BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 18.08.2022, AZ 26 W (pat) 559/20, ECLI:DE:BPatG:2022:180822B26Wpat559.20.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2019 016 399.7
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. August 2022 unter Mitwirkung des Richters Kätker als Vorsitzender, der Richterin Dr. Rupp-Swienty und des Richters Dr. Poeppel
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. März 2020 wird aufgehoben.
Gründe
I.
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Das Wort-/Bildzeichen
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ist am 15. Juli 2019 unter der Nummer 30 2019 016 399.7 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35, 39, 41 und 43 angemeldet worden.
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Mit Beschluss vom 17. März 2020 hat die Markenstelle für Klasse 39 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen bestehe aus dem Begriff „OLDIE TOUR“, der Reisen oder Ausfahrten mit einem Oldtimerfahrzeug bezeichne, dem Städtenamen „HAMBURG“ und einem werbeüblichen Ankersymbol, wobei die Elemente nebeneinander bzw. übereinander in blauer und roter Schrift angeordnet seien. Es handele sich damit um eine Inhaltsangabe und besondere Qualitätsangabe, die einen Kaufanreiz für das Publikum darstelle. Die hier kombinierte Gesamtaussage „OLDIE TOUR HAMBURG“ enthalte über die sachbezogene Aussage, dass die Dienstleistungen im Wesentlichen „Touren mit Oldtimern um Hamburg“ beinhalteten, kein weiteres Element, welches die Schutzfähigkeit begründen könne. Auch die grafische Ausgestaltung begründe nicht die Schutzfähigkeit, da sie lediglich aus einer blauen und roten geschwungenen Schrift und der Übereinanderschreibung der Begriffe bestehe, wobei das werbeübliche blaue Ankersymbol nur den Bezug zu einer Hafenstadt unterstreiche.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Auf den gerichtlichen Hinweis mit Schreiben vom 10. Mai 2022 nebst Recherchebelegen (Anlagenkonvolute 1 bis 6b, Bl. 15 – 90 GA) hat der Anmelder mit Eingabe vom 17. Juni 2022 sein Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt. Es umfasst nur noch die Dienstleistungen der
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Klasse 35: Werbung; Verkaufsförderung und Werbung; Promotion [Werbung] für Reisen; Werbung für die Reisebranche; Werbung für Transport und Auslieferung; Marketing.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 17. März 2020 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet.
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1. Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens
als Marke stehen für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Werbung; Verkaufsförderung und Werbung; Promotion [Werbung] für Reisen; Werbung für die Reisebranche; Werbung für Transport und Auslieferung; Marketing“ keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch handelt es sich um eine freihaltebedürftige Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas? I; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung
– stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Zeichen, weil es für die noch beanspruchten Werbe-, Verkaufsförderungs- und Marketingdienstleistungen aus Sicht der hiervon angesprochenen inländischen Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt aufgewiesen, noch einen engen beschreibenden Bezug zu ihnen hergestellt hat.
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aa) Die noch in Rede stehenden Dienstleistungen richten sich ausschließlich an ein gewerbliches Fachpublikum, nämlich Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene.
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bb) Das Anmeldezeichen besteht aus den in blauer Farbe geschriebenen Wörtern „OLDIE“ und „TOUR“, zwischen denen sich die Darstellung eines Ankers befindet, und dem zentral darunter angeordnetem Wort „Hamburg“ in etwas kleinerer, roter Schrift.
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aaa) Das Wort „OLDIE“ bezeichnet zumeist einen alten, beliebt gebliebenen Schlager sowie eine zu einer älteren Generation gehörende Person. Mit „Oldie“ wird aber auch etwas bezeichnet, was einer vergangenen Zeit angehört bzw. aus dieser stammt. Im letztgenannten Sinne wird das Wort „Oldie“ auch zur Bezeichnung von alten Fahrzeugen verwendet, wobei es alternativ und/oder verkürzend zu dem Wort „Oldtimer“ verwendet wird (vgl. Anlagenkonvolute 1 bis 2b zum gerichtlichen Hinweis).
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bbb) Der Begriff „TOUR“ wird in erster Linie als Bezeichnung für einen Ausflug oder eine Rundfahrt verwendet (vgl. z.B. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl. (1999), Anlagenkonvolut 1 zum gerichtlichen Hinweis).
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ccc) Aufgrund ihrer gleichen Schriftart, -größe und -farbe, sowie der symmetrischen Anordnung in der gleichen Zeile zu beiden Seiten der Anker-Darstellung sind die beiden Wortbestandteile „OLDIE“ und „TOUR“ erkennbar aufeinander bezogen und bilden damit den Gesamtbegriff „OLDIE TOUR“. Auch der Begriff „Oldie Tour“ hat sich – in verschiedenen Schreibweisen, z.B. „Oldie-Tour“ oder „Oldietour“ – als Bezeichnung eines Ausflugs bzw. einer Rundfahrt mit alten Fahrzeugen belegen lassen (vgl. Anlagenkonvolut 3).
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ddd) Der weitere Markenbestandteil „Hamburg“ bezeichnet die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Hamburg hat als Handels-, Verkehrs- und Dienstleistungszentrum überregionale Bedeutung und zählt zu den wichtigsten Industriestandorten in Deutschland. Zudem ist Hamburg, das über zahlreiche Sehenswürdigkeiten verfügt, eines der gefragtesten Tourismusziele Deutschlands. Dementsprechend werden Besichtigungs- und Erlebnistouren in und um Hamburg angeboten und durchgeführt (vgl. Anlagenkonvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis).
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eee) Ein wichtiges Merkmal von in Städten angebotenen Touren ist häufig die Art des Fahrzeugs, mit denen Besichtigungs- oder Erlebnisfahrten durchgeführt werden. In Hamburg werden z.B. Touren mit Limousinen, Luxus-SUVs, Doppeldeckerbussen, Amphibienbussen, Straßenkarts, Scuddys, Segeways, Quads und eben auch mit Oldtimer-Fahrzeugen angeboten. Neben solchen Oldtimer-Besichtigungstouren für Touristen, kann Hamburg auch Ausgangspunkt oder Ziel von Oldtimer-Touren sein, bei denen nicht die Stadtbesichtigung, sondern das Fahrvergnügen im Vordergrund steht und die teilweise auch „Oldi-Touren“ genannt werden (vgl. Anlagenkonvolute 5a bis 5c zum gerichtlichen Hinweis).
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fff) In ihrer Gesamtheit werden die Wörter „OLDI TOUR HAMBURG“ von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres dahingehend verstanden, dass (Stadt-) Rundfahrten, Sightseeing-Touren, Reisen, Transporte usw. als mit Oldtimer-Fahrzeugen durchgeführte Touren in Hamburg erbracht werden.
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cc) Ob die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens damit eine beschreibende Angabe für die ursprünglich beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 43 darstellen und ob auch die grafische Ausgestaltung der Marke weder die Unterscheidungskraft begründen noch ein Freihaltebedürfnis an der Wortfolge ausschließen könnte, kann dahingestellt bleiben. Mit der o.g. Bedeutung wird jedenfalls weder eine Sachaussage über die noch beanspruchten Werbedienstleistungen i.w.S. getroffen noch ein enger beschreibender Bezug zu ihnen vermittelt.
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aaa) Der markenrechtliche Dienstleistungsbegriff „
Werbung“ umfasst wie seine Synonyme „
Verkaufsförderung“ und „
Marketing“ alle Beratungs-, Mitteilungs-, Konzeptions-, Gestaltungs- und Realisationsleistungen, die von Werbeunternehmen – in erster Linie Werbeagenturen – gegen Entgelt im Kundenauftrag für Dritte auf dem Gebiet der Werbung erbracht werden (BPatG 26 W (pat) 535/18 – CHINAHANDYS; 26 W (pat) 538/19 – Doctor Party; 26 W (pat) 4/17 – Domnic/Dominic; 33 W (pat) 45/98 – INDIGO IMAGES, juris-Tz. 30; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 277, 280, juris-Tz. 52; vgl. auch Anlage 1 zu § 19 Abs. 1 der MarkenV, Erläuternde Anmerkung zur Klasse 35). Da es nicht den Branchengewohnheiten entspricht, Werbedienstleistungen durch das beworbene Produkt(sortiment) zu charakterisieren, weil die Festlegung auf einen bestimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeutet, hat eine Bezeichnung beschreibenden Charakter, wenn sie die Art des Mediums oder die Branche angibt, auf die die Werbedienstleistungen bezogen sind (BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 24 – My World; BPatG 29 W (pat) 35/15 – Immer eine Frische voraus).
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bbb) Dem Anmeldezeichen kann jedoch weder ein beschreibender Hinweis auf eine Branche noch auf ein Werbemedium (z.B. Print-, TV- oder Onlinewerbung) entnommen werden, für die die Werbedienstleistungen bestimmt sein könnten.
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(1) Eine „Branche“ wird als „Wirtschafts-, Geschäftszweig“ definiert (https://www.duden.de/rechtschreibung/Branche) und dient als Sammelbezeichnung für Unternehmen, die weitgehend substituierbare Produkte oder Dienstleistungen herstellen bzw. erbringen, wie z. B. die Auto-(mobil-), Elektronik- oder Pharmabranche (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/branche-27701). Die Anbieter bzw. Veranstalter von Oldie- bzw. Oldtimer-Touren mögen zwar zu einer Branche, nämlich der Touristikbranche gehören, jedoch stellen weder Oldietouren noch Hamburger Oldietouren einen eigenen Wirtschaftszweig dar.
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(2) Ein Werbemedium ist ein Kommunikationsmittel, durch das Werbung verbreitet werden kann. Dazu gehören beispielsweise Fernsehen, Radio, Printmedien und Werbeflächen. Mit dem Anmeldezeichen wird kein solcher Werbeträger beschrieben.
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2. Wegen der fehlenden Eignung des Anmeldezeichens zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen kann auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.