Grundsätzlich ist bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, von dessen materiell… (Beschluss des BVerwG 2. Senat)

BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 07.04.2022, AZ 2 B 48/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:070422B2B48.21.0

Leitsatz

Grundsätzlich ist bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, von dessen materiell-rechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese inhaltlich nicht zutrifft. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn sich das Berufungsgericht zu der von ihm vertretenen Rechtsauffassung selbst in Widerspruch setzt.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 25. August 2021, Az: 6 A 383/20, Urteil
vorgehend VG Minden, 19. Dezember 2019, Az: 4 K 8494/17, Urteil

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2021 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 134,08 € festgesetzt.

Gründe

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Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt zwar nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO. Es liegt jedoch ein Verfahrensmangel vor, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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1. Der 1989 geborene Kläger beansprucht seine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst als Beamter auf Probe beim beklagten Land. Am 1. September 2010 ernannte der Beklagte den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter. Im März 2013 legte der Kläger ein Schriftstück mit der Unterschrift zweier Prüfer vor, in dem dem Kläger bescheinigt wurde, im Januar 2012 einen 3000 m Lauf in 12:55 Minuten erfolgreich absolviert zu haben. Nach Befragung der vermeintlichen Prüfer erstattete das Polizeipräsidium Strafanzeige wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und teilte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, ihn wegen erheblicher Zweifel an seiner charakterlichen Eignung aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen. Mit Bescheid vom 18. Mai 2013 entließ das Polizeipräsidium den Kläger wegen charakterlicher Ungeeignetheit mit Ablauf des 31. Mai 2013 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Vor dem Amtsgericht wurde der Kläger Mitte März 2014 vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen.

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Die gegen die Entlassungsverfügung vom 18. Mai 2013 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht erstinstanzlich ab. In der Berufungsverhandlung schlossen die Beteiligten am 8. September 2016 einen Vergleich. In diesem Vergleich verpflichtete sich das Land zur Aufhebung der Entlassungsverfügung, um dem Kläger die Gelegenheit zu geben, seine Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst fortzusetzen und die noch ausstehenden Modulprüfungen abzulegen. Der Kläger verzichtete seinerseits auf eventuelle Ersatzansprüche, die im Zusammenhang mit dem streitigen Entlassungsbescheid stehen sowie auf die Nachentrichtung der Besoldung für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis 14. August 2016. Aufgrund dieses Vergleichs konnte der Kläger seine Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst weiterführen.

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Nachdem ihm in einem Personalgespräch am 31. Juli 2017 mitgeteilt worden war, dass man ihn für eine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe nach Abschluss seiner Ausbildung für charakterlich ungeeignet halte, beantragte der Kläger seine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25. August 2017 mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die Anforderung der charakterlichen Eignung. Zur Begründung verwies das beklagte Land auf vier Sachverhalte, die nach seiner Einschätzung exemplarisch die persönliche und charakterliche Ungeeignetheit des Klägers belegten.

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Der Kläger hat beantragt, das beklagte Land unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids zu verpflichten, ihn als Beamten auf Probe in den gehobenen Polizeivollzugsdienst einzustellen, hilfsweise, das beklagte Land zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einstellung als Beamter auf Probe in den gehobenen Polizeivollzugsdienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und das beklagte Land zur Neubescheidung des Antrags des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, weil das Gericht auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt vom Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt sei. Die vom Land im Verfahren vorgetragenen Umstände aus der Zeit nach dem 25. August 2017 seien deshalb nicht zu berücksichtigen. Das Werturteil des beklagten Landes über die charakterliche (Nicht-)Eignung des Klägers sei zu beanstanden. Das Land habe nicht auf solche Geschehnisse abstellen dürfen, die sich vor dem Abschluss des Vergleichs vom 8. September 2016 ereignet hätten und dem Land bekannt gewesen seien. Dies betreffe die Sachverhalte 1, 2 und 3. Auch wenn der Vergleich eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, dass die zeitlich vor der Entlassungsverfügung liegenden Ereignisse nicht mehr in Bezug auf die Beurteilung der charakterlichen Eignung des Klägers bei einer erneuten Entlassungs- oder Nichtübernahmeentscheidung herangezogen werden sollten, nicht enthalte, sei durch den Vergleich ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Denn das beklagte Land habe nicht ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass es sich vorbehalte, die charakterliche Nichteignung des Klägers auf die der Entlassungsverfügung vom 18. Mai 2013 zugrunde liegenden Sachverhalte oder die bereits zu diesem Zeitpunkt bekannten Sachverhalte 1 bis 3 zu stützen. Der Sachverhalt 4, das Bemühen des Klägers, einen polizeiärztlichen Untersuchungstermin zu verschieben, lasse unter Heranziehung allgemein gültiger Wertmaßstäbe tragfähige Rückschlüsse auf das Fehlen der Charaktereigenschaften nicht zu. Der weitere Hinweis, Mitarbeiter der Leitung der Ausbildung sowie die in die Ausbildung eingebundenen Mitarbeiter des Landesamtes und der Kreispolizeibehörde hätten übereinstimmend erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers geäußert, beziehe sich wiederum auf Geschehnisse aus der Zeit vor dem Vergleichsschluss und bleibe darüber hinaus pauschal und inhaltsleer. Es bleibe offen, ob sich Zweifel hinsichtlich der charakterlichen Eignung des Klägers daraus herleiten ließen, dass er bezüglich des Hergangs des Geschehens, das zu seiner Knieverletzung geführt habe, unterschiedliche Angaben gemacht haben solle. Dieser Umstand bedürfte näherer Aufklärung, ändere aber jedenfalls nichts an der materiellen Rechtswidrigkeit des Bescheids.

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2. Im Hinblick auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist die Beschwerde unzulässig.

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Sie genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wonach in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden muss. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt im Fall des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

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Die Beschwerde formuliert keine konkrete Frage, der nach ihrer Auffassung grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr wird im Stile der Begründung eines zulassungsfreien oder bereits zugelassenen Rechtsmittels die inhaltliche Richtigkeit der Sachentscheidung des Berufungsgerichts angegriffen. Die Beschwerde wendet sich insbesondere gegen die das Berufungsurteil tragende Annahme, aus dem Abschluss des Vergleichs vom 8. September 2016 sei zu schließen, dass eine erneute Entlassungs- oder Nichtübernahmeentscheidung des beklagten Landes nicht auf die der Entlassungsverfügung vom 18. Mai 2013 zugrunde liegenden Sachverhalte oder auf die bereits zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände gestützt werden könne. Bei der richterlichen Auslegung eines Vergleichs dürfe aber lediglich der „Vertragsinhalt“, nicht aber der „Vertragswille“ der Beteiligten ergänzt werden. Der maßgebliche Vertragswille der Beteiligten sei bei dem Abschluss des Vergleichs darauf beschränkt gewesen, eine Regelung für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf zu treffen. Dem Kläger habe entsprechend § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG die Gelegenheit gegeben werden sollen, seinen Vorbereitungsdienst zu beenden. Angriffe gegen die inhaltliche Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen, reichen aber für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht aus (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. Januar 2017 – 2 B 23.16 – Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 91 Rn. 8, vom 2. August 2021 – 2 B 13.21 – Rn. 4 und vom 3. November 2021 – 2 B 39.21 – Rn. 4 ff.).

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3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 – 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt aber nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 – 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

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a) Zunächst weicht das Berufungsurteil nicht rechtsgrundsätzlich von den Beschlüssen des Senats vom 25. November 2015 – 2 B 38.15 – und vom 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 – (Buchholz 232.01 § 9 BeamtStG Nr. 4) ab. In diesen Beschlüssen wird zum Ausdruck gebracht, die Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Bewerbers erfordere eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, bestimmte Umstände seien bei der Bewertung der charakterlichen Eignung des Klägers nicht zu berücksichtigen, beruht nicht auf der generellen Ansicht des Berufungsgerichts, es seien nicht alle Aspekte des Verhaltens eines Bewerbers einzubeziehen, sondern auf der Besonderheit des am 8. September 2016 abgeschlossenen Vergleichs. Dieser Vergleich steht nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts der Berücksichtigung von bestimmten Sachverhalten entgegen.

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b) Aus diesem Grund scheidet auch die Annahme einer rechtssatzmäßigen Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – BVerwGE 61, 176, vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – BVerwGE 61, 200 und vom 9. Juni 1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267 aus. Diesen Entscheidungen kann der Rechtssatz entnommen werden, auch Vorkommnisse, die sich vor der erstmaligen Begründung des Beamtenverhältnisses ereignet haben, können für die Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Bewerbers relevant sein. Dem widerspricht das angegriffene Berufungsurteil aber nicht. Es stellt entscheidungstragend auf den am 8. September 2016 abgeschlossenen Vergleich ab, der nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts eine zeitliche Zäsur in dem Sinne darstellt, dass das Land für die Annahme der Nichteignung des Klägers nicht mehr auf solche Geschehnisse abstellen darf, die sich vor dem Abschluss des Vergleichs am 8. September 2016 ereignet haben und dem Land bekannt waren.

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c) Auch in Bezug auf die Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen, d.h. die Berücksichtigung von Ereignissen aus den Jahren 2019 und 2020 für die Beurteilung der charakterlichen Eignung des Klägers, liegt keine Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor.

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Das Oberverwaltungsgericht ist von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangen, wonach neue Gründe für einen Verwaltungsakt nur nachgeschoben werden dürfen, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BVerwG, Urteile vom 14. Oktober 1965 – 2 C 3.63 – BVerwGE 22, 215 <218>, vom 16. Juni 1997 – 3 C 22.96 – BVerwGE 105, 55 <59> und vom 29. Januar 2001 – 11 C 3.00 – Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3 S. 6). Im Zweifel steht danach lediglich, ob das Berufungsgericht diese Grundsätze zutreffend auf den konkreten Sachverhalt angewendet hat. Diese Frage begründet aber, wie oben dargelegt, nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

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d) Unter II 4 der Beschwerdebegründung wird die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils wegen der dortigen Heranziehung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 27. September 2017 – 6 B 977/17 – infrage gestellt; eine rechtsgrundsätzliche Abweichung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird aber nicht dargelegt.

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4. Begründet ist dagegen die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Denn das Berufungsgericht hat in Bezug auf die Frage, ob die Entscheidung des beklagten Landes hinsichtlich der charakterlichen Eignung des Klägers auch in Anerkennung des dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums rechtlich zu beanstanden ist, auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage geurteilt.

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a) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, d.h. etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 – 9 B 77.11 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7, vom 21. Mai 2013 – 2 B 67.12 – juris Rn. 18 und vom 23. Dezember 2015 – 2 B 40.14 – Rn. 53 m.w.N.). Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 – 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 – 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 <208 f.>; Beschlüsse vom 18. November 2008 – 2 B 63.08 – Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 – 2 B 33.12 – NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12 und vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35.13 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19).

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b) Hinsichtlich des „Sachverhalt 4“ hat das Oberverwaltungsgericht gegen § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen. Es hat nur Teile dieses Komplexes rechtlich gewürdigt – „Versuch der Verschiebung eines Termins für eine ärztliche Untersuchung“ und „Bewertung des Klägers durch Mitarbeiter von Polizeibehörden“ -, hat aber den gravierenden Teil der Vorwürfe – „unterschiedliche Darstellung eines Geschehens im Rahmen eines Dienstunfallverfahrens“ – weder aufgeklärt noch rechtlich gewürdigt, sondern lediglich eine Einschätzung angedeutet.

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Aufgrund der Verweisung im Berufungsurteil auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (UA S. 2) ist in Bezug auf den „Sachverhalt 4“ nach § 137 Abs. 2 VwGO von folgendem Inhalt auszugehen:

„Sachverhalt 4: Der Kläger habe sich einer vom Dienstherrn am 6. Februar 2017 angeordneten amtsärztlichen Untersuchung vom 13. Februar 2017, die aufgrund eines – angeblichen – Dienstunfalls des Klägers und der sich daran anschließenden Prüfung seiner Dienstfähigkeit durchzuführen war, aus privaten Gründen entziehen wollen. Der Versuch, private über dienstliche Interessen stellen zu wollen, begründe ebenfalls die charakterliche Ungeeignetheit des Klägers. Im Rahmen des Dienstunfallverfahrens habe der Kläger darüber hinaus Dinge anders als in der Vergangenheit dargestellt und damit erhebliche Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit begründet.

Zudem habe die KPB G… dem LAFP mitgeteilt, dass seitens der in der Polizeiwache G… diensttuenden Beamten die Bedenken bestünden, dass Konflikte mit dem Kläger von Anfang an vorprogrammiert seien und selbst durch intensive Arbeit der Führungskräfte nicht zu lösen seien. In einer Gesamtschau aller Umstände sei daher die persönliche und charakterliche Ungeeignetheit des Klägers festzustellen.“

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Bei der rechtlichen Würdigung dieses „Sachverhalts 4“ hat sich das Oberverwaltungsgericht auf die Teilaspekte der „versuchten Terminsverschiebung“ sowie der „Bewertung des Klägers durch Mitarbeiter der KPB G…“ beschränkt (UA S. 21 f. unter 2. und 3.). Das davon zu trennende Vorbringen des beklagten Landes, die charakterliche Ungeeignetheit des Klägers zeige sich – exemplarisch – auch daran, dass er im Rahmen eines Dienstunfallverfahrens Dinge anders als in der Vergangenheit darstelle, hat das Berufungsgericht nicht vergleichbar behandelt (UA S. 23 unter 4.). Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich auf die nähere Aufklärung des Hergangs des Geschehens verzichtet, das beim Kläger zu einer Knieverletzung geführt hat, obwohl es dem Vorbringen des Beklagten, der Kläger stelle im Rahmen des Dienstunfallverfahrens nunmehr die Dinge anders dar als in der Vergangenheit, Bedeutung für die Bewertung der Glaubwürdigkeit des Klägers beigemessen hat. Denn es hat auch ausgeführt, es erschiene allerdings „bedenklich“, wenn sich feststellen ließe, dass der Kläger einen Schlag von innen auf das Knie erst behauptet habe, als klar gewesen sei, dass dies für die Anerkennung als Dienstunfall von Bedeutung sein könnte.

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c) Zwar ist nach dem Wortlaut des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO („beruhen kann“) bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, von dessen materiell-rechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese einer Nachprüfung nicht standhalten sollte (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 – 10 C 13.09 – BVerwGE 138, 289 Rn. 17 m.w.N. und Beschluss vom 25. August 2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 Rn. 16). Dieser Grundsatz ist nicht anwendbar, wenn eine Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wie hier, nicht erkennbar ist, weil sich das Berufungsgericht in sich widersprüchlich verhält.

23

aa) Die Argumentation des Berufungsgerichts ist durch zwei Überlegungen gekennzeichnet, denen der Senat jeweils nicht folgt.

24

Den Vergleich vom 8. September 2016 legt das Oberverwaltungsgericht dahin aus, dass das beklagte Land die negative Entscheidung über die charakterliche Eignung des Klägers nicht auf solche Geschehnisse stützen darf, die sich vor dem Abschluss dieses Vergleichs ereignet haben und ihm bekannt waren (Sachverhalte 1, 2 und 3 des Bescheids vom 25. August 2017). Ausgehend vom Anlass des gerichtlichen Verfahrens und nach seinem Wortlaut beschränkt sich der Vergleich aber ersichtlich auf das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Dem Kläger sollte entsprechend § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG die Möglichkeit eröffnet werden, den Vorbereitungsdienst erfolgreich zu beenden. Bedeutung für andere, später anstehende Entscheidungen über die – auch charakterliche – Eignung des Klägers in dem Sinne, dass bestimmte Verhaltensweisen des Klägers oder Geschehnisse diesem nicht mehr entgegengehalten werden können, könnte dem Vergleich nur beigemessen werden, wenn sich in seinem Wortlaut entsprechende Hinweise finden ließen. Dies ist hier aber nicht der Fall.

25

Ferner nimmt das Oberverwaltungsgericht an, die vom Dienstherrn getroffene Entscheidung über die charakterliche Eignung sei insgesamt nicht mehr von hinreichenden Erwägungen gestützt und daher fehlerhaft, wenn bereits eine die Prognoseentscheidung (mit)tragende Erwägung – wie hier in Bezug auf die Sachverhalte 1, 2, 3 und 4 – entfalle. Etwas anderes gelte nur, wenn die Behörde zum Ausdruck gebracht habe, dass bereits eine einzelne Erwägung tragend sei (UA S. 23). Auch diese Rechtsauffassung ist nicht haltbar. Denn es handelt sich nach der Vorstellung des Beklagten – wiederum aufgrund des Verweises auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils – lediglich um Sachverhalte, die exemplarisch die persönliche und charakterliche Ungeeignetheit des Klägers belegen sollen. Der Verweis auf die Bedeutung als bloßes Beispiel verdeutlicht die Vorstellung des beklagten Landes, dem insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt, dass die Schlussfolgerung der charakterlichen Ungeeignetheit des Klägers keinesfalls nur dann gelten soll, wenn jeder dieser vier Lebenssachverhalte tatsächlich zutrifft und damit gerade aus der Gesamtheit der vier Lebenssachverhalte resultiert.

26

bb) Für den Gesichtspunkt der für einen Verfahrensfehler maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist aber ausschlaggebend, dass das Oberverwaltungsgericht seine vorstehend dargestellte Rechtsansicht – ungeachtet ihrer (Un-)Richtigkeit – nicht konsequent durchgehalten hat, sondern ihr zuwider vorgegangen ist. Damit kann diese Rechtsauffassung bei der Prüfung der Frage, ob das Berufungsurteil auf dem Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann, nicht zugrunde gelegt werden.

27

Der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (UA S. 23 f.) hätte es entsprochen, die verschiedenen Elemente des Sachverhalts 4, die sämtlich nach dem Abschluss des Vergleichs vom 8. September 2016 liegen, nicht mehr im Einzelnen zu werten. Denn wenn das Entfallen auch nur einer der die Prognoseentscheidung (mit)tragenden Erwägungen zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung über die charakterliche Eignung des Klägers geführt haben soll, hätte es der Würdigung der Bedeutung eines Teils des Sachverhalts 4 nicht mehr bedurft. Aufgrund der Annahme des Berufungsgerichts zur Irrelevanz der Sachverhalte 1, 2 und 3 wegen der mit dem Vergleich vom 8. September 2016 verbundenen zeitlichen Zäsur wäre bereits von der Rechtswidrigkeit der Prognoseentscheidung des beklagten Landes auszugehen gewesen.

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Stattdessen hat das Berufungsgericht zwar die Teilelemente des Sachverhalts 4 „versuchte Terminsverschiebung“ und „Einschätzung der Person des Klägers durch Mitarbeiter der KPB G…“ im Hinblick auf die Frage der charakterlichen Eignung des Klägers gewürdigt (UA S. 21 f. unter 2. und 3.), hat aber das weitere Element der – unter Umständen – interessengeleiteten Angaben des Klägers im Rahmen eines Dienstunfallverfahrens trotz der erkannten Bedeutung für die charakterliche Eignung eines Bewerbers weder aufgeklärt noch abschließend bewertet.

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5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.