1a. Im Grundsatz können die Wohnungseigentümer ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum… (Urteil des BGH 5. Zivilsenat)

BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 15.10.2021, AZ V ZR 225/20, ECLI:DE:BGH:2021:151021UVZR225.20.0

§ 21 Abs 3 aF WoEigG, § 21 Abs 4 aF WoEigG, § 22 Abs 4 aF WoEigG

Leitsatz

1a. Im Grundsatz können die Wohnungseigentümer ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum Zwecke der Gefahrenabwehr beschließen.

1b. Auf Dauer kann die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums aufgrund von baulichen oder bauordnungsrechtlichen Mängeln (hier: Brandschutzmängel) jedenfalls dann nicht durch Mehrheitsbeschluss verboten werden, wenn dadurch die Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigt oder sogar ausgeschlossen wird; die Wohnungseigentümer können sich ihrer Verpflichtung zur Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen nicht durch ein mehrheitlich verhängtes Nutzungsverbot entziehen (Fortführung von Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 – V ZR 203/17, ZfIR 2018, 553 Rn. 21 f.).

2. Zerstört im Sinne von § 22 Abs. 4 WEG aF (nunmehr § 22 WEG) ist ein Gebäude nur dann, wenn seine Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse (wie Brand, Überflutung oder Explosion) wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist; die Sanierungspflichten der Wohnungseigentümer, die aus der Überalterung bzw. der mangelnden Instandhaltung des Gebäudes herrühren, werden durch die Vorschrift nicht begrenzt.

Verfahrensgang

vorgehend LG München I, 7. Oktober 2020, Az: 1 S 9173/17 WEG, Urteil
vorgehend AG Augsburg, 24. Mai 2017, Az: 31 C 4282/16 WEG

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des Landgerichts München I – 1. Zivilkammer – vom 7. Oktober 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, und das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 24. Mai 2017 geändert.

Der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 25. Oktober 2016 zu TOP 10 gefasste Beschluss wird insgesamt für ungültig erklärt.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das gemeinschaftliche Grundstück ist mit einem Parkhaus mit elf Ebenen bebaut. Nach der Teilungserklärung bilden die Ebenen eins bis drei das Teileigentumsrecht 1 und die Ebenen vier bis elf das (in weitere Sondereigentumseinheiten unterteilte) Teileigentumsrecht 2. Die Klägerin ist Sondereigentümerin des Teileigentumsrechts 1, das über eine eigene Zufahrt verfügt und zusammen mit dem benachbarten Hotelgebäude der Klägerin vermietet ist („Hotelparkhaus“). Die Beklagten zu 1 bis 3 sind die übrigen Wohnungseigentümer; die Beklagten zu 2 und 3 verfügen über die Mehrheit der Stimmen.

2

Aufgrund eines im Jahre 2013 gefassten Mehrheitsbeschlusses werden die nicht zu dem Hotelparkhaus gehörenden Ebenen nicht mehr genutzt. Nach einer Begehung des Hotelparkhauses forderte das Bauordnungsamt die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft mit Schreiben vom 19. Oktober 2016 auf, binnen zwei Monaten Nachweise zu erbringen, dass die brandschutztechnischen Mindeststandards eingehalten sind und die Standsicherheit auch im Brandfall gewährleistet ist. Daraufhin fassten die Wohnungseigentümer am 25. Oktober 2016 zu TOP 10 folgenden Beschluss:

„I.

Die Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses dürfen, insbesondere aufgrund der im Schreiben der Stadt A.     (Bauordnungsamt) vom 19.10.2016 dargestellten Bedenken im Hinblick auf den nicht eingehaltenen Brandschutz, aus Gründen der Verkehrssicherheit ab sofort nicht mehr genutzt werden.

II.

Die Hausverwaltung wird namens und im Auftrag der WEG als Verband beauftragt und bevollmächtigt, die unverzügliche Schließung der Ebenen 1 bis 3 zu erwirken. Diesbezüglich ist die Hausverwaltung berechtigt, die Eigentümer und Nutzer des Parkhauses zur unverzüglichen Beendigung der Nutzung und der weiteren Unterlassung der Nutzung aufzufordern und im Übrigen – soweit die Nutzung nicht freiwillig beendet wird oder nicht unterlassen wird – unter Hinzuziehung eines namens der WEG beauftragten Anwalts gerichtliche Schritte einzuleiten, um das unter Ziffer 1 dargestellte Nutzungsverbot durchzusetzen.

Diesbezüglich wird eine Sonderumlage in einer gesamten Höhe von 10.000,00 € beschlossen, welche nach Miteigentumsanteilen aufzubringen ist.

III.

Die Eigentümergemeinschaft hat einen bestandskräftigen Beschluss darüber gefasst, dass eine Sanierung des Parkhauses insgesamt nicht stattfindet. Vor diesem Hintergrund wird den Eigentümern der Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses gestattet, die im Bereich des Brandschutzes nachzurüstenden notwendigen baulichen Maßnahmen auf eigene Kosten durch einen Fachkundigen prüfen zu lassen und die erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen auf eigene Kosten und im eigenen Namen zu beauftragen.

IV.

Die Hausverwaltung ist bevollmächtigt, den Eigentümern der in den Ebenen 1 bis 3 befindlichen Stellplatzeinheiten die Nutzung der Stellplätze auf den Ebenen 1 und 2 wieder zu gestatten, sobald ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Brandschutz sowie Prüfsachverständiger bzw. die Feuerwehr bestätigt, dass die sich für eine Nutzung der Ebenen ergebenden Erfordernisse des Brandschutzes vollständig erfüllt sind und gegen die Wiederaufnahme der Nutzung keine Bedenken bestehen (…).

Die Gutachter sollen auch Stellung hierzu nehmen, inwieweit Zwischenlösungen oder Notmaßnahmen durchgeführt werden können, so dass gegen die Nutzung keine Bedenken mehr bestehen und die Hausverwaltung den Eigentümern der in den Ebenen 1 bis 3 befindlichen Stellplatzeinheiten die Nutzung der Stellplätze auf den Ebenen 1 und 2 wieder gestatten kann – bis zum Abschluss der gesamten bzw. weitreichenderen Maßnahmen gemäß vorstehendem Absatz. Abweichend zu vorstehendem Absatz – d.h. schnelle Freigabe zur Nutzung – reicht ein Gutachten eines Sachverständigen für Brandschutz (…) aus.

Auch insoweit haben die Eigentümer der Ebenen 1 bis 3 die hierfür anfallenden Kosten der Sachverständigen zu tragen.“

3

Die dagegen gerichtete Beschlussmängelklage der Klägerin hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht – soweit noch von Interesse – zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten zu 2 und 3 beantragen, will die Klägerin weiterhin erreichen, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts (LG München I, ZWE 2021, 170 ff.) ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft aus Gründen der Verkehrssicherheit grundsätzlich befugt, ein auf Dritte bezogenes Betretens- und Nutzungsverbot zu beschließen. Den Wohnungseigentümern selbst als den Miteigentümern des Grundstücks dürfe die Nutzung hingegen nicht untersagt werden, weil das Hausrecht nur gegenüber Dritten bestehe und die Wohnungseigentümer weder berechtigt noch verpflichtet seien, einzelne Wohnungseigentümer vor einer bewussten Selbstgefährdung zu schützen. Da nicht angenommen werden könne, dass die Wohnungseigentümer ihre Regelungsbefugnisse hätten überschreiten wollen, sei der zu TOP 10 gefasste Beschluss bei nächstliegendem Verständnis dahingehend auszulegen, dass den Wohnungseigentümern lediglich untersagt werde, Dritten den Zugang zu dem Parkhaus zu gewähren.

5

Das Nutzungsverbot entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Wohnungseigentümer hätten tätig werden müssen, nachdem ihnen das Schreiben des Bauordnungsamts und ein Gutachten über Brandschutzmängel des Parkhauses vorgelegen hätten. Allerdings sei eine Wohnungseigentümergemeinschaft normalerweise dazu verpflichtet, einen gefahrenträchtigen Zustand zu beheben. Hier habe die Nutzungsuntersagung aber als ultima ratio beschlossen werden können, weil die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet gewesen seien, Brandschutzmaßnahmen zu ergreifen. Da dem Parkhaus kein Restwert mehr zukomme und dem Verkehrswert in saniertem Zustand von ca. 3,6 Mio. € Sanierungskosten von ca. 4,9 Mio. € gegenüber stünden, sei das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört. Infolgedessen schließe § 22 Abs. 4 WEG aF eine Verpflichtung zum Wiederaufbau aus. Diese Norm sei auch dann anwendbar, wenn der Zustand des Gebäudes auf einer mangelnden Instandhaltung beruhe; nach bestrittener, aber zutreffender Ansicht komme es auf die Ursache der Baufälligkeit nicht an. Solange kein Einvernehmen über die weitere Vorgehensweise bestehe, müssten die Belange der nutzungswilligen Wohnungseigentümer allerdings gewahrt werden, indem ihnen erlaubt werde, die Gefahrenstellen auf eigene Kosten zu beseitigen. Dem trage der Beschluss Rechnung, indem er der Klägerin gestatte, die Einhaltung der Brandschutzanforderungen selbst sicherzustellen und dann die Nutzung wiederaufzunehmen.

II.

6

Die Revision hat Erfolg.

7

1. Da § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF auf die vor dem 1. Dezember 2020 erhobene Beschlussmängelklage weiterhin anzuwenden ist (§ 48 Abs. 5 WEG), sind die übrigen Wohnungseigentümer unverändert richtige Klagegegner, wobei die Beklagten zu 1 gemäß § 62 Abs. 1 ZPO als durch die übrigen Beklagten vertreten anzusehen sind (vgl. dazu Senat, Urteil vom 23. Oktober 2015 – V ZR 76/14, NJW 2016, 716 Rn. 13 mwN). In der Sache ist das im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltende Recht maßgeblich (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 2021 – V ZR 33/20, NZM 2021, 475 Rn. 6 a.E.).

8

2. Die angefochtene Entscheidung ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Auslegung des Beschlusses durch das Berufungsgericht der – revisionsrechtlich uneingeschränkten (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292) – Nachprüfung nicht standhält.

9

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht dem Beschluss kein auf das Sondereigentum bezogenes Nutzungsverbot entnimmt. Weil Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft auch Sonderrechtsnachfolger binden, sind sie objektiv und „aus sich heraus“ auszulegen (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 104/15, WuM 2016, 518 Rn. 9; Beschluss vom 10. September 1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292). Die getroffene Regelung lässt sich so verstehen, dass sie (nur) die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums betrifft. Zwar wird zwangsläufig (auch) die Nutzung des Sondereigentums der Klägerin unterbunden, weil die Ebenen 1 bis 3 teils im Sondereigentum und teils zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen (vgl. § 5 Abs. 2 WEG); das lässt aber für sich genommen nicht darauf schließen, dass die Gemeinschaft ihre auf das gemeinschaftliche Eigentum beschränkte Beschlusskompetenz (vgl. dazu Senat, Urteil vom 9. Dezember 2016 – V ZR 84/16, ZMR 2017, 317 Rn. 23 mwN) überschreiten wollte.

10

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält der Beschluss aber, wie die Revision zu Recht geltend macht, ein an jedermann – also auch an die Wohnungseigentümer – gerichtetes Nutzungsverbot.

11

aa) Bei der gebotenen objektiven Auslegung des zu TOP 10 gefassten Beschlusses richtet sich das Nutzungsverbot nicht nur an Dritte, sondern ausdrücklich auch an die Wohnungseigentümer. Der Wortlaut ist eindeutig und entgegen der Ansicht der Revision auch hinreichend bestimmt. Die Ebenen 1 bis 3 dürfen „ab sofort nicht mehr genutzt werden“ (TOP 10 unter I.), die Hausverwaltung ist berechtigt, „die Eigentümer und Nutzer des Parkhauses zur unverzüglichen Beendigung der Nutzung“ aufzufordern (TOP 10 unter II.), und unter bestimmten Voraussetzungen kann „den Eigentümern“ die Nutzung wieder gestattet werden (TOP 10 unter IV.). Das entspricht der in dem Beschluss angeführten Begründung. Mit der Untersagung sollten die aus brandschutzrechtlichen Mängeln des Gebäudes herrührenden Gefahren aus Gründen der Verkehrssicherheit abgewehrt werden. Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit eines solchen Verlaufs konnte jeder Nutzer, also auch ein Wohnungseigentümer, einen Brand auslösen.

12

bb) Ist die Auslegung eindeutig, kann ein davon abweichendes Auslegungsergebnis nicht damit begründet werden, dass der Beschluss – wovon das Berufungsgericht ausgeht – andernfalls rechtswidrig wäre. Zutreffend ist zwar, dass die zur gesetzmäßigen Verwaltung verpflichteten Eigentümer im Zweifel keine rechtswidrigen Beschlüsse fassen wollen (vgl. Senat, Urteil vom 17. April 2015 – V ZR 12/14, ZfIR 2015, 667 Rn. 28; Beschluss vom 23. September 1999 – V ZB 17/99, BGHZ 142, 290, 298). Diese Auslegungsregel gilt aber nur bei Zweifeln. Sollte sich ein Beschluss nach seinem eindeutigen Inhalt teilweise als rechtswidrig erweisen, entscheidet sich nach den Vorgaben von § 139 BGB, ob er im Übrigen aufrechterhalten werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 15. Mai 2020 – V ZR 64/19, NZM 2020, 805 Rn. 16 mwN). Damit hat sich das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht beschäftigt.

III.

13

Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Der zu TOP 10 gefasste Beschluss ist rechtswidrig.

14

1. Allerdings können die Wohnungseigentümer im Grundsatz ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum Zwecke der Gefahrenabwehr beschließen, und zwar – anders, als das Berufungsgericht meint – auch gegenüber den Wohnungseigentümern. Wird – wie hier – ein umfassendes Nutzungsverbot zur Gefahrenabwehr verhängt, handelt es sich nicht um eine Konkretisierung des ordnungsmäßigen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG aF; die Beschlusskompetenz für eine solche Maßnahme kann sich aber aus § 21 Abs. 3 WEG aF ergeben. Nach dieser Bestimmung können die Wohnungseigentümer, soweit eine Regelung durch Vereinbarung nicht getroffen ist, eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen.

15

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich ein solches Nutzungsverbot zwar nicht aus dem im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG aF auszuübenden Hausrecht herleiten. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt (Senat, Urteil vom 29. Mai 2020 – V ZR 275/18, NJW 2020, 3382 Rn. 5; Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 8). Um das Recht, zu bestimmen, wem Zutritt gewährt wird, geht es nicht, wenn – wie hier – Gefahren abgewendet werden sollen, die sich aus der Nutzung des Gemeinschaftseigentums ergeben.

16

b) Zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG aF gehört aber auch die Erfüllung der auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten (vgl. Senat, Urteil vom 13. Dezember 2019 – V ZR 43/19, ZfIR 2020, 433 Rn. 14; Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 161/11, MDR 2012, 701 Rn. 12). Umfasst sind ferner Maßnahmen, die die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften sicherstellen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2017 – V ZR 102/16, ZWE 2017, 367 Rn. 8) oder die allgemein Gefahren für andere Wohnungseigentümer, Dritte oder das Gemeinschaftseigentum (vgl. BayObLG, ZMR 2004, 928) verhindern und eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft abwenden sollen. Sind solche Maßnahmen erforderlich, können sie auch gegenüber den Wohnungseigentümern ergehen, und diesen kann ebenso wie Dritten ein Nutzungsverbot auferlegt werden. Darauf zielt der zu TOP 10 gefasste Beschluss ab; die aus brandschutzrechtlichen Mängeln herrührenden Gefahren sollten abgewehrt werden, um Sach- und Personenschäden durch einen Brand zu verhindern.

17

2. Die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums kann aber jedenfalls dann nur aus zwingenden Gründen und in engen Grenzen untersagt werden, wenn dadurch die zweckentsprechende Nutzung des Sondereigentums eingeschränkt oder – wie hier – sogar vollständig ausgeschlossen wird.

18

a) Zweifelhaft ist hier schon, ob ein vorübergehendes Nutzungsverbot zwingend geboten gewesen wäre. Gestützt war der Beschluss insbesondere auf das Schreiben des Bauordnungsamts der Stadt A.        vom 19. Oktober 2016. Darin setzte das Bauordnungsamt zwar eine Frist zum Nachweis der Einhaltung der brandschutzrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Feuerwiderstandsdauer der tragenden Bauteile, die zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen (vgl. § 5 Abs. 2 WEG); eine öffentlich-rechtliche Nutzungsuntersagung wurde jedoch nicht ausgesprochen, und dem Schreiben lässt sich auch nicht entnehmen, dass eine unmittelbare Gefahr für die Nutzer bestand und die weitere Nutzung bis zur Behebung der Mängel unterbleiben sollte.

19

b) Jedenfalls durfte die Wohnungseigentümergemeinschaft kein dauerhaftes Nutzungsverbot verhängen. Als solches wirkt sich der Beschluss faktisch aus, weil die Beseitigung der Brandschutzmängel des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgen sollte, sondern der Klägerin überantwortet wurde.

20

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats muss das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 – V ZR 203/17, ZfIR 2018, 553 Rn. 10). Deshalb sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, Maßnahmen zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum zu ergreifen, wenn das gemeinschaftliche Eigentum die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Nutzung des Gebäudes nicht erfüllt und einzelne Einheiten aus diesem Grund nicht zu dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Zweck genutzt werden können. Ebenso müssen sie die Behebung gravierender baulicher Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums veranlassen, die eine Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 – V ZR 203/17, ZfIR 2018, 553 Rn. 21 mwN). Die Wohnungseigentümer können sich nicht darauf berufen, dass ihnen die damit einhergehenden Kosten nicht zuzumuten seien (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 12 ff.). Erst recht können sie diese Aufgabe – hier die brandschutzrechtliche Ertüchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, um die Nutzbarkeit der Stellplätze sicherzustellen – nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung auf einzelne Wohnungseigentümer abwälzen.

21

bb) Daraus folgt zugleich, dass die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums aufgrund von baulichen oder bauordnungsrechtlichen Mängeln jedenfalls dann nicht auf Dauer durch Mehrheitsbeschluss verboten werden kann, wenn dadurch die Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigt oder – wie hier – sogar ausgeschlossen wird; die Wohnungseigentümer können sich ihrer Verpflichtung zur Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen nicht durch ein mehrheitlich verhängtes Nutzungsverbot entziehen. Das gilt auch dann, wenn sie solche Maßnahmen in der Vergangenheit bestandskräftig abgelehnt haben, wie es hier der Fall gewesen ist; da ein solcher Negativbeschluss keine Sperrwirkung für die Zukunft entfaltet (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 19. September 2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46, 51), kann er ein späteres Nutzungsverbot nicht rechtfertigen. Ob ein Beschluss über ein solches Nutzungsverbot nur anfechtbar oder wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig ist (jeweils für Nichtigkeit: BayObLG, NZM 2002, 447 zur Stilllegung eines Müllschluckers; OLG Saarbrücken, FGPrax 2007, 114, 115 zur Stilllegung eines Aufzugs; AG München, ZMR 2017, 601 f. zur Stilllegung eines Schwimmbads), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage haben denselben Streitgegenstand (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 19 f.), und die Klägerin hat ihre fristgerecht begründete Klage von Anfang an u.a. darauf gestützt, dass ihr die Nutzung des Sondereigentums dauerhaft unmöglich gemacht werde.

22

cc) Ein dauerhaftes Nutzungsverbot könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn, wie es das Berufungsgericht für richtig hält, eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 22 Abs. 4 WEG aF (nunmehr § 22 WEG) ausgeschlossen wäre; dann müsste die Gefahrenabwehr durch Stilllegung des Gemeinschaftseigentums erfolgen. Infolgedessen ist dieser Gesichtspunkt – anders, als die Revisionserwiderung meint – nicht nur für eine auf Durchführung der Sanierung gerichtete Beschlussersetzungsklage, sondern auch für die im Rahmen der Beschlussmängelklage zu prüfende Wirksamkeit des Nutzungsverbots erheblich. Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann gemäß § 22 Abs. 4 WEG aF der Wiederaufbau nicht nach § 21 Abs. 3 WEG aF beschlossen oder nach § 21 Abs. 4 WEG aF verlangt werden.

23

(1) Es ist umstritten, ob § 22 Abs. 4 WEG aF anwendbar ist, wenn es durch unterlassene Instandhaltung zu Funktionseinbußen des Gebäudes gekommen ist.

24

(a) Nach verbreiteter Ansicht, die sich insbesondere auf eine vorangegangene Entscheidung des Landgerichts München I zu dem Parkhaus der Parteien stützt (ZWE 2017, 325 Rn. 19 ff.), wird auch der langsame Verfall aufgrund unterbliebener Instandhaltung oder Überalterung erfasst. Es komme nicht auf die Ursache des Verfalls, sondern auf den Zustand des Gebäudes an (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 22 Rn. 371; Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 20. Aufl., § 22 Rn. 136; BeckOGK/Kempfle, WEG [1.9.2021], § 22 Rn. 13; BeckOK WEG/Elzer [1.7.2021], § 22 Rn. 7; Erman/Grziwotz, BGB, 16. Aufl., § 22 WEG Rn. 11; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 22 Rn. 7; jurisPK-BGB/Reichel-Scherer, 9. Aufl., § 22 WEG Rn. 277; Soergel/Schäuble, BGB, 13. Aufl., § 22 WEG Rn. 26; Hügel/Grüner, Wohnungseigentum, 5. Aufl., § 13 Rn. 117; Alsdorf, BLGBW 1977, 88; ohne nähere Begründung auch BayObLG, ZMR 2001, 832, 833).

25

(b) Nach der Gegenauffassung kann ein Gebäude nur durch ein unerwartetes, punktuell eintretendes Schadensereignis „zerstört“ werden. Die Vorschrift diene nicht dazu, das Verschleppen von Instandhaltungsmaßnahmen mit dem Wegfall der Sanierungspflicht zu belohnen (vgl. Hogenschurz in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 22 Rn. 4; MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl., § 22 WEG nF Rn. 6; Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 11 Rn. 6, anders allerdings § 22 Rn. 216; Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2018], § 22 WEG Rn. 142; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 22 Rn. 27; Soergel/Weber, BGB, 13. Aufl., § 11 WEG Rn. 6; Bärmann/Pick/Dötsch, WEG, 20. Aufl., § 11 Rn. 9; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 12 Rn. 35; Dötsch, ZfIR 2018, 577, 585; für die Auslegung einer engeren Regelung in der Teilungserklärung KG, NJWE-MietR 1997, 205, 206); sie könne weder auf eine „Verlotterung“ noch auf „Schrottimmobilien“ angewendet werden (so Bärmann/Pick/Dötsch, WEG, 20. Aufl., § 11 Rn. 9).

26

(2) Der Senat hält die zweite Ansicht für richtig und sieht die Sanierungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft daher nicht gemäß § 22 Abs. 4 WEG aF als ausgeschlossen an. Zerstört im Sinne von § 22 Abs. 4 WEG aF (nunmehr § 22 WEG) ist ein Gebäude nur dann, wenn seine Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse (wie Brand, Überflutung oder Explosion) wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist; die Sanierungspflichten der Wohnungseigentümer, die aus der Überalterung bzw. der mangelnden Instandhaltung des Gebäudes herrühren, werden durch die Vorschrift nicht begrenzt.

27

(a) Dafür spricht zunächst der Wortlaut mit dem Zusammenhang von Zerstörung, Wiederaufbau und Versicherungsleistung. Nach dem normalen Sprachgebrauch ist ein Gebäude nur dann zerstört, wenn seine Nutzbarkeit ganz oder teilweise aufgehoben ist. Ein sanierungsbedürftiges Gebäude ist nicht schon deshalb „zerstört“, weil eine Sanierung hohe Kosten verursacht. Dafür, dass die Nutzbarkeit durch ein punktuelles Ereignis aufgehoben worden sein muss, spricht zum einen der Begriff „Wiederaufbau“, der sich auf ein zuvor nutzbares und im Prinzip intaktes Gebäude bezieht, und zum anderen der Umstand, dass der Wiederaufbau unabhängig von dem Ausmaß der Wertminderung erfolgen soll, wenn der Schaden durch eine Versicherungsleistung oder in anderer Weise gedeckt ist. Die Bezugnahme auf eine Versicherungsleistung ergibt nur bei versicherbaren Schäden Sinn, insbesondere solchen, die durch Einwirkungen wie Brand oder Überflutung entstehen, nicht aber bei einem Sanierungsstau; dementsprechend dürfte eine Deckung des Schadens „in anderer Weise“ nur bei Leistungen Dritter (etwa als Schadensersatz oder im Wege öffentlich-rechtlicher Entschädigung) gegeben sein.

28

(b) Bestätigt wird diese Sichtweise dadurch, dass das Gebäude „zu mehr als der Hälfte seines Werts“ zerstört sein muss, damit der Anspruch auf Wiederaufbau ausgeschlossen ist. Bei einem punktuellen Ereignis wie einem Brand bezieht sich der Wertvergleich auf den realen Gebäudewert vor und nach der Zerstörung. Auf einen Sanierungsstau ist das nicht übertragbar. Insoweit fehlt es schon an einem konkreten Zeitpunkt, auf den ein „Vorher-Nachher-Vergleich“ tatsächlicher Werte bezogen werden könnte. Dass nicht reale, sondern fiktive Werte verglichen werden sollen, und wonach diese bestimmt werden sollten, lässt sich der Norm nicht entnehmen. Wenn das Berufungsgericht den (fiktiven) Wert des Parkhauses in saniertem Zustand in ein Verhältnis zu den (fiktiven) Sanierungskosten setzt, entspricht das ebenso wenig den Vorgaben von § 22 Abs. 4 WEG aF wie der Vorschlag, einen (fiktiven) Wert des Gebäudes bei normaler Instandhaltung und Altersabnutzung mit dem tatsächlichen Restwert zu vergleichen (so Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 22 Rn. 375; BeckOGK/Kempfle, WEG [1.9.2021], § 22 Rn. 14). Auch wenn die Gesetzesmaterialien unergiebig sind (vgl. BR-Drucks. 75/51, S. 23), dürften dem Gesetzgeber bei Abfassung der Norm kurz nach Kriegsende im Jahre 1951 Verschlechterungen von Gebäuden durch Bombenangriffe und damit durch punktuelle Ereignisse vor Augen gestanden haben (vgl. Dötsch, ZfIR 2018, 577, 585); darauf deutet auch hin, dass in der Begründung zu einem vorangegangenen Entwurf des Wohnungseigentumsgesetzes vom 30. November 1949, dessen § 20 sich ebenfalls mit der Wiederherstellung im Falle der Zerstörung befasste, von den „geschädigten Eigenwohnern“ und den „Nichtgeschädigten“ die Rede ist (vgl. BT-Drucks. 1/252, S. 25 f.).

29

(3) Eine analoge Anwendung der Norm scheidet ebenfalls aus.

30

(a) Es besteht schon keine planwidrige Regelungslücke.

31

(aa) Der in § 22 Abs. 4 WEG aF geregelte Ausschluss des Wiederaufbaus steht in engem Zusammenhang mit der Aufhebung der Gemeinschaft durch die Rückführung des Wohnungs- in Bruchteilseigentum (vgl. Abramenko in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 11 Rn. 5). Die Aufhebung der Gemeinschaft schließt das Gesetz grundsätzlich aus (§ 11 WEG aF); auch eine Dereliktion des Wohnungseigentums ist nicht vorgesehen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 – V ZB 18/07, BGHZ 172, 338 Rn. 10 ff.). Diese „Bestandsgarantie“ für das Wohnungseigentum durch die Unauflöslichkeit der Gemeinschaft findet die einzige gesetzlich geregelte Ausnahme nach § 11 Abs. 1 Satz 3 WEG darin, dass das Gebäude ganz oder teilweise zerstört wird, eine Verpflichtung zum Wiederaufbau nicht besteht und die Gemeinschaftsordnung für diesen Fall eine Auflösung auf Verlangen vorsieht. Schon das spricht dafür, dass der Ausschluss des Anspruchs auf Wiederaufbau als eng begrenzte Ausnahmevorschrift zu verstehen ist (vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 12 Rn. 35); wie es sich im Falle des „steckengebliebenen“ Baus verhält (insoweit für analoge Anwendung von § 22 Abs. 4 WEG aF Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 22 Rn. 222 ff.; dagegen Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 22 Rn. 392 ff., jeweils mwN), kann dahinstehen.

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(bb) Zudem ist eine erleichterte Aufhebung der Gemeinschaft bei Überalterung des Gebäudes oder Unrentabilität der Sanierung im jüngsten Gesetzgebungsverfahren ausgiebig diskutiert worden (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes von August 2019 unter dem Stichwort „Problemimmobilien“, im Folgenden Abschlussbericht, ZWE 2019, 429, 465 ff.; ferner DAV-Stellungnahme Nr. 9/2020 zum WeMoG, S. 19), ohne dass dies in der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes aufgegriffen worden wäre. Die begrenzte Lebensdauer von Gebäuden könnte auf rechtspolitischen Handlungsbedarf schließen lassen (so Grziwotz, ZfIR 2017, 81, 88; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 12 Rn. 37 f.); eine planwidrige Regelungslücke ist aber nicht erkennbar, nachdem der Gesetzgeber in Kenntnis des Problems von einer Neuregelung abgesehen hat.

33

(b) Darüber hinaus fehlt es auch an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

34

(aa) Das ergibt sich schon daraus, dass der Bezugspunkt für den Wertvergleich, nämlich die plötzliche Zerstörung des Gebäudes, bei einem Sanierungsstau keine funktionelle Entsprechung hat (vgl. oben Rn. 28). Wollte man insoweit den fiktiven Wert des sanierten Gebäudes mit den Sanierungskosten oder den Restwert mit dem fiktiven Gebäudewert bei ordnungsmäßiger Instandhaltung vergleichen, wäre zweifelhaft, ob dies zu sachgerechten Ergebnissen führte. Denn gerade Brandschutzmängel, marode Leitungen oder energetische Defizite lassen sich bei älteren Gebäuden häufig nur mit sehr hohem Sanierungsaufwand beheben; trotzdem kann sich eine Sanierung als rentabel erweisen (vgl. Abschlussbericht, ZWE 2019, 429, 467). Erst recht lässt sich die Angemessenheit der Rechtsfolge des § 22 Abs. 4 WEG aF bei einem Sanierungsstau bezweifeln. Insbesondere bei Wohngebäuden erscheint es nämlich wenig überzeugend, einen Mehrheitsbeschluss über die Sanierung ab dem Erreichen einer Wertgrenze zu untersagen, obwohl die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Nutzbarkeit ihrer Wohnungen dauerhaft sicherstellen möchte; dies gilt umso mehr, als die mit dem unsanierten Gebäude verbundenen Kosten und Haftungsrisiken weiterhin von den Wohnungseigentümern getragen werden müssten, wenn sich ihre Gemeinschaft als unauflöslich erweisen sollte.

35

(bb) Dementsprechend bestand in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes im Hinblick auf „Problemimmobilien“ Einigkeit darüber, dass eine Aufhebung der Wohnungseigentümergemeinschaft de lege ferenda nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen könne; über die Frage, ob neben ein bestimmtes Wertverhältnis (in Anlehnung an § 22 Abs. 4 WEG aF) weitere Kriterien treten sollten, und wenn ja, welche, konnte aber gerade keine Einigkeit erzielt werden. Diskutiert wurden sehr unterschiedliche Vorgaben, nämlich die nicht mehr gegebene Nutzbarkeit oder die Unveräußerlichkeit (jeweils entweder der Mehrzahl der Einheiten oder aller Einheiten) oder ganz allgemein die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Gemeinschaft (vgl. Abschlussbericht, ZWE 2019, 429, 467). Die mit dem Ausschluss des Wiederaufbaus zusammenhängende rechtspolitische Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gemeinschaft gegen den Willen einzelner Wohnungseigentümer beendet werden kann, darf nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, sondern nur durch den Gesetzgeber entschieden werden.

36

(4) Allerdings handelt es sich hier nicht um ein Wohngebäude, sondern um ein Parkhaus und damit um ein gewerbliches Objekt, bei dem die Sanierung in erster Linie wirtschaftlich zu betrachten ist. Eine Gesamtsanierung könnte sich als unrentabel darstellen, weil das Gebäude nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Restwert hat und die Sanierungskosten den Wert des sanierten Gebäudes bei weitem übersteigen würden. Der Senat hat es in einer früheren Entscheidung für möglich gehalten, dass in Fällen der wirtschaftlichen Wertlosigkeit des Wohnungs- oder Teileigentums („Schrottimmobilie“) unter Berücksichtigung des § 22 Abs. 4 WEG aF zugrundeliegenden Gedankens nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch jedes Wohnungseigentümers gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Aufhebung der Gemeinschaft in Betracht kommen könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 – V ZB 18/07, BGHZ 172, 338 Rn. 17). Die einzelnen Kriterien des § 22 Abs. 4 WEG aF sind für einen solchen Aufhebungsanspruch allerdings nicht maßgeblich. Denn angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung in § 11 WEG aF für die Unauflöslichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft könnte ein auf Treu und Glauben gestützter Aufhebungsanspruch nur in äußerst engen Grenzen in Betracht kommen, und er erforderte jedenfalls eine umfassende Abwägung, in die auch die Interessen der weiterhin nutzungswilligen Sondereigentümer einfließen müssten. Ob ein solcher Anspruch hier in Betracht kommt, kann der Senat nicht beurteilen, da Gegenstand des Verfahrens nur die Wirksamkeit des Nutzungsverbots ist.

IV.

37

1. Da die Sache zur Entscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der angefochtene Beschluss ist für ungültig zu erklären. Einer Unterscheidung zwischen der Nichtigkeit und der Anfechtbarkeit des Beschlusses, wie sie die Klägerin mit Haupt- und Hilfsantrag begehrt, bedarf es nicht, weil es sich um denselben Streitgegenstand handelt (vgl. oben Rn. 21).

38

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

  • Stresemann
  • Brückner
  • Göbel
  • Malik
  • Laube