BFH 7. Senat, Beschluss vom 10.03.2022, AZ VII B 174/20, ECLI:DE:BFH:2022:B.100322.VIIB174.20.0
Art 103 Abs 1 GG, § 65 Abs 1 S 1 FGO, § 65 Abs 2 S 1 FGO, § 116 Abs 2 FGO, § 116 Abs 3 FGO
Leitsatz
1. NV: Die Aufforderung nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO steht nicht im Ermessen des Gerichts. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gebietet es, dass das Gericht ihn so rechtzeitig auf eine nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderliche Ergänzung seiner Klage hinweist, dass er die Mängel, wenn möglich, noch beheben oder sich jedenfalls dazu äußern kann.
2. NV: Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die angegebene Adresse keine Anschrift ist, an die das Gericht förmliche Zustellungen bewirken kann, ist der Kläger zu einer Glaubhaftmachung seiner Angaben verpflichtet, damit die Klage den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genügt.
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 13. Oktober 2020, Az: 8 K 267/20, Urteil
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 13.10.2020 – 8 K 267/20 aufgehoben.
Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sollte für Steuerschulden einer GmbH in Haftung genommen werden. Ein an den Kläger unter der Anschrift A-Straße 6 in B adressiertes Anhörungsschreiben konnte nicht zugestellt werden; der Zustellungsurkunde zufolge war der Adressat dort nicht zu ermitteln. Das Anhörungsschreiben wurde daraufhin an eine Postfachanschrift des Klägers versandt. Der Kläger erwiderte auf dieses Schreiben, dass er mit der GmbH nichts zu tun habe.
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Am 22.11.2018 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) einen Haftungsbescheid gegen den Kläger als faktischen Geschäftsführer der GmbH über einen Betrag von 212.068,61 €. Dieser Bescheid wurde dem Kläger ebenfalls unter der Postfachanschrift bekannt gegeben. Den Einspruch des Klägers wies das FA als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger wiederum unter der Postfachanschrift bekannt gegeben.
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Der Kläger erhob dagegen Klage, ebenfalls unter seiner Postfachanschrift. Nachdem das FA eingewandt hatte, dass der Kläger nicht die Anschrift seines tatsächlichen Wohnorts angegeben habe, teilte der inzwischen eingeschaltete Prozessbevollmächtigte des Klägers als ladungsfähige Anschrift „C-Straße 21, D“ mit. Das FA machte demgegenüber geltend, der Kläger wohne nicht unter der angegebenen Postadresse; es handele sich um ein Grundstück in einer Gartenanlage, das nicht mit einem zum dauerhaften Wohnen geeigneten Gebäude bebaut sei. Daraufhin legte der Kläger eine Meldebestätigung vom 03.09.2020 vor, nach der er seit dem 01.09.2020 in der E-Straße 10 in F gemeldet war. Auf den Einwand des FA hin, dass der Kläger dort tatsächlich nicht wohne, erwiderte dieser, dass es sich um eine unbegründete Behauptung handele; es seien ihm ein gültiger Reisepass mit der angegebenen Wohnadresse ausgestellt und dort Schriftstücke und Ladungen des Amtsgerichts zugestellt worden. Die entsprechenden Schriftstücke legte der Kläger vor.
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Das Finanzgericht (FG) verhandelte am 08.09.2020 und am 13.10.2020 in der Sache. Aus den Protokollen über die mündliche Verhandlung, auf die Bezug genommen wird (Bl. 78 und 206 FG-Akte), geht hervor, dass die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert wurde. Am Schluss des Termins vom 08.09.2020 war das FA dem Protokoll zufolge noch aufgefordert worden, weitere Unterlagen vorzulegen, aus denen sich ergeben sollte, dass der Kläger im Namen der GmbH tätig geworden sei. Dass das FG den Kläger darauf hingewiesen hätte, dass seine Klage nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, geht aus den Protokollen nicht hervor.
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Die Klage wies das FG gleichwohl als unzulässig ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe seinen tatsächlichen Wohnort und somit auch seine ladungsfähige Anschrift, die zu der nach § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Bezeichnung des Klägers gehöre, nicht angegeben. Dass der Kläger die Wohnung in der E-Straße 10 in F nicht bewohne, ergebe sich aus den Feststellungen des FA, die dieses durch die Vorlage von Fotografien verdeutlicht habe. Der Briefkasten an dem Gebäude E-Straße 10 sei einer einfachen Wohnung zugeordnet, die nach den Angaben auf dem Briefkasten von drei Personen bewohnt sein solle. Dass der Kläger diese Wohnung tatsächlich nutze, sei nicht glaubwürdig. In der A-Straße 6 in B habe der Kläger in der Nähe seiner Kinder eine komfortable Wohnmöglichkeit, so dass er nicht darauf angewiesen sei, mit zwei weiteren Personen, zu deren Bekanntschaft er sich nicht geäußert habe, gemeinsam in einer Wohnung zu leben. In einem älteren Verfahren habe der Kläger bei einer Akteneinsichtnahme einen Personalausweis vorgelegt, demzufolge er in der G-Straße 11 in H wohnhaft gewesen sei; eine Ladung zur mündlichen Verhandlung habe über diese Anschrift allerdings nicht zugestellt werden können. In dem damaligen Termin zur mündlichen Verhandlung habe der Kläger auf Nachfrage seine Anschrift mit „I-Straße 4 in J“ angegeben; ein Urteil in der Sache habe ihm dort allerdings ebenfalls nicht zugestellt werden können. Diese Vorgänge belegten, dass der Kläger nicht Willens sei, seinen tatsächlichen Wohnort anzugeben. Da dem Gericht eine ladungsfähige Anschrift des Klägers bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen habe, habe die Klage als unzulässig abgewiesen werden müssen.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO begehrt. Er macht u.a. geltend, das FG habe gegen § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO und gegen Art. 103 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO verstoßen, weil es ihn nicht zur Ergänzung der Klage aufgefordert habe.
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Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Diese sei bereits nicht zulässig, weil § 65 FGO auch für das Beschwerdeverfahren gelte. Darüber hinaus habe das Gericht nicht gegen § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO verstoßen; denn es habe seiner Hinweispflicht dadurch genügt, dass es die Frage nach der Richtigkeit der Angaben des Klägers zu der Anschrift E-Straße 10 in F tatsächlich erörtert habe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte somit erkennen können, dass weiterhin Zweifel an der Einhaltung der Form des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO bestanden hätten.
Entscheidungsgründe
II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das FG.
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1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO unzulässig.
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Die formellen Anforderungen an die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde sind in § 116 Abs. 2 und 3 FGO geregelt. Eine entsprechende Anwendung von § 65 FGO kommt insoweit nicht in Betracht (so auch Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler –HHSp–, § 65 FGO Rz 9; Paetsch in Gosch, FGO § 65 Rz 6).
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Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 2 FGO muss die Beschwerde das angefochtene Urteil bezeichnen. Daraus wird teilweise gefolgert, dass auch die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens angegeben werden müssen (s. etwa Lange in HHSp, § 116 FGO Rz 117, und Seer in Tipke/Kruse, § 116 FGO Rz 26b – beide unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 120 FGO). Ob das in dieser Allgemeinheit zutrifft und gegebenenfalls auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift umfasst, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der beschließende Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass § 116 Abs. 2 Satz 2 FGO lediglich die genaue und richtige Bezeichnung des angefochtenen Urteils des FG verlangt, gegen das sich die Beschwerde richtet; denn aus diesem Urteil lassen sich die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens in aller Regel leicht und einwandfrei bestimmen (s. Senatsbeschluss vom 10.07.2002 – VII B 6/02, BFH/NV 2002, 1597). Jedenfalls muss aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem gerade darüber gestritten wird, ob die Voraussetzungen des § 65 FGO erfüllt sind, der Kläger die Möglichkeit haben, die für ihn nachteilige Rechtsauffassung des FG durch das Beschwerdegericht inhaltlich überprüfen zu lassen.
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der von dem Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor und das Urteil des FG beruht auf diesem Verfahrensmangel (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 3 FGO).
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a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO können der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Abs. 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt.
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aa) Zur Bezeichnung des Klägers i.S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO gehört auch die Angabe einer Anschrift, unter der förmliche Zustellungen bewirkt werden können, die sog. ladungsfähige Anschrift (Senatsbeschluss vom 21.10.2020 – VII B 119/19, BFH/NV 2021, 321, Rz 40; Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29.01.2018 – X B 122/17, BFH/NV 2018, 630, Rz 23, m.w.N.). Dies ist bei natürlichen Personen in der Regel diejenige Anschrift, an der sie ihren tatsächlichen Wohnsitz oder ein ihnen zuzurechnendes Geschäftslokal unterhalten. Das Vorhalten eines Briefkastens genügt insoweit nicht. Das gilt auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (s. Senatsbeschluss in BFH/NV 2021, 321, Rz 40, m.w.N.).
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Die sich aus § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ergebende Obliegenheit betrifft nicht nur den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern der Kläger muss auch im weiteren Verlauf des Verfahrens dafür sorgen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnorts und Lebensmittelpunkts für das Gericht erreichbar bleibt (s. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 06.11.2009 – 2 BvL 4/07, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 16, 349, unter B.2.a; ausführlich auch BFH-Beschluss vom 30.06.2015 – X B 28/15, BFH/NV 2015, 1423, Rz 11 ff., m.w.N. – die gegen diesen Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 12.02.2016 – 1 BvR 2431/15).
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bb) Die Aufforderung nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO steht nicht im Ermessen des Gerichts.
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Das zeigt schon der Gegensatz zu § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO; denn Satz 1 ist ausdrücklich als Gebot formuliert („hat … aufzufordern“), während es sich bei Satz 2 um eine „Kannvorschrift“ handelt (s.a. BFH-Beschlüsse vom 01.02.2018 – X B 136/17, BFH/NV 2018, 534, Rz 14 ff., und vom 09.04.1997 – IV B 96/96, BFH/NV 1997, 784, unter 1.; BFH-Urteil vom 27.06.1996 – IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232, ebenfalls unter 1.; Schallmoser in HHSp, § 65 FGO Rz 116; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 65 Rz 53; Paetsch in Gosch, FGO § 65 Rz 109; wohl ebenso: Brandis in Tipke/Kruse, § 65 FGO Rz 22). Dafür spricht auch, dass § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO eine Ausformung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts ist und der Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dient; die Regelung soll verhindern, dass das Rechtsschutzbegehren des Klägers an Formalien scheitert (vgl. BFH-Beschluss vom 12.03.1997 – V B 76/96, BFH/NV 1997, 771, unter II.; ebenso Brandis in Tipke/Kruse, § 65 FGO Rz 22).
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Soweit der beschließende Senat in seinem Beschluss vom 19.01.2007 – VII B 50/06 (BFH/NV 2007, 946, unter II.1.) in Form eines obiter dictum ausgeführt hat, die Möglichkeit einer Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO stehe im Ermessen des Gerichts, hält er daran nicht fest.
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cc) § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO schreibt nicht vor, bis zu welchem Zeitpunkt das Gericht auf die erforderliche Ergänzung der Klage hinwirken muss. Betrifft die erforderliche Ergänzung aber ein Musserfordernis i.S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, gebietet es der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), ihn so rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass er die Mängel, wenn möglich, noch beheben oder sich jedenfalls hierzu äußern kann (BFH-Urteil vom 29.11.2000 – X R 10/00, BFH/NV 2001, 627, unter II.1.; ebenso Schallmoser in HHSp, § 65 FGO Rz 116).
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Gegebenenfalls genügt es, wenn die Aufforderung nach § 65 Abs. 2 FGO zur erforderlichen Ergänzung noch in der mündlichen Verhandlung ergeht (Senatsbeschluss vom 09.01.1992 – VII B 124/91, BFH/NV 1992, 752). In diesem Fall ist der Hinweis nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO als wesentlicher Vorgang der mündlichen Verhandlung i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu protokollieren. Fehlt ein entsprechender Hinweis im Protokoll, ist wegen der –in diesem Fall negativen– Beweiskraft des Protokolls gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 165, 160 Abs. 2 ZPO grundsätzlich davon auszugehen, dass ein solcher Hinweis nicht erteilt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2013 – X R 39/10, BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572, Rz 35; BFH-Beschlüsse vom 11.10.2016 – III B 21/16, BFH/NV 2017, 315, Rz 13; vom 19.09.2014 – IX B 101/13, BFH/NV 2015, 214, Rz 12, und vom 18.08.2015 – III B 112/14, BFH/NV 2015, 1595, Rz 9 f.).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das FG im vorliegenden Streitfall die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.
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Das FG hätte den Kläger, nachdem dieser weitere Unterlagen zu dem von ihm behaupteten Wohnsitz vorgelegt hatte, unter Hinweis auf seine Auffassung, dass die Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nach wie vor nicht erfüllt gewesen sind, gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO förmlich auffordern müssen, eine ladungsfähige Anschrift beizubringen. Dass es dies nicht getan hat, belegen die beiden Protokolle über die mündliche Verhandlung.
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Der Einwand des FA, das FG habe seiner Hinweispflicht bereits dadurch genügt, dass es die Frage nach der Richtigkeit der Angaben des Klägers zu der von diesem behaupteten Anschrift tatsächlich erörtert habe und dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Zweifel des Gerichts hinsichtlich der Einhaltung der Form des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO hätte erkennen können, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Zum einen ist eine solche Erörterung ebenfalls nicht protokolliert worden. Zum anderen würde eine solche Erörterung nicht den förmlichen Hinweis nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO ersetzen.
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Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf diesem Verfahrensmangel, da das FG ein Prozessurteil erlassen hat. Dieses ist mithin aufzuheben. Auf die weiteren Zulassungsgründe, die der Kläger vorgebracht hat, kommt es nicht an. Es erscheint zudem sachgerecht, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO), da im Streitfall von einer Revisionszulassung keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist.
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3. Ergänzend weist der beschließende Senat auf Folgendes hin: Hat das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die von dem Kläger behauptete Adresse unzutreffend ist, dem Kläger nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO aufgegeben, seine ladungsfähige Anschrift beizubringen, ist es Aufgabe des Klägers, seinen tatsächlichen Wohnsitz darzulegen und darüber hinaus auch glaubhaft zu machen (s. Senatsbeschluss in BFH/NV 2021, 321, Rz 43, m.w.N.), gegebenenfalls nicht nur durch Vorlage einer Meldebescheinigung und eines Ausweises oder Passes, sondern auch durch Vorlage weiterer Belege wie Strom-, Wasser- und Telefonrechnungen etc., aus denen ersichtlich wird, dass sich der Kläger an dem von ihm angegebenen Wohnsitz auch tatsächlich überwiegend aufhält. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, einen vom Kläger behaupteten Wohnsitz, an dem berechtigte Zweifel bestehen, durch eigene Ermittlungen zu verifizieren.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.