Beschluss des BGH 5. Strafsenat vom 17.08.2022, AZ 5 StR 167/22

BGH 5. Strafsenat, Beschluss vom 17.08.2022, AZ 5 StR 167/22, ECLI:DE:BGH:2022:170822B5STR167.22.0

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 13. Dezember 2021, Az: 626 KLs 20/17

Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten P.       und N.        gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2021 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision des Angeklagten K.   wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II.1 bis II.18 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten K.   wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 19 Fällen, davon in einem Fall im Versuch, schuldig gesprochen und den Angeklagten P.       unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten, den Angeklagten K.   zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und die Angeklagte N.         zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; bei Letzterer hat es die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das Landgericht Vollstreckungsabschläge bestimmt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen die Verurteilungen richten sich die jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten.

2

1. Die Revisionen der Angeklagten P.       und N.         sind unbegründet, weil die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten erbracht hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

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2. Das Rechtsmittel des Angeklagten K.    hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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a) Nach den Feststellungen begingen die Angeklagten zwischen März 2014 und Mai 2016 in 18 Fällen sowie im Februar 2019 in einem weiteren Fall Taten des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zum Nachteil von Bausparkassen, indem sie dort unter Verwendung falscher Personalien und unter Vorlage falscher Dokumente Darlehensverträge schlossen und die im Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Angaben ausgezahlten Darlehenssummen für sich verbrauchten, während den Banken wie von ihnen geplant eine Einziehung der Darlehensraten weitestgehend misslang. Dabei traten teils der Angeklagte P.        und teils der Angeklagte K.   nach außen als angeblicher Darlehensnehmer auf und schlossen die jeweiligen Verträge ab; die Angeklagte N.        stellte die dazu verwendeten falschen Dokumente her. Die erlangten Gelder teilten die Angeklagten nach einem zuvor vereinbarten Schlüssel untereinander auf.

5

Im Fall II.18 der Urteilsgründe wurde der als Darlehensnehmer auftretende Angeklagte K.   am 21. Juni 2016 im Büro der betroffenen Bausparkasse vorläufig festgenommen, nachdem dort bei einer internen Prüfung aufgefallen war, dass vorgelegte falsche Unterlagen schon bei früheren, inzwischen als Betrugstaten erkannten Darlehensabschlüssen verwendet worden waren. Der Angeklagte K.   legte noch am selben Tag gegenüber der Polizei ein Geständnis hinsichtlich des Betrugsversuchs ab und räumte weitere Taten ein, wobei er die Angeklagten P.       und N.        als weitere Beteiligte der Betrugstaten benannte. Bei Durchsuchungen der Wohnungen der Angeklagten K.   und N.        wurden sodann eine Vielzahl der bei den Taten verwendeten falschen Dokumente sichergestellt.

6

b) Die Bemessung der für die Taten II.1 bis II.18 der Urteilsgründe gegen den Angeklagten K.   verhängten Einzelstrafen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat die Strafkammer zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er ein Geständnis „insbesondere zu den von ihm ausgeführten Taten bereits in einem frühen Ermittlungsstadium nach seiner Festnahme im Juni 2016 abgelegt hat“. Angesichts des Umstands, dass er gegenüber der Polizei noch am Tag seiner Festnahme die Angeklagten P.        und N.        als Tatbeteiligte benannte, hätte aber Anlass bestanden, eine Strafmilderung nach § 46b StGB zu prüfen, was das Landgericht unterlassen hat. Denn nach diesen Feststellungen erscheint es möglich, dass die Beteiligung der Mitangeklagten an diesen Taten erst durch das Geständnis des Revisionsführers aufgedeckt wurde, so dass die Voraussetzungen von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO erfüllt sein können (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2015 – 5 StR 209/15; vom 7. September 2017 – 5 StR 359/17).

7

Die Strafzumessung im Fall II.19 der Urteilsgründe wird von dem Rechtsfehler dagegen nicht berührt, auch wenn die dortige Tat von den nämlichen drei Angeklagten nach dem gleichen Modus verübt wurde wie die früheren Taten: Diese Tat wurde erst im Februar 2019 und damit nach der bereits im Juni 2016 geleisteten potentiellen Aufklärungshilfe begangen. Da § 46b StGB an das aktuelle Strafverfahren gegen den Offenbarenden anknüpft, stellt dessen Beginn aber den erstmöglichen Zeitpunkt dar, in dem dieser den Vorteil einer Strafmilderung erlangen kann (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 5 StR 18/15, NStZ-RR 2015, 248 mwN). Sie kann daher nicht für Taten gewährt werden, die erst nach einer Aufklärungshilfe verübt wurden, mag deren Aufklärung hiervon auch profitiert haben. Dass das Strafverfahren zu Fall II.19 der Urteilsgründe zwischenzeitlich zu dem am Tag der Benennung der anderen Beteiligten bereits laufenden Strafverfahren zu den Taten II.1 bis II.18 der Urteilsgründe hinzuverbunden wurde, kann den maßgeblichen Zeitpunkt für Fall II.19 nicht nach vorne verlagern.

8

c) Die Einzelstrafaussprüche zu den Taten II.1 bis II.18 der Urteilsgründe beruhen auf dem aufgezeigten Erörterungsmangel (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

9

d) Die tatsächlichen Feststellungen werden durch die unterbliebene Erörterung des § 46b StGB nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende neue Feststellungen sind möglich.

  • Gericke
  • Mosbacher
  • Köhler
  • von Häfen
  • Werner