Beschluss des BPatG München 29. Senat vom 14.09.2022, AZ 29 W (pat) 40/19

BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 14.09.2022, AZ 29 W (pat) 40/19, ECLI:DE:BPatG:2022:140922B29Wpat40.19.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung30 2018 233 090.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. September 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Seyfarth und den Richter Posselt

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

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München ist Blau

3

ist am 2. November 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die Waren der

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Klasse 14: Dekorative Anstecknadeln [Schmuckwaren];

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Klasse 16: Aufkleber; Fahnen; Wimpel [aus Papier];

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Klasse 24: Fahnen; Wimpel [nicht aus Papier];

7

Klasse 25: Bekleidungsstücke;

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angemeldet worden.

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Mit Beschlüssen vom 6. Mai 2019 und vom 10. September 2019, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 25 des DPMA die Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 13. Februar 2019 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG).

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Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete Wortfolge „
München ist Blau“ enthalte hinsichtlich der von der Anmeldung umfassten Waren eine ohne weiteres verständliche und rein anpreisende Angabe. Es handele sich lediglich um einen allgemeinen Werbeslogan, der als – zwar witzig gemeinte – „Botschaft an die Umwelt“ im Sinne eines Statements als Löwen-Fan (= Fan des Fußballclubs TSV 1860 München) und Bekenntnisses zu Blau als Vereinsfarbe auf die beanspruchten Waren aufgedruckt werden, nicht aber die Aufgabe einer Marke erfüllen könne.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. Mai 2019 und vom 10. September 2019 aufzuheben.

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Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde nicht begründet. Auch im Verfahren vor dem DPMA hat er keine Stellungnahme bzw. Erinnerungsbegründung abgegeben.

14

Mit Hinweis vom 13. Juni 2022 hat der Senat den Beschwerdeführer unter Beifügung von Recherchebelegen (Bl. 17 bis 32 d. A.) darauf hingewiesen, dass er die angemeldete Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht für schutzfähig erachte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die gemäß § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens steht in Bezug auf die beanspruchten Waren das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

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1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 8 – #darferdas? II). Die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des Freihaltebedürfnisses aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL a. F.) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.

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2. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 229 Rn. 27 – BioID AG/HABM [BioID]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA; BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 10 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013,1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/DPMA [#darferdas?]; GRUR 2008, 608 Rn. 67 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rn. 8 – #darferdas? II; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy).Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne Weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Keine Unterscheidungskraft haben ferner Zeichen, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rn. 12 – OUI; a. a. O. Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).

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Schließlich ist zu berücksichtigen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung nicht nur umfassend, sondern auch streng sein muss, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 12.09.2019, C-541/18, juris Rn. 28 – #darferdas?).

23

Dabei sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rn. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH a. a. O. Rn. 17 – for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen.

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Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 35 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, wird der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 35 – Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft).

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3. Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt dem Anmeldezeichen „
München ist Blau“ die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden es lediglich als bekenntnishafte Aussage verstehen und darin keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen.

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a) Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist hinsichtlich der beanspruchten Waren in erster Linie auf den allgemeinen, normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Endverbraucher, jedoch auch auf die am Handel beteiligten Fachkreise abzustellen.

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b) Die Wortfolge „
München ist Blau“ besagt im Wortsinn, dass (die Stadt) München blau ist. Im übertragenen Sinn wird die Aussage „München ist Blau“ als Hinweis auf den Münchner Traditionsverein „TSV 1860 München“ verwendet, dessen Vereinsfarben Blau und Weiß sind, wobei Blau als die den Verein charakterisierende Farbe gilt (vgl. Senatshinweis vom 13. Juni 2022, Anlagen 1, 4 und 8). Anhänger des TSV 1860 München werden als „Blaue“ bezeichnet, in Abgrenzung zu den Anhängern des (roten) FC Bayern München (vgl. Anlage 1). Auch wenn nach Erfolgen gemessen der FC Bayern München mit seiner Vereinsfarbe Rot das Fußballgeschehen in der Stadt beherrscht, charakterisiert (auch) die Farbe Blau (aus fußballerischer Sicht) die Stadt München. Dementsprechend ist die Wortfolge „München ist blau“ weit verbreitet und wird vielfach verwendet, wie u. a. folgende Beispiele zeigen:

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– „FUSSBALL-MÜNCHEN IST BLAU“ – NUR EIN MYTHOS! (https://petersgradmesser.wordpress.com/2016/11/03/fussball-muenchen-ist-blau-nur-ein-mythos/, Anlage 1)

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– „Jetzt schlägt’s 60! Für immer blau“ (https://www.fc45.de/jetzt-schlaegt-s-60-fuer-immer-blau-tsv-1860-muenchen.html)

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– „München ist Blau (…) oder ein Nachmittag durch München im Löwendress“ (https://loewenmagazin.de/muenchen-ist-blau/, Anlage 2)

31

– „Blau werden, blau bleiben und blau sein / München. Welches Blau trägt Giesing?“ (https://www.wochenanzeiger.de/article/90881.html Anlage 3)

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– Köllner: „Man sagt nicht zu Unrecht: München ist blau!“ (https://www.dieblaue24.com/1860/17153-koellner-man-sagt-nicht-zu-unrecht-muenchen-ist-blau, Anlage 4)

33

– „Rot gegen Blau? Das ist dran an Ismaiks Derby-Plan Sowohl der FC Bayern als auch der TSV 1860 haben zuletzt über eine Neuauflage des Stadtderbys gesprochen. Das Letzte war ja dramatisch und legendär. Doch kommt es auf absehbare Zeit dazu?“ (https://www.abendzeitung-muenchen.de/sport/tsv1860/rot-gegen-blau-das-ist-dran-an-ismaiks-derby-plan-art-807049, Anlage 5);

34

– „Exklusive Statistik: So blau sind Bayern und München

35

Der TSV 1860 hat doch nur Fans in München und näherer Umgebung, heißt es. Doch stimmt dieses Vorurteil? Wir haben viele Daten gesammelt und zeigen: Jein“ (https://www.pinterest.de/pin/48835977188548572/, Anlage 6).

36

– „Löwenfans gegen Rechts“ – „Scheiß Bayern. München ist blau“ – (https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-spurensicherung-1.3539916, Anlage 7).

37

– „Erstmals seit 2000: München ist blau (zumindest im Pokal)!“ (https://fußball.news/a/erstmals-seit-2000-muenchen-ist-blau-zumindest-im-Pokal, Anlage 8).

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Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise werden der angemeldeten Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Waren lediglich einen schlagwortartigen Hinweis auf den Fußballverein TSV 1860 München und die Stadt München entnehmen. Dieses Verkehrsverständnis beschränkt sich nicht auf die im Münchener Raum ansässigen Verkehrskreise. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der Fußballinteressierten an der Gesamtbevölkerung in Deutschland sehr hoch ist. Eine Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse hat Konsumgewohnheiten und Mediennutzung der Bevölkerung in Deutschland ermittelt und dabei festgestellt, dass es im Jahr 2022 rund 70,09 Millionen Personen in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre gibt, denen Fußball bekannt ist (vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171036/umfrage/bekanntheit-der-sportart-fussball/). Nach anderen Statistiken liegt der Anteil der Personen, die in Deutschland Fußballfans bzw. an Fußball interessiert sind bei über 60%. (vgl. https://www.united-internet-media.de/de/newsroom/vermarkterblog/blog/show/zielgruppen-check-die-fussballinteressierten/#:~:text=Das%20Bundesinstitut%20f%C3%BCr%20Sportwissenschaft%20fand,Bev%C3%B6lkerung%2C%20regelm%C3%A4%C3%9Fig%20ins%20Stadion%20gehen). Ein zumindest allgemeines Interesse am Fußball wird 80% der Bevölkerung zugeschrieben (vgl. https://www.sport1.de/news/fussball/2017/07/umfrage-80-prozent-interessieren-sich-fuer-fussball). Dabei spielt nicht nur die regionale Nähe zu einem Verein eine Rolle, vielmehr erstreckt sich das Interesse, gerade aufgrund der umfangreichen medialen Präsenz der Vereine, auf das Fußballgeschehen in ganz Deutschland. Der TSV 1860 München ist deutschlandweit bekannt. Er besteht bereits seit 1899 und zählt mit 23.295 Mitgliedern (Stand 1.11.2021) zu den mitgliederstärksten Sportvereinen Deutschlands (https://de.wikipedia.org/wiki/TSV_1860_M%C3%BCnchen). Als Mitbegründer der Bundesliga 1963 galt der TSV 1860 München in den 1960er-Jahren als stärkster Verein Münchens. 1963/64 gewann er den DFB-Pokal, 1966 die deutsche Meisterschaft. Aktuell spielt er zwar in der dritten Liga, 1992 bis 2004 hat er jedoch in der ersten und später in der zweiten Bundesliga gespielt. Im Jahr 2005 wurde als neues Fußballstadion in München die Allianz Arena eröffnet, deren Planung und Bau gemeinsamen durch den TSV 1860 München und den FC Bayern München erfolgt ist, und die bis 2017 auch Spielstätte des TSV 1860 München war. Eine Besonderheit der Allianz Arena ist, dass sie bei Spielen des jeweiligen Vereins entweder rot oder blau beleuchtet wurde. Die bekannte Rivalität zwischen dem TSV 1860 München und dem FC Bayern München hat angesichts des großen Fußballinteresses in Deutschland dazu beigetragen, dass auch überregional „blau“ mit den Sechzigern, „rot“ hingegen mit den Bayern assoziiert wird.

39

Vor diesem Hintergrund ist der Slogan „München ist blau“ in Bezug auf die beanspruchten Waren lediglich ein anpreisender Hinweis auf die Stadt München verbunden mit einem Bekenntnis zu dem Verein TSV 1860 München. Das Tragen entsprechend gekennzeichneter Fahnen, Aufkleber, Wimpel und Bekleidungsstücke vermittelt nicht den Hinweis auf die betriebliche Herkunft der vorgenannten Waren, sondern weist lediglich in Form eines positiven Statements an die Umwelt auf eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit hin.

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Damit werden die Emotionen des Käufers/der Käuferin angesprochen und sie aufgefordert, ein entsprechendes Bekenntnis abzugeben. Auch wenn damit nicht unmittelbar eine Eigenschaft der beanspruchten Waren beschrieben wird, werden die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge ausschließlich in diesem Sinne verstehen. Eine über das bloße Wortverständnis hinausgehende Aussage zur betrieblichen Herkunft der Waren weist die Wortfolge nicht auf.

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c) Das Vorgenannte gilt auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2019, 1194 – AS/DPMA #darferdas?], wonach die Unterscheidungskraft unter Berücksichtigung sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten zu prüfen ist.

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aa) Nach dem aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union muss die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke, geprüft werden (EuGH, GRUR 2019, 1194 Rn. 33 – AS/DPMA [#darferdas?]). Sind in der maßgeblichen Branche mehrere Verwendungsarten praktisch bedeutsam, müssen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft alle diese verschiedenen Verwendungsarten berücksichtigt werden, um zu klären, ob der Durchschnittsverbraucher der erfassten Waren oder Dienstleistungen das Zeichen als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft wahrnehmen kann (EuGH, a. a. O., Rn. 25 – AS/DPMA [#darferdas?]). Nur Verwendungsarten, die in der betreffenden Branche zwar denkbar, aber praktisch nicht bedeutsam sind und somit wenig wahrscheinlich erscheinen, müssen bzw. können als für die Prüfung der Unterscheidungskraft irrelevant eingestuft werden.

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bb) Die in Klasse 14 beanspruchten „dekorativen Anstecknadeln“ (vgl. Anlage 11) sind ebenso wie die in Klasse 16 und 24 beanspruchten „Aufkleber, Fahnen und Wimpel aus Papier oder anderen Materialien“ klassische Träger von Meinungsäußerungen, Statements und sonstigen Botschaften nach außen, die ihre Wirkung nur entfalten können, wenn sie nach außen sichtbar auf den Waren aufgebracht sind. Gerade im Fußball ist es üblich, die Anhängerschaft zu einem bestimmten Verein durch das Verwenden von Aufklebern, das Tragen von Anstecknadeln (vgl. https://www.pins.eu/anstecknadeln-fuer-fussballvereine/) oder das Mitführen von Fahnen z. B. bei Spielen kundzutun. Demgegenüber konnte nicht festgestellt werden, dass derartige „Botschaften an die Umwelt“ an verdeckter Stelle auf der Rückseite von Aufklebern, Fahnen oder Wimpeln angebracht sind. Aus dem Wesen der Wortfolge „München ist Blau“ als Botschaft nach außen folgt gerade die Wahrscheinlichkeit der Verwendung an gut sichtbarer Stelle. Andere Verwendungsarten sind daher nicht praktisch bedeutsam.

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cc) Wie die dem Beschwerdeführer übermittelten Rechercheergebnisse zeigen, sind auch Bekleidungsstücke der Klasse 25, wie z. B. T-Shirts, Kapuzenpullis, Schals oder Kopfbedeckungen regelmäßig großflächig mit Statements und bekenntnishaften Aussagen versehen. Dies zeigen unter anderem die mit der angemeldeten Wortfolge, aber auch mit anderen vergleichbaren Botschaften großflächig versehenen T-Shirts (vgl. T-Shirt „München ist Blau“, T-Shirt „Südkurve München – Treue Freundschaft und Zusammenhalt seit 1972“, T-Shirt „Giasing Oida“, T-Shirt „Minga Oida“ (vgl. Anlage 9). Die Kleidung, insbesondere Trikots, T-Shirts, Sweatshirts, Jacken, Socken, Schals, Mützen, Stirnbänder etc., ist dabei ein beliebtes Medium für Fußballfans, ihre Anhängerschaft/Gruppenzugehörigkeit zu bzw. Bewunderung für einen Verein zu zeigen.

45

Im hier maßgeblichen Bekleidungssektor kommt allerdings neben der nach außen gerichteten, dekorativen Verwendung des Zeichens auf der Vorder- oder Rückseite eines T-Shirts, eines Pullovers oder einer Jacke, die – ausgehend von Art und Sinngehalt des Anmeldezeichens – als praktisch bedeutsame und wahrscheinlichste Verwendungsform zu sehen sein dürfte, auch eine Verwendung auf dem eingenähten Etikett im Innern eines Kleidungsstückes, als Anhänger o. Ä. in Betracht. Selbst wenn eine solche Verwendung im Verhältnis zu einer Verwendung als Schriftzug auf der Vorder- bzw. Rückseite eines Kleidungsstücks weniger wahrscheinlich und auch praktisch nicht so bedeutsam und naheliegend sein mag, ist sie zu berücksichtigen (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 16 – #darferdas? II). Die Verwendung im Etikett eines Kleidungsstückes führt für sich genommen jedoch nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr in dem Zeichen einen Herkunftshinweis sehen muss. Auch bei der Anbringung auf Etiketten kann die Beurteilung, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der
Art des Zeichens variieren (a. a. O. Rn. 18). Es muss stets im Einzelfall beurteilt werden, ob der Verkehr das Zeichen auch auf dem Etikett eines Kleidungsstücks als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Waren wahrnehmen kann (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 17 – #darferdas? II; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 12.01.2022, 29 W (pat) 570/19 – MAKE MONDAY SUNDAY; Beschluss vom 09.10.2019, 29 W (pat) 519/18 – Mir all sin Kölle; Beschluss vom 04.04.2019, 30 W (pat) 511/17 – reggae jam). Dies ist im Hinblick auf den dargelegten Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung als ausschließlich werbender Hinweis auf die enge Verbindung des TSV 1860 München mit der Stadt München jedoch nicht der Fall. Die angesprochenen Verkehrskreise werden allein aus der Verwendung der allgemein verständlichen Wortfolge „München ist Blau“ auf dem Etikett eines Kleidungstückes nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließen. Vielmehr steht das in der angemeldeten Wortfolge zum Ausdruck kommende Bekenntnis dergestalt im Vordergrund, dass es im Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.

46

Das angemeldete Zeichen eignet sich somit nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, so dass ihm die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

47

4. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltebedürftig ist.