Soziales

Sozialgerichtliches Verfahren – Nichtzulassungsbeschwerde – Verfahrensmangel – Bezeichnung – Prozessurteil statt Sachurteil – Klageerhebungswille trotz untypischem Erscheinungsbild der Klageschrift – keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache – Berichtigung des Passivrubrums – Maßgeblichkeit des objektiven Erklärungswerts – Abgrenzung der fehlerhaften Beteiligtenbezeichnung von der irrtümlichen Benennung einer falschen Person als Beteiligter (Beschluss des BSG 1. Senat)

BSG 1. Senat, Beschluss vom 18.08.2022, AZ B 1 KR 56/22 B, ECLI:DE:BSG:2022:180822BB1KR5622B0

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 57 Abs 1 S 2 SGG

Verfahrensgang

vorgehend SG Dortmund, 21. Juli 2021, Az: S 78 KR 3628/18, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. Mai 2022, Az: L 5 KR 729/21 KH, Urteil

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8196,75 Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

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Eine bei der klagenden KK Versicherte wurde im Jahr 2014 vollstationär im Evangelischen Krankenhaus W1 behandelt, dessen Trägerin die Evangelische Krankenhaus W2 gGmbH mit Sitz in der P, W3 ist. Am 8.11.2018 ist beim SG Dortmund ein als „Klage“ bezeichnetes Schreiben der KK eingegangen. Es enthält ein Rubrum, in dem die KK als Klägerin und als Beklagte die Diakonie R gGmbH, W4, B bezeichnet sind, nähere Angaben zum Gegenstand der Klage, einen Klageantrag sowie eine kurze Begründung. Ebenfalls angegeben sind das Institutionskennzeichen (IK-Nr) 260590652 mit dem Vermerk „Ev.-Krankenhaus“, die Versicherte, die Versichertennummer (KV-Nr), der Rückforderungsbetrag (8196,75 Euro) und der Behandlungszeitraum. Die Angaben befinden sich teilweise in grau hinterlegten Textfeldern. Das Schreiben trägt weder Briefkopf noch Datum, der zuständige Sachbearbeiter und Verfasser ist nicht angegeben und das Schreiben trägt auch keine Unterschrift. Das SG Dortmund ist benannt, ergänzend ist aber nur dessen Fax-Nummer angegeben. Mit Schriftsatz vom 19.6.2019 hat die inzwischen anwaltlich vertretene KK beantragt, das Passivrubrum zu berichtigen und in Evangelische Krankenhaus W2 gGmbH zu ändern, hilfsweise die Klage im Wege der Klageänderung entsprechend umzustellen. Das SG hat die KK nach vorläufiger Prüfung darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend um eine Klageänderung handeln dürfte. Die Beklagte stimmte der Klageänderung nicht zu. Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, sie sei bereits nicht wirksam erhoben worden
(Gerichtsbescheid vom 21.7.2021).

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Im Berufungsverfahren hat die KK beantragt, den Gerichtsbescheid des SG zu ändern, das Passivrubrum von Amts wegen zu ändern und die Evangelische Krankenhaus W2 gGmbH als Beklagte zu führen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8196,75 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.7.2015 zu zahlen. Das LSG hat die Berufung der KK zurückgewiesen. Der erforderliche Klageerhebungswille sei objektiv anhand des Schreibens vom 8.11.2018 nicht erkennbar gewesen. Zwar sei für dessen Vorliegen keine Unterschrift erforderlich; er könne auch auf andere Weise ersichtlich sein. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts seien aber höhere Anforderungen zu stellen als bei natürlichen Personen. In der Gesamtschau sei danach nur von einem Entwurf auszugehen. Hierfür spreche die Formatierung mit grau hinterlegten Textteilen und das Fehlen eines Briefkopfes, aus dem der Urheber des Schreibens hervorgehe. Eine Auslegung späterer Schriftsätze als Klageerhebung komme nach der ausdrücklichen Klarstellung der Klägerin, dass nur am 8.11.2018 Klage habe erhoben werden sollen, nicht in Betracht; sie sei im Übrigen ohnehin fernliegend. Die Berichtigung des Passivrubrums scheide unabhängig davon aus
(Urteil vom 24.5.2022).

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Die KK wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und beantragt erneut die Änderung des Passivrubrums von Amts wegen.

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II. Die zulässige Beschwerde der klagenden KK ist begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einem Verfahrensmangel
(Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG; dazu 2.), den die KK entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet
(dazu 1.). Die ausdrücklich erhobene Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist dagegen unzulässig
(Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG; dazu 3.). Dies eröffnet dem Senat die Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an das LSG nach § 160a Abs 5 SGG
(dazu 4.). Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Passivrubrums von Amts wegen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren liegen nicht vor
(dazu 5.).

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1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die KK bezeichnet den geltend gemachten Verfahrensmangel der gebotenen Sachentscheidung über eine nach §§ 90, 92 SGG wirksam erhobene, zulässige Klage anstelle des ergangenen Prozessurteils hinreichend.

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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die ihn begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht
(stRspr; vgl BSG vom 3.3.2022 – B 9 V 37/21 B – juris RdNr 8; BSG vom 1.2.2017 – B 5 R 312/16 B – juris RdNr 12; BSG vom 29.9.1975 – 8 BU 64/75 – SozR 1500 § 160a Nr 14). Diese Begründungsanforderungen erfüllt die Beschwerde der KK. Die KK hat zwar ausdrücklich nur eine Grundsatzrüge erhoben. Die von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG geforderte Bezeichnung des Verfahrensmangels erfordert allerdings nicht, dass der gerügte Verfahrensmangel ausdrücklich als Verfahrensmangel bezeichnet, also ausdrücklich die Rüge eines Verfahrensmangels erhoben wird. Denn auch sich auf einen Verfahrensmangel beziehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung und deren Begründungen können implizit zugleich Verfahrensmängel bezeichnen. Dies ist hier der Fall. Die KK macht geltend, das LSG habe ihr unter Berufung auf die Voraussetzungen der §§ 90, 92 SGG den Rechtsweg abgeschnitten. Sie begründet auch ausführlich, warum das LSG aufgrund der konkreten Umstände einen Klageerhebungswillen nicht hätte verneinen dürfen und zu einer Entscheidung in der Sache hätte gelangen müssen.

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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das LSG hätte in der Sache entscheiden müssen. Das Ergehen eines Prozessurteils anstatt des gebotenen Sachurteils ist ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG
(stRspr; vgl nur BSG vom 27.10.1955 – 4 RJ 105/54 – BSGE 1, 283; BSG vom 19.5.2021 – B 14 AS 389/20 B – juris RdNr 6). Von einem fortwirkenden Verfahrensmangel ist auszugehen, wenn anstelle eines erstinstanzlichen Prozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und das LSG das Prozessurteil des SG bestätigt
(vgl BSG vom 17.12.2019 – B 8 SO 8/19 B – RdNr 6 mwN). So liegt der Fall hier. Das LSG-Urteil beruhte auch auf diesem Verfahrensmangel.

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Zwar ergibt sich die fehlende Sachentscheidung nicht bereits aus dem Tenor des angefochtenen Urteils, mit dem das LSG die Berufung „zurückgewiesen“ hat. Um den Sinn der Urteilsformel zu ermitteln, sind die Entscheidungsgründe aber mit heranzuziehen
(so zu einem vergleichbaren Fall bereits BSG vom 27.10.1955 – 4 RJ 105/54 – BSGE 1, 283, 285). Danach hat hier das LSG teilweise unter Bezugnahme auf die Gründe des Gerichtsbescheids schon die Rechtshängigkeit einer Klage durch den am 8.11.2018 eingegangenen Schriftsatz der KK verneint. Damit hat es nicht zur Sache entschieden, sondern ein Prozessurteil erlassen
(vgl zum ähnlich gelagerten Fall der fehlerhaften Feststellung der Klagerücknahme als Verfahrensfehler BSG vom 14.5.2020 – B 14 AS 73/19 B – juris RdNr 9; BSG vom 5.7.2018 – B 8 SO 50/17 B – juris RdNr 4; beide Entscheidungen zur Klagerücknahmefiktion; BFH vom 11.7.2007 – XI R 1/07 – BFHE 218, 20 = juris RdNr 13 f). Zu Unrecht ist das LSG hierbei davon ausgegangen, es sei nicht feststellbar, dass die KK an diesem Tag den Willen zur Erhebung der Klage gehabt habe.

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Ob und in welchem Umfang eine Klage erhoben ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, für die die Auslegungsregel des § 133 BGB gilt. Hierfür sind auch die in der Klageschrift enthaltenen Angaben zu berücksichtigen. Fehlt es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des Gewollten, hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass der Kläger die Zweifel beseitigt. Ist dies nicht mehr rechtzeitig möglich, ist rechtlich maßgebender Erklärungsinhalt der Wille des Erklärenden, wenn er innerhalb der Klagefrist in der Erklärung einen erkennbaren, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, dh wie das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller ihnen erkennbaren Umstände das Rechtsschutzbegehren verstehen müssen
(vgl BSG vom 9.8.2006 – B 12 KR 22/05 R – juris RdNr 19 mwN; BFH vom 12.5.1981 – VIII R 24/78 – juris RdNr 10).

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Nach diesem Maßstab handelt es sich bei dem am 8.11.2018 beim SG eingegangenen Schreiben um eine von der KK willentlich an das SG gesandte Klageschrift und nicht bloß um einen Entwurf. Ungeachtet des ungewöhnlichen Erscheinungsbildes erfüllt das Schreiben alle an eine Klageschrift nach dem SGG zu stellenden Anforderungen. Das Schreiben der KK vom 8.11.2018 ist als Klage bezeichnet und nach § 57 Abs 1 Satz 2, § 90 SGG beim zuständigen SG eingegangen
(dazu a). Es enthält sämtliche von § 92 Abs 1 Satz 1 SGG geforderten Muss-Angaben sowie weitere Soll-Angaben
(dazu b). Auch aus dem untypischen Erscheinungsbild der Klageschrift kann nicht abgeleitet werden, dass der KK der Klageerhebungswille fehlte. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die formalen Besonderheiten allein den allgemein bekannten, außergewöhnlichen Umständen des Zustandekommens des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals
(Pflegepersonal-Stärkungsgesetz <PpSG> vom 11.12.2018, BGBl I 2394) geschuldet sind. Dies war für die Vorinstanzen und das beklagte Krankenhaus erkennbar
(dazu c).

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a) § 57 Abs 1 Satz 2 SGG bestimmt ua, dass der Sitz der juristischen Person des Privatrechts maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit des SG ist, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts klagt. Die Klage ist nach § 90 SGG bei dem zuständigen Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Hier klagt eine KK als öffentlich-rechtliche Körperschaft gegen eine GmbH als (vermeintliche) Krankenhausträgerin, die ihren Sitz im Bezirk des SG hat. Das Schreiben vom 8.11.2018 ist ausdrücklich als „KLAGE“ bezeichnet. Es ist an das örtlich zuständige SG gerichtet und dort auch eingegangen.

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b) Die Klage muss nach § 92 Abs 1 Satz 1 SGG den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dies ist hier der Fall. Die Angaben der KK sind sehr präzise und bestimmen den Streitgegenstand klar. Benannt werden als Klägerin „V Krankenkasse, vertreten durch ihren Vorstand Herrn W5, U, B“ und als Beklagte die „Diakonie R gGmbH“ mit Adresse. Außerdem werden die genaue Höhe des Erstattungsbetrags (8196,75 Euro), der Name der Versicherten mit Geburtsdatum, der Behandlungszeitraum und die „KV-Nr“ zur Individualisierung des Sachverhalts angegeben.

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Das Schreiben enthält außerdem einen ausdrücklichen, konkret formulierten Klageantrag
(Soll-Angabe nach § 92 Abs 1 Satz 3 SGG). Die Klage ist, wenn auch knapp, begründet. Die KK habe ohne Rechtsgrund 8196,75 Euro gezahlt. Deshalb stehe ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Das Schreiben schließt mit dem Satz: „Die weitere Begründung der Klage erfolgt zeitnah.“

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Unerheblich ist die fehlende Unterschrift. Denn § 92 Abs 1 Satz 3 SGG bestimmt nur, dass die Klage vom Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein soll, aber nicht muss. Gleiches gilt für die nähere Darlegung der Tatsachen zur Begründung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs
(Soll-Angabe nach § 92 Abs 1 Satz 4 SGG).

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c) Die klagende KK sah sich durch das Vorgehen des Gesetzgebers bei der Verkürzung der Verjährungsregelungen durch das PpSG im Gesetzgebungsverfahren mit der Aufgabe konfrontiert, binnen weniger Tage Erstattungsforderungen durch mehrere hundert Klagen bis zum 9.11.2018 rechtshängig zu machen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, nachdem der entsprechende Änderungsantrag erst zwei Tage zuvor im Bundestagsausschuss eingebracht worden war. Dies dürfte einzelne formale Mängel im Erscheinungsbild der Klageschrift erklären.

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  • Art 7 Nr 8a
    (§ 109 Abs 5 SGB V) und Nr 20
    (§ 325 SGB V aF) des PpSG bestimmen:
  • „§ 109 Abs 5 SGB V: Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.“
  • „§ 325 SGB V aF: Die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ist ausgeschlossen, soweit diese vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind und bis zum 9. November 2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden.“

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Diese Regelungen beruhten auf im Ausschussverfahren zum Entwurf des PpSG eingebrachten Änderungsanträgen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vom 5.10.2018
(Ausschuss-Drucks 19[14]38.1). Ein Änderungsantrag betraf die Verkürzung der Verjährung nach § 109 Abs 5 SGB V. Diese Änderung sollte auch rückwirkend und ohne Übergangsvorschrift wirksam werden, sodass vor 2017 entstandene Ansprüche im Zeitpunkt des Inkrafttretens des PpSG zum 1.1.2019 verjährt wären. Der Ausschuss für Gesundheit übernahm in seinen Empfehlungen diesen Antrag im Wesentlichen, änderte ihn aber insoweit ab, als er die Rückwirkung der neuen Verjährungsregelung nur für Forderungen der KKn und in einem neuen § 325 SGB V eine „Übergangsregelung“ vorsah, die es den KKn ermöglichte, bis zum Tag der 2./3. Lesung des PpSG vor 2017 entstandene Ansprüche bei den SGen verjährungshemmend rechtshängig zu machen
(BT-Drucks 19/5593 S 54). Die Ausschussdrucksache datiert vom 7.11.2018, die 2./3. Lesung erfolgte am 9.11.2018. Die Übergangsfrist betrug danach genau zwei Tage.

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Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs und des damit einhergehenden enormen Zeitdrucks, der auf den KKn lastete, war es nachvollziehbar, dass es nicht allen KKn gelingen werde, die in großer Zahl zu erstellenden Klageschriften in der erwarteten formalen Qualität zu fertigen. Der Zeitdruck geht hier insbesondere aus den Textbausteinen mit ihren grau hinterlegten Freifeldern hervor, die individuell ausgefüllt werden mussten und von der KK auch ausgefüllt wurden. Die Klageschrift lässt ihrem Inhalt nach keinen Zweifel an dem Willen der KK erkennen, am 8.11.2018 einen bestimmten Anspruch auf Erstattung gezahlter Behandlungskosten gegen die Beklagte gerichtlich durchsetzen zu wollen. Gerade der Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens beim SG spricht maßgeblich dafür, dass es der KK darum ging, innerhalb des vorgenannten engen zeitlichen Korridors ihre Rechte zu wahren. Hinzu kommt, dass nicht bloß die hier vorliegende Klageschrift, sondern zumindest etliche Erstattungsforderungsklagen der klagenden KK, die im Zeitfenster bis zum 9.11.2018 bei Gericht eingingen, dasselbe ungewohnte formale Erscheinungsbild hatten. Dies steht der Annahme entgegen, dass das vorliegende Schreiben vom 8.11.2018 durch ein Versehen zum SG gelangt sein könnte. All dies war hier für die Gerichte und die Beklagte erkennbar. Hingegen sind sonstige Umstände nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, weshalb die KK einen Grund gehabt haben könnte, die Verjährung der von ihr behaupteten Erstattungsforderung eintreten zu lassen.

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3. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist
(vgl zB BSG vom 17.4.2012 – B 13 R 347/11 B – SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 – 1 BvR 2856/07 – SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

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  • Die KK formuliert als Rechtsfragen:
  • 1) Steht die Verwendung von erkennbaren Textbausteinen/ auszufüllenden Feldern im Rubrum einer Klageschrift einer ordnungsgemäßen Klageerhebung gem. §§ 90, 92 SGG entgegen?
  • 2) Kann aus dem Erscheinungsbild einer Klageschrift, das auf Verwendung erkennbarer Textbausteine/ auszufüllender Felder basiert, und eines fehlenden Datums hergeleitet werden, dass kein ernsthafter Wille beseht, Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen, soweit die nach § 92 SGG erforderlichen
    „Muss“- Bestandteile einer Klageschrift erfüllt sind?

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Die KK verweist auf höchstrichterliche Rechtsprechung
(BSG vom 9.8.2006 – B 12 KR 22/05 R – juris). Sie setzt sich aber nicht mit der weiteren höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander
(vgl dazu 2.). Sie zeigt keine eventuell verbliebene Klärungsbedürftigkeit auf. Mit den (Rechts-) Fragen greift die KK in der Sache nur die Auslegung der Klageschrift durch das LSG an. Die richtige Subsumtion eines Sachverhalts unter verfahrensrechtliche Regelungen und der sie präzisierenden höchstrichterlichen Obersätze hat selbst dann keine grundsätzliche Bedeutung, wenn es eine Vielzahl gleichgelagerter rechtshängiger Sachverhalte gibt. Die unrichtige Anwendung von geklärten Verfahrensregelungen ist allein Gegenstand der Verfahrensrüge.

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4. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was – wie ausgeführt – hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

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5. Es kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Antrag auf Berichtigung des Rubrums im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision prozessrechtlich nachgegangen werden kann. Insoweit mag ein Antrag auf Urteilsberichtigung nach § 138 SGG vorrangig sein
(vgl BSG vom 10.1.2005 – B 2 U 294/04 B – juris). Jedenfalls im vorliegenden Fall kommt eine Änderung des Passivrubrums aber von vornherein nicht in Betracht
(vgl zu einem gleich gelagerten Fall BSG vom 22.6.2022 – B 1 KR 41/22 B). Die Diakonie R gGmbH ist eine juristische Person des Privatrechts, die unstreitig nicht Trägerin des Evangelischen Krankenhauses W1 ist, in dem die Versicherte der KK behandelt wurde. Die KK hat die Beklagte in der Klageschrift nicht lediglich falsch bezeichnet.

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Auch für die Frage, wer nach dem Willen des Klägers Beklagter sein soll, ist der objektive Erklärungswert entscheidend, dh wie das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller ihnen erkennbaren Umstände das Rechtsschutzbegehren verstehen müssen
(vgl BAG vom 21.9.2006 – 2 AZR 573/05 – AP Nr 58 zu § 4 KSchG 1969 = juris RdNr 25). Für die Ermittlung der Beteiligten durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen den in Wahrheit gemeinten Beteiligten nicht an dessen fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welcher Beteiligte tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften Beteiligtenbezeichnung zu unterscheiden ist dagegen die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Beteiligter; diese wird Beteiligter, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt
(vgl BGH vom 24.1.2013 – VII ZR 128/12 – MDR 2013, 420, RdNr 13). Hierbei sind jedenfalls ergänzend auch die Angaben des Klägers im Prozess dann zu berücksichtigen, wenn sie sich im Einklang mit den sich aus der Klageschrift ergebenden objektiven Umständen befinden. Entscheidend ist damit die Wahrung der rechtlichen Identität zwischen dem ursprünglich bezeichneten und dem tatsächlich gemeinten Beklagten. Bleibt der Beklagte nicht derselbe, schließt dies eine Rubrumsberichtigung aus, weil dann mit dem Rubrumsberichtigungsantrag im Wege des Beteiligtenwechsels ein anderer Beklagter in den Prozess eingeführt werden soll
(vgl BAG vom 21.2.2002 – 2 AZR 55/01 – EzA § 4 nF KSchG Nr 63 = juris RdNr 18). So verhält es sich hier.

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Die Klageschrift bezeichnete vorliegend als Beklagte ausdrücklich und eindeutig die Diakonie R gGmbH. Der Klageschrift waren keine Unterlagen und Rechnungen oder sonstige Anlagen beigefügt, die zur Auslegung dieser Angabe heranzuziehen gewesen wären. Auch eine Verwaltungsakte der KK war der Klage nicht beigefügt.

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Die KK wollte danach zwar die Rechtsträgerin des Krankenhauses verklagen, befand sich jedoch im Irrtum über dessen organisatorisch-rechtliche Ausgestaltung. Hieran ändert auch die Angabe der IK-Nr des Krankenhauses in der Klageschrift nichts. Nach § 293 Abs 6 SGB V führen der Spitzenverband Bund der KKn und die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein bundesweites Verzeichnis der Standorte der nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser und ihrer Ambulanzen. Das Institutionskennzeichen gibt zwar nicht unmittelbar und ohne Weiteres Aufschluss über den Rechtsträger des Krankenhauses
(vgl zu ähnlichen Konstellationen LSG Berlin-Brandenburg vom 10.6.2021 – L 9 KR 424/20 – juris RdNr 21; LSG Berlin-Brandenburg vom 22.1.2021 – L 9 KR 370/19 – juris RdNr 19). Das Institutionskennzeichen ist kein Rechtsträgerkennzeichen. Mit ihm lässt sich aber der Rechtsträger des Krankenhauses relativ schnell ermitteln. Die KK hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, einen bestimmten, wenngleich den falschen Rechtsträger dem Institutionskennzeichen zuzuordnen, also sich eine Auffassung über den vermeintlich richtigen Beklagten gebildet und diese zum Ausdruck gebracht.

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  • 7. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
  • Schlegel
  • Scholz
  • zugleich für den krankheitsbedingtan der qualifizierten elektronischenSignatur gehinderten Richter Estelmann