Zur deliktischen Haftung eines Automobilherstellers gegenüber dem Käufer des gebrauchten Fahrzeugs in einem sogenannten… (Urteil des BGH 6. Zivilsenat)

BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 26.04.2022, AZ VI ZR 435/20, ECLI:DE:BGH:2022:260422UVIZR435.20.0

§ 826 BGB

Leitsatz

Zur deliktischen Haftung eines Automobilherstellers gegenüber dem Käufer des gebrauchten Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall (hier: sogenanntes „Thermofenster“ und Darlegungserfordernisse bei Behauptung einer sogenannten „Umschaltlogik“).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Bamberg, 9. März 2020, Az: 4 U 55/19
vorgehend LG Würzburg, 12. Februar 2019, Az: 22 O 1321/18

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. März 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin eines von ihm gekauften Fahrzeugs auf Schadensersatz wegen angeblicher Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasrückführung in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb im März 2017 von einem Dritten einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Mercedes Benz E 220 CDI zu einem Kaufpreis von 29.500 €. Im Fahrzeug ist ein Diesel-Motor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5) verbaut. Im Wesentlichen mit der Behauptung, die Beklagte habe das Fahrzeug vorsätzlich mit unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasrückführung versehen und es so in den Verkehr gebracht, um Kunden zu schädigen, nimmt der Kläger die Beklagte insbesondere auf Ersatz des von ihm gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in Anspruch.

3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die vom Kläger dagegen geführte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Landgericht habe einen Schadensersatzanspruch des Klägers zutreffend verneint.

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So stehe dem Kläger kein Anspruch aus § 826 BGB zu, weil die Beklagte dem Kläger nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt habe. Den erstinstanzlich erhobenen Vorwurf, wonach im streitgegenständlichen Fahrzeug wie beim Motor EA189 des Volkswagenkonzerns eine Manipulationssoftware verbaut sei, die erkenne, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befinde, und sich in diesem Fall in einen Modus schalte, bei dem sich der Ausstoß an Stickoxiden verringere, habe der Kläger in seiner Berufungsbegründung nicht aufrechterhalten. Auch habe das Landgericht die entsprechende Behauptung zu Recht als spekulativ qualifiziert und deshalb eine entsprechende Beweisaufnahme abgelehnt.

6

Was die Behauptung des Klägers angehe, in seinem Fahrzeug sei eine Steuerungssoftware verbaut, welche die Abgasreinigungsanlage im realen Straßenbetrieb zu Beginn der Warmlaufphase des Motors und/oder bei einstelligen positiven Temperaturen reduziere oder ganz abschalte, so sei das Verhalten der Beklagten, ein entsprechend ausgestattetes Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die installierte Software eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Denn fehlten – wie hier – konkrete Anhaltspunkte, könne nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die bei der Beklagten Handelnden bzw. Verantwortlichen in dem Bewusstsein agiert hätten, eine möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Dass auf Seiten der Beklagten die Erkenntnis eines möglichen Gesetzesverstoßes, zumindest in Form eines billigenden Inkaufnehmens desselben, vorhanden gewesen sei, sei von dem – insoweit darlegungs- und beweispflichtigen – Kläger weder dargetan noch aus den Gesamtumständen ersichtlich.

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Ansprüche des Klägers aus § 831 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB seien ebenfalls nicht gegeben. Es fehle am Nachweis eines deliktischen Handelns beziehungsweise einer vorsätzlichen Täuschungshandlung. Entsprechendes gelte für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, der ebenfalls Vorsatz zumindest im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung voraussetze.

II.

8

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

9

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht nicht vom Vorliegen hinreichend substantiierten Vortrags in Bezug auf eine im Fahrzeug verbaute Prüfstanderkennungssoftware ausgegangen ist. Dabei kann offenbleiben, welche Bedeutung der einleitenden Erwägung des Berufungsgerichts zukommt, der Kläger habe den erstinstanzlich erhobenen Vorwurf einer Prüfstanderkennungssoftware in seiner Berufungsbegründung nicht aufrechterhalten, und ob sich diese Begründung im Ergebnis als tragfähig erweist. Denn revisionsrechtlicher Überprüfung stand hält jedenfalls die weitere, die Ablehnung eines Anspruchs aus § 826 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Prüfstanderkennungssoftware selbständig tragende Begründung des Berufungsgerichts, das Landgericht habe die Behauptung, im Fahrzeug des Klägers sei eine solche Software verbaut, zu Recht als spekulativ qualifiziert und eine entsprechende Beweisaufnahme abgelehnt.

10

a) Konkret hat das Berufungsgericht insoweit ausgeführt, anders als beim Motor EA189 des Volkswagenkonzerns gebe es bei dem von der Beklagten im Streitfall verbauten Motor OM 651 jedenfalls bisher keine Hinweise darauf, dass dieser mit einer „Umschaltlogik“ ausgestattet sei. Nachdem die Beklagte ausdrücklich bestritten habe, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine derartige Software verbaut sei, hätte es – so das Berufungsgericht weiter – konkreten Vortrags von Seiten des Klägers bedurft, aus welchen Tatsachen er auf den Einbau einer Umschaltlogik im Motor seines Fahrzeugs schließe. Der Umstand, dass das Fahrzeug Teil einer sogenannten „freiwilligen Kundendienstmaßnahme“ der Beklagten gewesen sei, sei dabei nicht ausreichend, den erstinstanzlichen Vortrag des Klägers in Bezug auf eine Umschaltlogik als hinreichend substantiiert anzusehen. Denn der Kläger habe schon nicht konkret behauptet, dass die „freiwillige Kundendienstmaßnahme zum Diesel-Software-Update“ wegen der Ausstattung des klägerischen Fahrzeugs mit einer derartigen Umschaltlogik erfolgt sei. Ein vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordneter Rückruf für die Abgasreinigungsanlage des im klägerischen Pkw verbauten Motors sei ausdrücklich nicht behauptet worden. Ein greifbarer Anhaltspunkt für die Behauptung des Klägers, dass der verbaute Motor hinsichtlich der Abgasreinigung über eine solche unzulässige Abschalteinrichtung verfüge, liege nicht vor.

11

b) Diese Würdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision und der von ihr insoweit erhobenen Rügen verletzt sie den Kläger insbesondere weder in seinem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs noch in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz.

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aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Dabei ist die Angabe näherer Einzelheiten nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatgerichts, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 20; BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 21 f.; jeweils mwN). Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei allerdings dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen (Senatsurteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 22; BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 23).

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In den sogenannten „Dieselfällen“ bedeutet dies, dass der Erwerber eines möglicherweise betroffenen Fahrzeugs greifbare Anhaltspunkte anführen muss, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Dabei ist freilich zu beachten, dass er mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Motors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung regelmäßig keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann und letztlich auf Vermutungen angewiesen ist, die er nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält und auf ausreichend greifbare Gesichtspunkte stützen kann, so dass etwa – wie beim Motor EA189 des Volkswagenkonzerns – der Vortrag genügen kann, der Hersteller habe öffentlich zugegeben, der Motor weise eine illegale Abschalteinrichtung auf, und das KBA habe eine aktuelle Überprüfung eingeleitet, weil es davon ausgehe, dass dieser Motor in das konkrete Fahrzeug eingebaut worden sei (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2021 – VI ZR 493/19, NJW 2021, 1886 Rn. 10); dass das KBA bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps bereits eine Rückrufaktion angeordnet hat, ist – wie die Revision zutreffend geltend macht – nicht erforderlich (vgl. Senat aaO).

14

bb) Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht auf der Grundlage des im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts ohne Rechtsfehler zum Ergebnis gelangt, über die Behauptung, im vom Kläger erworbenen Fahrzeug sei wie beim Motor EA189 des Volkswagenkonzerns eine Manipulationssoftware verbaut, sei mangels greifbarer Anhaltspunkte hierfür kein Beweis zu erheben.

15

Soweit sich der Kläger nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil darauf berufen hat, das von ihm erworbene Fahrzeug sei Teil einer sogenannten „freiwilligen Kundendienstmaßnahme zum Diesel-Software-Update“ der Beklagten gewesen, ohne allerdings konkret zu behaupten, dass diese Kundendienstmaßnahme gerade in Bezug auf eine Ausstattung des klägerischen Fahrzeugs mit einer Umschaltlogik erfolgt sei, hat das Berufungsgericht dem allein zu Recht keinen hinreichenden Anhaltspunkt im oben genannten Sinne für eine im Fahrzeug verbaute derartige Abschalteinrichtung entnommen. Eine freiwillige Kundendienstmaßnahme eines Herstellers im Zusammenhang mit einem „Diesel-Software-Update“ kann viele Gründe haben und gibt allein noch keinen hinreichenden Hinweis auf das Vorhandensein einer den Prüfstandbetrieb erkennenden, die Abgasrückführung entsprechend erhöhenden und die zuständigen Behörden auf diesem Weg täuschenden Umschaltlogik. Auch mit seiner weiteren – pauschalen – Behauptung, das Fahrzeug überschreite „außerhalb des Prüfstands die gesetzlichen Grenzwerte um ein Vielfaches“, hat der Kläger keinen Anhaltspunkt für eine im Fahrzeug des Klägers verbaute Umschaltlogik dargelegt; denn dass die entsprechenden Werte im Realbetrieb diejenigen erheblich übertreffen, die im seinerzeit maßgeblichen „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) erzielt werden, ist schon angesichts der Unterschiede der Bedingungen und unabhängig von der Verwendung einer Umschaltlogik zu erwarten und stellt deshalb weder für sich allein (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 – VII ZR 2/21, juris Rn. 30) noch in der Zusammenschau mit dem im Berufungsurteil wiedergegebenen Vortrag des Klägers zur freiwilligen Kundendienstmaßnahme der Beklagten einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass der entsprechende Motor zur Täuschung der zuständigen Behörde auf dem Prüfstand in einem anderen Modus als außerhalb des Prüfstandes betrieben wird. Dass der Kläger in den Vorinstanzen sonstige Anhaltspunkte dafür vorgetragen hätte, dass in dem von ihm erworbenen Fahrzeug eine Umschaltlogik verbaut gewesen wäre, zeigt die Revision nicht auf; soweit sie sich auf „Erkenntnisse[…] aus anderen Untersuchungen, Ermittlungsverfahren und sonstigen, öffentlich zugänglichen Hinweisen“ bezieht, legt sie schon nicht dar, wann und was genau der Kläger entsprechend vorgetragen haben soll.

16

cc) Ist das Berufungsgericht damit zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger das Vorhandensein einer Umschaltlogik ohne hinreichende Anhaltspunkte ins Blaue hinein behauptet hat und sein diesbezüglicher Vortrag deshalb prozessual unbeachtlich ist, so besteht entgegen der Auffassung der Revision auch kein Raum für die Annahme einer diesbezüglichen sekundären Darlegungslast der Beklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 72/21, juris Rn. 21).

17

2. Erfolglos wendet sich die Revision auch gegen die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, es sei auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nicht als sittenwidrige Handlung der Beklagten einzustufen, wenn diese – wie vom Kläger behauptet – im Fahrzeug des Klägers eine Steuerungssoftware verbaut habe, die die Abgasreinigungsanlage im realen Straßenbetrieb zu Beginn der Warmlaufphase des Motors und/oder bei einstelligen positiven Temperaturen reduziere oder ganz abschalte, weil es in subjektiver Hinsicht an dem für die Sittenwidrigkeit erforderlichen Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehle. Auch diese Würdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

18

a) In materiell-rechtlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Anspruch eines Fahrzeugkäufers gegen den Fahrzeughersteller aus § 826 BGB wegen Verwendung einer – unterstellt – unzulässigen Abschalteinrichtung, die aber vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise wie auf dem Prüfstand arbeitet, jedenfalls voraussetzt, dass die handelnden Personen den in der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. nur Senat, Urteile vom 20. Juli 2021 – VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Beschlüsse vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 28; vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; BGH, Urteile vom 13. Januar 2022 – III ZR 205/20, WM 2022, 539 Rn. 22; vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 16).

19

b) Die Feststellung des Berufungsgerichts, auch unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers könne von einem entsprechenden Vorstellungsbild bei der Beklagten nicht ausgegangen werden, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die von der Revision insoweit erhobenen Einwände verfangen nicht.

20

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Feststellung des Berufungsgerichts nicht bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht – so die Revision – seine Rückschlüsse auf den Vorsatz ohne vorherige umfassende Prüfung des objektiven Sachverhalts gezogen hätte. Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen. Auch durfte das Berufungsgericht die Unzulässigkeit entsprechender Softwarekonfigurationen, insbesondere eines Thermofensters, ohne Weiteres unterstellen, ohne hieraus im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung den Schluss ziehen zu müssen, die Beklagte habe die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung auch billigend in Kauf genommen. Sollte die Revision – was letztlich unklar bleibt – so zu verstehen sein, das Berufungsgericht sei gehalten gewesen, unter anderem die Wirkweise der vom Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen auf der Suche nach (weiteren) Indizien für einen Vorsatz der für die Beklagte Handelnden von Amts wegen weiter zu untersuchen, so trifft dies schon vor dem Hintergrund des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes nicht zu.

21

bb) Entgegen dem weiteren Einwand der Revision ist die Würdigung des Berufungsgerichts, es könne auch bei Zugrundlegung des klägerischen Vortrags nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Beklagten Handelnden die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung billigend in Kauf genommen hätten, auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht insoweit für den Kläger bestehende Beweiserleichterungen unberücksichtigt gelassen hätte. Es ist nicht erkennbar, unter welchem Gesichtspunkt dem Kläger im Streitfall eine solche Beweiserleichterung zustehen könnte. Soweit die Revision unter Hinweis auf das Urteil des V. Zivilsenats vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17 (NJW 2019, 3638) meint, es könne „sich aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden“ sei, verkennt sie, dass es vorliegend ohne das vom Berufungsgericht vermisste Vorstellungsbild der für die Beklagte Handelnden nicht nur am Schädigungsvorsatz, sondern bereits an einem sittenwidrigen Handeln überhaupt fehlt.

22

cc) Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe den Sinn und Zweck sowohl des Vortrags des Klägers, die Beklagte sei im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens ihren Pflichten zur Angabe von Details der Motorsteuerung nicht nachgekommen und habe keine Angaben im erforderlichen Umfang gemacht, als auch seine weitere Behauptung, das OBD-System des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei manipuliert gewesen, gehörswidrig verkannt.

23

Aus den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ergibt sich, dass das Berufungsgericht durchaus erkannt hat, dass der Kläger aus den angeblich unzureichenden Angaben im Typgenehmigungsverfahren sowie der angeblichen Manipulation des OBD-Systems Indizien für einen Täuschungsvorsatz der für die Beklagte Handelnden ableiten zu können meint. Welchen konkreten Vortrag des Klägers das Berufungsgericht bei seiner abweichenden Würdigung übergangen haben soll, zeigt die Revision schon nicht hinreichend auf. Schließlich wendet sich die Revision auch nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dem KBA müsse bei Erteilung der Typgenehmigung die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate bekannt gewesen sein, sie habe es gleichwohl nicht beanstandet, weshalb die Beklagte habe annehmen können, dass die von ihr gewählte Steuerung der Abgasrückführung nicht zu beanstanden sei. Ob die (Hilfs-) Erwägung des Berufungsgerichts, der Vortrag des Klägers zu den angeblich nicht ausreichenden Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren sei im Übrigen verspätet im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, entgegen einer weiteren Rüge der Revision zutrifft, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

24

c) Gründe, warum – wie die Revision meint – eine auf das Vorhandensein eines Thermofensters bezogene sekundäre Darlegungslast im Streitfall von Bedeutung sein soll, sind nicht erkennbar. Denn das Berufungsgericht hat die Behauptung des Klägers, im Fahrzeug sei eine Steuerungssoftware verbaut, die die Abgasreinigungsanlage im Straßenbetrieb zu Beginn der Warmlaufphase des Motors und/oder bei einstelligen positiven Temperaturen reduziere oder ganz abschalte, in der Sache ebenso unterstellt wie die objektive Unzulässigkeit einer solchen Einrichtung. Es vermochte aus dem Vorhandensein einer solchen, unterstellt unzulässigen Einrichtung – revisionsrechtlich unbedenklich – lediglich nicht den Schluss auf das Vorliegen einer sittenwidrigen Handlung der Beklagten im Sinne von § 826 BGB zu ziehen.

25

3. Auch die Voraussetzungen anderer Anspruchsgrundlagen hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Insbesondere scheitern Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB bereits am Fehlen einer vorsätzlichen Täuschungshandlung (zur zudem fehlenden Stoffgleichheit vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 18 ff.), Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 jedenfalls daran, dass es sich bei den genannten Vorschriften der EG-FGV und der Verordnung (EG) 715/2007 nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt, die den Schutz des hier maßgeblichen wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts eines Fahrzeugerwerbers bezwecken (vgl. nur Senatsurteil vom 20. Juli 2021 – VI ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 21, mwN).

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