Zugang zu Namen und Kontaktdaten aufgrund des Umweltinformationsgesetzes (Urteil des BVerwG 10. Senat)

BVerwG 10. Senat, Urteil vom 01.09.2022, AZ 10 C 5/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:010922U10C5.21.0

Art 4 Abs 2 UAbs 1 Buchst f EGRL 4/2003, Art 4 Abs 2 UAbs 2 S 1 EGRL 4/2003, Art 4 Abs 2 UAbs 2 S 2 EGRL 4/2003, § 5 Abs 4 IFG, § 5 Abs 3 IFG

Leitsatz

1. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG verstößt nicht gegen die Umweltinformationsrichtlinie oder Grundrechte, soweit er die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Umweltinformationen im Fall der Offenbarung personenbezogener Daten auf einer ersten, der einzelfallbezogenen Abwägung von Bekanntgabe- und Geheimhaltungsinteresse vorgelagerten Stufe davon abhängig macht, dass durch die Offenbarung der Daten Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden.

2. Das allgemeine Risiko, dass nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglich gemachte personenbezogene Daten durch den Antragsteller oder Dritte im Internet weiterverbreitet werden könnten, vermag eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG nicht zu begründen.

3. Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG erfährt in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG eine normative Konkretisierung dahin, dass durch eine Offenbarung der in diesen Bestimmungen genannten Arten personenbezogener Daten Interessen der Betroffenen regelmäßig nicht erheblich beeinträchtigt werden.

4. Ein Tätigwerden als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise im Sinne von § 5 Abs. 3 IFG ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Person, die eine auf Distanz zu den jeweils betroffenen Interessen beruhende Neutralität in Bezug auf Gegenstand und Ausgang des Verfahrens aufweist, als externer Fachexperte herangezogen wird, um ihre fachliche Expertise zu nutzen.

5. Zur „Büroanschrift“ im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 IFG gehört auch die E-Mail-Adresse, unter der ein Bearbeiter oder Dritter, der als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat, in dieser Funktion erreichbar ist.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Juni 2020, Az: OVG 12 B 1.19, Urteil
vorgehend VG Berlin, 22. November 2018, Az: 2 K 384.16, Urteil

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2020 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt den Zugang zu Namen und Kontaktdaten aufgrund des Umweltinformationsgesetzes. Sie ist ein Unternehmen der Glasindustrie, das zu Gebühren nach der Besondere-Ausgleichsregelung-Gebührenverordnung herangezogen wurde und beabsichtigt eine Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung. Mit Schreiben vom 11. Mai 2016 beantragte sie bei dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Zugang zu sämtlichen Informationen zur Kalkulation der Gebührensätze der Verordnung in der Fassung vom 1. August 2014, zum zugrunde gelegten Verwaltungsaufwand sowie zur Entstehung der Verordnung. Das Ministerium entschied mit Bescheid vom 9. Juni 2016, der Klägerin die gewünschten Aktenabschnitte in Kopie zuzusenden. Soweit die Unterlagen personenbezogene Daten enthielten, wurden sie geschwärzt.

2

Dagegen erhob die Klägerin am 14. Juni 2016 Widerspruch und am 26. September 2016 Klage. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2016 hob das Ministerium den Bescheid vom 9. Juni 2016 unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen teilweise auf, insbesondere soweit Namen von Abteilungs-, Unterabteilungs- und Referatsleitern geschwärzt worden waren. Gegenstand der Klage waren zuletzt noch die in einer von der Beklagten als Anlage B 6 eingereichten Übersicht als geschwärzte personenbezogene Daten bezeichneten Informationen. Dabei handelt es sich um Namen, Amtsbezeichnungen und dienstliche Kontaktdaten (E-Mail-Adressen und Telefonnummern) von Behördenbediensteten unterhalb der Referatsleiterebene sowie von Mitarbeitern von Verbänden und Bundestagsfraktionen.

3

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Einem Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG stehe der Ablehnungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Das von der Beklagten geltend gemachte Risiko einer Weiterverbreitung der streitigen Daten im Internet genüge zwar dann nicht für die Annahme einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung, wenn man darin eine eigenständige Voraussetzung des Ablehnungsgrundes sähe. Denn dieses Risiko sei jeder Preisgabe von Umweltinformationen immanent. Das nationale Recht sei aber im Lichte der Umweltinformationsrichtlinie sowie der Art. 7 und 8 GRC auszulegen, die jeweils eine Abwägung von Informations- und Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall verlangten. Diese Abwägung falle zu Lasten der Klägerin aus, weil das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen nicht überwiege.

4

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte der Klägerin Zugang zu den noch nicht offengelegten Amtsbezeichnungen zugesagt. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Ablehnungsgrund sei unabhängig davon erfüllt, ob eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung bei jeder Bekanntgabe personenbezogener Daten oder nur dann anzunehmen sei, wenn ein Geheimhaltungsinteresse von gewissem Gewicht betroffen sei. Denn auch das sei hier wegen des Risikos einer Internetveröffentlichung der noch streitigen Namen und Kontaktdaten niederrangiger Amtsträger sowie Behördenexterner der Fall.

5

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie macht geltend: Das Erfordernis einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung sei eine gegenüber dem Umstand der Offenbarung personenbezogener Daten eigenständige und der Interessenabwägung vorgelagerte Voraussetzung des Ablehnungsgrundes. Die abstrakte Möglichkeit einer Weiterverbreitung von Daten im Internet begründe keine erhebliche Interessenbeeinträchtigung, weil dieses Erfordernis ansonsten faktisch leerliefe und das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Informationszugang und Zugangsversagung im Ergebnis umgekehrt werde. Grundrechte stünden der Zugangsgewährung nicht entgegen. Namen und dienstliche Kontaktdaten sagten über die persönlichen Verhältnisse der Betroffenen wenig aus. In § 5 Abs. 3 und 4 IFG gehe der Gesetzgeber davon aus, dass ihnen eine Offenbarung derartiger Daten regelmäßig zumutbar sei. Für das Umweltinformationsrecht könne nichts Anderes gelten.

6

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2020 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2018 werden geändert.

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2016 verpflichtet, der Klägerin Zugang zu den Informationen zu gewähren, die in der im erstinstanzlichen Verfahren am 31. Januar 2018 zu den Gerichtsakten gegebenen Anlage B 6 als geschwärzte personenbezogene Daten bezeichnet sind, mit Ausnahme der Daten, die Unterlagen aus dem Jahr 2017 betreffen.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. In unionsrechtskonformer Auslegung und mit Rücksicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfe es schon für die Feststellung einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung einer Abwägung im Einzelfall. Wegen der fehlenden Zweckbindung des Zugangsanspruchs seien auch nur potenzielle Verwendungen und somit die Möglichkeit einer Weiterverbreitung von Daten im Internet unabhängig von entsprechenden konkreten Absichten der Klägerin beachtlich.

9

Die Beteiligte trägt vor, der Ablehnungsgrund setze auf einer ersten, der Interessenabwägung vorgelagerten Stufe eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung als Folge einer Offenbarung personenbezogener Daten voraus. Damit trage der Gesetzgeber dem unionsrechtlichen Gebot einer engen Auslegung der Ablehnungsgründe Rechnung. Ausgehend davon sei hier die Annahme einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung durch das Berufungsgericht nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Die theoretische Möglichkeit der Weitergabe von Umweltinformationen über das Internet genüge dafür wohl nicht, weil sie regelmäßig nicht auszuschließen sei. Unter Heranziehung der gesetzlichen Wertung in § 5 Abs. 4 IFG kommt eine Differenzierung zwischen Behördenmitarbeitern einerseits und Mitarbeitern von Verbänden andererseits in Betracht. Dies entspreche der Verwaltungspraxis des Bundesumweltministeriums bei der Bearbeitung von UIG-Anfragen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer nicht in jeder Hinsicht mit § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG in Einklang stehenden Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes bejaht (1.). Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO (2.).

11

1. a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG ist der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen (§ 4 Abs. 1 UIG) abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

12

Der Ablehnungsgrund ist zweistufig ausgestaltet und setzt auf einer ersten, der Prüfung des Vorliegens einer Zustimmung oder eines überwiegenden Bekanntgabeinteresses vorgelagerten Stufe eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung der Betroffenen als Folge einer Offenbarung ihrer personenbezogenen Daten voraus. Soweit diese Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten wird, räumt der Gesetzgeber dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse generell Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen ein (aa). Dies verstößt nicht gegen die Umweltinformationsrichtlinie oder Grundrechte (bb). Die Erheblichkeitsschwelle findet eine Konkretisierung in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG (cc).

13

aa) Nach seinem eindeutigen Wortlaut unterscheidet § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG auf einer ersten Prüfungsstufe zwischen der Offenbarung personenbezogener Daten einerseits und, als Folge davon, einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen der Betroffenen andererseits. Danach begründet nicht jede Offenbarung von Daten zugleich auch schon eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung. Nur bestimmte, durch das Merkmal der Erheblichkeit anknüpfend an ihr Gewicht qualifizierte Vertraulichkeitsinteressen können zur Antragsablehnung führen (in diesem Sinne auch OVG Münster, Urteil vom 1. März 2011 – 8 A 2861/07 – ZD 2011, 89; VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – 10 S 2043/14 – NVwZ-RR 2015, 169 <170>; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2015 – 12 B 13.12 – NVwZ-RR 2015, 801 <802>; vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 31. Oktober 2013 – 6 A 1734/13.Z – NVwZ 2014, 533 Rn. 21; ebenso Engel, in: Götze/Engel, UIG, 2017, § 9 Rn. 18). Soweit es hieran fehlt, ist der Ablehnungsgrund nicht erfüllt, ohne dass es dafür auf ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe (zweite Prüfungsstufe) und die insoweit anzustellende Abwägung von Bekanntgabe- und Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall ankommt.

14

In systematischer Hinsicht findet dies eine Bestätigung darin, dass der Gesetzgeber für die weiteren in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 UIG vorgesehenen Ablehnungsgründe allein schon den Bruch der Vertraulichkeit der jeweils in Rede stehenden Informationen genügen lässt, ohne – bereits an dieser Stelle, noch vor einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe – nach den konkreten Auswirkungen der Informationspreisgabe auf die Betroffenen und deren Interessen zu fragen. Die insoweit abweichende Ausgestaltung des Ablehnungsgrundes bei Offenbarung personenbezogener Daten (Nr. 1) zeigt sich auch im Vergleich mit § 3 VIG. Diese Vorschrift regelt den Ausschluss des Informationszugangsanspruchs nach dem Verbraucherinformationsgesetz unter anderem in Bezug auf personenbezogene Daten in einem dem § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG vergleichbaren zweistufigen Modell, lässt aber auf der ersten Prüfungsstufe allein schon den Umstand, dass personenbezogene Daten zugänglich gemacht würden, genügen (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Satz 2 VIG).

15

Die Annahme, durch jede Offenbarung personenbezogener Daten würden Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt, lässt sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Zweckbindung der Verwendung nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglicher Informationen begründen (so aber Karg, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand Februar 2021, § 9 UIG Rn. 11 ff.). Mit dem Verzicht auf eine Zweckbindung trifft das Umweltinformationsrecht eine von allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen abweichende, spezielle Regelung. In diesem Kontext vollzieht sich der Schutz personenbezogener Daten nach Maßgabe der bereichsspezifischen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, deren differenzierte Vorgaben nicht unter Hinweis auf allgemeine datenschutzrechtliche Erwägungen überspielt werden dürfen (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – 10 S 2043/14 – NVwZ-RR 2015, 169 <170>; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 10 f., zu § 5 IFG).

16

Die Gesetzesmaterialien zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, auf die sich die Beklagte beruft, ergeben kein klares Bild und vermögen es schon deshalb nicht zu rechtfertigen, entgegen dem Gesetzeswortlaut in jeder Bekanntgabe personenbezogener Daten zugleich schon eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung zu sehen. Zwar klingt ein solches Verständnis in der Begründung des Regierungsentwurfs an (vgl. BT-Drs. 15/3406 S. 20, unter anderem mit Bezugnahme auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 UIG a. F. und die amtliche Begründung hierzu auf BT-Drs. 12/7138 S. 14). Zugleich aber wurde ein Änderungsvorschlag des Bundesrates abgelehnt, der sich für eine Streichung des Erfordernisses einer „erheblichen“ Interessenbeeinträchtigung sowie die Aufnahme einer Formulierung ausgesprochen hatte, wonach in jedem Einzelfall eine Abwägung durch die zuständige Behörde erfolgen müsse (vgl. BT-Drs. 15/3680 S. 5). Die Bundesregierung verweigerte dem aus inhaltlichen Gründen die Zustimmung (vgl. BT-Drs. 15/3680 S. 8). Auch im weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Änderungsvorschlag nicht mehr aufgegriffen.

17

Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG bestätigen das grammatikalische Auslegungsergebnis. Zwar kann aus dem Ziel der Regelung, den Konflikt zwischen dem Informationsinteresse auf der einen und dem Interesse an der Vertraulichkeit personenbezogener Daten auf der anderen Seite zu bewältigen, nicht unmittelbar auf eine bestimmte Art und Weise der Konfliktbewältigung geschlossen werden. Dies bedeutet aber auch, dass dafür nicht allein eine einzelfallbezogene Abwägung in Betracht kommt. Vielmehr kann der Gesetzgeber die Interessenabwägung – innerhalb des durch höherrangiges Recht abgesteckten Rahmens (dazu unten bb) – in genereller Weise vorwegnehmen oder die behördliche Entscheidung durch abwägungsleitende Maßgaben steuern. Dies ist in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG in der Weise geschehen, dass eine Abwägung im Einzelfall nur bei bestimmten, die Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigenden und in diesem Sinne gewichtigen Eingriffen in die vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasste Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 – BVerfGE 130, 1 <35>), vorgesehen ist. Soweit es zu keiner erheblichen Interessenbeeinträchtigung kommt, räumt das Gesetz dem Informationsinteresse generellen Vorrang vor dem – insoweit als weniger gewichtig bewerteten – Interesse an der Vertraulichkeit der Daten ein. In vergleichbarer Weise hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG, wonach der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen nicht unter Berufung auf die in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 UIG genannten Gründe abgelehnt werden kann, selbst abgewogen und dem öffentlichen Interesse an Information stets den Vorrang eingeräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 – BVerwGE 135, 34 Rn. 45).

18

bb) Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG steht sowohl mit der Umweltinformationsrichtlinie als auch mit Grundrechten in Einklang.

19

(1) Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 S. 26) Umweltinformationsrichtlinie – UIRL – können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf die Vertraulichkeit personenbezogener Daten und/oder Akten über eine natürliche Person, sofern diese der Bekanntgabe dieser Informationen an die Öffentlichkeit nicht zugestimmt hat und sofern eine derartige Vertraulichkeit nach innerstaatlichem oder gemeinschaftlichem Recht vorgesehen ist. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 UIRL bestimmt, dass die in Absatz 1 und 2 des Artikels 4 genannten Ablehnungsgründe eng auszulegen sind, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL wird in jedem Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen.

20

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierzu entschieden, Art. 4 UIRL sei dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung angeordnete Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe von Umweltinformationen gegen das besondere Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe in jedem den zuständigen Behörden vorgelegten Einzelfall erfolgen müsse, wobei der nationale Gesetzgeber in einer allgemeinen Vorschrift Kriterien festlegen könne, die diese vergleichende Prüfung der bestehenden Interessen erleichtern könnten (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – C-266/09 [ECLI:EU:C:2010:779] – Rn. 59; vgl. ferner EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – C-71/10 [ECLI:EU:C:2011:525] – Rn. 29).

21

Entgegen der von der Beklagten und erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung ist der nationale Gesetzgeber durch diese Vorgaben nicht an einer Regelung wie § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG gehindert, nach der eine einzelfallbezogene behördliche Abwägung nur bei Beeinträchtigung erheblicher – gewichtiger – Geheimhaltungsinteressen stattfindet, während im Übrigen das Bekanntgabeinteresse generell Vorrang genießt. Das unionsrechtliche Gebot einer Interessenabwägung im Einzelfall dient dem Schutz des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe. Den Mitgliedstaaten ist es verwehrt, dem jeweiligen Geheimhaltungsinteresse losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls generell Vorrang einzuräumen. Eine derartige Regelung des nationalen Rechts (dort: zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) stand in dem Ausgangsverfahren inmitten, das dem zitierten Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-266/09 zugrunde lag (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – C-266/09 [ECLI:EU:C:2010:546] – Rn. 12, 16 sowie Schlussanträge der Generalanwältin vom 23. September 2010 – C-266/09 [ECLI:EU:C:2010:546] – Rn. 14). Im Gegensatz dazu bleiben die Mitgliedstaaten zu generellen Vorrangentscheidungen zugunsten des Bekanntgabeinteresses grundsätzlich berechtigt. Ihnen ist bei der Entscheidung darüber, inwieweit sie von der in Art. 4 Abs. 1 und 2 UIRL eröffneten Möglichkeit zur Regelung von Ausnahmen vom Informationszugang Gebrauch machen wollen, ein Gestaltungsspielraum eröffnet (vgl. EuGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – C-329/13 [ECLI:EU:C:2014:815] – Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 – 7 C 7.14 – Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 21). In einer generellen gesetzlichen Vorrangentscheidung zugunsten des Bekanntgabeinteresses bei nur geringem Gewicht des gegenläufigen Geheimhaltungsinteresses liegt ein teilweiser Verzicht auf die Wahrnehmung der mitgliedstaatlichen Gestaltungsoption. Auch dem sind zwar bei den in Art. 4 Abs. 2 UIRL aufgeführten Versagungsgründen Grenzen gezogen, soweit es um den Schutz von Interessen geht, die wie insbesondere die Belange Dritter in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c Alt. 2, Buchst. d, e und f UIRL von der Unionsrechtsordnung auch anderweitig geschützt sind (vgl. EuGH und BVerwG, jeweils a. a. O.). Diese anderweitig, insbesondere durch Grundrechte Dritter gezogenen Grenzen stehen gesetzlichen Vorrangentscheidungen zugunsten des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe aber nicht generell entgegen (vgl. sogleich unter <2>). Demgegenüber handelt es sich bei dem Gebot einer Einzelfallabwägung gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 und 2 UIRL um eine Grenze, die der mitgliedstaatlichen Befugnis zur Normierung von Ablehnungsgründen im Interesse der grundsätzlichen Zugänglichkeit von Umweltinformationen gezogen ist. Dieser Schutzzweck findet auch darin Ausdruck, dass nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 UIRL die Ablehnungsgründe eng auszulegen sind, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. Dem 16. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie ist hierzu zu entnehmen, dass dabei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung abgewogen werden sollte (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – C-71/10 – Rn. 22). Soweit Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 UIRL darüber hinaus vorsieht, dass in jedem Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen wird, besteht seine eigenständige Funktion gegenüber Satz 1 darin, dass er der zuständigen Behörde eine kumulierte Würdigung von Gründen für eine Verweigerung der Bekanntgabe erlaubt (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – C-71/10 – Rn. 24 ff.; vgl. auch, Schlussanträge der Generalanwältin vom 10. März 2011 – C-71/10 [ECLI:EU:C:2011:140] – Rn. 26 ff.).

22

Die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 UIRL unterliegt mit Blick auf die zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union keinem vernünftigen Zweifel. Der Senat ist deshalb nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gehalten, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 – C-283/81 [ECLI:EU:C:1982:335], CILFIT – Rn. 16, 21 und vom 6. Oktober 2021 – C-561/19[ECLI:EU:C:2021:799], Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi – Rn. 33, 39 f.).

23

(2) Das Erfordernis einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung der von einer Bekanntgabe ihrer personenbezogenen Daten Betroffenen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG verletzt weder deren verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch Unionsgrundrechte.

24

(a) Da den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung von Ablehnungsgründen nach Art. 4 Abs. 1 und 2 UIRL ein Gestaltungsspielraum eröffnet ist, das nationale Recht insoweit also unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist, sind die einschlägigen Regelungen des nationalen Rechts primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen, auch wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts dient. Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes im Bereich der Durchführung des Unionsrechts (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC) stützt sich darauf, dass das Unionsrecht dort, wo es den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume einräumt, regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes zielt, sondern Grundrechtsvielfalt zulässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 – BVerfGE 152, 152 Rn. 42 ff.).

25

Das danach einschlägige Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich sich auch auf dienstliche Kontaktdaten wie Telefonnummern oder E-Mail-Adressen von Behördenmitarbeitern erstreckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 7 C 27.15 – Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 21), ist nicht schrankenlos gewährleistet. Es ist Einschränkungen aus Gründen des Allgemeinwohls auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugänglich. Dass der Gesetzgeber danach grundsätzlich nicht gehindert ist, zur Erreichung der mit dem Umweltinformationsgesetz in Einklang mit der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Ziele, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern (vgl. den 1. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie), Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts vorzusehen, wird von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt und unterliegt auch sonst keinen Zweifeln. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt nicht, dass die Bewältigung des Konflikts zwischen öffentlichem Informations- und grundrechtlichem Geheimhaltungsinteresse stets einer behördlichen Abwägungsentscheidung im Einzelfall vorbehalten bleiben müsste. Der Gesetzgeber ist vielmehr, auch zur Erleichterung und Vereinheitlichung des Gesetzesvollzugs, grundsätzlich befugt, die Konfliktbewältigung durch typisierende und generalisierende Vorgaben in angemessener Weise selbst vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 – 7 C 33.17 – Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 21 Rn. 18). Von dieser Befugnis hat er in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG Gebrauch gemacht und in Fällen, in denen das Geheimhaltungsinteresse nur ein geringes Gewicht hat, dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe generell Vorrang eingeräumt. Zugleich ist der insoweit maßgebliche Begriff der „erheblichen“ Interessenbeeinträchtigung offen dafür, den konkreten Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen um unverhältnismäßige Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu vermeiden.

26

(b) Aus Unionsgrundrechten ergibt sich nichts Gegenteiliges.

27

Dabei ist von der grundsätzlichen Vermutung auszugehen, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 – BVerfGE 152, 152 Rn. 55). Eine Ausnahme von der diese Vermutung tragenden Annahme grundrechtlicher Vielfalt im gestaltungsoffenen Fachrecht oder eine Widerlegung der Vermutung der Mitgewährleistung des Schutzniveaus der Charta sind nur in Betracht zu ziehen, wenn hierfür konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 – BVerfGE 152, 152 Rn. 68 f.). Es gibt hier, insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die Unionsgrundrechte in stärkerem Maße als durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG daran gehindert wäre, in der in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG vorgesehenen Weise den Konflikt zwischen öffentlichem Informations- und grundrechtlichem Geheimhaltungsinteresse in generalisierender Weise zu bewältigen.

28

cc) Die Erheblichkeitsschwelle des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG findet in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG eine normative Konkretisierung dahin, dass durch eine Offenbarung der in diesen Bestimmungen genannten Arten personenbezogener Daten regelmäßig nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden.

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(1) Nach § 5 Abs. 3 IFG überwiegt das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs in der Regel dann, wenn sich die Angabe auf Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer beschränkt und der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat. Nach § 5 Abs. 4 IFG sind diese Angaben von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist.

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In ihrem unmittelbaren, auf Zugangsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz beschränkten Anwendungsbereich enthalten diese Bestimmungen jeweils eine generelle Vorwegnahme bzw. einen generellen Ausschluss der insoweit in § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG im Grundsatz vorgesehenen Einzelfallabwägung zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und dem gegenläufigen Interesse des Dritten an der Vertraulichkeit seiner personenbezogenen Daten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 7 C 19.17 – BVerwGE 164, 112 Rn. 41 m. w. N.). Eine vergleichbare Funktion erfüllt die Erheblichkeitsschwelle in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, mit der die in § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG vorgesehene, eine Abwägung im Einzelfall erfordernde Bestimmung eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe generell vorweggenommen bzw. ausgeschlossen wird, soweit Interessen der Betroffenen durch die Bekanntgabe nur unerheblich beeinträchtigt werden. Diese funktionelle Vergleichbarkeit der Regelungen ist Ausdruck und Konsequenz vergleichbarer Interessenlagen. Informationsfreiheitsgesetz und Umweltinformationsgesetz normieren jeweils „voraussetzungslose“ Informationszugangsansprüche, die unabhängig von materiellen Erfordernissen wie etwa einem berechtigten Interesse des Antragstellers und ohne Bindung an einen bestimmten Zweck bestehen. In beiden Fällen können das grundsätzliche Recht auf Informationszugang und die dahinterstehenden privaten und öffentlichen Interessen, soweit Zugang zu personenbezogenen Daten begehrt wird, in Konflikt geraten mit dem grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Interesse der Betroffenen an der Vertraulichkeit ihrer Daten. Der Bewältigung dieses Konflikts dienen § 5 IFG sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (und Satz 2 und 3) UIG. Die jeweiligen Modelle der Konfliktbewältigung sind im Wesentlichen vergleichbar, wenn danach grundsätzlich eine einzelfallbezogene Interessenabwägung verlangt ist, die aber teilweise durch generelle gesetzliche Vorgaben vorweggenommen bzw. ausgeschlossen wird. Während sich dafür in Bezug auf personenbezogene Daten, wie sie hier in Streit stehen, im Informationsfreiheitsgesetz in § 5 Abs. 3 und 4 eine Regelung findet, die konkrete Kriterien – bestimmte Arten von Daten sowie die Funktion der Betroffenen als verfahrensbeteiligte Gutachter, Sachverständige oder dergleichen bzw. als amtlich tätig gewordene „Bearbeiter“ – benennt, belässt es § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG dagegen generell bei dem unbestimmten Rechtsbegriff einer „erheblichen“ Interessenbeeinträchtigung.

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Es ist kein durchgreifender Grund erkennbar, weshalb die in § 5 Abs. 3 und 4 IFG getroffene gesetzgeberische Entscheidung, in Bezug auf die dort aufgeführten Informationen den Konflikt zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse grundsätzlich zugunsten des Ersteren zu entscheiden, nicht auch für Informationszugangsbegehren nach dem Umweltinformationsgesetz gelten sollte. Die Regelungen in § 5 Abs. 3 und 4 IFG zielen auf die Herstellung von Transparenz behördlichen Handelns im Hinblick auf die Heranziehung externen Sachverstands sowie die mit einem Verwaltungsvorgang als Bearbeiter befasst gewesenen Personen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 84, 99). Sie beziehen sich auf Daten aus der Sozialsphäre, die nur geringe Aussagekraft in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse der regelmäßig lediglich in ihrer beruflichen oder amtlichen Funktion Betroffenen haben. In diesem Rahmen soll ein übermäßiger Anonymisierungsaufwand vermieden werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 10 C 25.19 – BVerwGE 171, 90 Rn. 42 m. w. N.). Zugleich dienen die generalisierenden Vorgaben in § 5 Abs. 3 und 4 IFG der Praktikabilität, Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs, weil eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung insoweit regelmäßig entbehrlich ist. Im Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetzes stellt sich die Interessenlage nicht anders dar. Das Fehlen einer dem § 5 Abs. 3 und 4 IFG entsprechenden Regelung erweist sich vor diesem Hintergrund als planwidrige Gesetzeslücke. Dagegen spricht nicht der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes im Jahr 2005 und der ihm vorausgegangenen Novellierung des ursprünglich aus dem Jahr 1994 stammenden Umweltinformationsgesetzes im Jahr 2004. Für einen gesetzgeberischen Differenzierungswillen, der einer Übertragung der in § 5 Abs. 3 und 4 IFG getroffenen grundsätzlichen Vorrangentscheidung zugunsten des Informationsinteresses auf das Umweltinformationsrecht entgegenstünde, ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte (vgl. BT-Drs. 15/3406, 15/3680 zum Umweltinformationsgesetz; BT-Drs. 15/4493, 15/5606 zum Informationsfreiheitsgesetz). Für eine planwidrige Unvollständigkeit des älteren Umweltinformationsgesetzes spricht auch, dass der Gesetzgeber in dem späteren, im Jahr 2007 erlassenen Verbraucherinformationsgesetz zur Lösung der im Wesentlichen gleichgelagerten Problematik ausdrücklich eine entsprechende Anwendung unter anderem von § 5 Abs. 3 und 4 IFG angeordnet hat (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 und 4 VIG).

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(2) Die analoge Anwendung von § 5 Abs. 3 und 4 IFG hat zur Konsequenz, dass durch eine Offenbarung der dort aufgeführten Arten personenbezogener Daten regelmäßig nicht im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden. Ein von dieser Regel abweichender Ausnahmetatbestand ist gegeben, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Offenbarung nachteilige Auswirkungen für den Betroffenen haben könnte, namentlich auf sein Privatleben. In diesem Fall ist, auch zur Vermeidung unverhältnismäßiger Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts, aufgrund einer einzelfallbezogenen Abwägung über das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG zu entscheiden. Insoweit sind auf Seiten der Betroffenen insbesondere Art, Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der ihnen drohenden Nachteile zu berücksichtigen. Auf Seiten des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe bedarf es – im Sinne einer notwendigen, aber noch nicht hinreichenden Bedingung für ein Überwiegen – eines gesteigerten Interesses gerade an der Offenlegung der personenbezogenen Daten. Denn ein überwiegendes Interesse an der Bekanntgabe kann nur dann angenommen werden, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 – 7 C 1.18 – Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 4 Rn. 46 m. w. N.).

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b) Mit diesen Maßstäben steht das angefochtene Urteil nicht in Einklang, soweit das Oberverwaltungsgericht unterschiedslos und ohne zusätzliche tatsächliche Feststellungen für sämtliche der hier in Rede stehenden Betroffenen eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung durch eine Offenbarung ihrer Namen und Kontaktdaten bejaht hat.

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aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag das allgemeine Risiko, dass nach dem Umweltinformationsgesetz zugänglich gemachte personenbezogene Daten durch den Antragsteller oder Dritte im Internet weiterverbreitet werden könnten, eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG nicht zu begründen. Denn dieses Risiko besteht unter den heutigen Bedingungen der Informationstechnologie und der Individual- wie Massenkommunikation praktisch immer. Die Verwendung von Umweltinformationen durch den Antragsteller unterliegt keiner Zweckbindung. Er kann den Zugang zu jedem beliebigen Zweck nehmen und die ihm zugänglich gemachten Informationen beliebigen Zwecken zuführen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 11, zum IFG). Ließe man für eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung das allgemeine Risiko der Internetveröffentlichung genügen, wäre diese Voraussetzung des Ablehnungsgrundes praktisch stets erfüllt und verlöre damit die eigenständige Bedeutung, die ihr nach Gesetzeswortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG gegenüber dem bloßen Umstand der Offenbarung personenbezogener Daten zukommt. Soweit das Oberverwaltungsgericht die Möglichkeit einer Internetveröffentlichung und daraus resultierende Persönlichkeitsgefährdungen „jedenfalls vorliegend“ genügen lassen will und dafür auf die Eigenschaft der hier Betroffenen als Behördenexterne oder niederrangige Amts- und Funktionsträger verweist, ist dies lediglich insoweit zutreffend, als Funktion und Stellung betroffener Personen für die Annahme einer erheblichen Interessenbeeinträchtigung durchaus von Bedeutung sein können. Dies beurteilt sich allerdings nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 und 4 IFG analog und regelmäßig – vorbehaltlich konkret drohender Nachteile – unabhängig von einer möglichen Weiterverbreitung von Daten im Internet.

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bb) Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 und 4 IFG hat das Oberverwaltungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.

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(1) Es bedarf zusätzlicher Feststellungen dazu, inwieweit es sich bei den hier betroffenen Behördenbediensteten um „Bearbeiter“ im Sinne von § 5 Abs. 4 IFG handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfallen diesem Begriff nicht alle Bediensteten einer informationspflichtigen Stelle, sondern nur diejenigen, die mit dem Verwaltungsvorgang befasst gewesen sind, zu dem Informationszugang begehrt wird. Eine Befassung in diesem Sinne ist bei einer sachbearbeitenden Tätigkeit im Rahmen eines konkreten Vorgangs zu bejahen. Ein bloß büromäßiger Umgang mit Unterlagen im Rahmen unterstützender Sekretariatstätigkeiten ohne eigene Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten genügt demgegenüber nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 – 10 C 25/19 -, BVerwGE 171, 90 Rn. 43). Eine sachliche Befassung mit eigenen Entscheidungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten ist auch ausschlaggebend dafür, ob Personen, denen im Zuge des hier in Rede stehenden Verwaltungsvorgangs inhaltliche Stellungnahmen, Entwürfe und dergleichen per E-Mail zur Kenntnisnahme zugeleitet worden sind („cc“), als „Bearbeiter“ zu qualifizieren sind.

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(2) Hinsichtlich der betroffenen Mitarbeiter von Verbänden und Bundestagsfraktionen fehlt es an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob darunter Personen sind, die im Sinne von § 5 Abs. 3 IFG als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben haben. Das ist jedenfalls nicht schlechthin ausgeschlossen. Die streitigen Kontaktdaten sind in einem auf die Änderung der Besondere-Ausgleichsregelung-Gebührenverordnung gerichteten Verfahren angefallen, an dem die Betroffenen als behördenexterne Personen beteiligt worden sind. Für ein Tätigwerden als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise im Sinne von § 5 Abs. 3 IFG ist kennzeichnend, dass eine Person als externer Fachexperte herangezogen wird, um ihre fachliche Expertise zu nutzen (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 90). Hinzukommen muss eine auf Distanz zu den jeweils betroffenen Interessen beruhende Neutralität in Bezug auf Gegenstand und Ausgang des Verfahrens. Daran fehlt es bei Personen, die als vom Ergebnis eines Verfahrens tatsächlich oder potenziell Betroffene an dem Verfahren beteiligt werden, um ihre Interessen zu wahren, auch soweit sie in diesem Zusammenhang spezifisches Wissen einbringen, das der Behörde ansonsten nicht zur Verfügung stünde. Diese Beschränkung des Kreises behördenexterner Personen, die wegen ihrer Einbeziehung in ein behördliches Verfahren auf einen Informationszugangsantrag hin regelmäßig namentlich zu benennen sind, mag man mit der Klägerin unter Transparenzgesichtspunkten für nicht sachgerecht halten. Sie ist aber als vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 IFG getroffene rechtspolitische Entscheidung ebenso hinzunehmen wie die Beschränkung des § 5 Abs. 4 IFG auf Daten von „Bearbeitern“. Bei nicht von diesen Bestimmungen erfassten Personen bleibt es im Übrigen bei der Möglichkeit einer Preisgabe personenbezogener Daten aufgrund eines überwiegenden Informationsinteresses des Antragstellers (§ 5 Abs. 1 Satz 1 IFG) bzw. überwiegenden öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe (§ 9 Abs. 1 Satz 1 UIG).

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2. Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nötigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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Die Entscheidung stellt sich nicht insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, als sich das Zugangsbegehren der Klägerin über Namen und Telefonnummern hinaus auf E-Mail-Adressen bezieht. Diese gehören im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 IFG zur „Büroanschrift“ (VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 A 239/10 – juris Rn. 26; VG Berlin, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 2 K 294.12 – juris Rn. 59; Guckelberger, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand August 2022, § 5 IFG Rn. 27; a.A. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 103). Der Gesetzeswortlaut ist für ein funktionales Begriffsverständnis offen, nach dem unter die Büroanschrift jede Adresse fällt, unter der ein Bearbeiter oder Dritter, der als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat, in dieser Funktion erreichbar ist, sei es persönlich, postalisch oder elektronisch (a. A. Schoch, a. a. O., unter Berufung auf den stationären Charakter eines „Büros“). Ein im vorliegenden Zusammenhang relevanter Unterschied einer E-Mail-Adresse zu der vom Gesetzgeber im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschrift aufgezählten Telekommunikationsnummer ist unter den heutigen Kommunikationsbedingungen nicht zu erkennen. Das gilt insbesondere in Bezug auf das Gewicht der mit einer Bekanntgabe an Dritte verbundenen Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen sowie potenzielle Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Verwaltung.