Anerkennung als Tierschutzorganisation (Beschluss des BVerwG 3. Senat)

BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 25.10.2021, AZ 3 B 13/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:251021B3B13.20.0

Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 137 Abs 1 VwGO

Verfahrensgang

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 12. März 2020, Az: 1 S 702/18, Urteil
vorgehend VG Stuttgart, 30. März 2017, Az: 4 K 2539/16, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. März 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

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1. Der Kläger begehrt die Anerkennung als Tierschutzorganisation nach dem Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen des Landes Baden-Württemberg (TierSchMVG BW).

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Mit Schreiben vom 27. November 2015 stellte er beim Regierungspräsidium Stuttgart einen hierauf gerichteten Antrag, den die Behörde am 19. Dezember 2016 ablehnte. Die zuvor erhobene Untätigkeitsklage hat das Verwaltungsgericht nach Umstellung auf einen Verpflichtungsantrag abgewiesen.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Anerkennung als mitwirkungs- und verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisation nach § 5 Abs. 1 Satz 2 TierSchMVG BW zu. Er biete nicht die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG BW erforderliche Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung. Darüber hinaus ermögliche der Kläger in tatsächlicher Hinsicht entgegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierSchMVG BW nicht jedem, der die Ziele des Vereins unterstütze, den Eintritt als Mitglied mit vollem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung.

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2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

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a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das ist in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2018 – 3 B 24.18 – VRS 134, 157 <159>).

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b) Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen

„Ist es mit der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 3 GG) vereinbar, im Rahmen der Anerkennungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG, vergleichbarer Regelungen in anderen Tierschutzverbandsklagegesetzen der Länder oder im Rahmen von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UmwRG eine Mindestzahl von 40 Mitgliedern zu fordern?“

und

„Ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, im Rahmen der Anerkennungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG BW eine Mindestzahl von 40 Mitgliedern zu fordern?“

betreffen keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft; die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit sowie die Entscheidungserheblichkeit in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 9 B 17.15 – NVwZ-RR 2015, 906 <906 f.>). Daran fehlt es hier.

8

Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Tierschutzverein biete die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG-BW notwendige Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, wenn die aufgrund der Anerkennung bestehenden Befugnisse zumindest zu einem erheblichen Teil von Mitgliedern mit vollem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung (ordentliche Mitglieder) wahrgenommen würden. Zweifel an der sachgerechten Aufgabenerfüllung seien indiziert und eine sehr sorgfältige Prüfung der weiteren Kriterien sei erforderlich, wenn die Zahl von 40 ordentlichen Mitgliedern unterschritten werde. Der Kläger habe nur sieben ordentliche Mitglieder; die weit überwiegende Anzahl seiner Mitglieder (rund 22 000) seien Fördermitglieder ohne volles Stimmrecht.

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Soweit der Kläger in dieser Auslegung des Landesrechts eine Überschreitung der Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung sieht und darin einen Verstoß gegen den in Art. 20 Abs. 2 GG bundesrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung sowie das (bundesrechtlich) in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleistete Rechtsstaatsprinzip erblicken möchte, werfen seine Darlegungen keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts auf. Die zu beiden Verfassungsgrundsätzen ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschlüsse vom 3. November 1992 – 1 BvR 1243/88 – BVerfGE 87, 273 <280> und vom 12. November 1997 – 1 BvR 479/92 und 307/94 – BVerfGE 96, 375 <394 f.>) sowie des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 14. September 1994 – 6 C 42.92 – BVerwGE 96, 350 <355>) stellt der Kläger nicht infrage, sondern bezeichnet den vom Bundesverwaltungsgericht zu Art. 20 Abs. 3 GG entwickelten Maßstab selbst als „anerkannt“. Das hier allein der revisionsrechtlichen Prüfung zugängliche Bundesverfassungsrecht ist somit auch aus Sicht des Klägers nicht klärungsbedürftig.

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Auch anhand der zweiten Frage arbeitet der Kläger keine abstrakte Rechtsfrage heraus, die sich auf den herangezogenen Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes im Bundesverfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) bezieht und durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Die vom Kläger aufgeworfene Frage hat vielmehr bezogen auf den bundesverfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab eine Einzelfallentscheidung zum Gegenstand, nämlich ob die Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG BW als Bestandteil des nicht revisiblen Landesrechts durch das Berufungsgericht im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Vereinen und Stiftungen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Dies wirft keine grundsätzliche Frage des revisiblen Rechts auf.

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Soweit der Kläger in der Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG BW durch das Berufungsgericht einen Verstoß gegen das im BGB bundesrechtlich geregelte Vereinsrecht sehen möchte, beziehen sich seine Darlegungen zum Klärungsbedarf gleichfalls ausschließlich auf das nicht revisible Landesrecht.

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Auch der Hinweis des Klägers auf vergleichbare Regelungen in Tierschutzverbandsklagegesetzen anderer Bundesländer ändert an der Irrevisibilität des hier in Rede stehenden Landesrechts nichts. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Landesgesetze irrevisibel sind, selbst wenn sie – was hier nicht der Fall ist – wortgleich sind, die Landesgesetzgeber in „konzertierter Aktion“ tätig geworden sind oder die Regelungen auf einem Musterentwurf beruhen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – 4 B 216.95 – BVerwGE 99, 351 <353 f.>). Um ein nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibles Landesverwaltungsverfahrensgesetz geht es hier nicht.

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Dass das Berufungsgericht seine Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG BW nach den Darlegungen des Klägers auf § 3 UmwRG gestützt bzw. auf diese Norm verwiesen hat, führt ebenfalls nicht zu einer klärungsbedürftigen Frage des Bundesrechts. Zwar enthält § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG hinsichtlich des Anerkennungskriteriums der Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung eine Bestimmung, die der des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TierSchMVG BW vergleichbar ist. Allerdings gilt das UmwRG nicht für Tierschutzorganisationen, sondern nur für Umweltverbände (zu seinem Anwendungsbereich vgl. § 1 i.V.m. § 2 UmwRG). Zudem hat sich das Berufungsgericht zwar an den bundesrechtlichen Regelungen orientiert und sie als Auslegungshilfe vergleichend herangezogen (UA S. 42: „vgl. zur Parallelvorschrift“; UA S. 43: „vgl. …“), es hat dem UmwRG aber nicht kraft eines Normnutzungsbefehls des Bundes bindende Vorgaben für die Auslegung des TierSchMVG BW entnommen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2015 – 9 B 17.15 – NVwZ-RR 2015, 906 <906 f.> und vom 10. September 2019 – 9 B 40.18 – juris Rn. 7; Urteil vom 9. Juli 2020 – 3 C 20.18 – BVerwGE 169, 142 Rn. 10).

14

c) Auch die weiteren vom Kläger aufgeworfenen Fragen

„Darf unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Vorgaben der Aarhus-Konvention im Rahmen von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 UmwRG und § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierSchMVG von einem Verein, der die Anerkennung als verbandsklageberechtigte Organisation begehrt, die Einhaltung eines ‚Jedermann-Prinzips‘ bzw. die Gewährleistung einer ‚demokratischen Binnenstruktur‘ gefordert werden?“

und

„Ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, im Rahmen der Anerkennungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierSchMVG von Vereinen, die die Anerkennung begehren, die Möglichkeit einer Mitgliedschaft mit vollem Stimmrecht zu fordern, wenn Stiftungen, die die Anerkennung begehren, diese Anforderungen nicht erfüllen müssen?“

erfüllen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht.

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Das Berufungsgericht ist – infolge der kumulativ zu erfüllenden Anerkennungsvoraussetzungen in einer selbständig tragenden Begründung – zu der Ansicht gelangt, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierSchMVG BW setze – insoweit der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 UmwRG vergleichbar – voraus, dass dem Verein jede Person als Mitglied mit vollem Stimmrecht beitreten könne, um eine demokratische Binnenstruktur sicherzustellen. Soweit es hierdurch zu einer Ungleichbehandlung von Vereinen und Stiftungen komme, sei dies aufgrund der unterschiedlichen Verfasstheit von Vereinen und Stiftungen sowie des Umstandes, dass Stiftungen der Aufsicht des Landes unterlägen, gerechtfertigt. Gerechtfertigt sei auch die ungleiche Behandlung von Vereinen, die überwiegend aus Fördermitgliedern bestünden, gegenüber solchen, die sich überwiegend aus ordentlichen Mitgliedern zusammensetzten. Da sich Tierschutzorganisationen nach dem Zweck der Vorschrift als möglichst plural zusammengesetzte Sachwalter der Allgemeinheit für den Tierschutz einsetzen sollten, dürften Vereinigungen, die sich nur einem begrenzten, einseitig zusammengesetzten Kreis von Interessenten öffneten, nicht anerkannt werden.

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Die erste auf die Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierSchMVG BW durch das Berufungsgericht bezogene Grundsatzrüge ist nicht entscheidungserheblich. Im hier zu entscheidenden Fall kommt es nicht darauf an, ob die Aarhus-Konvention bezogen auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 UmwRG ein „Jedermannprinzip“ oder eine „demokratische Binnenstruktur“ verlangt. Bindende Vorgaben für die Auslegung des TierSchMVG BW hat das Berufungsgericht dem UmwRG – wie bereits dargelegt – nicht entnommen.

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Auch die zweite auf die Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierSchMVG BW durch das Berufungsgericht bezogene Grundsatzrüge zeigt keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts auf. Der Kläger erblickt in den unterschiedlichen Maßgaben für die Anerkennung als Tierschutzorganisation bei Vereinen gegenüber Stiftungen sowie bei Vereinen, die überwiegend aus Fördermitgliedern bestehen, gegenüber solchen, die überwiegend aus ordentlichen Mitgliedern bestehen, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sein Vorbringen ist auf die Überprüfung der Auslegung einer landesrechtlichen Norm am Maßstab des Bundesverfassungsrechts gerichtet, ohne dass er Zweifel an diesem bundesrechtlichen Maßstab geltend macht, der allein der Klärung durch das Revisionsgericht zugänglich wäre.

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d) Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.