Anspruch des Berechtigten auf Übertragung eines Patents wegen widerrechtlicher Entnahme: Erforderlichkeit eines prüfenden Vergleichs der beiden Lehren – Brustimplantat (Urteil des BGH 10. Zivilsenat)

BGH 10. Zivilsenat, Urteil vom 26.07.2022, AZ X ZR 1/21, ECLI:DE:BGH:2022:260722UXZR1.21.0

§ 8 S 1 PatG, § 8 S 2 PatG

Leitsatz

Brustimplantat

Ob ein Berechtigter nach § 8 Satz 1 und 2 PatG die Übertragung eines Patents oder die Einräumung einer Mitberechtigung daran verlangen kann, erfordert einen prüfenden Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnahme geltend gemacht wird. Dafür ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 – X ZR 149/12, GRUR 2016, 265 Rn. 22 – Kfz-Stahlbauteil; Urteil vom 4. August 2020 – X ZR 38/19, GRUR 2020, 1186 Rn. 41 – Mitralklappenprothese).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 26. November 2020, Az: 6 U 79/19, Urteil
vorgehend LG Frankfurt, 3. April 2019, Az: 2-06 O 378/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rechte an dem europäischen Patent 2 581 193 (Streitpatent), das ein Verfahren zur Herstellung von Implantaten oder Zwischenprodukten solcher Implantate betrifft.

2

Die Klägerin ist ein in Brasilien ansässiges Unternehmen, das sich mit der Herstellung von Silikonimplantaten befasst.

3

Die in Dieburg ansässige Beklagte bezog seit 1992 von der Klägerin Brustimplantate und vertrieb diese in Europa. Der Streithelfer der Beklagten war deren Gesellschafter und von 1986 bis 2015 mit Unterbrechungen ihr Geschäftsführer.

4

Im Jahr 1995 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, die es der Beklagten ermöglichen sollte, das CE-Kennzeichen für den Vertrieb von Implantaten in Europa zu erlangen. Die Zusammenarbeit der Parteien endete 2008.

5

Das Streitpatent beruht auf einer Anmeldung der Beklagten vom 14. Oktober 2011. Patentanspruch 1, auf den 18 weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Process for manufacturing implants or intermediate products of such implants comprising

a) providing an implant shell comprising uncured silicone, having a front side, a back side and a region bridging said front and back side,

c) placing a first foam sheet over the front side, the region bridging said front and back side and at least part of the back side of the uncured implant shell, as provided in step a),

d) subjecting the implant shell obtained in step c) to at least one curing step in order to vulcanize the uncured silicone of step a) thereby bonding the first foam sheet to the implant shell, and

f) apply at least one sheet comprising partially or completely uncured silicone to the back side of the implant shell, thereby covering those parts not covered by the first foam sheet,

h) subject the at least one sheet applied to the back side of the implant shell in step f) to curing so that it undergoes vulcanization thereby bonding said sheet to the back side of the implant shell.

6

Die Klägerin hat die Beklagte auf Übertragung und Einwilligung in die Umschreibung sämtlicher nationaler Teile des Streitpatents und hilfsweise auf Einräumung einer Mitberechtigung in Anspruch genommen, ferner auf Auskunft und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Sie hat geltend gemacht, die Erfindung sei von Mitarbeitern der Klägerin gemacht worden. Das Streitpatent beruhe auf Informationen, die die Beklagte im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Klägerin erlangt habe.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, der die Beklagte entgegentritt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Implantats oder eines Zwischenprodukts eines solchen Implantats und entsprechende Erzeugnisse (Abs. 1).

10

1. Die Streitpatentschrift schildert, dass bei der Fertigung von Implantaten, etwa Brustimplantaten, hohe Anforderungen an die genaue Formgebung und die Qualität gestellt werden.

11

Würden diese Anforderungen nicht erfüllt, drohten insbesondere gesundheitliche Risiken, etwa durch Ausbildung einer Kapselkontraktur (Abs. 2). Es werde angenommen, dass eine Kapselkontraktur unter anderem durch die Ablösung kleiner Teile vom Implantat verursacht werde. Man gehe davon aus, dass das diesbezügliche Risiko geringer sei, wenn das Implantat eine strukturierte oder texturierte Oberfläche aufweise (Abs. 3). Zur Erzielung einer texturierten Oberfläche könne ein Implantat mit einer Lage aus Polyurethanschaumstoff versehen werden. Dies sei seit Jahrzehnten bekannt. Dennoch würden die Bemühungen zur Erhöhung von Komfort und Sicherheit fortgesetzt (Abs. 7).

12

2. Zum Stand der Technik nimmt das Streitpatent auf verschiedene Dokumente Bezug.

13

a) Das US-amerikanische Patent 5 296 069 (BB20) beschäftigt sich mit der Frage, wie ein bereits mit Silikongel oder einem anderen geeigneten Material gefülltes Implantat, das zunächst eine glatte Oberfläche aufweise, mit einer amorphen Oberfläche versehen werden könne, die sich nicht ablöse.

14

Dazu schlägt BB20 vor, zunächst eine nicht-vulkanisierte Silikonlage auf eine Schaumlage zu legen. Dieser Verbund werde durch zwei parallele, voneinander beabstandete Rollen geführt, wodurch ein vorbestimmter Druck ausgeübt werde, und in einer Montagevorrichtung befestigt.

15

Ein bereits befülltes Implantat werde mit einer Seite auf die Silikonseite des Verbunds aufgelegt, ausgerichtet und durch Druckausübung angeheftet. Ein entsprechender Verbund werde sodann, wiederum mit der Silikonseite, auf die andere Seite des Implantats aufgelegt. Der gesamte Verbund werde anschließend in eine Form gegeben, in der gleichmäßig Druck aufgebracht werden könne, um ein Anhaften der Schaumstoff- und Silikonschichten an dem Implantat zu bewirken.

16

BB20 sieht zudem die Möglichkeit vor, das beschichtete Implantat zu vulkanisieren (Sp. 2 Z. 11-13 und Anspruch 2). Bei der Darstellung der BB20 in der Streitpatentschrift ist dies nicht erwähnt.

17

Die Streitpatentschrift sieht als Nachteil dieser Lösung an, dass im Bereich des Übergangs zwischen Vorder- und Rückseite des Implantats eine Naht entstehe, die vom Gewebe der Patientin nicht gut toleriert werde. Zudem sei nicht gewährleistet, dass keine Falten oder Blasen entstünden.

18

b) Die französische Patentanmeldung 2 675 049 sieht vor, eine Polyurethanschaumlage so mit einem bereits gefüllten Implantat aus Silikon zu verkleben, dass ein Ablösen verhindert wird.

19

c) Auch nach der französischen Patentanmeldung 2 677 539, die die nachstehend wiedergegebene Figur 1 enthält, werden Schaumlagen auf der Vorder- und Rückseite aufgeklebt (Abs. 6). Die Ränder der Schaumlage (3) im Umfangsbereich (4) des mit einem geeigneten Material (2) gefüllten Implantats (1) werden miteinander verschweißt.

20

d) Die internationale Patentanmeldung 90/00888 (BB12) sieht vor, dass eine Schaumstoffschicht als Übergangsschicht (transition layer) mit einer Klebstoffschicht (adhesive layer) auf dem Implantat fixiert wird.

21

Dabei soll der Klebstoff in die Schaumstofflage eindringen, diese aber nicht völlig durchdringen. Dies soll es ermöglichen, dass das umgebende Gewebe in die Schaumstofflage einwächst (S. 9/10).

22

Wie in den nachstehend wiedergegebenen Figuren 4 bis 7 dargestellt, wird auf die Implantathülle (22) eine Klebstoffschicht (23) aufgebracht. Die Übergangsschicht (24) wird durch Auflegen zweier Bögen (25, 26) hergestellt (S. 13 Z. 6-10). Diese bestehen vorzugsweise aus offenzelligem Schaumstoff (S. 14 Z. 26-31). Die Ränder der Bögen (25, 26) werden miteinander verschweißt (S. 13 Z. 10-13).

Abbildung  
Abbildung

23

3. Vor diesem Hintergrund kann das technische Problem dahin beschrieben werden, dass es um die Bereitstellung eines Verfahren geht, mit dem ein hochwertiges, mit einer Schaumstofflage beschichtetes Implantat sicher und effektiv hergestellt werden kann.

24

4. Diese Aufgabe soll nach Anspruch 1 des Streitpatents, auf den 18 weitere Ansprüche zurückbezogen sind, durch ein Verfahren gelöst werden, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Verfahren zur Herstellung von Implantaten oder Zwischenprodukten solcher Implantate, umfassend

a) das Bereitstellen einer Implantathülle, die nicht ausgehärtetes Silikon umfasst, mit einer Vorderseite, einer Rückseite und einem Bereich zur Verbindung der Vorder- und Rückseite,

c) das Anordnen einer ersten Schaumlage über der Vorderseite, dem Bereich zur Verbindung der Vorder- und Rückseite und zumindest einem Teil der Rückseite der nicht ausgehärteten Implantathülle, wie sie in Schritt a) bereitgestellt wurde,

d) die in Schritt c) erhaltene Implantathülle wird zumindest einem Aushärtungsschritt unterzogen, um das nicht ausgehärtete Silikon aus Schritt a) zu vulkanisieren und dadurch die erste Schaumlage mit der Implantathülle zu verbinden,

f) zumindest eine Lage, die ganz oder teilweise nicht ausgehärtetes Silikon umfasst, wird auf der Rückseite der Implantathülle aufgebracht, wodurch diejenigen Teile bedeckt werden, die nicht durch die erste Schaumlage bedeckt sind,

h) die in Schritt f) aufgebrachte Lage wird einer Aushärtung unterzogen, so dass sie eine Vulkanisierung erfährt, wodurch die Lage mit der Rückseite der Implantathülle verbunden wird.

25

Die Patentansprüche 20 und 21 schützen ein Implantat, das durch ein Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 19 erlangt wird.

26

5. Die Beschreibung hebt hervor, für das Verfahren nach der Erfindung sei es wesentlich, dass nicht ein bereits gefülltes Implantat mit einer Schaumstofflage versehen wird, sondern eine Implantathülle (Abs. 10).

27

a) Die Implantathülle kann eine oder mehrere Schichten aus nicht ausgehärtetem Silikon umfassen, die mit der Schaumlage in Kontakt gebracht werden. Die Schaumlage kann dann in die halbflüssige Silikonoberfläche des Implantats einschwimmen (Abs. 13).

28

b) Nach Anspruch 11 wird die erste Schaumlage vorzugsweise in einem Stück über die gesamte Vorderseite, mindestens einen Teil des Übergangsbereichs und mindestens einen Teil der Rückseite gelegt.

29

Vorzugsweise wird die Schaumlage in drei Dimensionen gezogen oder gedehnt, um eine Faltenbildung zu verhindern (Abs. 13). Die Beschreibung spricht auch die Möglichkeit an, dass die Implantathülle sich in einer Form befinde. In diesem Fall könne die Schaumlage auf die oberste Silikonschicht gepresst werden (Abs. 27 aE).

30

c) Durch eine Aushärtung gemäß Schritt d wird die Schaumlage fest mit der Implantathülle verbunden (Abs. 13) und bevorzugt zu einem integralen Bestandteil der Implantathülle.

31

Damit soll erreicht werden, dass weder an der Vorderseite noch im Übergangsbereich oder an der Rückseite Nähte oder Falten auftreten (Anspruch 12, Abs. 27). Die feste Verbindung verhindert zudem, dass sich Schaumstoffpartikel lösen.

32

Alternativ kann die Implantathülle zunächst einer Aushärtung durch Vulkanisieren unterzogen werden, auf die sodann zusätzliche Schichten aus nicht ausgehärtetem Silikon aufgetragen werden. Wie sich aus Anspruch 4 ergibt, kann dazu zwischen den Verfahrensschritten a und c ein Schritt b vorgesehen sein, in dem das Implantat ganz oder teilweise vulkanisiert und damit ausgehärtet und anschließend mit mindestens einer zusätzlichen nicht ausgehärteten Silikonschicht versehen wird. Diese umfasst die Vorderseite, den Übergangsbereich und optional einen Teil der Rückseite der Implantathülle.

33

d) Nach Anspruch 6 kann im Anschluss an Verfahrensschritt d und vor Schritt f ein weiterer Schritt e vorgesehen sein, in dem überflüssiger Schaumstoff, d.h. solcher, der in Schritt d nicht mit der Rückseite der Implantathülle verbunden wurde, entfernt wird.

34

e) Zu den Schritten f und h führt die Beschreibung aus, eine oder mehrere Lagen aus nicht ausgehärtetem Silikon könnten auf die Rückseite aufgebracht werden. Diese Lagen können jeweils einzeln nacheinander oder im Verbund durch Vulkanisation gehärtet werden (Abs. 14).

35

f) Vorzugsweise umfasst die auf der Rückseite aufgebrachte Lage auch eine Schaumstofflage (zweite Schaumstofflage) als äußere Schicht eines Schichtverbunds (Abs. 15 und Anspruch 14).

36

g) Nach Schritt f und vor Schritt h kann ein weiterer Verfahrensschritt g durchgeführt werden, in dem die Implantathülle mit Gel oder dergleichen gefüllt wird (Abs. 16, Anspruch 2). Dazu kann die in Schritt f aufgebrachte Lage mit einer Nadel durchstochen werden. Anschließend wird die Lage vulkanisiert. Hierdurch wird die zweite Schaumstofflage fest mit der Silikonlage und diese fest mit der Rückseite der Implantathülle verbunden. Zugleich wird das Implantat dicht (Abs. 16).

37

h) Ferner können auf Schritt g oder h weitere Verfahrensschritte i und j folgen.

38

In Schritt i wird auf die Rückseite des Implantats eine dritte Schaumstofflage oder ein zweiter Schichtenverbund aufgebracht, der mindestens eine ausgehärtete oder nicht ausgehärtete Silikonschicht und eine Schaumstofflage als äußere Schicht umfasst.

39

In Schritt j werden diese Schaumstofflage oder diese Schicht mit der Rückseite des Implantats verbunden (Abs. 18 und Anspruch 15).

40

i) Der erste Schichtenverbund kann etwa dadurch erlangt werden, dass eine Silikonschicht und eine Schaumstoffschicht aufeinandergepresst oder ausgehärtet werden, um sie miteinander zu verbinden (Abs. 20 und Anspruch 17). Der zweite Schichtenverbund kann am besten dadurch erreicht werden, dass die Schichten bei einer Temperatur, die kein Aushärten des Silikons bewirkt, zwischen Platten gepresst werden (Abs. 21 und Anspruch 17).

41

j) In einem weiteren Schritt k nach den Schritten g, h, i oder j kann das gefüllte Implantat einer Aushärtung unterzogen werden (Abs. 19 und Anspruch 18).

42

k) Die Aushärtung der Füllung und des zweiten Schichtenverbunds erfolgt vorzugsweise in einem Schritt (Abs. 22).

43

II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

44

Die Klage sei jedenfalls aufgrund einer nachträglichen Rechtswahl der Parteien insgesamt nach deutschem Recht zu beurteilen.

45

Die Aktivlegitimation der Klägerin sei zweifelhaft, könne jedoch dahinstehen, weil die Klägerin weder einen Erfindungsbesitz ihrer als Erfinder bezeichneten Mitarbeiter noch die Mitteilung der Erfindung an die Beklagte hinreichend dargetan habe.

46

Das Anliegen des Streitpatents sei es, ein Verfahren bereitzustellen, bei dem die Verbindung zwischen der Implantathülle und einer diese umgebenden Schaumstoffschicht (Schaumlage) ohne Verwendung von Klebstoff nur durch Vulkanisierung erreicht und zugleich eine Umfangsnaht vermieden werde. Gelöst werde diese Aufgabe durch eine genau aufeinander abgestimmte Abfolge von Verfahrensschritten, durch die unter Verzicht auf die Verwendung von Klebstoff sowie auf mechanische Verfahren wie Anpressen, Andrücken, Kompression oder Ähnliches eine feste Verbindung zwischen Schaumlage und Implantat ausschließlich durch Vulkanisieren bewirkt und die Naht an der Rückseite angebracht werde.

47

Die Klägerin habe nicht substantiiert dargetan, dass sie im Besitz dieser Erfindung gewesen sei. Soweit sie auf die Anlagen HE10 und HE13 Bezug nehme, ergebe sich daraus nicht, dass die Verbindung zwischen Schaumlage und Implantathülle allein durch Vulkanisation erreicht werde.

48

Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Beklagte die von ihr erstellte technische Dokumentation 2003 (TD 2003) vorlege. Eine Anordnung der Urkundenvorlage nach § 142 ZPO sei nicht angezeigt. Die in der technischen Dokumentation 2007 (TD 2007) der Beklagten enthaltene Aussage, die Prinzipien des Herstellungsverfahrens seien gegenüber der technischen Dokumentation 2003 unverändert, sei kein hinreichender Hinweis darauf, dass dort der Erfindungsgegenstand beschrieben sei. Zudem sei das Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung in dieser Dokumentation enthaltener, nicht mit dem Herstellungsverfahren in Verbindung stehender Informationen zu berücksichtigen. Eine Vorlage nach §§ 425 ff. ZPO scheide aus, weil keine Vorlagepflicht nach §§ 422, 423 ZPO bestehe. Insbesondere biete § 810 BGB hierfür keine Grundlage, weil die TD 2003 nicht im Interesse der Klägerin, sondern im Interesse der Beklagten erstellt worden sei. Zudem habe die Klägerin einen Wissenstransfer hinsichtlich der streitgegenständlichen Erfindung an die Beklagte nicht dargetan.

49

Selbst wenn Erfindungsbesitz der Mitarbeiter der Klägerin und ein Wissenstransfer an Mitarbeiter der Beklagten unterstellt würden, fehle es jedenfalls an einem schöpferischen Beitrag der Klägerin. Der behauptete Beitrag der Erfinder entspreche lediglich dem Durchschnittskönnen eines Fachmanns. Die Verlegung der Naht auf die Rückseite der Implantathülle sei bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents nicht nur in der Fachwelt, sondern auch der Beklagten bekannt gewesen, da sie jahrelang entsprechende Produkte der Klägerin vertrieben habe.

50

III. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

51

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Vindikationsanspruch der Klägerin nicht verneint werden.

52

1. Da das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Erfinder wirksam ihre Rechte an die Klägerin übertragen haben, ist revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die Klägerin die Rechte an der behaupteten Erfindung ihrer Mitarbeiter erworben hat.

53

2. Das Berufungsgericht hat den Gegenstand des Streitpatents nicht zutreffend bestimmt.

54

a) Ob ein Berechtigter nach § 8 Satz 1 und 2 PatG die Übertragung eines Patents oder die Einräumung einer Mitberechtigung daran verlangen kann, erfordert einen prüfenden Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnahme geltend gemacht wird.

55

Dafür ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 – X ZR 149/12, GRUR 2016, 265 Rn. 22 – Kfz-Stahlbauteil; Urteil vom 4. August 2020 – X ZR 38/19, GRUR 2020, 1186 Rn. 41 – Mitralklappenprothese).

56

b) Der Auslegung des Streitpatents durch das Berufungsgericht, die auch im Vindikationsprozess der uneingeschränkten rechtlichen Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (BGH GRUR 2016, 265 Rn. 19 – Kfz-Stahlbauteil), kann nicht beigetreten werden.

57

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sieht das Streitpatent nicht zwingend vor, dass die angestrebte feste Verbindung zwischen Schaumlage und Implantat unter Verzicht auf die Verwendung von Klebstoff oder mechanische Verfahren ausschließlich durch Vulkanisierung erfolgt.

58

aa) Nach der Lehre des Streitpatents wird eine Schaumlage auf die Vorderseite der Implantathülle aufgebracht. Die Hülle umfasst unausgehärtetes, also noch weiches Silikon. Durch Vulkanisation wird das Silikon ausgehärtet und zugleich die Schaumlage fest mit der Implantathülle verbunden.

59

Das Streitpatent sucht sich damit von dem in der Beschreibung in Bezug genommenen Stand der Technik abzugrenzen, in dem etwa offenbart ist, dass die Schaumlage durch Kleben mit dem Implantat verbunden wird.

60

Wie sich aus der Beschreibung ergibt, kann die Schaumlage, wenn sie auf der Implantathülle aufgebracht wird, in das nicht ausgehärtete, noch halbflüssige Silikon „einschwimmen“. Vorzugsweise werde die Schaumlage gezogen, gedrückt oder gestreckt, um eine Blasen- oder Faltenbildung zu vermeiden (Abs. 13).

61

Danach wird zwar die Verbindung von Schaumlage und Implantathülle stets durch Vulkanisierung bewirkt. Das Streitpatent schließt aber nicht aus, dass vor dem Vulkanisieren die Schaumlage in das Silikon gedrückt wird. In der Beschreibung wird vielmehr ausgeführt, insbesondere dann, wenn die Implantathülle noch auf der Form liege, könne die Schaumlage gepresst und in engen Kontakt mit der obersten Silikonlage gebracht werden (Abs. 27 aE).

62

bb) In Bezug auf die Rückseite der Implantathülle sieht das Streitpatent bevorzugt vor, eine Anordnung aus nicht ausgehärtetem Silikon und einer Schaumlage aufzubringen (Abs. 14-16).

63

Diese Anordnung kann nach der Beschreibung dadurch hergestellt werden, dass die einzelnen Lagen zwischen Platten gepresst werden (Abs. 20 f.). Hinsichtlich der Verbindung dieser Anordnung mit der Rückseite der Implantathülle ist zwar nur die Vulkanisation erwähnt (Abs. 14). Dem Streitpatent lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein Anpressen eines solche Schichtenverbunds entsprechend den oben aufgezeigten Ausführungen ausgeschlossen wäre.

64

3. Das Berufungsgericht hat zudem die Anforderungen an die Darlegung des Erfindungsbesitzes der Klägerin und eines Wissenstransfers an die Beklagte überspannt.

65

a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Der Vortrag muss konkret genug sein, um die Erheblichkeit der Tatsachen beurteilen zu können und eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen. Sind diese Anforderungen erfüllt und wird der Vortrag von der Gegenseite erheblich bestritten, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten (BGH, Urteil vom 8. Februar 2022 – X ZR 97/20, NJW-RR 2022, 634 Rn. 10).

66

b) Gemessen hieran hat die Klägerin ihren Erfindungsbesitz schlüssig dargetan.

67

aa) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat die Klägerin in der Klageschrift unter Bezugnahme auf eigene Unterlagen über das Fertigungsverfahren (HE2 und HE3) und unter Beweisantritt im Einzelnen dargelegt, sie habe bereits im Jahr 2000 Brustimplantate nach einem Verfahren hergestellt, das die Merkmale des Streitpatents aufweise.

68

Diesem Vorbringen zufolge haben Mitarbeiter der Klägerin ein Verfahren entwickelt, bei dem die Implantathülle in einem Stadium, in dem sie aus nicht vulkanisiertem Silikon bestehe und noch nicht befüllt sei, mit einer Lage aus Polyurethanschaum beschichtet werde, um eine texturierte Oberfläche zu erzielen. Dazu sei die Hülle auf eine Form gelegt und die Schaumlage so aufgezogen worden, dass sie bis auf die Rückseite der Hülle reiche. Die Schaumlage werde gespannt und angedrückt, um Faltenbildung zu vermeiden. Anschließend werde das Implantat mit der Schaumlage vulkanisiert. Schließlich werde auf der Rückseite eine Lage aus nicht ausgehärtetem Silikon und Schaumstoff aufgebracht, angedrückt und vulkanisiert.

69

bb) Diesem Vorbringen ist zu entnehmen, dass die Klägerin bereits im Jahr 2000 im Besitz der Erfindung war.

70

In diesem Zusammenhang ist insbesondere unschädlich, dass die Verbindung zwischen den Schaumlagen und der Implantathülle nicht ausschließlich durch Vulkanisieren hergestellt wird, sondern zusätzlich durch Andrücken.

71

cc) Die Klägerin hat dieses Vorbringen im zweiten Rechtszug nicht aufgegeben. Vielmehr hat sie in ihrer Berufungsbegründung und in ihrer Replik hierauf ausdrücklich Bezug genommen.

72

Das Berufungsgericht hätte Erfindungsbesitz der Klägerin mithin nicht verneinen dürfen, ohne sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen und erforderlichenfalls die angebotenen Beweise zu erheben.

73

c) Die Klägerin hat darüber hinaus Anhaltspunkte vorgetragen, die die Schlussfolgerung zulassen, dass die Beklagte ihre Kenntnisse bezüglich der Erfindung von der Klägerin erlangt hat.

74

aa) Die Beklagte hat ihr Vorbringen, das im Streitpatent beschriebene Verfahren beruhe auf eigenen Entwicklungen, unter anderem auf das von ihr vorgelegte Dokument TD 2007 (Ergänzung zur Technischen Dokumentation für Mammaimplantate vom 5. August 2007) gestützt, aus dem sich nach ihrer Auffassung die Merkmale von Anspruch 1 und sämtlicher Unteransprüche des Streitpatents ergeben.

75

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bilden die in TD 2007 enthaltenen Ausführungen, wonach der Herstellungsprozess im Vergleich zu TD 2003 unverändert geblieben ist, ein starkes Indiz dafür, dass bereits TD 2003 die Erfindung vollständig beschreibt und diese Informationen von der Klägerin stammen.

76

(1) Der Umstand, dass TD 2007 als Ergänzung zu TD 2003 bezeichnet ist, deutet zwar darauf hin, dass das neuere Dokument weitergehende Informationen enthält als das ältere. Wie die Revision zu Recht geltend macht, sprechen die von der Klägerin hervorgehobenen Ausführungen zu Anlass und Gegenstand der Änderungen in TD 2007 aber dafür, dass diese Änderungen nicht das Herstellungsverfahren betreffen, sondern andere, für die Frage des Erfindungsbesitzes nicht relevante Aspekte.

77

Nach den von der Klägerin herangezogenen Ausführungen in TD 2007 ist die Ergänzung von TD 2003 notwendig geworden, weil beabsichtigt sei, Teile der Produktion von Brustimplantaten vom bisherigen Produktionsstandort – d.h. vom Sitz der Klägerin – zum Sitz der Beklagten zu verlagern. Die Prinzipien und Techniken des Designs und Herstellungsverfahrens der Produkte blieben davon unberührt.

78

Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass die im Jahr 2007 vorgenommenen Ergänzungen Aspekte der Organisation oder des Produktionsablaufs betreffen, die mit dem geplanten Standortwechsel zusammenhängen, die wesentlichen Merkmale des Produkts und des Herstellungsprozesses aber unverändert geblieben sind. Da TD 2007 nach dem Vorbringen der Beklagten die Erfindung vollständig beschreibt, sprechen mithin gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass dasselbe bereits für TD 2003 gilt.

79

(2) Damit sind zugleich Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Beklagte das maßgebliche Wissen von der Klägerin erlangt hat.

80

Die Klägerin hat auch insoweit auf das Vorbringen der Beklagten Bezug genommen. Diese hat geltend gemacht, sie habe ab dem Jahr 2007 mit der Entwicklung eines eigenen Brustimplantats begonnen. Wenn sie dennoch bereits im Jahr 2003 über ein Dokument verfügte, das die Erfindung vollständig beschreibt, deutet dies darauf hin, dass das entsprechende Wissen von der Klägerin stammt, die die Beklagte damals mit Brustimplantaten beliefert hat.

81

Hätte das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin vollständig und unter zutreffender Bestimmung des Gegenstands des Streitpatents gewürdigt, hätte es erkennen müssen, dass die Klägerin schlüssig vorgetragen hat, dass sie bereits vor dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte mit der Entwicklung eines eigenen, mit einer Schaumlage versehenen Brustimplantats begonnen hat, im Besitz der Erfindung war und die Beklagte die Kenntnis dieser Erfindung aus der Zusammenarbeit mit der Klägerin und der in diesem Rahmen erstellten TD 2003 erlangt hat.

82

cc) Das Berufungsgericht hätte mithin auch einen Wissenstransfer von der Klägerin an die Beklagten nicht verneinen dürfen, ohne sich mit dem aufgezeigten Vorbringen der Klägerin auseinanderzusetzen.

83

IV. Eine Entscheidung in der Sache scheidet aus, weil noch tatsächliche Feststellungen erforderlich sind. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

84

1. Im wieder eröffneten Berufungsrechtszug wird zu klären sein, ob die Beklagte das Vorbringen der Klägerin erheblich bestreitet.

85

a) Nach den Regeln der gestuften Darlegungslast hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Liegt ein substantiierter Vortrag der darlegungspflichtigen Partei vor, kann sich der Gegner nicht auf ein substanzloses Bestreiten zurückziehen, wenn ihm nach Lage der Dinge ein substantiiertes Bestreiten möglich und zumutbar ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 – I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 Rn. 38 – Ökotest III). Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich, soweit es um Tatsachen geht, die eigene Handlungen der Partei betreffen.

86

b) Vor diesem Hintergrund wird sich im Streitfall insbesondere die Frage stellen, ob der Vortrag der Klägerin zu den von ihr zur Verfügung gestellten Informationen so konkret ist, dass die Beklagte von ihr geltend gemachte Unterschiede zwischen TD 2003 und TD 2007 im Einzelnen darzulegen hat.

87

2. Sollte sich danach eine Beweisaufnahme als erforderlich erweisen, wird das Berufungsgericht erneut darüber zu entscheiden haben, ob es die Vorlage der TD 2003 durch die Beklagte anordnet.

88

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Vorlagepflicht der Beklagten nach § 423 ZPO verneint.

89

Nach § 423 ZPO ist der Gegner zur Vorlage einer Urkunde verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat.

90

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

91

Die Beklagte hat auf TD 2003 allenfalls zur Erläuterung ihres Vorbringens Bezug genommen, nicht aber zu Beweiszwecken.

92

b) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Vorlagepflicht nach § 422 ZPO abgelehnt hat, halten einer rechtlichen Überprüfung hingegen nicht stand.

93

aa) Nach § 422 ZPO ist der Gegner zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer die Herausgabe oder Vorlegung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verlangen kann.

94

Eine solche Pflicht kann sich insbesondere aus § 810 BGB ergeben. Danach kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, die Gestattung der Einsicht unter anderem dann verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet ist.

95

bb) Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf die Erwägung gestützt, TD 2003 sei nicht im Interesse der Klägerin, sondern im Interesse der Beklagten errichtet worden, die eine CE-Kennzeichnung habe erlangen wollen.

96

Hierbei hat das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen.

97

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erstellung der TD 2003 sei geboten gewesen, um eine für den Vertrieb der von der Klägerin hergestellten Brustimplantate in Europa erforderliche Zertifizierung zu erlangen.

98

Danach kommt in Betracht, dass die Errichtung der Technischen Dokumentation auch den Interessen der Klägerin diente, da sie Voraussetzung für einen erfolgreichen Vertrieb ihrer Produkte auf dem europäischen Markt darstellte.

99

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung sind die diesbezüglichen Interessen der Klägerin gegebenenfalls nicht auf die Zertifizierung als solche beschränkt. Die Klägerin hat vielmehr ein erkennbares Interesse daran, bei Bedarf gegenüber Dritten belegen zu können, dass die Zertifizierung zu Recht erfolgt ist. Hierzu muss sie die Grundlagen für die Zertifizierungsentscheidung darlegen können.

100

cc) Bei der Beurteilung der Frage, ob die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Einsicht in das Dokument hat, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls neben eventuellen Geheimhaltungsinteressen der Beklagten insbesondere in Erwägung ziehen müssen, ob sich aus den oben aufgezeigten Ausführungen in TD 2007 eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass bereits TD 2003 die Erfindung vollständig beschreibt und dass die dafür maßgeblichen Informationen von der Klägerin stammen.

101

c) Sollten die Voraussetzungen einer Vorlagepflicht nach § 422 ZPO nicht erfüllt sein, wird das Berufungsgericht erneut über eine Anordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO zu entscheiden haben.

102

aa) Nach § 142 Abs. 1 ZPO kann das Gericht die Vorlegung einer im Besitz einer Partei oder eines Dritten befindlichen Urkunde anordnen, auf die sich eine Partei bezogen hat.

103

Anders als nach § 423 ZPO reicht dazu die Bezugnahme der Klägerin auf eine Urkunde aus, die sich im Besitz der Beklagten befindet.

104

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der nicht beweisbelasteten Partei die Vorlage einer in ihrem Besitz befindlichen Urkunde nach § 142 Abs. 1 ZPO nicht nur unter den Voraussetzungen der §§ 422, 423 ZPO aufgegeben werden. Eine Anordnung der Urkundenvorlage gemäß § 142 Abs. 1 ZPO steht im Ermessen des Gerichts, das dabei den möglichen Erkenntniswert und die Verhältnismäßigkeit einer Anordnung, aber auch berechtigte Belange des Geheimnis- und Persönlichkeitsschutzes berücksichtigen kann, und setzt einen schlüssigen Vortrag der Partei voraus (BGH, Urteil vom 26. Juni 2007 – XI ZR 227/05, BGHZ 173, 23 Rn. 19 f.).

105

bb) Die Gründe, mit denen das Berufungsgericht eine Anordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO abgelehnt hat, werden den sich daraus ergebenden Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht.

106

(1) Wie bereits dargelegt wurde, ist das Vorbringen der Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schlüssig.

107

(2) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 142 Abs. 1 ZPO auch die Belange des Geheimnisschutzes zu berücksichtigen sind (vgl. zu diesem Aspekt BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – III ZR 514/13, DNotZ 2014, 847 Rn. 26; BGHZ 173, 23 Rn. 20; Urteil vom 1. August 2006 – X ZR 114/04, GRUR 2006, 962 Rn. 42 – Restschadstoffentfernung).

108

(3) Das Berufungsgericht hätte in diesem Zusammenhang jedoch auch die Interessen der Klägerin in Erwägung ziehen und sich gegebenenfalls mit der Frage befassen müssen, ob den Geheimhaltungsinteressen der Beklagten dadurch ausreichend Rechnung getragen werden kann, dass ihr das Recht vorbehalten bleibt, diejenigen Passagen, die nicht das Verfahren zur Herstellung von Brustimplantaten betreffen, zu schwärzen. Nach dem Inkrafttreten von § 145a PatG kommt zudem eine Schutzanordnung in entsprechender Anwendung von § 16 oder § 19 GeschGehG in Betracht.

109

3. Sollte sich der von der Klägerin in erster Linie verfolgte Anspruch auf Übertragung des Streitpatents als unbegründet erweisen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob ihr ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung zusteht.

110

a) Sollte sich bestätigen, dass bereits die TD 2003 wesentliche Merkmale des Verfahrens nach dem Streitpatent enthielt und der Beklagten entsprechende Kenntnisse von der Klägerin vermittelt wurden, rechtfertigte dies einen Anspruch der Klägerin auf Einräumung einer Mitberechtigung.

111

Anderenfalls bedürfte es konkreten Vorbringens der Klägerin dazu, wann und auf welchem Weg der Beklagten welche Aspekte des beanspruchten Verfahrens vermittelt worden sein sollen.

112

b) Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe die Anordnung der Naht auf der Rückseite des Implantats von ihr übernommen, kann ein schöpferischer Beitrag nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.

113

aa) Das Berufungsgericht hat insoweit zugrunde gelegt, dass die Klägerin der Beklagten im August 2001 im Rahmen ihrer vertraglichen Zusammenarbeit eine technische Zeichnung (HE10) übermittelt hat, aus der sich ergibt, dass die Naht zwischen der ersten, auf der Vorderseite des Implantats aufgebrachten und bis auf die Rückseite reichenden Schaumlage und der zweiten, den verbleibenden Bereich der Rückseite bedeckenden Schaumlage auf der Rückseite des Implantats verläuft. Es hat angenommen, der darin liegende Beitrag zum Streitpatent sei nicht geeignet, eine Mitinhaberschaft der Klägerin zu begründen, weil er nicht schöpferisch gewesen sei. Dieser Beitrag entspreche lediglich dem Durchschnittskönnen eines Fachmanns und sei am Anmeldetag des Streitpatents bereits aus dem europäischen Patent 293 256 und einem Artikel in einer Fachzeitschrift für ästhetische Chirurgie aus dem Jahr 2007 bekannt gewesen. Zudem sei diese Anordnung der Naht bei den seit 2009 auf dem Markt erhältlichen Produkten der Klägerin ohne weiteres zu erkennen gewesen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr Beitrag über die bloße Mitteilung des Standes der Technik hinausgegangen sei.

114

bb) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für einen schöpferischen Beitrag nicht erforderlich, dass er einen eigenständigen erfinderischen Gehalt aufweist (BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 – X ZR 53/08, GRUR 2011, 903 Rn. 14, 21 – Atemgasdrucksteuerung; Urteil vom 18. Juni 2013 – X ZR 103/11, Rn. 8). Auch ist es verfehlt, die einzelnen Merkmale des Anspruchs darauf zu untersuchen, ob sie für sich genommen im Stand der Technik bekannt sind (BGH GRUR 2011, 903 Rn. 21 – Atemgasdrucksteuerung). Auszuscheiden sind nur solche Beiträge, die den Gesamterfolg nicht beeinflusst haben, also unwesentlich in Bezug auf die Lösung sind, ferner solche, die auf Weisung eines Erfinders oder eines Dritten geschaffen wurden (BGH GRUR 2020, 1186 Rn. 39 – Mitralklappenprothese). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass Gegenstand und Umfang der schöpferischen Beteiligung an einer Erfindung unabhängig davon bestimmt werden, ob auf diese Erfindung bereits ein Patent erteilt ist, wie breit der Anspruch formuliert ist, mit dem das Patent angemeldet oder erteilt ist, und in welchem Umfang ein breiter Anspruch gegebenenfalls durch spätere Entscheidungen in einem Einspruchs-, Nichtigkeits- oder Beschränkungsverfahren beschränkt wird (BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 – X ZR 103/11 Rn. 11).

115

Danach kann ein schöpferischer Beitrag der Klägerin nicht mit der Begründung verneint werden, es sei im Stand der Technik aus einer bereits vor August 2001 veröffentlichten Patentschrift bekannt gewesen, die Naht auf der Rückseite des Brustimplantats anzubringen.

116

Der Annahme eines schöpferischen Beitrags der Klägerin steht zudem nicht entgegen, dass die Beklagte zeitlich nach der Übermittlung der erwähnten technischen Zeichnung Brustimplantate aus der Produktion der Klägerin vertrieben hat, die eine Naht auf der Rückseite aufwiesen.

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