebnis dieselbe Bedeutung beimisst wie dem herkömmlichen analogen Empfangsbekenntnis. Wie dieses erbringt auch das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis den vollen Beweis für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme (vgl. nur OVG Saarlouis, Beschlüsse vom 27. September 2019 – 1 D 155/19 – NJW 2019, 3664 Rn. 8 und vom 21. Februar 2020 – 2 E 340/19 – NVwZ 2020, 735 Rn. 9; OVG Münster, Beschluss vom 10. November 2020 – 2 B 1263/20 – BauR 2021, 520 <521>; OVG Bremen, Beschluss vom 29. März 2022 – 2 B 44/22 – juris Rn. 11; Marsch/Laas, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl. 2020, § 56 VwGO <Stand 10. März 2021> Rn. 26; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 173 Rn. 18; Kremer, MDR 2022, 80 f.).

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2. Die vom Kläger formulierten Fragen betreffen die Identität des Dokuments, dessen Zustellung durch das abgegebene Empfangsbekenntnis nachgewiesen werden soll. Auch insoweit besteht jedoch kein grundsätzlicher Klärungsbedarf.

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a) Die gesetzlichen Regelungen enthalten keine konkreten Vorgaben zum Inhalt eines Empfangsbekenntnisses und zur Beschreibung des Dokuments, um dessen Zustellung es geht. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass das zuzustellende Schriftstück in dem Empfangsbekenntnis derart zu bezeichnen ist, dass seine Identität außer Zweifel steht; Unrichtigkeiten oder Ungenauigkeiten etwa in den Angaben der Parteien oder beim Datum des Schriftstücks sind unschädlich, solange dem Zusammenhang nach tatsächlich keine Zweifel daran bestehen, auf welches Dokument sich das Empfangsbekenntnis bezieht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. März 1969 – IV ZB 3/69 – NJW 1969, 1297; Urteil vom 11. Februar 2022 – V ZR 15/21 – NJW 2022, 1816 Rn. 16). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des Empfangsbekenntnisses, die Zustellung gerade dieses Dokuments nachzuweisen. Danach muss der Rechtsanwalt erkennen können, für welches Schriftstück er die Zustellung bestätigt, und das Gericht muss das zurückgesandte und unterschriebene Empfangsbekenntnis sicher zuordnen können. Für den Verwaltungsprozess, in dem nach der Verweisungsnorm des § 56 Abs. 2 VwGO dieselben Zustellungsvorschriften Anwendung finden und in dem dem Empfangsbekenntnis dieselbe Bedeutung zukommt wie im Zivilprozess, gelten keine anderen Anforderungen. Mit der in der Rechtsprechung gängigen Formulierung, das datierte und unterzeichnete Empfangsbekenntnis erbringe den vollen Beweis für die Entgegennahme „des darin bezeichneten“ Schriftstücks oder Dokuments (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2017 – 1 WNB 3.17 – juris Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 27. März 2001 – 2 BvR 2211/97 – NJW 2001, 1563; BGH, Beschlüsse vom 16. September 1993 – VII ZB 20/93 – juris Rn. 8 und vom 24. September 2019 – XI ZB 9/19 – juris Rn. 19), wird dieses Erfordernis zum Ausdruck gebracht.

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b) Diese zum analogen Empfangsbekenntnis entwickelten Grundsätze finden auch auf das elektronische Empfangsbekenntnis Anwendung. Auch hier besteht dessen Sinn und Zweck darin, die elektronische Zustellung eines bestimmten Dokuments nachzuweisen, weshalb dessen Identität sowohl für den abgebenden Rechtsanwalt als auch für das Gericht außer Zweifel stehen muss.

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In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Form der Abgabe eines elektronischen Empfangsbekenntnisses von der eines analogen Empfangsbekenntnisses grundlegend unterscheidet und dies nicht nur den Übermittlungsweg betrifft, sondern das elektronische Empfangsbekenntnis selbst. Dieses ist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 und 5 ZPO a. F. (vgl. auch § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO n. F.) in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln, wobei ein vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellter strukturierter Datensatz zu nutzen ist. Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses erfolgt somit nicht durch Ausfüllen oder Ergänzung einer vom Gericht übermittelten Vorlage oder Datei und deren elektronischer Übersendung, sondern durch die Erzeugung eines strukturierten maschinenlesbaren Datensatzes. Dieser vom Anwalt an das Gericht übersandte Datensatz stellt das eigentliche Empfangsbekenntnis dar (vgl. auch Biallaß, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl. 2020, § 174 ZPO <Stand 1. September 2020> Rn. 47, 53; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 173 Rn. 13), an das die gesetzlich bestimmte Nachweiswirkung anknüpft.

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Der Aufbau dieses Datensatzes bestimmt sich nach dem XJustiz-Fachmodul „XJustiz.EEB“ (Müller, NJW 2017, 2713 <2716>). XJustiz ist ein zur Realisierung des elektronischen Rechtsverkehrs entwickelter Datensatz, der grundlegende Festlegungen für den Austausch strukturierter Daten zwischen den Prozessbeteiligten enthält und aus einer Reihe von XML (Extensible Markup Language)-Schemata, also fest definierten Datenfeldern im XML-Format besteht (vgl. die Darstellung auf der offiziellen Website XJustiz der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz unter xjustiz.justiz.de). Die dem elektronischen Dokument bei der Übermittlung beigefügte XJustiz-Nachricht im Dateiformat XML (vgl. § 2 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach – Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) beschreibt den Inhalt der Sendung in strukturierter maschinenlesbarer Form und dient der automatisierten Weiterverarbeitung des Nachrichteninhalts durch Übernahme in das IT-System des Empfängers.

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Im Falle eines elektronischen Empfangsbekenntnisses hat dieser Datensatz keine bloße Begleitfunktion, sondern stellt selbst das Empfangsbekenntnis und damit das Hauptdokument dar. Dass ein elektronisches Empfangsbekenntnis angefordert wird, ergibt sich aus dem vom Gericht zusammen mit der elektronischen Nachricht übersandten XJustiz-Datensatz. Dieser enthält in den Meta-Daten zu dem betreffenden Dokument die Zeile „<tns:ruecksendung_EEB_erforderlich>
true</tns:ruecksendung_EEB_erforderlich>“; wird kein elektronisches Empfangsbekenntnis angefordert, ist das Wort „true“ durch „false“ ersetzt. Die Anforderung wird von der Softwareanwendung des Empfängers erkannt, woraufhin diese nach den inhaltlichen Vorgaben des XJustiz-Fachmoduls „XJustiz.EEB“ einen neuen XJustiz-Datensatz generiert. Das elektronische Empfangsbekenntnis hat einen automatisch erzeugten Inhalt nach dem Schema des XJustiz-Fachmoduls, wobei die Konkretisierung des Empfangszeitpunkts ebenso wie die Frage, ob die Zustellung bestätigt oder aus bestimmten Gründen zurückgewiesen wird, von einer entsprechenden Willensentscheidung des Zustellungsempfängers abhängt. Das Empfangsbekenntnis wird dabei nachrichten- und nicht dokumentbezogen abgegeben, bezieht sich also auf alle mit der Eingangsnachricht übermittelten Dokumente (vgl. zum Ganzen näher Müller, NJW 2017, 2713 <2716 ff.>; derselbe, BRAK-Mitteilungen 6/2019, 277 ff.; derselbe, E-Justice-Praxishandbuch, 6. Aufl. 2021, S. 238 ff. und – speziell zum besonderen Anwaltspostfach beA – S. 411 ff.).

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Der Inhalt dieser automatisch erzeugten Nachricht besteht aus einer dem vorgegebenen Schema folgenden Aneinanderreihung verschiedener Informationen in untereinander gesetzten Zeilen, die optisch schwierig zu erfassen und daher wenig verständlich sind (vgl. etwa die Abbildungen bei Müller, NJW 2017, 2713 <2716 f.>). Eine „Übersetzung“ in eine benutzerfreundliche, menschenlesbare Fassung erfolgt durch die jeweiligen Gerichts- oder Anwaltsfachverfahren mittels Stylesheet in der im jeweiligen Fachverfahren vorgesehenen Form auf der Grundlage der Informationen, die in der das elektronische Empfangsbekenntnis anfordernden Nachricht vom Absender hinterlegt wurden, sowie den Angaben des Empfängers zu Zeitpunkt und Bestätigung der Zustellung (vgl. etwa die Gegenüberstellung von XJustiz-Schema und Stylesheet bei Müller, E-Justice-Praxishandbuch, 6. Aufl. 2021, S. 240 f.).

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Auf diese Form der Visualisierung zielt der Kläger mit der Formulierung in seinen Grundsatzfragen, dass das elektronische Empfangsbekenntnis nicht erkennen lasse, für welche Dokumente es angefordert werde. Er bezieht sich damit auf die Darstellung in der von ihm verwendeten Anwaltssoftware, die ausweislich des vorgelegten Screenshots das Empfangsbekenntnis etwas anders wiedergibt als das im gerichtlichen Fachverfahren erzeugte Repräsentat und unter der Überschrift „Bezeichnung“ den Dokumententyp ohne Datum angibt. Dass eine derartige Darstellung des elektronischen Empfangsbekenntnisses nicht ungewöhnlich ist, belegen etwa die beispielhaften Abbildungen in der Fachliteratur, die ähnliche Empfangsbekenntnisse zeigen (vgl. nur Müller, E-Justice-Praxishandbuch, 6. Aufl. 2021, S. 241). Auf diese Einzelheiten kommt es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht an.

21

Wie ausgeführt, besteht das abgegebene elektronische Empfangsbekenntnis aus dem vom Anwalt generierten und an das Gericht übermittelten strukturierten Datensatz; an dessen Inhalt knüpft die gesetzlich festgeschriebene Nachweiswirkung des § 174 Abs. 4 Satz 3 ZPO a. F. (§ 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO n. F.) an. Dieser Datensatz enthält selbst keine „Bezeichnung“ des übermittelten Dokuments, sondern nimmt Bezug auf die Nachrichten-ID der vom Rechtsanwalt empfangenen Nachricht, mit der das Empfangsbekenntnis angefordert wurde (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 173 Rn. 15; vgl. auch die vom Kläger zitierte Darstellung von Möller, NJW-Editorial vom 8. April 2021), und wird bei Eingang des Empfangsbekenntnisses bei Gericht automatisiert dieser Nachricht zugeordnet. Dies ermöglicht die sichere Identifizierung des Dokuments, dessen Zustellung durch das elektronische Empfangsbekenntnis nachgewiesen werden soll, und erfüllt damit die Funktion der „Bezeichnung“ des Dokuments in einem papiergebundenen Empfangsbekenntnis. Auf der Grundlage eines Abgleichs der Nachrichten-IDs kann ggf. der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit des elektronischen Empfangsbekenntnisses geführt werden (vgl. Müller, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl. 2020, § 371 ZPO <Stand 11. Mai 2022> Rn. 18.4 und § 371a ZPO <Stand 3. Januar 2022> Rn. 26.2).

22

Auch wenn danach das elektronische Empfangsbekenntnis für sich allein wenig aussagekräftig erscheinen mag und in seinem visualisierten Erscheinungsbild je nach der verwendeten Software variieren kann, ergeben sich daraus in der Anwendungspraxis des elektronischen Rechtsverkehrs keine unzumutbaren Erschwernisse oder Risiken. Die Anforderung des elektronischen Empfangsbekenntnisses ist – wie ausgeführt – in dem der übermittelten Nachricht beigefügten XJustiz-Datensatz enthalten und damit mit dem zuzustellenden Dokument untrennbar verbunden. Durch Öffnen der Nachricht, für die die Fachsoftware die Abgabe eines Empfangsbekenntnisses als erforderlich anzeigt, kann sich der Empfänger zuverlässig Kenntnis von deren Inhalt verschaffen, ohne dass insoweit eine Verwechslungsgefahr besteht. Die Sichtung des mit der Empfangsbekenntnisanforderung übersandten Dokuments (ggf. auch mehrerer Dokumente) stellt keine gegenüber der Papierform zusätzliche Anforderung dar, sondern ist schon im Hinblick auf die anwaltliche Sorgfaltspflicht geboten. Denn der Rechtsanwalt muss sich vergewissern, dass der Zustellung des Dokuments kein Ablehnungsgrund entgegensteht, und darf das angeforderte Empfangsbekenntnis erst abgeben, wenn er geprüft hat, ob durch die Zustellung Fristen ausgelöst und diese ordnungsgemäß notiert worden sind (vgl. allgemein BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2011 – 1 B 7.11 – juris Rn. 5; speziell zum elektronischen Empfangsbekenntnis OVG Münster, Beschluss vom 27. September 2021 – 8 A 1144/21 – juris Rn. 17 f.). Die Abgabe des Empfangsbekenntnisses selbst setzt sodann die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das Dokument als zugestellt entgegenzunehmen (oder aber Zustellungsfehler zu benennen); zudem muss das Zustellungsdatum eingetragen werden. Darin liegt die vom Kläger geforderte Mitwirkung des Rechtsanwalts, ohne dessen aktives Zutun ein elektronisches Empfangsbekenntnis nicht ausgelöst wird (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 11 A 481/21.A – juris Rn. 7; OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Januar 2021 – 13 UF 578/20 – NJOZ 2021, 1437 Rn. 12). Auf der Grundlage des geschilderten Willensakts wird das elektronische Empfangsbekenntnis dann automatisiert aus der verwendeten Software heraus erzeugt und dem Gericht übermittelt. Mit dieser Übersendung wird die empfangsbereite Entgegennahme der Nachricht dokumentiert (vgl. Biallaß, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl. 2020, § 174 ZPO <Stand 1. September 2020> Rn. 50). Um welche Nachricht es dabei geht, wird bei Eingang des Empfangsbekenntnisses vom gerichtlichen Fachverfahren erkannt und lässt sich durch die Wiedergabe der Nachrichten-ID der anfordernden Nachricht auch nachträglich zuverlässig identifizieren.

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3. Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen und technischen Zusammenhänge sind die formulierten Grundsatzfragen im Übrigen vorliegend auch nicht entscheidungserheblich. Soweit sie darauf abstellen, dass das elektronische Empfangsbekenntnis nicht erkennen lasse, für welche Dokumente es angefordert werde, geht der damit unterstellte Sachverhalt an dem geschilderten technischen Ablauf, der aus den zwei Schritten der Anforderung und der Abgabe des Empfangsbekenntnisses besteht, vorbei und setzt zu Unrecht die Darstellung des vom Kläger eingereichten Screenshots mit dem eigentlichen Empfangsbekenntnis gleich.

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Anders als die erste Grundsatzfrage formuliert, wird dem Rechtsanwalt vom Gericht kein (auszufüllendes) elektronisches Empfangsbekenntnis übersandt. Die Empfangsbekenntnisanforderung ist vielmehr Bestandteil des der Nachricht beigefügten XJustiz-Datensatzes und bezieht sich auf alle mit dieser Nachricht übersandten Dokumente. Für den Nachrichtenempfänger ist damit erkennbar, zu welcher Nachricht die Anforderung gehört und um welche Dokumente es dabei geht.

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Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers abgegebene Empfangsbekenntnis ließ ebenfalls erkennen, wofür es abgegeben wurde. Der erzeugte und dem Gericht übermittelte strukturierte Datensatz bezog sich auf die Nachrichten-ID der mit der Empfangsbekenntnisanforderung verbundenen Nachricht. Wie ausgeführt, ist es nicht notwendig, dass das elektronische Empfangsbekenntnis selbst das zugestellte Dokument konkretisierend etwa unter Angabe des Datums beschreibt und dies bei der Visualisierung sichtbar macht, zumal die Einzelheiten der Darstellung von der Software des Empfängers abhängen, auf die das absendende Gericht keinen Einfluss hat. So beschreibt die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegte Ansicht des Empfangsbekenntnisses in seiner Anwaltssoftware die zugestellten Dokumente mit Typangabe ohne Datum, enthält aber zusätzlich Datum und Identifikationsnummer der Nachricht, für die das elektronische Empfangsbekenntnis abgegeben wurde. Abgebildet ist zudem die XML-Struktur der signierten Nachricht, aus der sich ebenfalls Erstellungszeitpunkt und Nachrichten-ID der Sendung ergeben, auf die sich das Empfangsbekenntnis bezieht. Diese Identifikationsnummer ist nach den vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den vorliegend maßgeblichen XJustiz-Nachrichten der elektronischen Übermittlung des Berufungszulassungsbeschlusses zuzuordnen. Aus diesen Informationen hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Übrigen ersehen können, dass die mit dem Empfangsbekenntnis beantwortete Nachricht des Gerichts vom 25. August 2021 stammte und sich schon deshalb nicht auf den erst am 26. August 2021 gefassten Streitwertbeschluss beziehen konnte.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.