Beschluss des BPatG München 28. Senat vom 28.04.2022, AZ 28 W (pat) 11/20

BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 28.04.2022, AZ 28 W (pat) 11/20, ECLI:DE:BPatG:2022:280422B28Wpat11.20.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markeneintragung 30 2014 008 612

(hier: Löschungsverfahren – S 200/16 Lösch)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung des Richters Schödel sowie der Richterinnen Uhlmann und Berner am 28. April 2022 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die angegriffene Wortmarke 30 2014 008 612

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EMDR-Therapeut (iT.)

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ist am 3. Dezember 2014 angemeldet und am 24. November 2015 für die nachfolgenden Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden:

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Klasse 41: Ausbildung; Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren;

5

Klasse 42: wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten;

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Klasse 44: medizinische Dienstleistungen; Gesundheitspflege für Menschen; psychotherapeutische Behandlungen; Durchführung von psychotherapeutischen und medizinischen Behandlungen.

7

Am 10. Oktober 2016 hat der Löschungsantragsteller beim DPMA die vollständige Löschung der Marke beantragt. Im amtlichen Formular ist als Löschungsgrund angegeben, dass die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG eingetragen worden sei. „EMDR“ sei die Abkürzung der wissenschaftlich anerkannten und im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen psychotraumatologischen Behandlungsmethode „Eye Movement Desensitization Reprocessing“. Als „Therapeut“ werde der Anwender eines Heilberufs oder Heilverfahrens (z.B. ein behandelnder Arzt oder Psychotherapeut) bezeichnet. „iT“ sei eine Abkürzung, die für Informationstechnik stehen könne oder bei der es sich um die internationale Länderkennung für Italien handele. In der Psychologie sei „iT“ das Akronym für „Institut für Traumatherapie“. Das Zeichen sei eine beschreibende Angabe für eine Person, die eine EMDR-Therapie anbiete. Der Zusatz „iT“ werden als Hinweis auf eine in Italien abgeschlossene Therapeutenausbildung wahrgenommen. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat dem ihm am 7. November 2016 zugestellten Löschungsantrag mit Schreiben vom 20. Dezember 2016, eingegangen beim DPMA am selben Tag, widersprochen.

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Mit Beschluss vom 13. März 2018 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Antrag auf Löschung der Wortmarke 30 2014 008 612zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Markenbestandteil „EMDR“ sei eine Fachabkürzung aus der Psychotherapie für die Wortfolge „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ mit einem Bedeutungsgehalt im Sinne von „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“. Dabei handele es sich um eine Psychotherapie in Form einer traumatherapeutischen Methode zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen. Mit dem weiteren Markenbestandteil „Therapeut“ werde ein Arzt im Hinblick auf seine Aufgabe bezeichnet, gegen Krankheiten bestimmte Therapien anzuwenden. Die sprachüblich gebildete Wortkombination „EMDR-Therapeut“ bezeichne daher einen Arzt, der die Behandlungsmethode „EMDR“ beherrsche und diese vor dem Hintergrund seiner Ausbildung bzw. Schulung anwenden dürfe. Mit dieser Bedeutung eigne sich die Bezeichnung „EMDR-Therapeut“ in Bezug auf die eingetragenen Dienstleistungen der Klassen 41, 42 und 44 als unmittelbar beschreibende Angabe ihres Schwerpunkts oder Inhalts bzw. deren Zielgruppe oder des Erbringers der Dienstleistungen. Die Buchstaben „iT.“ seien in der in der angegriffenen Marke verwendeten Schreibweise – im Gegensatz zu „IT“, „it.“ oder „.it“ – als Abkürzung nicht nachweisbar, insbesondere nicht in dem vom Löschungsantragsteller vorgetragenen Sinn von „Institut für Traumatherapie“. Infolge dieser Buchstabenkombination mangele es dem Zeichen nicht an der nötigen Unterscheidungskraft.

9

Hiergegen wendet sich der Löschungsantragsteller mit seiner Beschwerde. Das DPMA sei in seinem Beschluss fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Schreibweise des Markenbestandteiles „iT.“ eine Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke als Ganzes begründe. Bei klanglicher Identität mit einem beschreibenden Inhalt begründe eine davon abweichende Schreibweise keine Unterscheidungskraft. Der Markenbestandteil „(iT.)“ werde vom Verkehr als beschreibende Angabe auf eine in Italien abgeschlossene Ausbildung des Therapeuten wahrgenommen. Der Inhaber der angegriffenen Marke verwende die Buchstabenfolge „iT“ zudem als Akronym für „Institut für Traumatherapie“. Daher sei dieser Markenbestandteil zudem als Hinweis auf einen Abschluss des Therapeuten in einem Institut für Traumatherapie zu verstehen. Für sämtliche eingetragenen Dienstleistungen sei die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit beschreibend für deren Anbieter. Mit Blick auf die Dienstleistungen der Klasse 42 enthalte die Streitmarke die Aussage, dass diese betreffend die Informationstechnik zur Unterstützung von oder Anwendung durch EMDR-Therapeuten erbracht würden. Werde dem Markenbestandteil „iT“ darüber hinaus die Bedeutung im Sinne von „Institut für Traumatherapie“ beigemessen, handele es sich bei den Dienstleistungen der Klasse 42 um Dienstleistungen eines solchen Instituts.

10

Der Beschwerdeführer und Löschungsantragsteller beantragt sinngemäß,

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den Beschluss des DPMA, Markenabteilung 3.4, vom 13. März 2018 aufzuheben und die Eintragung der Marke 30 2014 008 612 für nichtig zu erklären und zu löschen.

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Der Beschwerdegegner und Markeninhaber beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er ist der Auffassung, zumindest der Markenbestandteil „(iT.)“ stelle mangels Vorliegens eines konkreten Bedeutungsgehaltes keine die eingetragenen Dienstleistungen beschreibende Angabe dar. Nur Abwandlungen des Zeichenbestandteils „(iT.)“ könnten mit verschiedenen Bedeutungen in Verbindung gebracht werden. Die Buchstaben „i“ und „t“ könnten zwar mit einer Reihe von Bedeutungen wie „Informationstechnik“, „integrative Therapie“ oder der Top-Level-Domain für Italien assoziiert werden. Die Zeichenfolge „(iT.)“ könne jedoch weder in den gängigen Abkürzungsverzeichnissen, noch in psychotherapeutischer Fachliteratur als solche aufgefunden werden. Daher nehme der Verkehr den Markenbestandteil „(iT.)“ nicht als Abkürzung für „Informationstechnik“, „integrative Therapie“ oder der Top-Level-Domain von Italien war. Es handele sich auch nicht um ein Akronym für ein Institut für Traumatherapie, denn dieses werde nicht mit einem Punkt am Ende und in einem Klammerzusatz versehen. Der Verkehr verbinde mit dem Markenbestandteil „(iT.)“ vielmehr keinen erfassbaren Sinngehalt.

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Der Senat hat den Verfahrensbeteiligten mit schriftlichem Hinweis vom 19. November 2021 unter Beifügung von Recherchebelegen (Bl. 43 – 49 GA) mitgeteilt, dass die Marke schutzfähig sei.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde des Löschungsantragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

18

Der Eintragung der streitgegenständlichen Marke „EMDR-Therapeut (iT.)“ standen zumindest zum Anmeldezeitpunkt, dem 3. Dezember 2014, keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG entgegen. Die Markenabteilung 3.4 hat den Löschungsantrag daher zu Recht zurückgewiesen.

19

A) Während des Löschungsverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Die neue Fassung des § 50 Abs. 1 MarkenG ist seit ihrem Inkrafttreten am 14. Januar 2019 auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung gilt. Da die Streitmarke vor dem 14. Januar 2019 angemeldet worden ist, richten sich die materiell-rechtlichen Löschungsvoraussetzungen nach §§ 7, 8 Abs. 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung (vgl. § 158 Abs. 7 MarkenG). Die vorliegend relevanten Vorschriften nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG haben inhaltlich keine Änderung erfahren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags am 10. Oktober 2016 geltende Fassung des § 54 MarkenG anzuwenden, da die jetzt geltende Fassung erst am 1. Mai 2020 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 5 Abs. 3  MarkenrechtsmodernisierungsG ).

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B) Dem auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG gestützten und auch ansonsten nach § 54 MarkenG a.F. zulässigen Löschungsantrag des Beschwerdeführers hat der Markeninhaber und Beschwerdegegner rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a.F. widersprochen.

21

C) Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2014, 565Rdnr. 10 –  smartbook; GRUR 2014, 483Rdnr. 22 – test; GRUR 2013, 1143Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 9 MarkenG geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG a. F.). Ist eine solche Feststellung auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (vgl. BGH GRUR 2010, S. 138 – ROCHER-Kugel; GRUR 2014, 565 –  smartbook ; BPatG GRUR 2006, 155 – Salatfix).

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1. In Beachtung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung und Löschung der Marke „EMDR-Therapeut (iT.)“ nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht vor.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 – Kit Kat; BGH GRUR 2020, 411Rdnr. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934Rdnr. 9 – OUI; jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2014, 373 Rdnr. 20 –  KORNSPITZ ; GRUR 2010, 228Rdnr. 33 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi- Langstrumpf-Marke). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/ Hukla; BGH GRUR 2014, 376Rdnr. 11 – grill meister).

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Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 Rdnr.46 – Deichmann; GRUR 2004, 674Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186Rdnr. 30 und 32 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204Rdnr. 12 –  DüsseldorfCongress; GRUR 2014, 569Rdnr. 14 – HOT; GRUR 2012, 1143Rdnr. 9 – Starsat). Hierfür reicht es aus, dass ein Zeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; 674 Rdnr. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680Rdnr. 38 – BIOMILD). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rdnr. 98 – Postkantoor; BGH, a. a. O. –  DüsseldorfCongress ).

25

b) Es kann nicht festgestellt werden, dass es der angegriffenen Marke „EMDR-Therapeut (iT.)“ zumindest zum (auch) maßgeblichen Anmeldezeitpunkt am 3. Dezember 2014 im Zusammenhang mit den eingetragenen Dienstleistungen der Klassen 41, 42 und 44 an der erforderlichen Unterscheidungskraft mangelte.

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aa) Die für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen der Klasse 41 und 44 richten sich im Wesentlichen an normal informierte und angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher, die Dienstleistungen der Klasse 42 an gewerbliche Abnehmer als Fachkreise.

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bb) Die Streitmarke setzt sich aus den Bestandteilen „EMDR“, „Therapeut“ und „(iT.)“ zusammen.

28

(1) Der Markenbestandteil „EMDR“ ist eine Fachabkürzung für die englische Wortfolge „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“, die im Deutschen die Bedeutung „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“ hat. Hierbei handelt es sich um eine psychotherapeutische Behandlungsmethode, die vor allem bei posttraumatischen Belastungsstörungen zur Anwendung kommt (vgl. neben den im angegriffenen Beschluss genannten Fundstellen auch https://www.therapie.de/psyche/info/therapie/emdr/ablauf/). Der weitere Markenbestandteil „Therapeut“ bezeichnet einen Arzt im Hinblick auf seine Aufgabe, gegen Krankheiten bestimmte Therapien anzuwenden (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Therapeut). Die sprachüblich gebildete und durch einen Bindestrich getrennte Wortfolge „EMDR-Therapeut“ kann daher einen Arzt bezeichnen, der die psychotherapeutische Behandlungsmethode „EMDR“ beherrscht und anwenden darf. Insoweit kann dieser Markenbestandteil eine medizinische oder therapeutische Berufsbezeichnung bzw. Qualifikation und damit eine die eingetragenen Dienstleistungen beschreibende Sachangabe darstellen.

29

(2) Dies gilt jedoch nicht für den weiteren Markenbestandteil „(iT.)“. Es kann nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass die Bezeichnung „(iT.)“ jedenfalls zum Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke am 3. Dezember 2014 im Zusammenhang mit den eingetragenen Dienstleistungen als reine Sachangabe verstanden wurde.

30

In Klammern gefasste Schriftzeichen haben im deutschen Sprachgebrauch die Funktionen von Zusatzinformationen, Abkürzungen, Akronymen und Zitatquellen (vgl. https://deutsch.lingolia.com/de/zeichensetzung/klammern; https://www.cafe-lingua.de/deutsche-grammatik/gebrauch-runde-eckige-klammern.php; https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/klammern). Dabei bezieht sich die in Klammern gehaltene Aussage immer als Ergänzung auf voran- bzw. nachgestellte Hauptinformationen. Die in Klammern enthaltenen Angaben werden daher nicht ohne Kontext zu der vorangestellten Aussage verwendet. Vor diesem Hintergrund werden die maßgeblichen Verkehrskreise die in der Klammer enthaltene Zeichenkombination „iT.“ als ergänzende Information zu dem vorangestellten Begriff „EMDR-Therapeut“ wahrnehmen.

31

Hinter der Buchstabenkombination „iT“ befindet sich ein Punkt. In der deutschen Sprache werden Punkte im Allgemeinen zum Abschluss von Aussagesätzen, zur Trennung bei Datumsangaben, zur Bezeichnung von Ordnungszahlen, in Auslassungszeichen, in Gliederungszeichen, in Uhrzeitangaben und in Abkürzungen verwendet (https://www.cafe-lingua.de/deutsche-grammatik/gebrauch-punkt.php; https://www.daf.uni-muenchen.de/media/downloads/schriftsprache_gg.pdf). Die vorgenannte Buchstabenkombination ist weder ein Satz noch eine Zahl. Insgesamt wird der Verkehr die Buchstabenkombination „iT.“ aufgrund des am Ende befindlichen Punktes und der Position innerhalb einer Klammer daher als Abkürzung wahrnehmen, zumal sie ansonsten keinen erkennbaren Bedeutungsgehalt aufweist.

32

Der Senat konnte – wie bereits die Markenabteilung – nicht ermitteln, dass die in der angegriffenen Marke enthaltene Zeichenfolge „iT.“ in der konkreten Schreibweise in Form des Kleinbuchstabens „i“, des Großbuchstabens „T“ und einem Punkt am Ende jedenfalls zum Zeitpunkt der Markenanmeldung am 3. Dezember 2014 eine Abkürzung darstellte. In den gängigen Abkürzungsverzeichnissen ist die vorgenannte Schreibweise nicht enthalten (vgl. u.a. https://abkuerzungen.woxikon.de/; https://de.wikipedia.org/wiki/IT; https://www.duden.de/suchen/dudenonline/it; http://www.abkuerzungen.de/result.php? searchterm=it&language=de ). Auch mithilfe der gängigen Suchmaschinen Google oder Bing lässt sich die Zeichenfolge „iT.“ nicht recherchieren. In anderen Schreibweisen wie z. B. „IT“ (ohne Punkt) stellt die Buchstabenfolge zwar eine Abkürzung dar. So ist „IT“ das gängige Akronym für „Informationstechnologie (https://www.duden.de/suchen/dudenonline/it). Die Schreibweise „it.“ in Kleinbuchstaben und mit Punkt wird für „italienisch“, „item“ oder „iterativ“ verwendet (https://abkuerzungen.woxikon.de/abkuerzung/it.php). Die Schreibweise „It.“ lässt sich im Sinne von „Italiener“ nachweisen (https://abkuerzungen.woxikon.de/abkuerzung/it.php).

33

Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat nicht naheliegend, dass die angesprochenen Verkehrskreise den in Klammern gehaltenen Markenbestandteil „iT.“ als Abkürzung für „Informationstechnologie“ verstehen werden. Hierfür ist nur eine Schreibweise in Großbuchstaben („IT“) üblich. Insoweit wirkt daher bereits die konkrete Schreibweise „iT.“ in der angegriffenen Marke einem Verständnis als Abkürzung für „Informationstechnologie“ entgegen. Ebenso wenig werden die angesprochenen Verkehrskreise die Zeichenfolge „iT.“ im Sinne von „Italien“ verstehen. Die Länderkennung für Italien lautet „IT“ (vgl. www.abkuerzungen.de) bzw. für dessen Top-Level-Domain „.it“. Nach der Recherche des Senats verwenden medizinische bzw. psychologische Berufsträger derzeit vereinzelt die Zeichenfolgen „(iT.)“ und „IT“, z. B. in Form der Bezeichnungen „EDMR-Therapeut/-in (iT.)“, „Traumatherapie (IT,  ZPTN)“, „EMDR (IT)“ (vgl. Recherchebelege zum gerichtlichen Hinweis). Die Buchstabenfolge „iT.“ Bzw. „IT“ steht hierbei möglicherweise für „Institut für Traumatherapie“. Bei diesen – wenigen – Belegen handelt es sich jedoch um Verwendungen nach der Anmeldung der angegriffenen Marke. Unabhängig davon, ob die vorgenannten Recherchebelege überhaupt geeignet sind, ein entsprechendes Verkehrsverständnis der oben genannten Abkürzungen zum jetzigen Zeitpunkt nahezulegen, gilt dies nicht für das Verkehrsverständnis zum Anmeldezeitpunkt. Eine entsprechende Verwendung der Zeichenfolge „(iT.)“ bzw. „iT.“ zum Anmeldezeitpunkt im vorgenannten Sinn konnte der Senat nicht ermitteln und wurde auch vom Löschungsantragsteller nicht belegt.

34

Eine von dem Zeichenbestandteil („iT.“) der angegriffenen Marke abweichende Schreibweise (z. B. in Großbuchstaben) kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden, da es für die Prüfung der Schutzhindernisse allein auf die Marke in ihrer tatsächlich angemeldeten Form ankommt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8 Rdnr. 37 und 146). Die vom Löschungsantragsteller zitierte Rechtsprechung, wonach eine vom beschreibenden Inhalt abweichende Schreibweise keine Unterscheidungskraft begründe, wenn die klangliche Identität des Zeichens dieselbe ist (vgl. 28 W (pat) 545/10 –  Dogz ; 28 W (pat) 546/10 –  Catz ; 29 W (pat) 107/10 –  ProduktWal ; 30 W (pat) 25/09 –  SCHLÜSEL ; 27 W (pat) 73/14 –  ApOtheke ), ist hier nicht einschlägig, da sie sich nur auf Wörter, aber nicht auf wie Akronyme wirkende Buchstabenfolgen bezieht. Die maßgebliche konkrete Schreibweise führt von der Kurzbezeichnung für „Informationstechnologie“ bzw. „Italien“ weg. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft darf somit nicht (auch) eine solche Verwendung der Marke berücksichtigt werden, die nicht mehr vollständig dem angemeldeten, sondern einem davon zu unterscheidenden anderen Zeichen entspricht (vgl. BGH GRUR 2011, 65 – Buchstabe T mit Strich; BPatG GRUR-RR 2021, 218 Rdnr. 19 –  AGEID ; 30 W (pat) 501/15 –  RaDiagnostikum ; BPatG 32 W (pat) 102/99 – mathé.de; BPatG 30 W (pat) 101/06 –  PLAQUEX). Denn der Schutzversagungsgrund mangelnder Unterscheidungskraft kann dem Zeichen nur in der Form entgegengehalten werden, in der es beansprucht wird, also in der gewählten schriftbildlichen Gestalt. Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit nicht entgegen, weil der Schutz der angegriffenen Marke ihrer Eigenprägung nach auf die ganz konkrete Schreibweise beschränkt ist.

35

2. Die angegriffene Marke unterlag zum Anmeldezeitpunkt mangels Vorliegens einer die eingetragenen Dienstleistungen beschreibenden Angabe auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

III.

36

Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch ersichtlich sind.