BVerwG 8. Senat, Beschluss vom 15.06.2022, AZ 8 B 54/21, 8 B 54/21 (8 C 5/22), ECLI:DE:BVerwG:2022:150622B8B54.21.0
Verfahrensgang
vorgehend VG Halle (Saale), 30. September 2021, Az: 1 A 88/19 HAL, Urteil
Tenor
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 30. September 2021 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
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Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zuzulassen. Das angegriffene Urteil weicht in Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 1995 – 7 C 16.94 – (Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 8) ab und beruht auf dieser Abweichung.
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Es stützt sich auf die Annahme, aus § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG ergebe sich kein Vorrang der Restitution gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 7 und Art. 21 Abs. 3 EV vor anderen vermögenszuordnungsrechtlichen Entscheidungen; die gesetzliche Vorschrift ermächtige insbesondere nicht zur Durchbrechung bereits getroffener Zuordnungsentscheidungen, ohne diese vorher aufzuheben (S. 5 f. UA). Wie die Beschwerdebegründung zutreffend darlegt, widerspricht dieser Rechtssatz dem gegenteiligen, im zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 1995 in Anwendung derselben Regelung entwickelten, dieses Urteil tragenden Rechtssatz zum Verhältnis von Restitution und sonstiger Vermögenszuordnung. Danach schließt der Übergang von Verwaltungs- oder Finanzvermögen auf eine öffentlich-rechtliche Körperschaft den Restitutionsanspruch nicht aus. Vielmehr ist – umgekehrt – das zugeordnete Vermögen mit dem Restitutionsanspruch belastet mit der Folge, dass eine vorangegangene Zuordnung der Restitution nicht entgegensteht und diese keine ausdrückliche Aufhebung des früheren Zuordnungsbescheides voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 – 7 C 16.94 – Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 6).
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Das gilt der Divergenzentscheidung zufolge gemäß § 2 Abs. 1a Satz 5 VZOG auch bei Unanfechtbarkeit der Zuordnung, sofern der Vermögenswert nicht bereits an einen gutgläubigen Erwerber veräußert wurde. Die Restitution ändert die Zuordnungsentscheidung der Sache nach, ohne dass deren Bestandskraft dem entgegenstünde (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1995 – 7 C 16.94 – Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 8 S. 6 f.). Dagegen geht das angegriffene Urteil davon aus, der Restitution stehe die Bestandskraft der vorherigen anderweitigen Zuordnung stets entgegen, und zwar selbst dann, wenn sie nur gegenüber dem Begünstigten und nicht gegenüber dem Restitutionsberechtigten eingetreten sei. Insoweit liegt – mangels verwaltungsgerichtlicher Heranziehung des § 2 Abs. 1a Satz 5 VZOG – zwar keine Divergenz hinsichtlich dieser Vorschrift vor. Das lässt die Abweichung in Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG aber unberührt.
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Das angegriffene Urteil beruht auf der dargestellten Divergenz. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin wird es nicht unabhängig davon durch eine selbständige Alternativerwägung zu § 2 Abs. 5 Satz 1 VZOG und § 51 VwVfG getragen. Wie schon die Einleitung des Arguments mit „zudem“ andeutet, handelt es sich um eine kumulative, die Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 1 VZOG ergänzende Erwägung. Sie knüpft an den dazu entwickelten, divergierenden Rechtssatz an, eine Restitution komme erst nach Aufhebung der Zuordnungsbescheide in Betracht. Dazu erläutert sie, § 2 Abs. 5 Satz 1 VZOG ermögliche eine Rücknahme der früheren Zuordnung gemäß § 48 VwVfG, weil er nur die Anwendung von § 51 VwVfG einschränke.