Kabelkanalanlagen II (Urteil des BGH Kartellsenat)

BGH Kartellsenat, Urteil vom 14.12.2021, AZ KZR 23/18, ECLI:DE:BGH:2021:141221UKZR23.18.0

§ 19 Abs 2 Nr 2 GWB

Leitsatz

Kabelkanalanlagen II

Sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB erfüllt, kann der dann tatbestandsmäßig vorliegende Missbrauch weder gesetzessystematisch noch nach Sinn und Zweck des § 19 GWB entfallen, weil das diskriminierte Unternehmen den Missbrauch durch eine Kündigung noch vertiefen und sich sodann auf das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB berufen könnte (Festhaltung BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – KZR 2/15, NZKart 2017, 198 – Kabelkanalanlagen).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 14. März 2018, Az: VI-U (Kart) 7/16, Urteil
vorgehend LG Köln, 11. Oktober 2016, Az: 90 O 87/12 (Kart)

Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. März 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen der Ansprüche für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2016 einschließlich der darauf gestützten Nebenansprüche abgewiesen ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ein vertraglich vereinbartes Entgelt für die Nutzung von Kabelkanalanlagen nach Maßgabe des Kartellrechts anzupassen ist. Die Klägerinnen betreiben Breitbandkabelnetze, über die sie Telefonie- und Internetdienste sowie digitales Fernsehen anbieten.

2

Das Breitbandkabelgeschäft der Deutsche Telekom AG wurde im Rahmen der Privatisierung in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg auf die Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen (diese und die Klägerinnen nachfolgend: Klägerinnen) übertragen. Die Kabelkanalanlagen, in denen die Breitbandkabel liegen, blieben im Eigentum der Deutsche Telekom AG und gingen später auf die Beklagte über (die Deutsche Telekom AG und die Beklagte nachfolgend: Beklagte). Ein Teil der Anteile an den Klägerinnen wurde 2000 an verschiedene Gesellschaften veräußert. Im Rahmen der Übertragung des Breitbandkabelgeschäfts und der Veräußerung der Anteile schlossen die Parteien Rahmenleistungsverträge und spezielle Leistungsvereinbarungen – sogenannte „Term Sheets“ – ab. Die Mitbenutzung der Kabelkanalanlagen durch die Klägerinnen und die Vergütung dafür ist Gegenstand von „Term Sheet 1“. Die Vergütung belief sich zunächst auf 6.674 DM pro Kilometer und Jahr, wobei die Längen der von den Klägerinnen genutzten Kabelkanalanlagen geschätzt wurden. Die „Term Sheet 1“ sind von den Klägerinnen mit einer Frist von 24 Monaten zum Jahresende ordentlich kündbar. Eine ordentliche Kündigung durch die Beklagte ist ausgeschlossen. 2002 und 2003 wurden die bei der Beklagten verbliebenen Anteile an den Klägerinnen veräußert. Gleichzeitig wurden die „Term Sheet 1“ neu verhandelt und die Vergütung für die Mitbenutzung der Kabelkanalanlagen jeweils auf 3.230,48 € pro Kilometer und Jahr gesenkt.

3

Auf der Grundlage eines Beschlusses der Bundesnetzagentur vom März 2011 war die Beklagte gegenüber anderen Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, zum Zwecke des Zugangs zum Teilnehmeranschluss am Kabelverzweiger den Zugang zu ihren Kabelkanälen zwischen dem Kabelverzweiger und dem Hauptverteiler zu gewähren, soweit hierfür die erforderlichen Leerkapazitäten vorhanden sind. Das dafür zu entrichtende Entgelt wurde von der Bundesnetzagentur zum 1. Juli 2011 mit 1.080 € pro Viertel-Rohr-km und Jahr genehmigt und für die Zeit ab dem 1. Juli 2016 auf 480 € reduziert.

4

Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die von ihnen gezahlte Vergütung für die Nutzung der Kabelkanalanlagen im Vergleich zu einem hypothetischen Wettbewerbspreis deutlich überhöht sei. Mit ihrer Klage nehmen sie die Beklagte auf Unterlassung, Rückzahlung überzahlter Entgelte seit 2009 und Feststellung einer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit der vom Senat in Bezug auf die Ansprüche für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2016 einschließlich der darauf gestützten Nebenansprüche zugelassenen Revision, mit der sie ihre Ansprüche weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die noch im Streit stehenden Ansprüche für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2016 betroffen sind.

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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit hier noch von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Die Klägerinnen hätten erstmals mit der 2013 zugestellten Klageschrift eine Preisanpassung mit der Begründung verlangt, das vertraglich vereinbarte Entgelt weiche von demjenigen ab, das sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde. Im Hinblick auf die Kündigungsfrist von 24 Monaten zum Jahresende komme daher allenfalls ab Januar 2016 eine Preisanpassung in Betracht. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte im Januar 2016 auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt für die Zurverfügungstellung von Kabelkanalanlagen noch marktbeherrschend gewesen sei und das Festhalten an den ursprünglich im freien Wettbewerb vereinbarten Entgelten ein Fordern im Sinn von § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB darstelle. Denn es liege kein kartellrechtswidriger Preishöhenmissbrauch vor. Eine etwaige Preisabweichung sei sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte habe ein durch den Grundsatz pacta sunt servanda sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG auch grundrechtlich geschütztes Interesse an der Erfüllung des im Wettbewerb und damit kartellrechtlich unbedenklich abgeschlossenen Vertrags. Zu ihren Gunsten sei zu berücksichtigen, dass Nutzungsentgelt und Unternehmenskaufpreis voneinander abhingen. Das Nutzungsentgelt sei mitbestimmend für den Unternehmensertrag gewesen, der wiederum den Kaufpreis bestimmt habe. Bei einem niedrigeren Nutzungsentgelt wäre der Ertrag und dementsprechend der Kaufpreis höher ausgefallen. Die Beklagte habe ein schützenswertes Interesse daran, dass der Vertrag in seiner Gesamtheit praktiziert werde, solange die Klägerinnen von dem ihnen eingeräumten Kündigungsrecht keinen Gebrauch machten. Die Klägerinnen seien nicht faktisch an der Kündigung gehindert, denn sie hätten nach der Kündigung einen gesetzlichen Mitbenutzungsanspruch aus § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB.

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II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Auf § 33 Abs. 1 und 3 bzw. § 33a Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB in der jeweils anwendbaren Fassung gestützte Ansprüche der Klägerinnen können mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

9

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es für die Frage, ob die Beklagte Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots nach § 19 Abs. 1 GWB ist, auf die Verhältnisse auf dem Markt für die Zurverfügungstellung von Kabelanlagen ankommt, in denen die Breitbandkabel der Klägerinnen verlegt werden können. Davon ist der Senat bereits in dem die weiteren Regionalgesellschaften betreffenden Parallelverfahren ausgegangen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – KZR 2/15, WRP 2017, 707 Rn. 17 ff.- Kabelkanalanlagen; zustimmend Bien/Jocham, WuW 2019, 186 187 f.; Fuchs, ZWeR 2019, 225, 234; Steinvorth, ZWeR 2017, 303, 311; Haus/Richter, N&R 2017, 149, 150; kritisch Podszun/Palzer, NZKart 2017, 559, 561). Daran wird festgehalten.

10

a) Nach dem Bedarfsmarktkonzept sind dem relevanten Markt alle Produkte und Dienstleistungen zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind. Wird durch den Erwerb längerfristig nutzbarer Investitionsgüter ein davon abgeleiteter spezifischer Bedarf des Erwerbers begründet, kommt es für die Marktabgrenzung entscheidend darauf an, welche Alternativen dem Nachfrager, nachdem er die Investitionsentscheidung getroffen hat, insoweit zur Verfügung stehen. Sachlich relevant ist danach hier der Markt für die Zurverfügungstellung von Anlagen zur Verlegung von Breitbandkabeln. Auf diesem Markt stehen sich die Klägerinnen als Nachfragerinnen und die Beklagte als Anbieterin gegenüber. Dabei ist der Bedarf der Klägerinnen durch die Mietverträge im vorliegenden Fall nicht „ein für allemal“ gedeckt, weil ihnen ein Recht zur ordentlichen Kündigung mit einer Frist von 24 Monaten zum Jahresende eingeräumt ist (WRP 2017, 707 Rn. 20 f. – Kabelkanalanlagen). Es kommt für die Marktabgrenzung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, dass die Klägerinnen nicht kündigen müssen. Entscheidend ist vielmehr, dass sie kündigen könnten. Das hat zur Folge, dass den Klägerinnen, nachdem sie ihre Investitionsentscheidungen getroffen haben, die Möglichkeit zu Gebote steht, die Nutzungsverträge zu beenden und sie daher der Beklagten auf dem genannten Markt gegenüberstehen.

11

b) Räumlich ist der Markt für die Nutzung von Anlagen, die zur Unterbringung von Breitbandkabeln geeignet sind, jeweils auf das Gebiet begrenzt, in welchem die von den Klägerinnen erworbenen Netze liegen (BGH, WRP 2017, 707 Rn. 22 f. – Kabelkanalanlagen)

12

2. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Klägerinnen kommt der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitraum auf den so bestimmten Märkten eine beherrschende Stellung im Sinne von § 18 Abs. 1 GWB zu. Danach gibt es keine anderen Kabelkanalanlagen, in denen die Klägerinnen ihre Breitbandkabel unterbringen könnten; solche Anlagen können angesichts der wirtschaftlichen und technischen Hürden auch nicht hergestellt sowie die bestehenden Breitbandkabel nicht verlegt werden.

13

3. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das in den Mietverträgen vereinbarte Entgelt, das die Beklagte von den Klägerinnen nach deren zum 1. Januar 2016 erfolgten Preisanpassungsverlangen für die Nutzung der Kabelkanalanlagen weiterhin verlangt, nicht nur unerheblich über demjenigen liegt, das sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt in der Geltendmachung des vereinbarten Entgelts ein Fordern im Sinn von § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB (BGH, NZKart 2017, 198 Rn. 25 – Kabelkanalanlagen; Fuchs, ZWeR 2019, 225, 238 f., 240 f.; ders. in Immenga/Mestmäcker, GWB, 6. Aufl., § 19 Rn. 208a). Mangels Feststellungen ist der Vortrag der Klägerinnen revisionsrechtlich zu unterstellen, das Entgelt von 3.230,48 € pro Kilometer und Jahr sei im Vergleich zu einem hypothetischen Wettbewerbspreis deutlich überhöht und betrage mehr als das Sechsfache der von der Bundesnetzagentur ermittelten Kosten von 500 € pro km und Jahr inklusive einer angemessenen Verzinsung. Feststellungen dazu, dass zwischen den Leistungen, für deren Inanspruchnahme die Bundesnetzagentur das Entgelt festgesetzt hat, und den in den Mietverträgen der Parteien festgelegten Leistungen sachliche Unterschiede bestehen, die einer Vergleichbarkeit von vornherein entgegenstehen würden, sind nicht getroffen (vgl. BGH, WRP 2017, 707 Rn. 28 – Kabelkanalanlagen).

14

4. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Weigerung der Beklagten, dem Verlangen der Klägerinnen nach einer Herabsetzung des Entgelts für die Benutzung der Kabelkanalanlagen nachzukommen, sei sachlich gerechtfertigt und damit keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.

15

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich die Frage, ob das Festhalten des Normadressaten an einem vertraglich vereinbarten nicht (mehr) wettbewerbskonformen Entgelt sachlich gerechtfertigt ist, aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bestimmt (BGH, WRP 2017, 707 Rn. 30 mwN – Kabelkanalanlagen).

16

b) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, dass das Festhalten der Klägerinnen an dem vertraglich vereinbarten Entgelt solange gerechtfertigt sei, als die Klägerinnen die Verträge nicht kündigten. Der Senat hat in dem die weiteren Regionalgesellschaften betreffenden Parallelverfahren (BGH, WRP 2017, 707 Rn. 41 – Kabelkanalanlagen) bereits entschieden, dass eine Überprüfung der Höhe der Miete nach Maßgabe von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht voraussetzt, dass die dortige Klägerin die Kündigung erklärt. Vielmehr genügt es, wenn sie eine Herabsetzung der Entgelte verlangt und zu diesem Zeitpunkt befugt gewesen wäre, den Vertrag zu kündigen. Daran hält der Senat fest.

17

aa) Das Berufungsgericht lässt außer Acht, dass die Klägerinnen sich auf die Missbräuchlichkeit des in den Mietverträgen vereinbarten Entgelts berufen. Es kommt folglich darauf an, ob das Entgelt unter Berücksichtigung des vereinbarten Leistungsumfangs von demjenigen abweicht, das sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde und damit missbräuchlich überhöht ist (vgl. auch Podszun/Palzer, NZKart 2017, 559, 566). Ist das der Fall und damit das Regelbeispiel des Preishöhenmissbrauchs gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB erfüllt, stehen den Klägerinnen auf dieser Grundlage die sich aus § 33 Abs. 1 und 3 bzw. § 33a Abs. 1 GWB in der jeweils anwendbaren Fassung ergebenden Ansprüche zu. Die vom Berufungsgericht angeführten verfassungsrechtlichen und zivilrechtlichen Grundsätze zum Schutz vertraglicher Leistungsansprüche treten dahinter aufgrund des gesetzlichen Verbots des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB zurück.

18

bb) Soweit das Berufungsgericht meint, für einen Schutz der Klägerinnen bestehe kein Bedürfnis, weil die Klägerinnen nach der Kündigung auf der Grundlage von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 GWB die weitere Mitbenutzung der Kabelkanalanlagen gegen ein angemessenes Entgelt verlangen könnten (vgl. auch Schwarze, NZKart 2018, 442, 444 f.), greift das nicht durch. Ist das Regelbeispiel der Nummer 2 gegeben, kann der dann tatbestandsmäßig vorliegende Missbrauch weder gesetzessystematisch noch nach Sinn und Zweck des § 19 GWB entfallen, weil das diskriminierte Unternehmen den Missbrauch durch die ihm faktisch nicht mögliche Kündigung noch vertiefen und sich sodann auf das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB berufen könnte (vgl. auch Bien/Jocham, WuW 2019, 186, 193; Fuchs ZWeR 2019, 225, 244, 247; ders. in Immenga/Mestmäcker, GWB, 6. Aufl., § 19 Rn. 236b). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verschaffen sich die Klägerinnen keinen ungerechtfertigten Vorteil dadurch, dass sie an dem Vertragswerk festhalten und (nur) den Preis als missbräuchlich überhöht angreifen. Zu einem solchen vom Berufungsgericht befürchteten „Rosinenpicken“ kann es schon deshalb nicht kommen, weil – wie bereits ausgeführt – bei der Beurteilung des Preishöhenmissbrauchs die vertraglich eingeräumten (Leistungs-)rechte zu berücksichtigen sind. Trifft es daher zu – wie die Beklagte geltend macht -, dass das Entgelt angesichts der den Klägerinnen in den „Term Sheet 1“ eingeräumten vertraglichen Rechte nicht missbräuchlich ist, kann sie seine Zahlung auf der Grundlage der „Term Sheet 1“ weiterhin verlangen.

19

cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt auch kein Widerspruch darin, dass die Klägerinnen aufgrund des ihnen eingeräumten Kündigungsrechts stärker geschützt werden, als wenn ihnen ein solches Kündigungsrecht nicht eingeräumt wäre. Grund dafür ist, dass sich der Bezugspunkt für die Marktabgrenzung bei Einräumung eines Kündigungsrechts verändert. Das spiegelt die Erwartungen der Parteien bei dem Abschluss des ersten, unter Wettbewerbsbedingungen geschlossenen Vertrags wider. Hatten die Klägerinnen ihren Bedarf durch die Mietverträge nicht „ein für allemal“ gedeckt, sondern durften sie sich davon lösen, war die Erwartung der Beklagten, eine Kündigung werde faktisch nicht in Betracht kommen – wie der Senat bereits entschieden hat – rechtlich nicht geschützt. Ein berechtigtes Amortisationsinteresse des Normadressaten und das damit einhergehende Interesse an einer angemessenen Mindestlaufzeit ist bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen (BGH, WRP 2017, 707 Rn. 31, 39 – Kabelkanalanlagen). Dagegen bleiben diejenigen, die sich unter Wettbewerbsbedingungen ohne ein Recht zur ordentlichen Kündigung „ein für allemal“ binden, entsprechend den beiderseitigen Erwartungen in den Grenzen von §§ 134, 138, 313, 314, 544 BGB und § 1 GWB, Art. 101 AEUV (vgl. auch Steinvorth, ZWeR 2017, 303, 314) gebunden. Im Übrigen könnte selbst der vom Berufungsgericht gesehene Widerspruch nicht zur Ablehnung eines tatbestandsmäßig vorliegenden Missbrauchs und damit zum Ausschluss der § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 2, § 33 Abs. 1 und 3, § 33a GWB führen.

20

III. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist es aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen zu treffen sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

21

Es kann nicht angenommen werden, dass – wie das Berufungsgericht in Bezug auf den bis zum 1. Januar 2016 verstrichenen Zeitraum gemeint hat – es sich bei den aufgrund der „Term Sheet 1“ geforderten Preisen um solche handelt, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Zwar wurden die Mietverträge im Jahr 2000 unter Wettbewerbsbedingungen ausgehandelt und abgeschlossen. Ferner wurde anlässlich des 2003 gleichfalls unter Wettbewerbsbedingungen erfolgten Erwerbs der weiteren Regionalgesellschaften für die Nutzung der dortigen Kabelkanalanlagen ein Entgelt von 3.410 € pro Kilometer und Jahr vereinbart. Die im Zusammenhang mit diesen Vertragsabschlüssen zwischen den Parteien ausgehandelten Preise für die Kabelkanalnutzung können aber schon wegen des dort anstelle des Markts für die Verlegung von Breitbandkabeln betroffenen Markts für Unternehmensübernahmen, der schmalen Vergleichsbasis und des großen zeitlichen Abstands nicht ohne weitere Feststellungen als aktuell geeignete Vergleichspreise angesehen werden (vgl. zum Parallelverfahren BGH, NZKart 2017, 198 Rn. 36 – Kabelkanalanlagen – sowie BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1986 – KVR 7/85, WRP 1987, 311 [juris Rn. 16 ff.] – Glockenheide). Hinzu kommt, dass anstelle einer rechtlich nicht vorrangigen Vergleichsmarktbetrachtung in Fällen der vorliegenden Art auch eine Kostenkontrolle zur Bestimmung des wettbewerbsanalogen Preises in Betracht zu ziehen ist (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – KVR 51/11, WuW/E DE-R 3632 [juris Rn. 12 f.] – Wasserpreise Calw; WRP 2017, 707 Rn. 27 – Kabelkanalanlagen; Nothdurft in Langen/Bunte, GWB, 13. Aufl., § 19 Rn. 167).

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