BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 23.02.2022, AZ 3 B 11/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:230222B3B11.21.0
§ 4 StVG, § 28 Abs 2 StVG, § 28 Abs 3 StVG, § 29 Abs 7 StVG, § 65 Abs 3 Nr 2 StVG
Leitsatz
Nach § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG ist § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung nur hinsichtlich der Tilgung und Löschung von bis zum 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten Entscheidungen anwendbar, nicht auch hinsichtlich der Verwertung dieser Eintragungen. Für die Verwertung kommt § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung zur Anwendung. Dementsprechend besteht ein Verwertungsverbot erst mit der Löschung bzw. der Löschungsreife der (Alt-)Eintragung und damit erst, wenn auch die einjährige Überliegefrist abgelaufen ist.
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 3. November 2020, Az: 3 LB 283/18 OVG, Urteil
vorgehend VG Greifswald, 19. Dezember 2017, Az: 4 A 776/16, Urteil
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm Rechtsanwalt … beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
1
Dem Kläger kann für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe nicht gewährt und Rechtsanwalt … nicht beigeordnet werden, da seine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Außerdem hat der Kläger entgegen der Ankündigung in der Beschwerdeschrift vom 21. Dezember 2020 keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben und keine Belege beigebracht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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1. Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen B, C1, BE, C1E, AM und L auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG).
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Der Kläger beging seit dem Jahr 2000 eine Reihe von Verkehrsverstößen, die zu Eintragungen und Punkten zunächst im Verkehrszentralregister und ab der Umstellung auf das Fahreignungs-Bewertungssystem zum 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister führten. Die bis zum 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten und zu diesem Zeitpunkt nicht getilgten Eintragungen ergaben einen Stand von zehn Punkten, der vom Kraftfahrt-Bundesamt zum 1. Mai 2014 in vier Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem umgerechnet und überführt wurde. Am 12. Mai 2014 wurde dem Kraftfahrt-Bundesamt eine weitere am 30. April 2013 begangene Ordnungswidrigkeit mitgeteilt (Rechtskraft der Ahndung am 2. April 2014, Eintragung in das Fahreignungsregister am 12. Mai 2014), die mit vier Punkten nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem bzw. zwei Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu bewerten war. Am 26. Januar 2015 wurde im Fahreignungsregister eine vom Kläger am 24. Januar 2014 begangene, mit dem 18. Dezember 2014 rechtskräftig geahndete Ordnungswidrigkeit gespeichert, die mit einem Punkt bewertet wurde. Am 12. Mai 2015 wurde die Ahndung einer weiteren Ordnungswidrigkeit im Fahreignungsregister gespeichert, die der Kläger an 23. Dezember 2013 begangen hatte und deren Ahndung am 19. März 2015 rechtskräftig wurde; für diese Zuwiderhandlung ergab sich ein Punkt. Am 13. Mai 2015 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Beklagten mit, der Kläger habe einen Stand von acht Punkten erreicht. Mit Bescheid vom 29. Juli 2015 entzog der Beklagte dem Kläger daraufhin gestützt auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis.
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Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Greifswald mit Urteil vom 19. Dezember 2017 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 3. November 2020 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es: Der Zeitpunkt der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit (letzter Tattag) sei der 24. Januar 2014 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich für den Kläger ein Stand von acht Punkten im Fahreignungsregister ergeben. Er folge aus vier bis zum 30. April 2014 in das Verkehrszentralregister eingetragenen Verkehrsverstößen („Alteintragungen“), die mit zehn („alten“) Punkten zu bewerten seien; daraus resultiere nach Umrechnung ein Stand von vier („neuen“) Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Dazu kämen die ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeicherten Eintragungen, die nach dem Straßenverkehrsgesetz in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung zu bewerten seien. Das betreffe die Ordnungswidrigkeiten vom 30. April 2013 (zwei Punkte), vom 23. Dezember 2013 (ein Punkt) und vom 24. Januar 2014 (ein Punkt). Daraus ergäben sich in der Summe acht „neue“ Punkte. Die vor dem 30. April 2014 gespeicherten Eintragungen seien zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung noch verwertbar gewesen. Die Überliegefrist sei noch nicht abgelaufen gewesen, so dass nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG kein Verwertungsverbot bestanden habe. Zwar habe § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. ein Verwertungsverbot bereits mit der Tilgung, also vor dem Ablauf der Überliegefrist, angeordnet. Doch erkläre § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG die Regelungen des § 29 StVG a.F. nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung allein hinsichtlich der Tilgung und Löschung von Eintragungen, nicht aber hinsichtlich deren Verwertung für anwendbar. Die gegenteilige Annahme wäre eine systemwidrige und mit der gesetzgeberischen Intention unvereinbare Privilegierung des Fahrerlaubnisinhabers, dem bereits der Wegfall der bisherigen Tilgungshemmung zugutekomme. Die Verwertung der drei vom Kläger vor dem 30. April 2014 begangenen, aber erst nach diesem Zeitpunkt im Fahreignungsregister gespeicherten Eintragungen („Neueintragungen“) gemäß den ab dem 1. Mai 2014 geltenden Regelungen des Fahreignungs-Bewertungssystems bedeute keine unzulässige Rückwirkung. Soweit die am 30. April 2013 begangene Ordnungswidrigkeit, deren Ahndung am 2. April 2014 und damit vor dem Inkrafttreten der Novellierung rechtskräftig geworden sei, gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG nach den Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes in der ab dem 1. Mai 2014 gültigen Fassung mit zwei Punkten bewertet worden sei, sei das keine für den Kläger nachteilige Verschärfung der Rechtsfolgen. Nach dem alten Recht hätten sich für diese Zuwiderhandlung vier Punkte ergeben, die dem „alten“ Punktestand hinzuzurechnen gewesen wären. Das hätte zu vierzehn „alten“ Punkten geführt, die gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG in sechs „neue“ Punkte zu überführen gewesen wären. Die Ahndung der beiden weiteren vor dem 1. Mai 2014 begangenen, aber erst nach diesem Stichtag gespeicherten und nach dem ab dem 1. Mai 2014 geltenden Recht bewerteten Ordnungswidrigkeiten vom 23. Dezember 2013 und vom 24. Januar 2014 seien erst am 19. März 2015 bzw. am 18. Dezember 2014 rechtskräftig geworden. Daher habe es sich um zum Umstellungszeitpunkt noch nicht abgeschlossene Sachverhalte gehandelt. Die mit der Neuregelung verbundene unechte Rückwirkung sei verfassungsrechtlich zulässig.
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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a) Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger (dort unter 4.) geltend, das Oberverwaltungsgericht habe das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2020 – 3 C 14.19 – (BVerwGE 168, 316) unbeachtet gelassen und hiergegen verstoßen. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Eintragungen zu den Ordnungswidrigkeiten vom 12. Dezember 2009, 20. August 2010, 12. Februar 2011 und 1. April 2011, die vor dem 1. Mai 2014 im Verkehrszentralregister gespeichert waren, seien zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung noch verwertbar gewesen, sei falsch. Zwar habe das Oberverwaltungsgericht erkannt, dass nach dem alten Recht ein Verwertungsverbot bereits mit der Tilgung und nicht erst mit der Löschung einer Eintragung bestanden habe (§ 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F.), doch setze es sich mit der Annahme, § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG verhindere hier ein solches Verwertungsverbot, in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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aa) Sollte das Vorbringen des Klägers auf eine Zulassung wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zielen, wären die für diesen Zulassungsgrund bestehenden Darlegungserfordernisse jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil die Beschwerde keine sich widersprechenden Rechtssätze im Berufungsurteil und der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Anwendung derselben Norm des Bundesrechts herausarbeitet. Die Beschwerdebegründung belässt es beim Vorwurf einer falschen Rechtsanwendung und der Rüge eines Subsumtionsfehlers, den das Oberverwaltungsgericht aus Sicht des Klägers begangen hat. Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kann damit nicht begründet werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – 3 B 34.19 – NVwZ-RR 2022, 86 Rn. 45).
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bb) Ebenso wenig rechtfertigt die Beschwerdebegründung in Bezug auf die der Sache nach angesprochene Frage eines Verwertungsverbots, das nach Auffassung des Klägers gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. bei „Alteintragungen“ bereits mit der Tilgung der betreffenden Eintragung und damit vor Ablauf der Überliegefrist bestehen soll, eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Den maßgeblichen Regelungen lässt sich ohne Weiteres – also ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens – entnehmen, dass § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG nur für die Tilgung und Löschung der Registereintragung auf die bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes verweist. Für die Verwertung von bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeicherten Entscheidungen kommt nach dieser Übergangsbestimmung dagegen § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung zur Anwendung. Das hat – wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt – zur Folge, dass die Entscheidung und die Tat der betroffenen Person nicht mehr – wie nach § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F. – mit Tilgung bzw. Tilgungsreife, sondern erst mit der Löschung bzw. der Löschungsreife der Eintragung und damit erst nach Ablauf der einjährigen Überliegefrist nicht mehr vorgehalten und zu ihrem Nachteil verwertet werden dürfen.
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Nach § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG werden Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind („Alteintragungen“) und – wie hier – nicht von der Nummer 1 erfasst sind, bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG betrifft nach dem klaren Wortlaut der Regelung allein die Tilgung und Löschung von Eintragungen. Dagegen ist in dieser Bestimmung nicht auch von der Verwertung bzw. Verwertbarkeit von Eintragungen zum Nachteil des Betroffenen die Rede. Insoweit geht es – anders als bei der Tilgung und Löschung – nicht um die Dauer der Speicherung der in § 28 StVG aufgeführten Daten im Register, sondern um die an eine solche Speicherung zwar anknüpfende, inhaltlich aber darüber hinausgehende Frage, welche Registereintragungen die Fahrerlaubnisbehörde für die Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen (noch) heranziehen darf. Die Annahme des Klägers, § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG a.F., der ein Verwertungsverbot bereits ab der Tilgung der Eintragung im Verkehrszentralregister angeordnet hatte, sei über § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG auf „Alteintragungen“ weiterhin anwendbar, ist daher mit dem Wortlaut von § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG und der Regelungssystematik nicht vereinbar.
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Eine solche Erstreckung von § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG auch auf die Verwertbarkeit von „Alteintragungen“ würde zudem dem Sinn und Zweck der Novellierung zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG den bisherigen Einsatzzeitpunkt für ein Verwertungsverbot verschieben. Die Tat und die Entscheidung sollten der betroffenen Person nun erst dann nicht mehr für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG vorgehalten und zu ihrem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung im Fahreignungsregister bereits gelöscht ist. Damit hat der Gesetzgeber den Zeitpunkt für das Einsetzen eines Verwertungsverbots um die in § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG a.F. auch schon nach dem altem Recht vorgesehene Überliegefrist nach hinten verschoben. Dabei hatte er ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung das Risiko rein taktisch motivierter Rechtsmittel im Blick (vgl. dazu BT-Drs. 17/12636 S. 20); er wollte während der Überliegefrist nun die aus seiner Sicht für die Praxis sinnvolle Übermittlung und Verwertung für die Zwecke der Fahrerlaubnis auf Probe und des Fahreignungs-Bewertungssystems zulassen (vgl. BT-Drs. 17/12636 S. 47). Das zeigt, dass es sich bei der Beschränkung der Anwendung des „alten“ Rechts auf der Grundlage von § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG auf die Tilgung und Löschung von „Alteintragungen“ nicht etwa um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers gehandelt hat. Bestätigt wird dieser Befund durch einen Blick auf die vom Gesetzgeber in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG gewählte, in der Sache umfassendere Formulierung des dortigen Rechtsanwendungsbefehls („… dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s … erlassenen Rechtsverordnungen …“).
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b) Der Rechtssache kommt entgegen der Auffassung des Klägers auch ansonsten keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. In seiner Beschwerdebegründung macht er dazu (dort unter 5.) geltend, die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich daraus, dass die in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG angeordnete Anwendung des ab dem 1. Mai 2014 geltenden Rechts auf seine Taten vom 30. April 2013, 23. Dezember 2013 und 24. Januar 2014, deren rechtskräftige Ahndung erst nach dem 1. Mai 2014 in das Fahreignungsregister eingetragen wurde, eine echte Rückwirkung zu seinen Lasten bewirke und daher verfassungswidrig sei.
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Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist auch ohne die Durchführung eines (weiteren) Revisionsverfahrens ohne Weiteres ersichtlich, dass § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG zu keiner unzulässigen echten Rückwirkung des ab dem 1. Mai 2014 geltenden Rechts führt. Die Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG, wonach auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s StVG erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden sind, hat vielmehr lediglich eine unechte Rückwirkung zur Folge, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (ebenso – außer dem Berufungsgericht – SächsOVG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – 3 B 328/15 – juris Rn. 7 f. und BayVGH, Beschluss vom 18. Mai 2015 – 11 BV 14.2839 – VRS 128, 206 <212> = juris Rn. 35 sowie Stieber, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. 2022, § 65 StVG Rn. 24). Auch der Senat hat in seinem Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 – (BVerwGE 157, 235 Rn. 20) keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG geäußert, sondern diese Regelung dort ohne Weiteres zur Anwendung gebracht.
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Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an (UA S. 14 f.), dass die in § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG vorgesehene Anwendung des neuen Rechts auf vor Ablauf des 30. April 2014 begangene, aber erst ab dem 1. Mai 2014 in das Fahreignungsregister eingetragene Verkehrsverstöße nicht am absoluten Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen ist. Bei den Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem handelt es sich nicht um eine Bestrafung im Sinne dieser Vorschrift, sondern um Instrumente mit general- und spezialpräventiver Wirkung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 – BVerwGE 157, 235 Rn. 31; BT-Drs. 17/12636 S. 38 und BT-Drs. 18/2775 S. 9 f.).
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Ebenso wenig ist mit § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG für den Kläger eine echte Rückwirkung verbunden, die grundsätzlich unzulässig wäre. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“). Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine nach altem Recht erreichte Position entwertet. Das ist etwa der Fall, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Normen mit echter Rückwirkung sind verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig, Normen mit unechter Rückwirkung sind grundsätzlich zulässig (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17 u.a. – BVerfGE 155, 238 Rn. 127 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2021 – 3 C 2.20 – NVwZ 2021, 1866 Rn. 23, jeweils m.w.N.).
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Mit § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG wird nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht in einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt eingegriffen, der bereits abgeschlossen ist. Zwar hat der Kläger die insoweit in Rede stehenden Ordnungswidrigkeiten vom 30. April 2013, 23. Dezember 2013 und 24. Januar 2014 vor dem Inkrafttreten der Neuregelung begangen. Doch genügte bereits unter dem Mehrfachtäter-Punktsystem die Begehung einer im Register zu speichernden Straftat oder Ordnungswidrigkeit nicht. Erforderlich war schon damals außerdem die rechtskräftige Ahndung der betreffenden Tat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 – 3 C 3.07 – BVerwGE 132, 48 Rn. 19 ff.). Somit lag und liegt der Entstehung von Punkten kein reines Tattag-, sondern ein kombiniertes Tattag- und Rechtskraftprinzip zugrunde (so zum Mehrfachtäter-Punktsystem: BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 a.a.O. sowie für das Fahreignungs-Bewertungssystem: § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG und BT-Drs. 17/12636 S. 19).
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Hiernach waren die maßgeblichen Lebenssachverhalte beim In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung noch nicht abgeschlossen. Die Ahndung der beiden Ordnungswidrigkeiten vom 23. Dezember 2013 (ein Punkt „neu“) und 24. Januar 2014 (ein Punkt „neu“) ist erst am 19. März 2015 bzw. am 18. Dezember 2014 und damit nach Ablauf des 30. April 2014 rechtskräftig geworden. In Bezug auf die vom Kläger am 30. April 2013 begangene Ordnungswidrigkeit (zwei Punkte „neu“) ergibt sich nichts anderes. Deren Ahndung ist zwar am 2. April 2014 und damit vor dem „Stichtag“ rechtskräftig geworden, doch ist die Speicherung im Fahreignungsregister erst am 12. Mai 2014 erfolgt. Auch bei einer solchen Sachlage handelte es sich aber um einen beim In-Kraft-Treten der Neuregelung am 1. Mai 2014 noch nicht abgeschlossenen Lebenssachverhalt. Abgeschlossen ist der maßgebliche Lebenssachverhalt nach der insoweit übereinstimmenden Systematik des Mehrfachtäter-Punkte- und des Fahreignungs-Bewertungssystems vielmehr frühestens mit der Speicherung der rechtskräftig gewordenen Ahndung und der ihr zugrundeliegenden Zuwiderhandlung im Verkehrszentral- bzw. im Fahreignungsregister. Erst die in diesen Registern gespeicherten Daten und die daraus resultierenden Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes an die Fahrerlaubnisbehörde bilden den Ausgangspunkt für das Handeln der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 – BVerwGE 157, 235 Rn. 25 sowie Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 4 StVG Rn. 88b m.w.N.). Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der für das Ergreifen von Maßnahmen nach § 4 StVG maßgebliche Lebenssachverhalt abgeschlossen ist, ist damit anders zu beantworten als die Frage, zu welchem Zeitpunkt Punkte entstehen (vgl. dazu § 4 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 5 StVG).
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Die danach für alle drei vom Kläger angeführten Sachverhalte nur zu einer unechten Rückwirkung des „neuen“ Rechts führende Regelung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG ist – wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt – verfassungsrechtlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maße Rechnung tragen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 BvL 1/03 u.a. – BVerfGE 127, 31 <47 f.> sowie BVerwG, Urteil vom 14. April 2021 – 3 C 4.19 – juris Rn. 43, jeweils m.w.N.).
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Das ist bei dieser Neuregelung – wie der Senat im Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 – (BVerwGE 157, 235 Rn. 36 ff.) bereits ausgeführt hat – der Fall. Die Gesetzesänderung dient der Effektivierung des Fahreignungs-Bewertungssystems. Sie zielt auf eine Stärkung der Verkehrssicherheit (vgl. BT-Drs. 18/2775 S. 9 f.) und soll dazu beitragen, dass Fahrerlaubnisinhaber, die sich durch das Erreichen von acht oder mehr Punkten nach der Wertung des Gesetzgebers als ungeeignet erwiesen haben, auch tatsächlich vom Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen werden. Dieses Ziel ließe sich nur eingeschränkt erreichen, wenn die Neuregelung auf vor ihrem In-Kraft-Treten begangene, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig geahndete oder noch nicht im Fahreignungsregister gespeicherte Verkehrsverstöße nicht anwendbar wäre. Die Grenze der Zumutbarkeit bleibt für die Betroffenen dabei gewahrt. Ihre Erwartung, dass das der Gefahrenabwehr dienende Fahrerlaubnisrecht nicht zu ihrem Nachteil geändert werde, genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Überdies weist das Berufungsgericht darauf hin, dass sich auch bei Anwendung des alten Rechts auf die am 30. April 2013 begangene und vor dem Stichtag rechtskräftig geahndete, aber nicht in das Verkehrszentralregister eingetragene Ordnungswidrigkeit Punkte zulasten des Klägers ergeben hätten, die nach Maßgabe von § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG umzurechnen gewesen wären; das hätte zum selben Punktestand wie nach neuem Recht geführt (vgl. UA S. 14 f.).
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c) Darüber hinaus rügt der Kläger (unter 6. der Beschwerdebegründung), dass in der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Tabelle, die das Berufungsgericht in den Tatbestand seines Urteils aufgenommen habe, der Punktestand falsch berechnet worden sei. Der Punktestand habe sich wegen der verspäteten Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar und weiterer Tilgungen verringert. Das habe das Berufungsgericht nicht erkannt, worin ein Verfahrensfehler liege. In einer unzutreffenden Punkteberechnung durch das Berufungsgericht, wie sie der Kläger hier geltend macht, läge jedoch kein Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sondern eine unzutreffende Anwendung materiellen Rechts. Dass damit einer der anderen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt sein könnte, macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich.
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d) Das Gleiche gilt, soweit der Kläger (unter 7. der Beschwerdebegründung) geltend macht, das Berufungsgericht habe übersehen, dass er am 4. Juni 2014 nicht verwarnt, sondern nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 StVG hätte ermahnt werden müssen, was eine weitere Punktereduzierung zur Folge habe. Dieses Vorbringen lässt weder ausdrücklich noch sinngemäß einen Bezug zu einem der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO erkennen.
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3. Abgesehen davon, dass es der Nichtzulassungsbeschwerde danach an einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg fehlt, hat der Kläger auch keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt die Gewährung von Prozesskostenhilfe voraus, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Darlegungslast liegt beim Antragsteller; er muss sich dabei des amtlich eingeführten Formulars bedienen (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO). Dieser Darlegungslast hat der Kläger nicht genügt. Er hat entgegen der Ankündigung seines Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 21. Dezember 2020 keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben und auch die erforderlichen Belege nicht beigebracht. Auch deshalb war sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe daher abzulehnen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 VwGO).