BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 17.12.2021, AZ 4 B 13/21, ECLI:DE:BVerwG:2021:171221B4B13.21.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 4. März 2021, Az: 1 LB 28/20, Urteil
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, 7. November 2018, Az: 8 A 775/17, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. März 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 110 000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage gegen die von der Beklagten als Baurechtsbehörde verfügte Einstellung von Umbauarbeiten im Bahnhof Schleswig und die nachfolgend angeordnete Baustellenversiegelung zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Landesbauordnung für Schleswig-Holstein (im Folgenden „LBO“) nach deren § 1 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 vorliegend anwendbar ist, und hat angenommen, dass sowohl eine Baugenehmigung als auch ein Planfeststellungsbeschluss erforderlich sind, wenn die Änderung eines dem Bahnbetrieb dienenden Gebäudes, mit der eine bahnfremde Nutzung ermöglicht werden solle, zugleich bahnbetriebsbezogene Auswirkungen habe. Denn die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes ende dort, wo das Bauvorhaben keinen Bezug zum Eisenbahnbetrieb mehr habe. Das sei hier für die beabsichtigte Nutzungsänderung als solche der Fall, also für alle baurechtlichen Fragen, die sich daraus ergäben, dass der Kläger im Bahnhofsgebäude eine Kultur- und Erlebnisgastronomie schaffen wolle. Eine Baugenehmigung für dieses Vorhaben besitze der Kläger nicht, weshalb eine Baueinstellungsverfügung gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO habe ergehen können. Hierfür sei die Beklagte als untere Bauaufsichtsbehörde zuständig gewesen (§ 58 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 LBO i.V.m. § 1 der 8. VO-LBO).
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Im Hinblick hierauf hält der Kläger Fragen zur Zuständigkeit der Beklagten für Maßnahmen der Bauaufsicht (Fragen 1 und 2 sowie Fragen 3 und 4), zur Erforderlichkeit einer gesonderten Baugenehmigung für die mit dem Vorhaben verfolgten (auch) bahnfremden Nutzungen neben einem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss (Fragen 5 und 6) sowie zum Prüfungsprogramm von Baugenehmigung und Planfeststellungsbeschluss (Frage 7 mit Varianten) für grundsätzlich klärungsbedürftig. Keine der aufgeworfenen Fragen rechtfertigt indessen die Zulassung der Revision.
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Grundsätzlich bedeutsam i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, siehe z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 – 4 B 27.19 – ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 – 4 BN 3.20 – juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.
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1. a) Ein Klärungsbedarf wird hinsichtlich der Fragen (5 und 6) nach der Zulässigkeit eines Nebeneinanders von Planfeststellungsbeschluss und Baugenehmigung bei einer einheitlichen, baukonstruktiv nicht teilbaren Baumaßnahme nicht aufgezeigt.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Maßnahme in ihrer konkreten Ausgestaltung nur dann durch einen Planfeststellungsbeschluss zugelassen werden, wenn dies in einer Rechtsnorm vorgesehen ist und die Maßnahme die speziellen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm für ein planfeststellungsfähiges Vorhaben erfüllt (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 – 7 C 11.12 – BVerwGE 151, 213 Rn. 19). Ein Planfeststellungsverfahren auf der Grundlage des § 18 Satz 1 AEG in der hier maßgeblichen Fassung durch das Gesetz vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) – AEG a.F. – (insofern inhaltsgleich mit § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG in der aktuellen Fassung) kommt somit nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem Vorhaben um Betriebsanlagen einer Eisenbahn handelt. Maßgebliches Kriterium hierfür ist unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse die Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d.h. die Verkehrsfunktion und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 a.a.O. Rn. 36 m.w.N.).
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Bei gemischt genutzten Anlagen, also solchen, die nach diesen Maßstäben sowohl Bahnzwecken als auch anderen (bahnfremden) Zwecken dienen, kann die für die Planfeststellung zuständige Behörde den Bau oder die Änderung einer solchen Anlage im Wege der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nur für eisenbahnbetriebsbezogene Nutzungen zulassen; nur diese Nutzung wird vom Zweck der Planfeststellungsermächtigung erfasst, und nur soweit reicht der Planfeststellungsvorbehalt. Soll eine Anlage in nicht unwesentlichem Umfang für bahnfremde Zwecke genutzt werden, fehlt dieser Nutzung die erforderliche Eisenbahnbetriebsbezogenheit; die Zulassung der Anlage – auch – für diesen Nutzungszweck kann von einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung – trotz der hiermit einhergehenden Genehmigungs- und Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) – nicht umfasst werden (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 a.a.O. Rn. 39; siehe auch Kraft, DVBl 2000, 1326 <1328>). Auch unter dem Gesichtspunkt der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ermächtigt § 18 AEG (a.F.) nicht zu einer umfassenden Planfeststellung bei Mischnutzungen von Bahngelände (Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 72 Rn. 33). Aus § 78 VwVfG folgt nichts anderes (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 a.a.O. Rn. 40). Für die Planfeststellung nicht zugängliche Nutzungen bedarf es folglich anderer Zulassungsentscheidungen, die etwa auf der Grundlage der Vorschriften des Baurechts von der dafür zuständigen Behörde, ggf. im Einvernehmen mit der Gemeinde (§ 36 BauGB), zu treffen sind (BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 a.a.O. Rn. 40 und vom 16. Dezember 1988 – 4 C 48.86 – BVerwGE 81, 111 <119>).
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b) Die hieran anschließenden Fragen (7) nach einem über das Bauplanungsrecht hinaus auch das Bauordnungsrecht umfassenden Prüfungsprogramm der Baugenehmigung und deren Verhältnis zur Planfeststellung führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Sie sind nicht entscheidungserheblich, weil sich diese Fragen im Rahmen eines Verfahrens um die Anfechtung einer Baueinstellungs- und einer Versiegelungsanordnung nicht stellen.
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2. a) Hinsichtlich der Fragen (1 und 2) nach einer (ausschließlichen) Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für Maßnahmen der Bauaufsicht, die sich auf baukonstruktiv untrennbare Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf die für den Eisenbahnbetrieb genutzten Teile des Bahnhofsgebäudes beziehen, ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung ebenso wenig dargelegt.
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Die Fragen, die sich auf ein „überlagerndes Nebeneinander“ der Mischnutzung beziehen, setzen voraus, dass durch die Baumaßnahmen Statik, Brandschutz oder Beheizung des Bahngebäudes betroffen seien. Das hat das Oberverwaltungsgericht im angegriffenen Urteil aber nicht festgestellt. Es hat die Eisenbahnbetriebsbezogenheit der vom Kläger vorgenommenen Baumaßnahmen vielmehr daran festgemacht, dass von den geplanten Umbauten die Bahnhofshalle als Wartebereich für Reisende und als Durchgang zur Fahrkartenverkaufsstelle und zu den Gleisen betroffen sei (UA S. 22). Die Revision kann aber nicht in Bezug auf Fragen zugelassen werden, deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 BN 36.15 – juris Rn. 12).
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Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht unter Anwendung des irrevisiblen Landesrechts ausgeführt, dass bereits das Fehlen der erforderlichen Baugenehmigung die Baueinstellung rechtfertigt. Es kommt folglich nicht darauf an, welche Punkte beim Erlass dieser Baugenehmigung zu prüfen wären. Wie auf rein betriebsbezogene Auswirkungen einer auf bahnfremde Nutzungen bezogenen Baueinstellung zu reagieren ist, bleibt wiederum dem Eisenbahn-Bundesamt vorbehalten.
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b) Schließlich ist auch in Bezug auf die Fragen (3 und 4), welche Behörde für die Bauaufsicht über Baumaßnahmen zuständig ist, soweit diese – in abtrennbarer Weise im Sinne einer „nebengeordneten Mischnutzung“ – bahnbetriebsbezogene Nutzungen betreffen oder diesen dienen, die Entscheidungserheblichkeit nicht dargetan. Denn auch hierzu fehlt es an entsprechenden Feststellungen im angegriffenen Urteil.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.