BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 15.06.2022, AZ 1 WB 39/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:150622B1WB39.21.0
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich gegen seine Versetzung zum Kommando … in …
2
Der … geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März … enden. Am 18. September … wurde er zum Fregattenkapitän befördert und mit Wirkung vom 1. Augst … in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Ihm ist der Kompetenzbereich militärisches Nachrichtenwesen zugewiesen.
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Während eines Auslandseinsatzes … erlitt der Antragsteller nach eigenen Angaben eine Aortendissektion, wurde in das Bundesgebiet zurückgeführt, dort operiert und intensivmedizinisch behandelt. Seitdem leidet er unter erheblichen körperlichen Einschränkung und ist seit 27. September 2014 mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Seit 1. Juli 2016 wurde er auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt der … in … geführt.
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Unter dem 3. März 2020 bewertete die Beratende Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antragsteller als dauerhaft eingeschränkt verwendungsfähig. Er könne unter Beachtung von Auflagen – kein längeres Stehen/Sitzen, keine Tätigkeit mit wesentlichen Temperaturschwankungen, KLF und IGF nach Maßgabe Truppenarzt/Truppenärztin, möglichst Meiden langer Autofahrten – im Innendienst im Inland verwendet werden. Eine Verwendung als Stabsoffizier elektronische Kampfführung im Kompetenzbereich militärisches Nachrichtenwesen sei möglich. Eine zeitnahe Wiedereingliederung sei wünschenswert. Einer Verwendung mit Fachbezug sei der Vorrang vor Heimatnähe zu geben, wenn nicht beides möglich sei. Schwerwiegende persönliche Gründe lägen nicht vor; eine Verwendung im Tagespendlerbereich sei aber wünschenswert.
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Daraufhin informierte der Personalführer des Antragstellers diesen mit E-Mail vom 6. März 2020 über die Bewertung der Beratenden Ärztin, stellte verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für ihn in Aussicht und schlug ein Personalentwicklungsgespräch vor. In der Folge erörterten der Personalführer des Antragstellers und sein Bevollmächtigter schriftsätzlich verschiedene Verwendungsmöglichkeiten.
6
Mit Schreiben vom 29. Juni 2020 hielt die Beratende Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr an ihrer Einschätzung vom 3. März 2020 fest.
7
Unter dem 21. Juli 2020 wurde dem Antragsteller die beabsichtigte Versetzung auf den Dienstposten eines Sachgebietsleiters militärisches Nachrichtenwesen Stabsoffizier Streitkräfte (DP-ID …) beim Kommando … in … in Aussicht gestellt. Die Vororientierung wurde ihm am 17. August 2020 ausgehändigt.
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Am 21. Juli 2020 stimmte die Schwerbehindertenvertretung der … der beabsichtigten Versetzung zu. Die Gruppe der Soldaten im Personalrat der … lehnte die geplante Versetzung am 31. August 2020 dagegen ab.
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Mit Verfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 8. September 2020 wurde er zum 3. April 2021 auf den mit A 13H bis A 14 bewerteten Dienstposten als Sachgebietsleiter … zum Kommando … in … versetzt. Wegen einer Krankschreibung des Antragstellers trat er den Dienst dort am 26. Mai 2021 an, wurde in der Folge aber nach eigenen Angaben nicht an diesem Dienstort, sondern im Homeoffice mit der Erledigung einzelner Aufgaben für das Kommando …, die seiner Dienststelle vorgesetzte Behörde, beauftragt. In der Folge wurde ihm nach seinem Vortrag auch eine entsprechende Kommandierung ausgehändigt.
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Gegen die Versetzung zum Kommando … wandte sich der Antragsteller mit „Widerspruch“ vom 7. Oktober 2020. Der Antragsteller machte schwerwiegende persönliche Gründe gegen die Versetzung geltend. Er rügte das Fehlen eines Personalgespräches und einer Regelbeurteilung. Die Schwerbehindertenvertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Verwendungsmöglichkeiten seien unzureichend geprüft worden. Sein Personalführer sei voreingenommen. Die Versetzung führe zu möglichen Konflikten mit Vorgesetzten. Sie biete ihm keine Entwicklungsmöglichkeiten und leide an Formfehlern.
11
Dieses Schreiben ging am 14. Oktober 2020 beim Bundesministerium der Verteidigung ein. Mit E-Mail des Personalfeldwebels vom 8. Oktober 2020 wurde sein Eingang bei der … in …, der damaligen Dienststelle des Antragstellers, aber bestätigt.
12
Am 13. Januar 2021 schloss sich die Beratende Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung der Bewertung der Beratenden Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr uneingeschränkt an.
Beim Beschwerdeführer lägen Gesundheitsstörungen vor, die ihn dauerhaft in der Verwendungsfähigkeit erheblich einschränken würden. Eine Stabsdiensttätigkeit ohne körperliche Belastungen erscheine jedoch nahezu uneingeschränkt möglich, sofern lange Phasen ununterbrochenen Sitzens oder Stehens einschließlich längerer Autofahrten von mehr als 60 Minuten vermieden werden könnten. Schwerwiegende persönliche Gründe für eine uneingeschränkte örtliche oder fachliche Verwendungsmöglichkeit ließen sich nicht ableiten. Die Wahl des Lebensmittelpunktes durch den Antragsteller bedinge zur Vermeidung längerer Autofahrten keinen Anspruch auf einen Dienstort in direktem räumlichen Zusammenhang. Der Antragsteller könne in Absprache mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt verlegen oder eine Pendlerwohnung nehmen.
13
Die Hauptschwerbehindertenvertretung führte unter dem 15. März 2021 aus, eine Versetzung auf einen Dienstposten beim Kommando … erscheine aus Fürsorgegründen nicht zielführend. Vielmehr könne ein Dienstposten im Bereich … oder Kommando … in … eine Alternative darstellen. Der Petent sei grundsätzlich einmalig umzugswillig. Gerade im Hinblick auf die bestehenden Einschränkungen solle ein Dienstposten gefunden werden, den er bis zu seinem Dienstzeitende innehaben könne. Vor einem Umzug müsse die Möglichkeit und ausreichend Zeit eröffnet werden, eine behindertengerechte Wohnung zu finden und einzurichten. Ein behindertengerecht ausgestatteter Arbeitsplatz müsse sichergestellt werden.
14
Mit Bescheid vom 16. März 2021, an den Bevollmächtigten des Antragstellers am 22. März 2021 abgesandt, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde als unzulässig zurück. Die mit Ablauf des 9. Oktober 2020 endende Beschwerdefrist sei durch den Eingang beim Bundesministerium der Verteidigung am 14. Oktober 2020 nicht gewahrt. Dem Anliegen sei im Rahmen der Dienstaufsicht aber nachgegangen worden. Hiernach sei die Versetzung nicht zu beanstanden. Der Antragsteller sei für den freien Dienstposten geeignet. Nach den ärztlichen Bewertungen lägen schwerwiegende persönliche Gründe nicht vor. Seine Rechte als Schwerbehinderter seien gewahrt. Er habe ein mehrfach angebotenes Personalgespräch abgelehnt. Dies beschränke die Amtsermittlungspflicht. Unbeschadet der Bestandskraft des Dienstantrittstermins könne unter Berücksichtigung der Anregungen der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Verschiebung des Dienstantritts erfolgen.
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Hiergegen hat der Antragsteller am 22. April 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 16. September 2021 dem Senat vorgelegt.
16
Die Beratende Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung hat unter dem 23. April 2021 und dem 2. September 2021 in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren erklärt, vollumfänglich an ihrer Stellungnahme vom 13. Januar 2021 festzuhalten.
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Der Antragsteller macht geltend, die Beschwerde sei fristgerecht am 8. Oktober 2020 bei seinem Disziplinarvorgesetzten eingegangen. Seiner Versetzung nach … stünden schwerwiegende persönliche Gründe entgegen. Aus medizinischen Gründen sei eine heimatnahe und fachspezifische Verwendung erforderlich. Lange tägliche oder wöchentliche Autofahrten seien zu vermeiden. Dies ergebe sich aus aktuellen Stellungnahmen der Truppenärztin und von Fachärzten. Die entgegenstehenden militärärztlichen Stellungnahmen seien nicht nachvollziehbar. Der Sachverhalt sei fehlerhaft ermittelt worden. Er sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Das wegen seiner Schwerbehinderung notwendige Personalgespräch sei nicht geführt worden. Alternative Verwendungsmöglichkeiten seien nicht ausreichend geprüft worden. Er habe seinen Dienst beim Kommando … am 26. Mai 2021 angetreten. Dort gebe es aber keinen für ihn geeigneten Dienstposten. Er sei daher auf einen Aushilfsdienstposten beim Kommando … verschoben worden, auf den er am 2. August 2021 auch förmlich kommandiert worden sei. Dort unterstütze er auf Sachbearbeiterniveau bei der Planung von Übungen und der Stabsarbeit. Diese Tätigkeit sei für seinen Verwendungsaufbau nicht förderlich. Strukturierte Wiedereingliederungsmaßnahmen gebe es nicht. Er habe der Hauptschwerbehindertenvertretung nicht erklärt, versetzungswillig zu sein. Erst nach einer erfolgreichen Wiedereingliederung sei er bereit, an seinen Dienstort umzuziehen. Fachspezifische Tätigkeiten könne er in der Kaserne des … in … im Tagespendlerbereich von seinem jetzigen Wohnort aus ausüben.
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Der Antragsteller beantragt,
die Versetzungsverfügung vom 8. September 2020 zum Kommando …, Teileinheit … in der … in … aufzuheben.
19
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
20
Zwar ergebe sich der fristgerechte Eingang seiner Beschwerde bei seinem Disziplinarvorgesetzten aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen. Wie im dienstaufsichtlichen Teil des Beschwerdebescheides ausgeführt sei die Versetzung aber rechtmäßig. Der Dienstposten sei frei und der Antragsteller für ihn geeignet. Seinem Einsatz auf dem Dienstposten und seinem Umzug an den neuen Dienstort stünden schwerwiegende persönliche Gründe nicht entgegen. Die Beratende Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung halte nach Prüfung der Einwendungen des Antragstellers an ihrer Einschätzung fest. Dass der Antragsteller aktuell nicht auf dem streitgegenständlichen Dienstposten verwendet werde, liege an Vorgaben der Verwendungsfähigkeitsuntersuchung und sei die Folge seines Verhaltens. Fachspezifische Dienstposten des militärischen Nachrichtenwesens erforderten wegen der Geheimhaltung Präsenz vor Ort und seien nicht per Telearbeit oder im Homeoffice auszuüben. Da der Antragsteller den Umzug, zu dem er und seine Ehefrau sich ausweislich der Bewertung des Bundeswehrkrankenhauses … vom 17. Dezember 2020 noch bereiterklärt hätten, nunmehr verweigere, sei er erneut auf seine Verwendungsfähigkeit untersucht worden. Die Pendelfahrten seien ihm hiernach nicht zuzumuten und er im Wesentlichen im Homeoffice einzusetzen. Deswegen habe seine Dienststelle für ihn eine andere Tätigkeit gefunden. Nach einem Umzug nach … solle er aber die Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens wahrnehmen und werde dann auch heimatnah verwendet. Ob auch andere Dienstposten für den Antragsteller in Betracht gekommen wären, unterliege ausschließlich der militärischen Zweckmäßigkeitsprüfung. Der Antragsteller habe vor und während des gerichtlichen Verfahrens ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt. Etwaige Anhörungsmängel wären jedenfalls geheilt. Ein förmliches Beteiligungsrecht stehe der Hauptschwerbehindertenvertretung zu. Ob diese den Betroffenen beteilige, entscheide sie selbst. Die Schwerbehindertenvertretung habe sich konkret ausreichend informiert gefühlt. Ein Einverständnis des Betroffenen mit ihrer Beteiligung sei nicht notwendig. Eine ohne sein Einverständnis erfolgte Beteiligung führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme.
21
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
23
1. Der Antragsteller hat einen statthaften und auch im Übrigen zulässigen Anfechtungsantrag formuliert. Dieser ist sachgerecht und im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass er sich auf den Beschwerdebescheid vom 16. März 2021 erstreckt (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO).
24
2. Dem Erfolg des Antrags steht die Bestandskraft der angefochtenen Versetzungsverfügung entgegen den Ausführungen im Beschwerdebescheid nicht entgegen. Wie das Bundesministerium der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren einräumt, hat der Antragsteller seine Beschwerde fristgerecht am 8. Oktober 2020 bei seinem Disziplinarvorgesetzten eingelegt (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WBO).
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3. Der Antrag ist aber unbegründet. Gegen die Versetzung des Antragstellers vom 8. September 2020 bestehen keine rechtlichen Bedenken.
26
a) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2002 – 1 WB 30.02 – Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m. w. N. und vom 14. Dezember 2017 – 1 WB 42.16 – juris Rn. 32 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus der seit 15. Juni 2020 geltenden Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1420/37 ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 – 1 WB 57.02 – BVerwGE 118, 25 <27> und vom 14. Dezember 2017 – 1 WB 42.16 – juris Rn. 32).
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b) Hiernach ist die Versetzung zum Kommando … nicht zu beanstanden.
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aa) Die angegriffene Versetzung unterliegt nicht aus formellen Gründen der Aufhebung.
29
(1) Mit dem Antragsteller wurden vor der angefochtenen Versetzung mehrfach Verwendungsmöglichkeiten erörtert. Hierbei wurde ihm auch eine Verwendung auf dem in Rede stehenden Dienstposten in Aussicht gestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Absicht, ihn auf den fraglichen Dienstposten zu versetzen, wurde ihm im Rahmen der Vororientierung vom 21. Juli 2020 am 17. August 2020 ausgehändigt. Damit hatte er Gelegenheit, Einwände gegen die beabsichtigte Verwendung vorzubringen. Jedenfalls im Rahmen der im Beschwerdeverfahren durchgeführten dienstaufsichtlichen Prüfung sind ihm die Gründe für seine Versetzung auf den konkreten Dienstposten – dass nämlich der freie Dienstposten durch einen geeigneten Soldaten besetzt werden solle und dies für seinen weiteren Verwendungsaufbau erforderlich sei – erläutert worden. Damit ist jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auch dem Erfordernis aus Nr. 211 ZDv A-1420/37 Rechnung getragen und eine ordnungsgemäße Anhörung und Begründung entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 2 VwVfG nachgeholt worden.
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Ob das Beratungsgespräch nach Nr. 206 ZDv A-1473/3 stattgefunden hat, ist für die Rechtmäßigkeit der konkreten Versetzung unerheblich. Das Gespräch dient der Information des Schwerbehinderten über seine Rechte, seine Ansprüche auf Nachteilsausgleich und über die Aufgaben und Rechte der Schwerbehindertenvertretung. Mithin steht hier eine allgemeine Information Betroffener über die Maßgaben zu ihrer Inklusion in Rede. Die Durchführung des Gespräches ist nicht fristgebunden und daher jederzeit nachholbar. Die Durchführung des Beratungsgespräches ist weder nach Nr. 206 ZDv A-1473/3 noch nach § 178 SGB IX Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einzelner Personalmaßnahmen. Im Übrigen weist die vom Antragsteller selbst verfasste Beschwerdebegründung aus, dass er über seine Rechte als Schwerbehinderter und die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach Maßgabe der ZDv A-1473/3 detaillierte und zutreffende Kenntnisse hatte, sodass das Unterbleiben des Beratungsgespräches nicht für eine Verletzung der Rechte des Antragstellers kausal werden konnte.
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(2) Die Anhörung der Gruppe der Soldaten im Personalrat der damaligen Dienststelle des Antragstellers ist am 31. August 2020 erfolgt; deren Ergebnis wurde bei der Versetzungsentscheidung berücksichtigt (§§ 21, 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, §§ 59, 63 Abs. 1 SBG; § 40 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Dass der Dienstherr der Auffassung der Personalvertretung folgt, ist hiernach nicht verlangt. Eine Beteiligung nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SBG war nicht erforderlich, weil der Antragsteller dies nach ordnungsgemäßem Hinweis nicht verlangte.
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(3) Die im Hinblick auf die Schwerbehinderung des Antragstellers erforderliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist erfolgt.
33
Gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX in der Fassung vom 23. Dezember 2016, der seit 1. Januar 2018 an die Stelle der früheren Regelung in § 95 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX getreten ist, ist die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die (hier:) einen einzelnen schwerbehinderten Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung getroffenen Entscheidung ist auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen.
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Beteiligt wurde zunächst die örtliche Schwerbehindertenvertretung der damaligen Dienststelle des Antragstellers, die der Versetzung am 21. Juli 2020 zustimmte. Die Hauptschwerbehindertenvertretung ist im Beschwerdeverfahren durch das Bundesministerium der Verteidigung beteiligt worden und hat sich zu der Versetzung unter dem 15. März 2021 geäußert.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist die örtliche Schwerbehindertenvertretung seiner Dienststelle ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sind die wesentlichen Gründe für die beabsichtigte Versetzung per E-Mail vom 21. Juli 2020 erläutert worden. Der Personalführer des Antragstellers hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass er für Rücksprachen zur Verfügung steht. Die Vertrauensperson hat noch am selben Tag unter Verweis auf eine telefonische Besprechung per E-Mail ihr Einverständnis erklärt. Hiernach ist auch den Erfordernissen aus Nr. 103, Nr. 512 und Nr. 1329 ZDv A-1473/3 Rechnung getragen. Denn es liegt im Ermessen der Schwerbehindertenvertretung zu entscheiden, welche Information und wieviel Zeit sie zur Prüfung des Sachverhaltes benötigt.
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Die Rüge des Antragstellers, mit der Hauptschwerbehindertenvertretung habe er nicht gesprochen, greift ebenfalls nicht durch. Auch die Hauptschwerbehindertenvertretung entscheidet in eigener Verantwortung, ob sie zu ihrer ausreichenden Information über den Sachverhalt ein persönliches Gespräch mit dem Betroffenen benötigt.
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(4) Die sechsmonatige Schutzfrist bei Änderungen des Dienstorts (Nr. 226 Satz 2 ZDv A-1420/37) – deren Verletzung allerdings ohnehin nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche berühren würde (stRspr, vgl. zur Vorläufervorschrift der Nr. 602 Satz 1 ZE B-1300/46 BVerwG, Beschluss vom 26. November 2015 – 1 WB 34.15 – juris Rn. 30 m. w. N.) – ist vorliegend gewahrt.
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Die Schutzfrist begann mit der jedenfalls spätestens am 7. Oktober 2020 erfolgten Bekanntgabe der angefochtenen Versetzung (Nr. 226 Satz 3 ZDv A-1420/37). Fristende ist gemäß Nr. 226 Satz 4 ZDv A-1420/37 das „Datum der Versetzung“. Nach der dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannten und von dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesamt für das Personalmanagement auch hier zugrunde gelegten ständigen Praxis kommt es für die Wahrung der Schutzfrist nicht auf das Datum, ab dem der Soldat formal auf dem Dienstposten geführt wird, sondern auf das Datum des tatsächlichen Dienstantritts an (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 2020 – 1 WDS-VR 15.20 – Buchholz 449 § 3 SG Nr. 110 Rn. 34 und vom 25. Februar 2021 – 1 WB 25.20 – juris Rn. 36). Liegen zwischen der Bekanntgabe der Versetzung und dem angeordneten Dienstantritt am neuen Dienstort mindestens sechs Monate, so ist die Schutzfrist der Nr. 226 Satz 2 ZDv A-1420/37 gewahrt. Gegen diese Praxis bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie entspricht dem Schutzzweck der Vorschrift, nämlich dem Soldaten effektiv sechs Monate Gelegenheit zu geben, seine persönlichen Verhältnisse und ggf. auch die seiner Familie auf die Veränderungen einzustellen, bevor er seinen Dienst am neuen Dienstort tatsächlich aufnimmt. Der Antragsteller trägt selbst vor, den Dienst in … am 26. Mai 2021 und damit mehr als sechs Monate nach der Bekanntgabe der Versetzung angetreten zu haben.
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Die Versetzungstermine 1. April und 1. Oktober nach Nr. 226 ZDv A-1420/37 sind „grundsätzlich“ einzuhalten. Hiernach ist aber nicht ausgeschlossen, dass das dienstliche Interesse an der Versetzung auch – wie hier die anstehende Wiedereingliederung eines über längere Zeit krankgeschriebenen Soldaten in den Dienstbetrieb – einen anderen Termin rechtfertigt (BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2021 – 1 WB 31.20 – juris Rn. 34).
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bb) Die Versetzungsverfügung ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
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(1) Nach Nr. 204 Buchst. a) ZDv A-1420/37 können Soldaten versetzt werden, wenn ein dienstliches Erfordernis besteht. Bei der Annahme des dienstlichen Interesses kommt es im Ausgangspunkt auf die Einschätzung des Dienstherrn, nicht auf die des Antragstellers an (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 1 WDS-VR 8.16 – Rn. 28 und vom 7. Juni 2018 – 1 WB 32.17 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 100 Rn. 28). Ein dienstliches Erfordernis für eine Versetzung kann sich daraus ergeben, dass ein freier Dienstposten zu besetzen ist (Nr. 205 Buchst. a) ZDv A-1420/37). Es liegt auch dann regelmäßig vor, wenn Gründe des Verwendungsaufbaus oder der Förderung des Soldaten die Versetzung fordern (Nr. 205 Buchst. b) ZDv A-1420/37).
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Es kann dahinstehen, ob die Versetzung wegen des Verwendungsaufbaus des Soldaten erforderlich ist. Das Bundesministerium der Verteidigung weist zutreffend darauf hin, dass nach der längeren Erkrankung des Antragstellers und seiner Führung auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt die Verwendung auf einem seiner Ausbildung entsprechenden Dienstposten seinem Verwendungsaufbau dient und für ihn – soweit eine entsprechende Verwendung nach Maßgabe seiner Behinderung und der Erfordernisse der Wiedereingliederung sukzessive möglich ist – förderlich ist. Der Antragsteller bestreitet, dass der ihm zugewiesene Aufgabenkreis, den er im Homeoffice wahrnimmt, seiner Ausbildung und seinem Kompetenzbereich entspricht, bezieht sich damit aber auf die Aufgaben, die ihm zugewiesen wurden, weil er noch nicht in den Tagespendlerbereich seiner aktuellen Dienststelle umgezogen ist, mithin nicht auf die originären Aufgaben des Dienstpostens, auf den er versetzt worden ist.
43
Jedenfalls ergibt sich das dienstliche Erfordernis für seine Versetzung hier daraus, dass sein aktueller Dienstposten frei und zu besetzen war. Die Dotierung des Dienstpostens nach Besoldungsgruppe A 13 bis A 14 entspricht Dienstgrad und Planstelleneinweisung des Antragstellers. Er ist nach seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten auch unstreitig für den Dienstposten eines Sachgebietsleiters im Militärischen Nachrichtenwesen geeignet.
Ob der Antragsteller die Aufgaben dieses Dienstpostens derzeit faktisch wahrnimmt oder vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut ist, ist für die Rechtmäßigkeit seiner Versetzung auf den Dienstposten unerheblich. Nach Maßgabe der ZDv A-1340/36 muss ein Soldat eine nicht dienstpostengerechte Verwendung vorübergehend hinnehmen, auch wenn er nicht förmlich im Wege der Kommandierung mit anderen Aufgaben betraut wird. Wird das Maß des hiernach Hinzunehmenden überschritten, kann er sich gegen die Anordnung einer nicht dienstpostengerechten Verwendung bzw. die Zustimmung der personalführenden Stelle hierzu wehren; er kann auch gegen eine Kommandierung vorgehen. Durch die nicht dienstpostengerechte Verwendung wird aber nicht die Zuweisung des Dienstpostens selbst rechtswidrig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2021 – 1 WB 31.20 – juris Rn. 48).
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(2) Nach Nr. 206 Satz 2 ZDv A-1420/37 kann von einer Versetzung abgesehen werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vorrangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach Nr. 207 Buchst. a) ZDv A-1420/37 kann ein schwerwiegender persönlicher Grund darin bestehen, dass ein Verbleib am bisherigen Standort aufgrund einer militärärztlichen Bewertung wegen des Gesundheitszustandes des Soldaten notwendig ist.
45
Dass schwerwiegende persönliche Gründe in diesem Sinne nicht bestehen, ist rechtsfehlerfrei festgestellt worden. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr und das Bundesministerium der Verteidigung haben die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers durch die jeweiligen Beratenden Ärztinnen prüfen lassen. Diese haben in Auseinandersetzung mit Empfehlungen und Befunden des Bundeswehrkrankenhauses Westerstede und der behandelnden Ärzte des Antragstellers Auflagen für die Verwendung des Antragstellers formuliert, das Bestehen schwerwiegender persönlicher Gründe aber auch in Auseinandersetzung mit den vom Antragsteller im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen verneint. Hiernach ist die vom Antragsteller gewünschte Verwendung im Tagespendlerbereich seines … Wohnortes zwar wünschenswert, aber nicht zwingend. Vielmehr sind die aus militärärztlicher Sicht erforderlichen Auflagen auch bei einer Verwendung entsprechend der angegriffenen Versetzung erfüllbar. Dem Antragsteller ist hiernach ein Umzug in den Tagespendlerbereich seiner gegenwärtigen Dienststelle möglich und zumutbar. Nach den von ihm vorgelegten Facharztbefunden und -briefen ist er grundsätzlich umzugswillig. Den sich aus der Schwerbehinderung ergebenden besonderen Belastungen Rechnung zu tragen, ist der Dienstherr ausdrücklich bereit. Der dienstaufsichtliche Teil des Beschwerdebescheides verweist auf die Bereitschaft, entsprechenden Anregungen der Hauptschwerbehindertenvertretung Folge zu leisten. Schwerwiegende persönliche Gründe für einen Verbleib am vorherigen Dienstposten in … sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
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Hiernach ist der Sachverhalt durch den Dienstherrn vollständig und zutreffend ermittelt und zur Grundlage seiner Entscheidungen gemacht worden. Das Bundesministerium der Verteidigung weist zutreffend darauf hin, dass einer fachspezifischen Verwendung des Antragstellers auf dem Dienstposten, auf den er versetzt wurde, allein der noch ausstehende Umzug in den Tagespendlerbereich seiner Dienststelle entgegensteht. Das Gleiche gilt für ihn nicht zumutbare längere Autofahrten. Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers ist dann eine Wiedereingliederung in der seinem Kompetenzbereich entsprechenden Fachlichkeit möglich. Dass der Umzug aus gesundheitlichen oder erheblichen anderen privaten Gründen unmöglich oder unzumutbar wäre, ist vom Antragsteller weder geltend gemacht noch ersichtlich. Mithin fällt der Umstand, dass der Antragsteller aktuell faktisch nicht mit den Aufgaben seines Dienstpostens befasst ist, in seine Verantwortungssphäre. Dass der Dienstherr den gesundheitlichen Einschränkungen und der Schwerbehinderung des Antragstellers pflichtgemäß Rechnung trägt, widerlegt nicht das dienstliche Erfordernis für die Versetzung und belegt auch nicht, dass die – von ihm derzeit aus von ihm zu vertretenen Gründen gar nicht wahrgenommenen – Aufgaben seines Dienstpostens nicht eignungsgerecht oder förderlich sind.
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(3) Die angegriffene Versetzung ist auch aus anderen Gründen nicht ermessensfehlerhaft.
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Insbesondere sind andere Gründe in der Person des Antragstellers oder seinen privaten Lebensumständen, aus denen gemäß Nr. 208 Satz 2 ZDv A-1420/37 von einer Versetzung abgesehen werden kann, weder geltend gemacht noch ersichtlich.
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Der Dienstherr ist auch nicht verpflichtet, für den Antragsteller eine Verwendung außerhalb der Bundeswehr vorzusehen, solange er – wie hier – über einen freien Dienstposten innerhalb der Bundeswehr verfügt, für den der Antragsteller geeignet ist. Dass die vom Antragsteller gewünschte Verwendung beim … nicht verfügt worden ist, verletzt vor diesem Hintergrund auch Nr. 509 Satz 3 ZDv A-1473/3 und Nr. 216 Satz 2 ZDv A-1420/37 nicht. Der dienstliche Grund einer Besetzung freier Dienstposten der Bundeswehr steht der gewünschten Abordnung entgegen.
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Ermessensfehler folgen auch nicht aus dem Hinweis des Antragstellers auf potentielle Konfliktquellen mit Vorgesetzten auf seinem aktuellen Dienstposten. Es ist nicht feststellbar, dass konkret die Voraussetzungen für eine Spannungsversetzung nach Nr. 205 Buchst. g) ZDv A-1420/37 vorlägen.