1. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB kann auch in einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit… (Urteil des BGH 6. Zivilsenat)

BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 14.12.2021, AZ VI ZR 676/20, ECLI:DE:BGH:2021:141221UVIZR676.20.0

§ 826 BGB

Leitsatz

1. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB kann auch in einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegen. Nach deren Erfüllung setzt sich der Schaden in dem Verlust der aufgewendeten Geldmittel fort.

2. Zur Kausalität des sittenwidrigen Verhaltens für den eingetretenen Schaden, wenn der Käufer das mit einer unzulässigen Prüfstandserkennungssoftware ausgestattete Fahrzeug vor den von der VW AG im September 2015 ergriffenen Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit kaufte, den Kaufvertrag aber erst danach erfüllte.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Braunschweig, 31. März 2020, Az: 7 U 285/18
vorgehend LG Braunschweig, 14. Mai 2018, Az: 11 O 1463/17 (275)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 31. März 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

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Der Kläger kaufte von einem privaten Verkäufer einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Caddy. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass das Fahrzeug am 17. Oktober 2015 übergeben werden und der Kläger eine sofort fällige Anzahlung in Höhe von 300 € sowie eine Restzahlung in Höhe von 23.000 € bei Übergabe des Fahrzeugs leisten solle. Die Fahrzeugübergabe und die (Rest)Kaufpreiszahlung erfolgten vereinbarungsgemäß Mitte Oktober 2015.

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Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgerüstet. Die Motorsteuerung war mit einer das Abgasrückführungsventil steuernden Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wurde, und in diesem Falle in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid-optimierten Modus, schaltete. In diesem Modus fand eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltete der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

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Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 und ordnete Mitte Oktober 2015 einen Rückruf an, der auch das Fahrzeug des Klägers betraf. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah. Der Kläger ließ das Software-Update im Jahr 2016 durchführen.

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Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug bereits im Juli 2015 gekauft, den Kaufvertrag jedoch erst bei Abholung des Fahrzeugs im Oktober 2015 unterzeichnet zu haben. Mit seiner Klage begehrt er die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

7

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu. Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB scheitere am Zeitpunkt und an den Umständen des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger. Allerdings könne nach der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2020 nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug erst am 14. Oktober 2015 geschlossen worden sei. Zwar trage die als Anlage K 1 zur Akte gereichte Kopie des Kaufvertrags – im Gegensatz zu dem Datum vom 16. Juli 2015 über der nicht mit einer Unterschrift versehenen Unterschriftszeile des Verkäufers – über der ebenfalls nicht mit einer Unterschrift versehenen Unterschriftszeile des Käufers das Datum vom 14. Oktober 2015. Das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Original des Kaufvertrags weise jedoch über der Unterschriftszeile des Käufers das Datum vom 20. Juli 2015 aus. Zudem habe der Kläger in seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass er das von einem Werksangehörigen erworbene Fahrzeug schon vor der Freigabe durch die Beklagte gekauft, den Kaufvertrag jedoch erst bei Abholung unterzeichnet habe. Zwar verblieben danach Unklarheiten hinsichtlich der verschiedenen Daten auf den beiden Kaufvertragsexemplaren. Jedoch folgten aus den neuen Informationen in der mündlichen Verhandlung konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger schon im Juli 2015 eine kaufrechtliche Verpflichtung im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug eingegangen sei.

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Dennoch stehe der Umstand, dass dem Kläger das Fahrzeug erst Mitte Oktober 2015, mithin mehr als drei Wochen nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen, übergeben worden sei, einem durch eine – unterstellte – Täuschung der Beklagten verursachten Vermögensschaden entgegen. Dabei habe der Berufungssenat die Angaben des Klägers berücksichtigt, er habe gewusst, dass es so etwas wie eine Dieselproblematik gebe, und der Verkäufer habe auf seine Nachfrage erklärt, das Fahrzeug falle nicht darunter. Der Berufungssenat habe auch berücksichtigt, dass der Kläger angegeben habe, Werkstätten hätten nichts sagen können und er habe die Betroffenheit seines Fahrzeugs nicht im Internet recherchiert. Ein – unterstellter – Vermögensschaden des Klägers aufgrund des Erwerbs des Fahrzeugs habe sich aber erst in dem Moment manifestiert, in dem er als Gegenleistung für die Übereignung des Fahrzeugs dem Verkäufer den Kaufpreis ausgehändigt habe. Das Fahrzeug habe wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung einen Mangel aufgewiesen, weswegen dem Kläger Gewährleistungsrechte und bei Kenntnis vor Übergabe jedenfalls ein Recht zur Verweigerung der Kaufpreiszahlung bis zur Mängelbeseitigung zugestanden habe. Tatsächlich habe der Kläger das Fahrzeug aber ohne Geltendmachung dieser Rechte entgegengenommen, obwohl er Kenntnis von der Dieselproblematik gehabt habe. Er habe sich dabei, obwohl ihm Werkstätten keine Auskunft hätten erteilen können, auf eine – der Beklagten nicht zuzurechnende – verneinende Auskunft des privaten Verkäufers des Fahrzeugs verlassen und nicht die Möglichkeit genutzt, die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs auf einer Internetseite zu überprüfen, die die Beklagte der Öffentlichkeit Anfang Oktober 2015 bekannt gemacht habe. Gerade angesichts der Tatsache, dass Angaben eines privaten Verkäufers von dem Interesse geprägt seien, das Fahrzeug zu verkaufen, habe es nahegelegen, nicht auf diese zu vertrauen, sondern über allgemein zugängliche Informationsquellen, mithin auch die Internetseite der Beklagten, die Betroffenheit des Fahrzeugs weiter zu klären. Der Umstand, dass der Kläger dies unterlassen habe, spreche dafür, dass eine etwaige Betroffenheit seines Fahrzeugs von den Abgasmanipulationen für ihn nicht von entscheidender Bedeutung gewesen sei und er die abschließende, den Schaden manifestierende Vermögensverfügung unabhängig von einer etwaigen Täuschung vorgenommen habe, was die Kausalität zwischen einer hier unterstellten Täuschung der Beklagten gegenüber dem Kläger und eines bei Abschluss des Kaufvertrags möglicherweise noch bestehenden, darauf beruhenden Irrtums des Klägers und dem endgültigen Vermögensschaden unterbrochen habe.

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Wegen des Zeitpunkts und der Umstände des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger seien auch die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht gegeben. Es fehle bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen. Im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit im Hinblick auf einen mittelbar geschädigten Anspruchsteller sei der Schutzzweck der verletzten Norm zu berücksichtigen. Die durch die Verwendung der Softwaresteuerung verletzten Normen – die VO (EG) 715/2007 und die dazu ergangenen nationalen Umsetzungsvorschriften – dienten aber nicht dem Schutz der hier geltend gemachten individuellen Vermögensinteressen des einzelnen Verbrauchers. Weiter sei zu berücksichtigen, dass Gebrauchtwagenkäufer so weit vom Produktionsprozess und Inverkehrbringen des Fahrzeugs entfernt seien, dass ihre Betroffenheit von dem sittenwidrigen Verhalten rein zufällig sei.

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Weiter stehe einer Haftung der Beklagten der bereits zum Betrugstatbestand ausgeführte Umstand entgegen, dass sich der Schaden des Klägers erst mit der Erfüllung des ggf. schon im Juli 2015 geschlossenen Kaufvertrags durch Zahlung des Kaufpreises manifestiert habe und der Kläger zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem sog. Abgasskandal gehabt habe, das Fahrzeug aber trotzdem gegen Zahlung des Kaufpreises entgegengenommen habe. Es fehle an einer Kausalität eines etwaigen haftungsbegründenden sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten für die haftungsbegründende Schädigung. Die zeitlichen Abläufe und die bereits zuvor aufgeführten Umstände der Abwicklung des Kaufvertrags sprächen gegen die Behauptung des Klägers, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis der Sachlage nicht erworben. Ein Kunde, dem der Dieselskandal bekannt gewesen sei, hätte, wenn die genannten Gesichtspunkte für ihn tatsächlich von Bedeutung gewesen wären, vor Zahlung des Kaufpreises und Entgegennahme des Fahrzeugs die im Zeitpunkt der Abholung des Fahrzeugs schon bestehenden Erkenntnismöglichkeiten genutzt, um zu klären, ob das Fahrzeug von der Dieselthematik betroffen gewesen sei; er hätte sich nicht auf die Aussage des Verkäufers verlassen, dass dies nicht der Fall sei.

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Unabhängig davon führe der Entschluss des Klägers, das Fahrzeug trotz der ihm bekannten Dieselproblematik entgegenzunehmen und den Kaufpreis zu zahlen, ohne weitere Erkenntnisquellen, u.a. auf der Internetseite der Beklagten, auszuschöpfen, zu einer Unterbrechung der Kausalität zwischen einem etwaigen sittenwidrigen Verhalten der Beklagten und der Manifestation des Schadens beim Kläger. Dem stehe auch nicht der Rechtsgedanke der Herausforderung entgegen. Denn das vom Kläger geltend gemachte sittenwidrige Verhalten der Beklagten habe die Erfüllung des Vertrages durch den Kläger nicht mehr herausfordern können, nachdem die Abgasmanipulation bekannt geworden sei und die Beklagte die in ihrem Schriftsatz vom 29. Januar 2019 unbestritten vorgetragenen Maßnahmen ergriffen habe. Abgesehen davon scheitere ein Anspruch aus § 826 BGB daran, dass wegen des durchgeführten Software-Updates kein Schaden im Sinne des § 249 BGB mehr bestehe.

II.

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Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus §§ 826, 31 BGB nicht verneint werden.

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1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, es fehle bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen.

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a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der in einer Gesamtschau durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., s. nur Senatsurteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (Senatsurteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es maßgeblich darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (Senatsurteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 20. Februar 1979 – VI ZR 189/78, VersR 1979, 526, juris Rn. 18). Ob das Verhalten des Anspruchsgegners sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist dabei eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des Revisionsgerichts unterliegt (Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 14; Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 15, jeweils mwN).

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b) Nach diesen Grundsätzen ist das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Verhältnis zum Kläger auf der Grundlage des mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Klägers als sittenwidrig zu qualifizieren.

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aa) Das Berufungsgericht hat konkrete Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass der Kläger den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug bereits im Juli 2015 abgeschlossen hat; es hat den entsprechenden Sachvortrag des Klägers in der Folge als richtig unterstellt. Hiervon ist auch in der Revisionsinstanz auszugehen.

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bb) Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil hatte der Kläger geltend gemacht, die für die Beklagte handelnden Personen hätten aus einem als moralisch verwerflich einzustufenden Gewinnstreben heraus die Entwicklung und den Einbau einer Softwaresteuerung veranlasst, die durch eine Abgasrückführung ausschließlich in der Prüfsituation zur Einhaltung des NOx-Grenzwertes geführt habe. Hierdurch sei der Eindruck erzeugt worden, die NOx-Emissionen lägen ohne die künstlich erhöhte Abgasrückführung im Normalbereich, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten, Herr Prof. Dr. W., habe Ende 2006 entschieden, dass eine motorschützende Optimierung des Abgasrückführungssystems unmöglich sei, und Kenntnis von dem Einsatz der „Schummelsoftware“ durch die Entwicklungsingenieure gehabt. Die für die Beklagte handelnden Personen hätten dabei über einen erheblichen Wissensvorsprung bezüglich der unzulässigen Abschalteinrichtung verfügt, während die Autokunden auf einen gesetzeskonformen Betrieb des Fahrzeugs mit einer EG-Typgenehmigung vertraut hätten. Das Verhalten der Beklagten habe nur dazu gedient, sich auf rechtswidrigem Wege Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und Unternehmensgewinne zu steigern.

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Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zum Kläger, der sein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug nach dem in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt vor den von der Beklagten im September 2015 ergriffenen Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit kaufte und zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von der illegalen Abschalteinrichtung hatte, objektiv sittenwidrig; es steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Klägers in der Bewertung gleich (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 16 mwN). Der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug als Gebrauchtwagen kaufte und damit lediglich mittelbar geschädigt wurde, ändert daran nichts (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 25; vom 18. Mai 2021 – VI ZR 452/19, VersR 2021, 1116 Rn. 10; vom 27. Juli 2021 – VI ZR 698/20, juris Rn. 9). Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Annahme von Sittenwidrigkeit auch nicht entgegen, dass es sich bei den Vorschriften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt, die den Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts eines Fahrzeugerwerbers – also des Interesses, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verpflichtung veranlasst zu werden – bezwecken (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 11 ff.; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2021 – VI ZR 566/20, juris Rn. 7). Auf den Schutzzweck der §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV und der zur vollständigen Harmonisierung der technischen Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der Europäischen Union kommt es im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB nicht an (Senatsurteile vom 27. Juli 2021 – VI ZR 698/20, juris Rn. 9; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 367/19, VersR 2020, 1331 Rn. 24).

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2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, es fehle an der Kausalität eines etwaigen sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten für die haftungsbegründende Schädigung, weil sich der Schaden des Klägers erst mit der Erfüllung des „ggf. schon im Juli 2015 geschlossenen Kaufvertrags“ durch Zahlung des Kaufpreises manifestiert und der Kläger zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem sog. Abgasskandal gehabt habe, das Fahrzeug aber trotzdem gegen Zahlung des Kaufpreises entgegengenommen habe.

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Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität den falschen Bezugspunkt gewählt. Denn der für die Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB erforderliche Schaden liegt auf der Grundlage des mangels abweichender Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Klägers bereits in der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung. Er gründet sich darauf, dass der Kläger durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten veranlasst wurde, einen Kaufvertrag abzuschließen, den er sonst nicht geschlossen hätte und den die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht. Dementsprechend ist der Schaden bereits mit der Eingehung der Verpflichtung durch Abschluss des ungewollten Vertrags und nicht erst mit Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 20. Juli 2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 17; VI ZR 633/20, WM 2021, 1657 Rn. 18; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 367/19, VersR 2020, 1331 Rn. 22; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 55, jeweils mwN).

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3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führte der Entschluss des Klägers, das Fahrzeug trotz der ihm bekannten „Dieselproblematik“ entgegenzunehmen und den Kaufpreis zu zahlen, ohne weitere Erkenntnisquellen zur Betroffenheit seines Fahrzeugs, u.a. auf der Internetseite der Beklagten, auszuschöpfen, auch nicht zu einer Unterbrechung des (haftungsausfüllenden) Zurechnungszusammenhangs.

22

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall – in dem der die Haftung aus § 826 BGB begründende Schaden in Form der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung bereits eingetreten ist und sich nach deren Erfüllung in dem Verlust der aufgewendeten Geldmittel lediglich fortsetzt (Senatsurteil vom 27. Juli 2021 – VI ZR 151/20, ZIP 2021, 1868 Rn. 24 mwN) – noch Raum für die Anwendung der Grundsätze über die Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs ist. Denn selbst wenn dies zu bejahen wäre, führten diese Grundsätze zu dem Ergebnis, dass der Beklagten der dem Kläger entstandene Schaden zuzurechnen ist.

23

b) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer dem in Rede stehenden schädigenden Ereignis noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden unmittelbar erst durch einen selbständigen Entschluss des Geschädigten verursacht wurde. Der Zurechnungszusammenhang bleibt in derartigen Fällen bestehen, wenn für den Entschluss des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder er durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen erweist (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2014 – II ZR 174/13, BGHZ 202, 26 Rn. 18; vom 2. Juli 2013 – II ZR 293/11, VersR 2013, 1589 Rn. 12; vom 14. Juni 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 44; vom 13. Oktober 2016 – IX ZR 149/15, NJW 2017, 1600 Rn. 11).

24

So verhält es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall. Für die Zahlung des (Rest)Kaufpreises in Höhe von 23.000 € durch den Kläger Mitte Oktober 2015 bestand ein rechtfertigender Anlass. Denn der Kläger hatte sich vertraglich hierzu verpflichtet. Soweit das Berufungsgericht darauf verweist, dem Kläger hätten wegen des in der unzulässigen Abschalteinrichtung liegenden Sachmangels Gewährleistungsrechte und bei Kenntnis vor Übergabe jedenfalls gemäß § 320 BGB ein Recht zur Verweigerung der Kaufpreiszahlung bis zur Mangelbeseitigung zugestanden, führt diese Erwägung bereits deshalb nicht weiter, weil der Kläger nach den getroffenen Feststellungen keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hatte, sondern auf die dies verneinende Auskunft des Verkäufers seines Fahrzeugs vertraut hatte. Die Erfüllung der von ihm zuvor eingegangenen vertraglichen Verpflichtung war danach in keiner Weise ungewöhnlich oder unangemessen.

25

4. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der mangels abweichender Feststellungen aufgrund des Sachvortrags des Klägers revisionsrechtlich zu unterstellende Schaden des Klägers auch nicht durch das später durchgeführte Software-Update wieder entfallen (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 2021 – VI ZR 698/20, juris Rn. 9 mwN). Diese nachträgliche Veränderung der Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes führt nicht dazu, dass der unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführte Vertragsschluss, der zum Schaden in Form der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung geführt hat, rückwirkend zu einem gewollten wird (vgl. Senat, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff., Rn. 58; vom 18. Mai 2021 – VI ZR 452/19, VersR 2021, 1116 Rn. 13; vom 20. Juli 2021 – VI ZR 633/20, WM 2021, 1657 Rn. 18).

III.

26

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

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