BSG 7. Senat, Beschluss vom 13.07.2022, AZ B 7 AS 3/22 B, ECLI:DE:BSG:2022:130722BB7AS322B0
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, § 143 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 202 S 1 SGG
Verfahrensgang
vorgehend SG Hamburg, 9. Juni 2021, Az: S 16 AS 327/20, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Hamburg, 2. Dezember 2021, Az: L 4 AS 210/21, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1
Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen, weil sie – soweit sie die Zulässigkeitsanforderungen überschreitet – unbegründet ist.
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Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Kläger behauptet zwar, das LSG habe zu Unrecht durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil entschieden. Damit hat er einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG benannt, der zur Zulassung der Revision führt, wenn er gegeben ist
(stRspr seit BSG vom 27.10.1955 – 4 RJ 105/54 – BSGE 1, 283; BSG vom 19.10.2016 – B 14 AS 105/16 B – SozR 4-1500 § 156 Nr 1 RdNr 4). Der behauptete Verfahrensmangel liegt aber nicht vor.
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In der Sache ging es um eine Kostengrundentscheidung im isolierten Widerspruchsverfahren. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung in diesem Widerspruchsverfahren waren (noch) nicht abgerechnet worden. Das LSG hat, ausgehend von einem selbst bestimmten Wert des Beschwerdegegenstands, die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.
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1. Der Kläger bringt vor, die Berufung habe nicht der Zulassung bedurft. Das LSG habe den Wert nicht selbst bestimmen dürfen. Es greife § 143 SGG mit der Folge, dass die Berufung statthaft sei. Das trifft für den Gegenstand der vorinstanzlichen Verfahren nicht zu.
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Maßgeblich für die Frage, ob eine Berufung mit oder ohne Zulassung statthaft ist, ist auch bei einer auf die Erstattung von Kosten eines isolierten Widerspruchsverfahrens gerichteten Klage § 144 Abs 1 Satz 1 SGG
(vgl BSG vom 10.10.2017 – B 12 KR 3/16 R – RdNr 11). Ohne Bedeutung ist dabei, dass noch über eine positive Kostengrundentscheidung gestritten wird
(vgl BSG vom 10.10.2017 – B 12 KR 3/16 R – RdNr 16) und daher im Verhältnis zum Beklagten nicht die konkrete Zahlung, sondern noch eine grundsätzliche Voraussetzung des Anspruchs im Streit steht
(vgl BSG vom 19.11.1996 – 1 RK 18/95 – SozR 3-1500 § 158 Nr 1 S 4, juris RdNr 19).
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2. Soweit mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird, bei einer Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands durch das Berufungsgericht sei eine Schätzung nicht erlaubt und auszugehen sei von Kosten unter Ansatz der Höchstgebühr des einschlägigen Gebührenrahmens oder vom Auffangstreitwert (5000 Euro), ist die Beschwerde unbegründet.
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Der für eine statthafte Berufung zu erreichende Wert des Beschwerdegegenstands iS von § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln bzw anhand des wirtschaftlichen Interesses des Rechtsmittelführers am Ausgang des Rechtsstreits schätzen
(BSG vom 21.9.2017 – B 8 SO 32/17 B – RdNr 9 unter Hinweis auf die Wertfestsetzung nach freiem Ermessen gemäß § 202 SGG iVm § 3 ZPO; zum Anwendungsbereich bei der Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts Kern in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl 2020, § 2 RdNr 7). Insoweit kann auf eine überschlägige Berechnung zurückgegriffen werden
(BSG vom 19.5.2021 – B 14 AS 389/20 B – RdNr 8 mwN).
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Bei – wie hier – noch erforderlicher, aber dem Grunde nach bereits möglicher Konkretisierung der angefallenen Kosten des Widerspruchsverfahrens
(vgl zur Fälligkeit der Vergütung § 8 RVG) obliegt es dem Kläger, sein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu konkretisieren oder für das Gericht konkretisierbar zu machen. Anderenfalls ist das Berufungsgericht berechtigt, den Wert des Beschwerdegegenstands zu schätzen. Dazu kann es sich an allgemeinen gesetzlichen Vorgaben orientieren. Insoweit betrug für die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, der Gebührenrahmen nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV-RVG) zwar 50 bis 640 Euro, jedoch konnte für die abzurechnende anwaltliche Tätigkeit eine Gebühr von mehr als 300 Euro nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war
(sog Schwellengebühr; Nr 2302 VV-RVG idF des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.7.2013, BGBl I 2586; vgl auch BSG vom 12.12.2019 – B 14 AS 48/18 R – SozR 4-1935 § 14 Nr 4 RdNr 18). Eine Kostennote, die dem Erstattungsbegehren zugrunde gelegt werden kann, erreicht ausgehend von der Schwellengebühr den Betrag von 750,01 Euro damit nicht. Das gilt auch, soweit das LSG zur Sicherheit Aufschläge in Höhe von 20 vH auf die Schwellengebühr und in Höhe von 10 Euro auf die Auslagenpauschale vorgenommen hat.
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Den vom Kläger zur Schätzung des Werts des Beschwerdegegenstands in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG
(BSG vom 25.6.2015 – B 14 AS 38/14 R – BSGE 119, 170 = SozR 4-1300 § 63 Nr 23 und BSG vom 10.10.2017 – B 12 KR 3/16 R) lag der Streit um bereits bezifferte Kostenerstattungsforderungen zugrunde. Für das vorliegende Verfahren lassen sich daraus keine Schlussfolgerungen ziehen.
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Andere Verfahrensmängel, die sich auf den vom Kläger geführten Rechtsstreit wegen der Kosten des isolierten Vorverfahrens beziehen können, sind in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm Siefert Neumann