1. Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gehört gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei… (Beschluss des BGH 6. Zivilsenat)

BGH 6. Zivilsenat, Beschluss vom 15.03.2022, AZ VI ZB 20/20, ECLI:DE:BGH:2022:150322BVIZB20.20.0

§ 233 ZPO, § 519 Abs 2 ZPO

Leitsatz

1. Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gehört gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen, etwa einer der Berufungsschrift beigefügten Ablichtung des angefochtenen Urteils, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll.

2. Die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers kann nicht ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung erzielt werden, sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Hierbei sind, wie auch im Übrigen bei der Ausdeutung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen (Festhalten an BGH, Beschluss vom 24. Februar 2021 – VII ZB 8/21, BauR 2021, 1008).

3. Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Weisung erteilen, deren Ausführung er nicht mehr persönlich überprüfen muss. Erteilt der Rechtsanwalt allerdings die den Inhalt der Rechtsmittelschrift betreffende Weisung im Vorfeld der Erstellung des Schriftsatzes, entbindet ihn diese Anordnung regelmäßig nicht von seiner Pflicht, das ihm in der Folge vorgelegte Arbeitsergebnis vor Unterzeichnung sorgfältig auf die richtige und vollständige Umsetzung der anwaltlichen Vorgaben zu überprüfen. (Festhalten an BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 – IX ZB 75/15, juris, Rn. 8; Senatsbeschluss vom 29. August 2017 – VI ZB 49/16, NJW-RR 2018, 56 Rn. 10).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Stuttgart, 3. März 2020, Az: 1 U 28/20
vorgehend LG Stuttgart, 15. November 2019, Az: 15 O 152/13

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2 gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. März 2020 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte zu 2 trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin, die diese selbst trägt.

Gegenstandswert: bis 500.000 €

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die Beklagten, ein Klinikum und den behandelnden Arzt, auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung in Anspruch. Das Landgericht hat seiner Klage gegen beide Beklagten vollumfänglich stattgegeben und diese gesamtschuldnerisch zur Zahlung verurteilt und festgestellt, dass sie ihm als Gesamtschuldner zum Ersatz des zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schadens verpflichtet sind. Das landgerichtliche Urteil ist den Beklagten am 28. November 2019 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2019 (Montag) haben die Beklagtenvertreter unter Beifügung einer Urteilsabschrift „namens und in Vollmacht der Berufungsklägerin“ Berufung eingelegt. Im Rubrum des Schriftsatzes ist als Berufungsklägerin nur der Klinikträger genannt. Der Beklagte zu 2 findet in dem Schriftsatz keine Erwähnung. Mit Schriftsatz vom 6. Januar 2020 ist „namens und in Vollmacht beider Berufungskläger“, die nunmehr auch im Rubrum des Schriftsatzes beide aufgeführt worden sind, (erneut) Berufung eingelegt worden. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2020 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter Bezugnahme auf die erste Berufungsschrift ausgeführt, dass sich die Berufungseinlegung vom 30. Dezember 2019 selbstverständlich auf beide Beklagten beziehe und für beide Beklagten erfolgt sei. Auch wenn der Beklagte zu 2 im Rubrum nicht ausdrücklich genannt worden sei, sei eine Berufungseinlegung auch für ihn mit diesem Berufungsschriftsatz gewollt und beabsichtigt gewesen. Dies ergebe sich aus einer insoweit vorzunehmenden Auslegung des Schreibens. Denn der Berufungsschrift sei eine Abschrift des erstinstanzlichen angefochtenen Urteils beigefügt gewesen. Dieses habe beide Beklagte als Parteien des Rechtsstreits ausgewiesen. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2020 hat der Beklagte zu 2 hilfsweise für den Fall, dass der Berufungssenat die Berufungsschrift vom 30. Dezember 2019 als nicht auch in seinem Namen eingelegt ansehe, beantragt, ihm hinsichtlich der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2

Der Beklagte zu 2 vertritt die Auffassung, die erste Berufungsschrift sei dahingehend auszulegen, dass Berufung auch in seinem Namen eingelegt worden sei. Für die Beklagte zu 1 hätte sich ein Rechtsmittel erübrigt, wenn der Beklagte zu 2 das Urteil akzeptiert hätte, denn der Erfüllung der Ansprüche durch ihn komme Gesamtwirkung zu. Zudem würden beide Beklagten von derselben Rechtsanwaltskanzlei vertreten, hinter beiden stünde derselbe Haftpflichtversicherer und dem Beklagten zu 2 stehe ein arbeitsvertraglicher Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 zu. Der Beklagten zu 1 würden in dem Urteil keine Fehler im originären Bereich der Krankenhausträgerin vorgeworfen, sondern nur vermeintliche Fehler des Beklagten zu 2 über § 831 BGB zugerechnet. Bei der Angabe im Aktivrubrum handele es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit.

3

Jedenfalls sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der sachbearbeitende Rechtsanwalt H. habe vor seinem Urlaubsantritt die erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte A. angewiesen, die Berufungseinlegung für beide Beklagten vorzubereiten. Er habe ausdrücklich angeordnet, das volle Rubrum mit den Namen der beiden Beklagten wie im anzufechtenden Urteil aufzunehmen und zu beantragen, dass beide Mandanten Berufung einlegten. Im Hinblick auf den anstehenden Urlaub habe H. am 20. Dezember 2019 im Übergabegespräch mit seinem Stellvertreter Rechtsanwalt S. diesem erklärt, A. auf die Frist vom 30. Dezember 2019 hingewiesen und ihr den Inhalt der Berufungsschrift wörtlich vorgegeben zu haben. Ferner habe er angekündigt, diese Frist noch selbst zu erledigen, da der Schriftsatz nur noch unterschrieben werden müsse. Im Anschluss hieran habe S. das Büro verlassen. Da A. das Schreiben wegen hohen Arbeitsaufkommens nicht mehr am 20. Dezember 2019 habe fertigen können, habe H. ihr aufgegeben, die Berufungsschrift wie besprochen zu fertigen und S. zur Prüfung und Unterschrift vorzulegen. Als S. am 30. Dezember 2019 festgestellt habe, dass auf der Fristenliste des H. entgegen dessen Ankündigung, Berufung noch selbst einzulegen, das Verfahren nicht als erledigt vermerkt gewesen sei, habe er zweimal vergeblich versucht, H. zu erreichen. Beim Rückruf des H. sei S. selbst wiederum außer Haus gewesen, weshalb dieser nur mit A. habe sprechen können. Diese habe erklärt, die Fristsache wie angewiesen erstellt und zur Ausfertigung vorbereitet zu haben. H. habe sich noch einmal ausdrücklich danach erkundigt, ob ausweislich des vorbereiteten Schriftsatzes die Berufung wie besprochen und angewiesen für beide Mandanten eingelegt worden sei, ob das Rubrum die Krankenhausträgerin und den Beklagten zu 2 umfasse. Dies habe A. unmissverständlich bejaht. H. habe A. angewiesen, die Berufungsschrift S. zur Ausfertigung vorzulegen. Sodann habe H. das Telefonat mit dem Hinweis beendet, für den Rest des Tages telefonisch nicht mehr erreichbar zu sein. Wenige Minuten später sei S. in die Kanzlei zurückgekehrt. A. habe ihm erklärt, dass sich zwischenzeitlich H. telefonisch davon überzeugt habe, dass sie die Berufungsschrift weisungsgemäß, wie bereits am 20. Dezember 2019 vorgegeben, angefertigt habe. Die Berufungsschrift könne daher nun unterschrieben und abgesandt werden. S. habe daraufhin den Inhalt des Schriftsatzes überprüft und es seien für ihn keine offensichtlichen Fehler oder Unstimmigkeiten zu erkennen gewesen. Insoweit lägen eidesstattliche Erklärungen von A., H. und S. vor.

4

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. März 2020 hat das Oberlandesgericht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berufung am 30. Dezember 2019 alleine für die Beklagte zu 1, nicht auch für den Beklagten zu 2 eingelegt worden sei. Die Berufungsschrift selbst enthalte keinen Hinweis darauf, dass auch der Beklagte zu 2 Rechtsmittelführer sein solle. Es sei ein volles Rubrum angegeben worden, das ausschließlich die Beklagte zu 1 aufführe und auch keinen Zusatz enthalte. Im Weiteren werde ausdrücklich Berufung namens „der Berufungsklägerin“ erhoben. Der Wortlaut als solcher spreche daher nicht für eine Berufungseinlegung durch den Beklagten zu 2. Gleichwohl stehe einer Auslegung der Berufungsschrift nicht bereits entgegen, dass sie eine eindeutige Bezeichnung enthalte und für sich genommen nicht auslegungsbedürftig sei. Vielmehr sei ausschlaggebend, ob im Fall einer Diskrepanz zwischen der Parteibezeichnung in der Berufungsschrift und dem tatsächlich Gewollten aus den beigefügten Unterlagen und insbesondere dem angefochtenen Urteil zweifelsfrei festgestellt werden könne, wer Rechtsmittelführer sei. Dies sei indes nicht der Fall. Beigefügt gewesen sei lediglich das landgerichtliche Urteil. Berufungsschrift und Urteil ließen aber auch in ihrer Gesamtschau eine zweifelsfreie Bestimmung des Beklagten zu 2 als Rechtsmittelführer nicht zu. Die Erklärung in der Berufungsschrift, dass gegen das Urteil Berufung eingelegt werde, mache auch Sinn, wenn sie lediglich namens der Beklagten zu 1 erfolge. Der Umstand, dass das landgerichtliche Urteil beide Beklagten als Gesamtschuldner verurteile, spreche ebenfalls nicht für ein Rechtsmittel des Beklagten zu 2. Die Beklagten seien in erster Instanz einfache Streitgenossen gewesen und dass von mehreren verurteilten Gesamtschuldnern Einzelne ihre Verurteilung hinnähmen, komme durchaus vor. Nicht überzeugend sei die Argumentation, eine Berufung der Beklagten zu 1 wäre unnötig gewesen, wenn der Beklagte zu 2 die Verurteilung akzeptiere, da eine Erfüllung durch diesen gegenüber dem Kläger Gesamtwirkung entfalte. Zum einen lasse sich daraus, dass ein Gesamtschuldner ein nachteiliges Urteil akzeptiere, nicht notwendigerweise ableiten, dass dieser den Anspruch nachfolgend erfüllen könne und auch erfülle. Zum anderen enthalte das landgerichtliche Urteil einen Feststellungstenor für künftige Schäden, deren spätere Erfüllung sich noch weniger absehen lasse. Allein der Umstand, dass die Parteien von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten worden seien, lasse keinen Rückschluss zu. Dem Beklagten zu 2 möge einzuräumen sein, dass, wenn man die internen versicherungsrechtlichen und arbeitsvertraglichen Regelungen und überdies die behandlungsvertraglichen Regelungen kenne, eine alleinige Berufung der Beklagten zu 1 keinen Sinn mache. Indes sei dem Urteil lediglich zu entnehmen, dass der operierende Beklagte zu 2 ärztlicher Direktor gewesen sei. Die konkreten arbeitsvertraglichen, versicherungsrechtlichen und behandlungsvertraglichen Ausgestaltungen ließen sich bestenfalls vermuten, seien aber dem Urteil nicht zu entnehmen und nicht als gesichert zugrunde zu legen.

5

Der Wiedereinsetzungsantrag sei zurückzuweisen, denn der Beklagte zu 2 habe weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Notfrist zur Berufungseinlegung einzuhalten. Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehöre zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen dürfe, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Dazu gehöre auch die Überprüfung auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelführers. Zwar solle Rechtsanwalt H. telefonisch A. gefragt haben, ob die Berufungsschrift beide Mandanten umfasse und im Rubrum beide stünden. Diese rein telefonische Nachfrage ersetze aber eine persönliche Durchsicht des Schriftsatzes schon wegen der sich hier bestätigenden Fehleranfälligkeit bloßer Nachfragen nicht. Eine Einzelanweisung könne zwar den Rechtsanwalt davon entbinden, eine bereits einmal vom Rechtsanwalt gelesene und geprüfte Rechtsmittelschrift mit punktuellem Korrekturbedarf nochmals persönlich zu überprüfen, könne aber nicht von der Verpflichtung befreien, das Schriftstück zumindest einmal selbst zu prüfen. Unabhängig davon habe diese Prüfungspflicht hier Rechtsanwalt S. oblegen. Dieser habe den Berufungsschriftsatz unterzeichnet. Für die erforderliche eigenverantwortliche Prüfung des Schriftsatzes reiche es nicht aus, nur die Information von A. zur Kenntnis zu nehmen, wonach Rechtsanwalt H. sich davon überzeugt habe, dass sie die Berufungsschrift weisungsgemäß angefertigt habe. Die ordnungsgemäße Überprüfung einer Berufungsschrift setze voraus, dass zumindest das Urteil, gegen das sich das Rechtsmittel wenden solle, miteinbezogen werde. Hätte Rechtsanwalt S. das ihm zugängliche Urteil zur Kenntnis genommen, hätte sich ihm offenbart, dass die Klage sich sowohl gegen den Arzt als auch gegen den Klinikträger gerichtet und das Landgericht beide Beklagten verurteilt habe. In dieser Situation hätte er sich selbst darüber vergewissern müssen, wer nunmehr Rechtsmittelführer sein solle. Hätte er gleichwohl Zweifel gehabt, hätte er sich Klarheit verschaffen müssen. Jedenfalls eine Nachfrage beim Mandanten hätte geklärt, inwieweit Rechtsmittelauftrag erteilt worden sei.

6

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde.

II.

7

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss den Beklagten zu 2 nicht in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), der es den Gerichten gebietet, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. September 2020 – VI ZB 60/19, NJW-RR 2021, 54 Rn. 7; vom 21. Juli 2020 – VI ZB 25/19, AnwBl 2020, 685 Rn. 4; vom 17. März 2020 – VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809 Rn. 5; vom 16. Oktober 2018 – VI ZB 68/16, NJW-RR 2019, 502 Rn. 6).

8

Das Berufungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass mit der Berufungsschrift vom 30. Dezember 2009 lediglich Berufung für die Beklagte zu 1 eingelegt worden ist und die im Januar 2020 auch zu Gunsten des Beklagten zu 2 eingelegte Berufung verfristet war. Es hat auch dem Beklagten zu 2 die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt und folgerichtig seine Berufung als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass das angegriffene landgerichtliche Urteil den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 am 28. November 2019 (Datum des Empfangsbekenntnisses) nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, weil das Empfangsbekenntnis keine Unterschrift, sondern nur eine Paraphe enthalte, und deshalb die Berufungsfrist nicht am 28. November 2019 in Lauf gesetzt worden sei, so dass die am 6. Januar 2020 auch zusätzlich namens des Beklagten zu 2 eingelegte Berufung nicht verfristet sei. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob diesem Vorbringen schon entgegensteht, dass nach dem eigenen Vortrag der Rechtsbeschwerde der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2, Rechtsanwalt H., diesen Schriftzug gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Rechtsbeschwerde ausdrücklich als seine Unterschrift bezeichnet hat, und ob es rechtlich bedeutsam ist, dass dieses Vorbringen erstmals in der Rechtsbeschwerdeinstanz erfolgt ist, so dass sich das Berufungsgericht nicht als aufgefordert ansehen musste, diesen Schriftzug mit früheren – unbeanstandet gebliebenen – Schriftzügen dieses Prozessbevollmächtigten in der Instanzakte unter Schriftsätzen und Empfangsbekenntnissen abzugleichen. Der Bundesgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die Zustellung nach § 174 Abs. 1, Abs. 4 ZPO a.F. (vgl. aktuell § 175 Abs. 1, Abs. 3 ZPO) zu ihrer Wirksamkeit voraussetzt, dass der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegennimmt, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VIII ZB 55/14, NJW-RR 2015, 953 Rn. 7, mwN). Diese Voraussetzungen sind hier – wenn auch zeitlich nach dem im Streit stehenden Empfangsbekenntnis – erfüllt worden. Der von der Rechtsbeschwerde und in der Entscheidung des Berufungsgerichts in Bezug genommene Schriftsatz zur Einlegung der Berufung für beide Beklagte vom 6. Januar 2020 von Rechtsanwalt H. enthält Ausführungen, wonach das „am 15.11.2019 verkündete und am 28.11.2019 zugestellte Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az.: 15 O 152/13“ zum Gegenstand der Berufung gemacht wird. Dies reicht – neben der hier nicht zweifelhaften Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle des Landgerichts – für den Vollzug der Zustellung an Rechtsanwalt H. am 28. November 2019 aus. Denn damit hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 bestätigt, das zugestellte Schriftstück an diesem Tag erhalten und mit dem Willen entgegengenommen zu haben, es als zugestellt anzusehen. Für den Zeitpunkt der Zustellung selbst ist es nämlich weder von Bedeutung, wann die Empfangsbestätigung ausgestellt worden ist und welches Datum sie trägt, noch in welcher Form dies geschieht; der Empfänger kann vielmehr auf beliebige Weise Empfang und Annahmewillen schriftlich bestätigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es zum Nachweis für den wirksamen Vollzug einer Zustellung aus, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei sich in einer Rechtsmittelschrift auf das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich mit den Worten „zugestellt am …“ bezieht, sofern auch die weiteren unabdingbaren Anforderungen an die Vollendung der Zustellung erfüllt sind (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. September 2017 – XI ZB 2/17, NJW-RR 2018, 60, Rn. 12 mwN).

10

2. Das Berufungsgericht nimmt weiter rechtsfehlerfrei an, dass die Berufungsschrift vom 30. Dezember 2019 den Erfordernissen des § 519 Abs. 2 ZPO hinsichtlich des Beklagten zu 2 nicht genügt, weil nicht innerhalb der am 30. Dezember 2019 (einem Montag) endenden Berufungsfrist (§ 517 ZPO) zweifelsfrei feststand, dass die Berufung auch für diesen eingelegt worden ist.

11

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll. Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 30. Mai 2000 – VI ZB 12/00, NJW-RR 2000, 1661, juris Rn. 6; vom 20. Januar 2004 – VI ZB 68/03, NJW-RR 2004, 862, juris Rn. 19; vom 22. September 2009 – VI ZB 76/08, NJW-RR 2010, 277 Rn. 5; vom 7. November 1995 – VI ZB 12/95, NJW 1996, 320, juris Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 – VII ZB 8/21, BauR 2021, 1008 Rn. 8; vom 9. April 2008 – VIII ZB 58/06, NJW-RR 2008, 1161 Rn. 5; vom 6. Dezember 2006 – IV ZB 20/06, NJW-RR 2007, 935 Rn. 7; vom 10. Juli 1985 – IVa ZB 8/85, VersR 1985, 970, juris Rn. 7). Unabdingbar ist, dass alle Streitgenossen genannt werden, die Rechtsmittelführer sein sollen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 32/20, NJW-RR 2021, 506 Rn. 5 mwN). Es existiert nämlich keine Auslegungsregel, dass ein Rechtsmittel im Zweifel für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt wird (BGH, Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 32/20, NJW-RR 2021, 506 Rn. 10).

12

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass innerhalb der Berufungsfrist nicht erkennbar geworden ist, dass mit dem Schriftsatz vom 30. Dezember 2019 auch für den Beklagten zu 2 Berufung eingelegt werden sollte.

13

aa) Die Auslegung von Prozesshandlungen und damit auch der Berufungsschrift unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der freien revisionsrechtlichen Nachprüfung. Sie orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, das nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht. Lediglich theoretisch mögliche Zweifel, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht festgestellt sind, können bei der Auslegung der Berufungsschrift nicht ausschlaggebend sein (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – VIII ZB 64/09, juris Rn. 7 mwN).

14

bb) Die daran zu messende Berufungsschrift vom 30. Dezember 2019 enthält nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Berufung auch für den Beklagten zu 2 eingelegt werden sollte. Die alleinige Nennung der Beklagten zu 1 im Rubrum wie auch die weitere Erklärung, „namens und in Vollmacht der Berufungsklägerin“ Berufung einzulegen, weisen vielmehr klar und deutlich nur auf die Beklagte zu 1 als Rechtsmittelführerin. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass sich aus der der Berufungsschrift beigefügten Ablichtung des landgerichtlichen Urteils nichts Anderes ergibt. Diesem Urteil war lediglich zu entnehmen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner zu materiellem und immateriellem Schadensersatz verpflichtet worden sind und die Mitralklappenrekonstruktion beim Kläger seitens des Beklagten zu 2 behandlungsfehlerhaft erfolgt sei und der Kläger in die ebenfalls erfolgte Kryoablation (MAZE-Behandlung) nicht eingewilligt habe. Aus diesem Inhalt folgt noch nicht, dass gegen dieses Urteil sinnvollerweise nur beide Beklagte Berufung einlegen mussten. Es ist nicht ungewöhnlich und kann auf prozess- oder kostenrechtlichen Gründen beruhen, dass von zwei verurteilten Gesamtschuldnern nur einer ein Rechtsmittel einlegt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1992 – VIII ZR 203/91, BGHZ 119, 35, juris Rn. 16; Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 32/20, NJW-RR 2021, 506 Rn. 10). Wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, waren etwaige interne versicherungsrechtliche und arbeitsvertragliche Regelungen, die möglicherweise eine andere Bewertung geboten hätten, dem Urteil oder auch anderen Erkenntnisquellen des Gerichts bis zum Ablauf der Berufungsfrist nicht zu entnehmen. Im Übrigen hätten allein Zweifel an der alleinigen Rechtsmittelführerschaft der Beklagten zu 1 nicht genügt, um eine Rechtsmitteleinlegung auch für den Beklagten zu 2 anzunehmen, da jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein muss (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 32/20, NJW-RR 2021, 506 Rn. 5 mwN).

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3. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten zu 2 auch zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung beruht auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltlichen (Organisations-)Pflichten bei der Anfertigung fristgebundener Schriftsätze nicht überspannt, sondern unter Beachtung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist rechtsfehlerfrei versagt.

16

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss grundsätzlich im Anwaltsprozess die Berufungsschrift von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein (vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 2018 – VIII ZB 35/17, juris Rn. 13). Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu prüfen. Diese Aufgabe darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelführers auch gut geschultem und erfahrenem Büropersonal nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Insbesondere muss der Rechtsanwalt kontrollieren, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben, bei der Berufung also auch die des Rechtsmittelführers, richtig enthält und an das richtige Gericht adressiert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2001 – III ZR 113/00, NJW 2001, 1070, juris Rn. 16; vom 22. September 2015 – XI ZB 8/15, NJW-RR 2016, 635 Rn. 10; vom 29. April 1982 – I ZB 2/82, VersR 1982, 769, juris Rn. 12; vom 8. Februar 2012 – XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 30; jeweils mwN). Nach dieser Rechtsprechung stellt beispielsweise die Leistung einer Blankounterschrift in Verbindung mit der Erteilung des Auftrags zur Fertigung und Einreichung der (ungeprüften) Berufungsschrift eine Pflichtwidrigkeit dar (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 1982 – I ZB 2/82, VersR 1982, 769, juris Rn. 12).

17

b) Den vorgenannten Prüfungspflichten haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 bei der Fertigung der Berufungsschrift nicht genügt. Rechtsanwalt H. hat die A. lediglich mündlich angewiesen, in den Berufungsschriftsatz als Berufungsführer beide Beklagte aufzunehmen. Das schriftliche Ergebnis seiner mündlichen Anweisungen hat er nicht selbst kontrolliert. Dass er selbst seinem anwaltlichen Urlaubsvertreter schriftlich oder mündlich erklärt hätte, dass die Berufung für beide Beklagten einzulegen sei, wird nicht vorgetragen. Rechtsanwalt S. hat sich danach ohne Rücksprache mit Rechtsanwalt H., ohne Vergewisserung in der Handakte und ohne Rücksprache mit dem Mandanten auf die mündliche Auskunft der A. verlassen, dass sie den Schriftsatz nach den Anweisungen des Rechtsanwalts H. erstellt habe. Damit fehlt es an der erforderlichen sorgfältigen Überprüfung der Rechtsmittelschrift, ob die Rechtsmittelführer dort zutreffend genannt werden. Dem Verschuldensvorwurf steht nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt H. die Mitarbeiterin A. mündlich angewiesen hatte, wie die Berufungsschrift, nämlich für beide Beklagte, zu erstellen sei und sich dies mündlich nochmals hat bestätigen lassen. Zwar darf ein Rechtsanwalt auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss. Erteilt der Rechtsanwalt allerdings eine den Inhalt der Rechtsmittelschrift betreffende Weisung im Vorfeld der Erstellung des Schriftsatzes, so entbindet ihn diese Anordnung regelmäßig nicht von seiner Pflicht, sich das Arbeitsergebnis vorlegen zu lassen und vor der Unterzeichnung sorgfältig auf die richtige und vollständige Umsetzung der Vorgaben zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1992 – VI ZB 33/92, VersR 1993, 1381, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 – IX ZB 75/15, juris Rn. 8 f.). Die vor Fertigung und anwaltlicher Durchsicht des Schriftsatzes erteilte Weisung ist insoweit von der Anordnung zu unterscheiden, Änderungen am bereits geprüften Schriftsatz vorzunehmen. Bei der Umsetzung der einen noch anzufertigenden Schriftsatz betreffenden anwaltlichen Weisung ist eine Vielzahl möglicher Fehlerquellen denkbar. Der Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts entspricht es, ein ihm erstmals vorgelegtes Arbeitsergebnis vor der Unterzeichnung gründlich auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. August 2017 – VI ZB 49/16, NJW-RR 2018, 56 Rn. 10 mwN). Wenn dann im Zeitraum zwischen mündlicher Anweisung und Unterzeichnung der Vertretungsfall eintritt, treffen die gesteigerten Prüfungspflichten den Vertreter des Rechtsanwalts, der anhand eines Entwurfs seines Kollegen, einer persönlichen Rücksprache mit diesem oder auf der Grundlage eigener Erkenntnisse aus der Handakte oder dem Mandantengespräch die Richtigkeit der Rechtsmittelschrift, insbesondere der Benennung der Rechtsmittelführer, zu prüfen hat und sich nicht ohne jede weitere Erkenntnisquelle auf die mündliche Auskunft der Mitarbeiterin, den Schriftsatz weisungsgemäß erstellt zu haben, verlassen darf. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass schon ein Blick auf das angegriffene Urteil Anlass für Rechtsanwalt S. gegeben hätte, an der Richtigkeit der Auskunft der A. zu zweifeln.

18

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

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