BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 14.12.2021, AZ 4 B 10/21, ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B4B10.21.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 31. August 2020, Az: 20 A 1923/11, Urteil
vorgehend VG Düsseldorf, 25. Mai 2011, Az: 3 K 1599/07, Urteil
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. August 2020 werden zurückgewiesen.
Die Klägerinnen zu 1 und 2 sowie die Kläger zu 3 und 4 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerden bleiben erfolglos.
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I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerden – aus teils unterschiedlichen Gründen – beimessen.
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Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 – 4 B 27.19 – ZfBR 2020, 173 Rn. 4).
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1. Die von den Klägerinnen zu 1 und 2 aufgeworfene Frage,
ob eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit im Sinne des § 22 UVPG n.F. (§ 9 Abs. 1 UVPG a.F.) erforderlich ist, soweit die Planfeststellungsbehörde in einem ergänzenden Verfahren die Erforderlichkeit des Vorhabens im Sinne der Planrechtfertigung, die Trassenführung, die technische Sicherheit der Anlage, die Erdbebensicherheit und die Umweltbilanz des Gesamtvorhabens umfassend gutachterlich untersuchen und die Ergebnisse zur Grundlage einer erneuten Abwägungsentscheidung machen will,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Wann § 9 Abs. 1 UVPG eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit verlangt, ist rechtsgrundsätzlich geklärt.
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Maßgeblich ist § 9 Abs. 1 UVPG in der Fassung des Gesetzes, die vor dem 16. Mai 2017 galt (UVPG a.F.). Nach dessen Satz 4 kann bei einer Änderung der nach § 6 UVPG a.F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Öffentlichkeit jedenfalls dann neu beteiligt werden muss, wenn nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten stattfindet (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 – 9 A 9.15 – BVerwGE 155, 91 Rn. 34). Dies beurteilt sich danach, ob bereits die ursprünglichen Unterlagen die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG a.F. nötige Anstoßwirkung entfalten oder ob eine solche erstmalig von den neuen Unterlagen ausgeht. Die Anstoßwirkung soll den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen, durch Einbeziehung von Meinungsäußerungen und Bedenken der Öffentlichkeit zu Umweltbelangen den behördlichen Entscheidungsprozess besser und transparenter zu gestalten. Sie setzt voraus, dass die Unterlagen potenziell Betroffenen und den anerkannten Vereinigungen die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihre Belange oder ihre satzungsgemäßen Interessen von den Umweltauswirkungen betroffen werden können (BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 – 4 A 14.19 – juris Rn. 19 m.w.N.).
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Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass Umweltbelange entweder nicht betroffen sind oder nicht wesentlich weitergehend oder anders ermittelt und bewertet wurden, als dies in den ursprünglichen Antragsunterlagen bereits geschehen war (UA S. 80 ff. sowie S. 74 ff.). Sofern die Klägerinnen diese Bewertung nicht teilen, machen sie eine fehlerhafte Rechtsanwendung geltend; darauf kann ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht gestützt werden (BVerwG, Beschluss vom 20. März 2012 – 4 BN 39.11 – ZfBR 2012, 476 <477>).
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Auch die Beschwerde der Kläger zu 3 und 4 zeigt mit ihrer ähnlichen, aber in der Formulierung abweichenden Frage insoweit keine grundsätzliche Bedeutung auf. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
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2. Die Frage,
ob sich die Notwendigkeit der erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens gem. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG unter Berücksichtigung des Regelungsgehaltes des § 76 Abs. 2 und 3 VwVfG danach bestimmt, ob das ergänzende Verfahren im Ergebnis zu einer wesentlichen Änderung geführt hat oder danach, ob wesentliche Inhalte des Planfeststellungsbeschlusses im Rahmen der Planergänzung erneut beurteilt und einer erneuten Abwägung unterzogen werden sollen,
bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 1999 – 4 B 72.99 – BVerwGE 109, 268 <270> und vom 16. Juli 2019 – 4 B 9.19 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 39 Rn. 4 m.w.N.).
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Die Behörde kann in einem Planfeststellungsverfahren jederzeit einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten Mangel beseitigen, indem sie das Verfahren wieder aufnimmt und erneut zu Ende führt. Das ergänzende Verfahren zur Fehlerbehebung ist kein Änderungsverfahren im Sinne des § 76 VwVfG, sondern ein unselbständiger Teil des einheitlichen Planfeststellungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 – 4 C 19.95 – BVerwGE 102, 358 <360 f.>, vom 14. November 2002 – 4 A 15.02 – juris Rn. 16 insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 117, 149 und Beschluss vom 18. August 2005 – 4 B 17.05 – Buchholz 442.40 § 10 LuftVG Nr. 13 Rn. 9). Es führt nicht zwingend zu einer Änderung oder Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern kann auch mit seiner Bestätigung enden (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2020 – 4 VR 5.19 – juris Rn. 15).
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Da es sich bei dem ergänzenden Verfahren um eine teilweise Wiederholung des Planfeststellungsverfahrens handelt, gelten mit Blick auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt keine Besonderheiten: ob eine Planänderung eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig macht, richtet sich nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung hierüber verfügbaren Erkenntnissen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 – 4 C 19.95 – BVerwGE 102, 358 <362><zum Beteiligungsrecht eines anerkannten Naturschutzverbandes>). Anders ist das Oberverwaltungsgericht auch nicht vorgegangen. Es hat keine „ex-post-Betrachtung“ angestellt, sondern anhand der eingebrachten Änderungen geprüft, ob der Plan wesentlich geändert werden sollte und ob die Änderungen auf eine Änderung der Gesamtplanung zielten (UA S. 76 f.).
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3. Die von beiden Beschwerden der Sache nach aufgeworfene Frage,
ob sich die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf einen bestimmten Teilaspekt eines Änderungsvorhabens beschränken darf, während andere Teilaspekte nach der UVP-Vorprüfung ausgenommen werden,
ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Denn das Oberverwaltungsgericht ist – für das Revisionsgericht bindend – nicht von Teilaspekten eines Änderungsvorhabens, sondern von eigenständigen Änderungsvorhaben ausgegangen.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG a.F. umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf verschiedene Schutzgüter. Nach § 2 Abs. 2 UVPG a.F. stellt neben Errichtung und Betrieb auch die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage ein Vorhaben im Sinne des Gesetzes dar. Für die Änderung UVP-pflichtiger Vorhaben besteht gemäß § 3e Abs. 1 UVPG a.F. eine UVP-Pflicht, wenn die in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebenen Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung selbst erreicht oder überschritten werden oder eine Vorprüfung des Einzelfalls ergibt, dass die Änderung nachteilige Umweltauswirkungen haben kann; in die Vorprüfung sind auch frühere Änderungen des UVP-pflichtigen Vorhabens einzubeziehen, für die nach der jeweiligen Fassung des Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Die Beschwerde ist der Auffassung, eine solche Prüfung habe für alle mit Antrag vom 19. April 2012 eingebrachten Änderungen einheitlich durchgeführt werden müssen und habe sich nicht auf die Änderung des Geo-Grid-Systems beschränken dürfen.
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Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bezieht sich der Änderungsantrag indes nicht auf ein als Gesamtheit zu betrachtendes Änderungsvorhaben. Die Beigeladene habe lediglich verschiedene (Änderungs-)Vorhaben gleichzeitig und parallel zueinander zur behördlichen Entscheidung gestellt. Die Eigenständigkeit dieser Änderungen werde durch ihre Einbeziehung in einen einzigen Zulassungsantrag jedenfalls dann nicht aufgehoben, wenn dem Antrag nicht zu entnehmen sei, dass sie als einheitliche Maßnahme und gerade in ihrem Zusammenhang gewollt sowie zur behördlichen Entscheidung gestellt würden. Letzteres sei hier nicht der Fall (UA S. 92 f.).
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Diese Auslegung des Änderungsantrags unterliegt als Tatsachenwürdigung nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Zu prüfen ist, ob das Tatsachengericht den Erklärungsinhalt nach den zu den §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln ermittelt hat und sich den Blick für die richtige Auslegung nicht durch eine fehlerhafte Vorstellung des Bundesrechts verstellt hat (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 C 35.13 – Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 74; vgl. auch Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 164 ff. m.w.N.). Gemessen daran ist die tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat insbesondere erkannt, dass der Träger eines Vorhabens grundsätzlich dessen Gegenstand bestimmt, ihm hierbei durch das materielle Planungsrecht aber Grenzen gesetzt werden (UA S. 92, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 – 7 A 1.15 – BVerwGE 156, 20 Rn. 35). Es hat geprüft, ob die einzelnen Änderungen im Hinblick auf ihr Zusammentreffen und Zusammenwirken hätten betrachtet werden müssen, um die Umweltauswirkungen zutreffend zu erfassen (UA S. 91). Außerdem hat es erwogen, ob einzelne Änderungen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a UVPG a.F. zusammengehören, weil sie einem gemeinsamen Themenbereich zuzuordnen sind. Dies sei nicht der Fall (UA S. 93 f.). Da auch im Übrigen keine Auslegungsfehler dargelegt oder feststellbar sind, ist der Senat an dieses Auslegungsergebnis gebunden, § 137 Abs. 2 VwGO.
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4. Nicht zur Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung führt die Frage,
ob die Enteignung privater Grundstücke der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 3 GG entspricht, wenn ein Landesgesetzgeber die Ziele des Vorhabens in Bezug auf die Gemeinwohldienlichkeit gesetzlich definiert, sich im Übrigen auf Regelungen mit dem Inhalt beschränkt, dass das enteignete Grundstück bzw. das im Wege der Enteignung eingetragene Recht in Form einer Grunddienstbarkeit nur für Zwecke des privatnützigen Vorhabens genutzt werden darf und eine Rückabwicklung der Enteignung nach endgültiger Aufgabe des Vorhabens erfolgt.
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Die Klägerinnen zu 1 und 2 möchten offenbar die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen vom 21. März 2006 – RohrlG – (GV. NRW S. 130) als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses prüfen lassen. Die Beschwerde legt aber die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht dar. Das Oberverwaltungsgericht hat sich mit der Frage befasst (UA S. 97 ff.) und dabei sowohl auf seinen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 28. August 2014 – 20 A 1923/11 – als auch den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Dezember 2016 – 1 BvL 10/14 – (NVwZ 2017, 399) verwiesen. Mit dieser Prüfung hat sich die Beschwerde nicht auseinandergesetzt. Der Hinweis auf ein Gutachten, wonach der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts kompetenzwidrig ergangen und fehlerhaft sei, genügt den Anforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.
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5. Die Frage,
ob das (fach-)planungsrechtliche Abwägungsgebot verlangt, dass negative Auswirkungen eines Vorhabens auf den Verkehrswert benachbarter Grundstücke in der im Zuge eines fachplanungsrechtlichen Zulassungsverfahrens (z.B. eines Planfeststellungsverfahrens nach den §§ 65 ff. UVPG) durchzuführenden Abwägung zu berücksichtigen sind, wenn diese Grundstücke weder unmittelbar in Anspruch genommen werden noch der Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG eröffnet ist,
ist nicht entscheidungserheblich, weil sie sich auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde.
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Verkehrswertminderungen, die durch eine Veränderung des Wohnumfeldes bewirkt werden, stellen für sich genommen keinen eigenständigen Posten dar, der in der Abwägung von vornherein berücksichtigt werden müsste (BVerwG, Urteile vom 24. Mai 1996 – 4 A 39.95 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 S. 19 und vom 28. März 2007 – 9 A 17.06 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 64 Rn. 21; Beschlüsse vom 9. Februar 1995 – 4 NB 17.94 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 102 S. 34 sowie vom 28. Februar 2013 – 7 VR 13.12 – UPR 2013, 345 Rn. 22). Sofern sich demgegenüber faktische vorhabenbedingte Beeinträchtigungen, beispielsweise Immissionen oder konkrete Standort- und Lagenachteile auf das Grundstück auswirken und damit den Verkehrswert mindern, kann ein solcher planbedingter Wertverlust als privater Belang im Rahmen der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen sein, und zwar auch dann, wenn ein finanzieller Ausgleich nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht geboten ist. Dem Planungsträger bleibt es unbenommen, solche Wertminderungen nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen hinter gegenläufige Interessen zurücktreten zu lassen, sofern er hierbei nicht eine äußerste, durch Abwägung nicht überwindbare Schwelle überschreitet (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 404 und Beschluss vom 9. Februar 1995 – 4 NB 17.94 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 102 S. 34).
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Diesen Anforderungen ist die Planfeststellungsbehörde nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gerecht geworden. Danach bringe die Verweisung auf das Enteignungs- und Entschädigungsverfahren zum Ausdruck, dass der Ausgleich von Wertverlusten abschließend in diesem Verfahren stattfinden solle und im Übrigen nicht für angemessen erachtet werde. Das betreffe den Wertverlust nicht allein von Grundstücken, die für das Vorhaben genutzt würden, sondern auch von Grundstücken in der Nachbarschaft des Vorhabens. Die Planfeststellungsbehörde lasse das Problem lediglich benachbarter Grundstücke nicht außer Acht, sondern halte einen finanziellen Ausgleich aufgrund des öffentlichen Interesses an dem Vorhaben nicht für angezeigt. Das Interesse an der Vermeidung rein wirtschaftlicher Einbußen habe nicht weitergehend berücksichtigt werden müssen (UA S. 229 f.). Die Behörde könne auch davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Interessen im Enteignungs-/Entschädigungsverfahren angemessen berücksichtigt würden. Die Kläger hätten nicht substantiiert aufgezeigt, dass sich ihre wirtschaftliche Situation oder diejenige sonstiger Betroffener trotz einer wegen Enteignung zu leistenden Entschädigung erheblich verschlechtern werde. Für die Behauptung, die Verlegung der Rohrleitung werde sich für ihre Grundstücke und die Grundstücke anderer Betroffener in einem Umfang von mehr als 20 % wertmindernd auswirken, sei eine tatsächliche Grundlage weder dargetan noch sonst ersichtlich (UA S. 230).
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Auf der Grundlage dieser – nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen – Feststellungen ist die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht erkennbar.
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II. Eine Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu dem Urteil des Senats vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – (BVerwGE 125, 116) ist nicht dargetan.
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Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26).
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Die Beschwerde der Kläger zu 3 und 4 entnimmt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts den abstrakten Rechtssatz, dass Wertminderungen eines Grundstücks in der Abwägung nicht berücksichtigt werden müssen. Diesen Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht indes nicht aufgestellt, sondern unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats, zu der die Divergenz bestehen soll, erkannt, dass vorhabenbedingte faktische Beeinträchtigungen der betroffenen Grundstücke in die Abwägung einzustellen sein können (UA S. 231). Die Ausführungen, an denen die Beschwerde Anstoß nimmt, befassen sich mit der Frage, ob eine Planfeststellungsbehörde von Amts wegen Auswirkungen eines Vorhabens auf den Verkehrswert von in der Nähe gelegenen Grundstücken ermitteln und in die Abwägung einstellen muss. Anlass für eine solche Untersuchung hat die Vorinstanz angesichts des Umstandes, dass von dem Vorhaben bei anforderungsgerechtem Betrieb keine Immissionen ausgehen, nicht gesehen (UA S. 231 f.). Darin liegt keine Abweichung zu der Rechtsprechung des Senats.
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III. Die Kläger zu 3 und 4 zeigen auch keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Sie sehen einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 und § 108 Abs. 1 VwGO darin, dass das Oberverwaltungsgericht ihre Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt hat, diese seien rechtsmissbräuchlich gestellt, weil sie nur eine Verschleppung des Prozesses bezweckt hätten. 84 von insgesamt etwa 140 Beweisanträgen geben sie im Wortlaut wieder. Die Beschwerde verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat sämtliche in der Beschwerdeschrift wiedergegebenen Beweisanträge ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2020 (BA XXV Bl. 6081 ff.) mit mehreren Begründungen abgelehnt. So spricht es sich aufgrund der vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen eigene Sachkunde zu, hält die Beweisanträge angesichts dieser Gutachten und Stellungnahmen sowie der technischen Regelwerke für nicht hinreichend substantiiert, für unerheblich, für auf nicht dem Beweis zugängliche Tatsachen gerichtet oder für nicht hinreichend bestimmt. Das angegriffene Urteil vertieft sich zudem in unterschiedlichen Zusammenhängen zu den Beweisanträgen der Kläger und lehnt diese aus jeweils im Einzelnen dargelegten selbständig tragenden (UA S. 189) Gründen ab (UA S. 123 f., 138, 143 f., 148, 154 ff., 158 f., 163 ff., 169, 171).
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Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels wäre nur möglich, wenn die Verfahrensrüge sich mit diesen Begründungen substantiiert auseinandergesetzt und – jeweils bezogen auf einen konkreten Antrag – alle Begründungen erfolgreich angegriffen hätte. Daran fehlt es.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.